Penicillin und Lyme-Borreliose

G. Stanek
Klin. Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Abt. Infektionsimmunologie, Medizinische Universität Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. M. Rotter)

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Vorgeschichte

Im Jahr 1883 beschrieb Alfred Buchwald (1883) aus Breslau eine „diffuse, idiopathische Hautatrophie“, die bei einem 36-jährigen Patienten bereits über 16 Jahre bestanden hatte. Aufgrund der Schilderung des Falles und der histologischen Bilder handelte es sich dabei um die erstmalige Beschreibung der chronisch progredienten Dermato-Borreliose Acrodermatitis chronica atrophicans. Weitere Fallberichte über die atrophische und auch die entzündliche Phase der Erkrankung kamen dazu. 1902 beschrieben Herxheimer und Hartmann die Entwicklung dieser Hauterkrankung von einer frühen entzündlichen Phase in eine späte chronische und benannten das Krankheitsbild Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA). Das gesamte Spektrum der Erscheinungen wurde in den Jahren danach beschrieben, nämlich Haarverlust, makuläre Atrophie (Anetoderma), sklerodermieartige Veränderungen, ulnare Bänder, fibroide Knoten (Herxheimer & Schmidt 1910) und das typische Erscheinungsbild der chronisch atrophischen Haut, wie „zerknülltes Zigarettenpapier“ (Abbildung 1). Später wurde beobachtet, dass einige Patienten an Gelenksschmerzen litten, bevor sich die ACA entwickelte (Jessner 1921, Ehrmann & Falkenstein 1925), und dass bei mehr als 10% der ACA-Patienten Gelenksveränderungen vorlagen (Jessner & Loewenstamm 1924).

Histopathologische Veränderungen wurden ursprünglich schon von Buchwald (1883) beschrieben. Ehrmann und Falkenstein (1925) veröffentlichten Studienergebnisse, wobei sie auf eine Analogie der histologischen Veränderungen bei Syphilis und ACA hinwiesen. Insbesondere die große Zahl von Plasmazellen und die Ausbreitung der entzündlichen Infiltrate entlang der perivenösen Lymphgefäße führten zu diesem Vergleich. Sie postulierten die kontinuierliche Ausbreitung des „Virus“ entlang der Gefäße sowie seine gelegentliche Ausbreitung über die Blutbahn.

Im Oktober 1909 berichtete Arvid Afzelius (1910) bei einem Dermatologen treffen in Stockholm über die Entwicklung eines „Erythema migrans“ bei einer Patientin nach Zeckenstich. Im selben Jahr beschrieb Wilhelm Balban aus Wien (1910) detailliert die Entwicklung von annulären Erythemen bei drei Patienten. 1913 beschrieb Benjamin Lipschütz aus Wien einen Fall von „Erythema chronicum migrans“. Er beobachtete die Ausbreitung der Hautläsion, die von der Kniekehle ausging, über sieben Monate. Das Erythem erstreckte sich schließlich über den Oberschenkel und den Rücken bis zum Nacken und schwand dann spontan. Lipschütz vermerkte, dass die histologischen Veränderungen völlig unspezifisch waren (Lipschütz 1913). Später berichtete Lipschütz von einem Patienten mit zwei gleichzeitig bestehenden Erythema migrans-Läsionen (Lipschütz 1923).

Im Jahr 1911 beschrieb Jean Louis Burckhardt aus Basel erstmals ein solitäres Lymphozytom (Burckhardt 1911), das bei einer 60-jährigen Frau als erythematöser Plaque (2 x 6 cm) über einige Wochen am Oberarm zu beobachten war. Histologisch zeigte sich Lymphgewebe mit Keimzentren, einem Lymphknoten vergleichbar. Biberstein (1923) verwendete erstmals den Begriff Lymphozytom. Bo Bäfverstedt aus Stockholm gab in einer Monografie eine umfassende Darstellung von gutartigen, solitären und multiplen Pseudolymphomen der Haut. Er fand, dass zwei Drittel der solitären Lymphozytome im Bereich des Kopfes auftreten und dass Prädilektionsstellen für solitäre Lymphozytome Ohrläppchen, Brustwarze, Skrotum und Vulva sind (Bäfverstedt 1943).

Im Jahr 1922 veröffentlichten Ch. Garin und R. Bujadoux (1922) einen Bericht über einen 58-jährigen Patienten, Schafzüchter von Beruf, der nach einem Zeckenstich Mitte Juni 1922 ein markantes Erythem entwickelte und hierauf etwa einen Monat später „geradezu von der Krankheit überfallen wurde, in einer raschen, schmerzhaften, beunruhigenden und in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Art“. Er wurde mit „Schmerzen in den Beinen, am Rumpf und rechten Arm, begleitet von Lähmungen und Atrophie des rechten Deltamuskels “ ins Krankenhaus aufgenommen. Anamnestisch war dieser Patient auffallend leer. Er wurde „in eine gesunde Familie hineingeboren, war selbst immer gesund, verheiratet mit einer gesunden Frau, die niemals eine Fehlgeburt erlitt, ihm drei stets gesunde Söhne gebar ...“. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich und nahm schließlich innerhalb von 2,5 Monaten einen Spontanverlauf mit Restdefekt, einer Bewegungseinschränkung des rechten Armes. Der Bericht ist deshalb so interessant, weil er retrospektiv die erste Schilderung des heute sogenannten Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndroms gibt. Allerdings stellten die Autoren noch keinen Zusammenhang mit dem Erythem her. Das erfolgte erst später durch Sven Hellerström aus Stockholm (1930), der über einen Patienten berichtete, welcher drei Monate nach dem Auftreten eines Erythema migrans eine Meningoenzepahlitis entwickelte.

Im Jahr 1941 beschrieb Alfred Bannwarth aus München ein Syndrom, das er mit „Chronisch lymphozytäre Meningitis mit dem klinischen Bild der Neuralgie oder Neuritis“ umschrieb. Er unterschied drei Gruppen: Patienten mit intensiven Nervenwurzelschmerzen, jüngere Patienten mit Fazialislähmung und Patienten mit chronisch lymphozytärer Meningitis mit zerebralen Symptomen wie starke Kopfschmerzen und Erbrechen. Gemeinsam war allen Patienten, dass sie einen entzündlichen Liquor hatten, eine lymphozytäre Pleozytose (Abbildung 2). Typisch für diese Erkrankungen war auch, dass die heftigen Nervenschmerzen besonders intensiv in der Nacht auftraten. Die Symptome dieser Meningoradikuloneuritis schwanden erst nach Wochen oder Monaten. Trotz dieser Einsicht in den Krankheitsverlauf übersah Bannwarth den kausalen Zusammenhang zwischen Zeckenstich, Erythema migrans und Meningitis. Er interpretierte die Krankheitserscheinungen als rheumatisch-allergischen Ursprungs (Bannwarth 1941, 1944).

Bis in die Mitte der 1940er Jahre waren also die klinischen Bilder der typischen Erkrankungen von Haut und Nervensystem der heutigen Lyme-Borreliose bekannt. Darüber hinaus gab es Berichte über Gelenkserkrankungen und auch über Myalgie, Müdigkeit und schwere Arthralgie, begleitet von Myokarditis (Stadelman 1934). Die heute charakteristischen Krankheitsbilder wurden jedoch nicht in einem nosologischen und noch gar nicht in einem ätiologischen Zusammenhang gesehen.


Abbildung 1:
Acrodermatitis chronica atrophicans.
Atrophe, zigarettenpapierartig gefältelte Haut


Abbildung 2:
Lympho-plasmazelluläre Pleozytose im Liquor cerebrospinalis
bei Meningopolyneuritis Garin-Bujadoux-Bannwarth

 

Penicillin betritt die Szene

Penicillin, eines der ersten Antibiotika und immer noch von größtem Nutzen, kam nach dem Zweiten Weltkrieg in allgemeine Verwendung. Von Niels Thyresson in Stockholm wurden 57 Patienten mit ACA behandelt und über 2 Jahre nachbeobachtet (Thyresson 1949). Zwanzig Patienten wurden vollständig bis deutlich gebessert, 15 zufriedenstellend und 5 zeigten nur eine geringfügige Besserung ihrer Hauterkrankung. Dazu beobachtete Thyresson, dass fibroide Knoten sowie Empfindungsstörungen, die bei einigen Patienten vorlagen, geschwunden waren. Schließlich beobachtete er auch eine Normalisierung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, die bei ACA sehr oft erhöht ist. Der therapeutische Nutzen von Penicillin wurde durch Ergebnisse anderer Untersucher bestätigt (Brunner 1951, Götz & Ludwig 1951).

Der Therapie-Erfolg mit Penicillin stellte erneut die Frage nach den Erregern. Es war nun klar, dass Bakterien eine Rolle spielen müssen, aber über ihre Natur und Herkunft gab es noch keine Klarheit. Walter Hauser aus Würzburg (1955) wertete den klinischen Verlauf von 234 Patienten mit ACA aus und fand, dass es nicht nur Patienten mit vorausgegangenem oder begleitendem Erythema migrans gab, sondern stellte fest, dass die Patienten überwiegend aus Gebieten stammten, in denen Ixodes ricinus stark verbreitet ist.

In einem Selbstversuch inokulierte Hans Götz von der dermatologischen Universitätsklinik München sich selbst und drei seiner Kollegen Haut eines ACA-Patienten. Neben Überempfindlichkeit, Gelenksschmerzen und Periostschmerzen zeigte sich eine Erythema migrans-ähnliche Läsion. Alle Symptome schwanden nach Behandlung mit Antibiotika (Götz 1954/1955). Mit der geografischen Verbreitung von ACA beschäftigte sich Danda (1963), der herausfand, dass ACA hauptsächlich in Zentral-, Nord- und Osteuropa verbreitet ist und nur sehr selten in anderen Gegenden Europas und den USA.

Hanns Christian Hopf (1966) wies an einem großen Patientengut nach, dass die periphere Neuropathie vom distalen Typ ein Teil des klinischen Bildes bei länger bestehender ACA ist. Die Langzeitbeobachtung einer Gruppe von ACA-Patienten brachte Begleiterscheinungen zutage wie Arthritis und Arthralgien, Herzerkrankungen und zerebrale Beteiligung, die Hopf zunächst nicht ursächlich mit ACA verband. Allerdings konnte er bei einem Patienten mit ACA, Gewichtsverlust, intermittierendem Herzrasen, Atembeschwerden, Schwindelanfällen, Lymphknotenschwellung, Milzschwellung, Veränderungen an Finger- und Zehengelenken, und mit Enzephalitis zeigen, dass eine parenterale Penicillinbehandlung prompt zur Besserung führte (Hopf 1966).

Auch das Erythema migrans wurde intensiv studiert und behandelt. Hollström (1951) berichtete über die erfolgreiche Penicillin-Behandlung von Patienten mit Erythema migrans einschließlich eines Patienten mit Meningitis, wobei er, verglichen mit unseren Dosierungsempfehlungen, sehr niedrige Dosen verwendete. Mit Erythema migrans wurden ebenfalls Übertragungsversuche durchgeführt und waren erfolgreich (Binder et al.1955). Auch multiple Erythema migrans-Läsionen wurden erstmals beschrieben (Sonck 1965).

Das Borrelien-Lymphozytom, wie die Lymphadenosis benigna cutis Bäfverstedt von Klaus Weber spezifischer benannt worden ist (Weber et al.1985), wurde erstmals 1950 von Bianchi erfolgreich mit Penicillin behandelt.

Bei Erkrankungen des Nervensystems wurden interessanterweise hauptsächlich ihr klinischer Verlauf und ihre Liquor-Veränderungen studiert. Besonders lesenswert sind die detaillierten Beschreibungen von Schaltenbrand (1967), Bammer und Schenk (1965) und von Hörstrup und Ackermann (1973). Auf letztere Autoren geht auch die aktuelle Bezeichnung „Meningopolyneuritis Garin-Bujadoux-Bannwarth“ zurück.

Im Jahr 1974 beobachtete der Dermatologe Klaus Weber aus München einen Patienten mit Erythema migrans, der trotz erfolgreicher Behandlung der Hautläsion mit oralem Penicillin eine Meningitis entwickelte. Die Meningitis wurde prompt mit hohen Dosen intravenösem Penicillin geheilt. Damit war für Weber klar, dass ein Bakterium für das Erythema migrans und die damit verbundenen Erkrankungen verantwortlich sein muss. Weber führte Ausschlussstudien durch, die auf serologischen Testergebnissen beruhten und schloss Rickettsien, Francisella und andere Bakterien aus und diskutierte Borrelien als wahrscheinlichste Möglichkeit (Weber 1974). Weber, dem selbstverständlich wie den anderen Forschern dieser Zeit die Überträgerrolle von Ixodes-Zecken bestens bekannt war, hatte also das Rätsel logisch gelöst. Allerdings stand der Überprüfung ein Dogma der damaligen Akarologie (Zeckenforschung) im Weg, nämlich, dass Schildzecken keine Borrelien tragen.

 

Die Lyme-Krankheit und die Entdeckung von Borrelien in Schildzecken

Mitte der 1970er Jahre beobachteten Allen C. Steere und Mitarbeiter in den Ortschaften Lyme, Old Lyme und East Haddam in Connecticut, USA, eine Häufung von Gelenkentzündungen bei Kindern, die nach Zeckenstich und Hauterythem auftraten. Diese neue Arthritis-Form wurde als Lyme-Arthritis bezeichnet (Steere et al. 1977). Im Lauf der folgenden Jahre stellte sich die Vielfalt der Erkrankung heraus, die Haut, Gelenke, Nervensystem, Herz, Augen und andere Organe umfasst. Ein Student aus Skandinavien gab damals den Hinweis, dass das expandierende Erythem dem Erythema chronicum migrans in Europa entspräche (persönl. Mitteilung). Man dachte in den USA jedoch an eine völlig neue klinische Entität und nannte sie Lyme-Krankheit (Steere & Malawista 1979).

Die Entdeckung des Erregers der Lyme-Krankheit erfolgte zufällig Anfang der 1980er Jahre durch Willy Burgdorfer (1982). Bis dahin galt unter den Akarologen (Zeckenforschern) der Grundsatz, dass Schildzecken frei von Borrelien seien. Schließlich wurden mithilfe des von Alan G. Barbour modifizierten Kelly-Kulturmediums (Kelly 1971, Barbour 1984) die Krankheitserreger aus Haut, Blut und Liquor von Patienten mit vermuteter Lyme-Krankheit fast zeitgleich in den USA und in Europa angezüchtet (Ackermann 1983, Benach et al. 1983, Steere et al. 1983, Asbrink 1984, Pfister H. W. et al. 1984). Die ätiologische Einheit von Haut-, Nervensystem-, Gelenks- und Herzerkrankungen und Erkrankungen anderer Organsysteme schien gegeben.

Bald darauf zeigte sich, dass die Erreger der Schildzecken-Borreliose in Europa im Vergleich mit den Erregern in den USA sehr heterogen sind, sich die Krankheitserscheinungen ebenfalls graduell unterscheiden (Stanek et al. 1985, Wilske et al. 1985).

 

Der Borrelia burgdorferi sensu lato-Komplex

Das ursprünglich als Spirochäte der Lyme-Krankheit bezeichnete Bakterium wurde 1984 als neue Borrelienart identifiziert und Borrelia burgdorferi genannt (Johnson et al. 1984). Diese Borrelie zeigt dasselbe Aufbauprinzip wie andere Organismen der Spirochäten-Familie. Eine Außenmembran umschließt Endoflagellen und den Protoplasmazylinder, der von einer Zellmembran umgeben ist. Sieben bis 12 Endoflagellen entspringen jeweils an den Enden des Protoplasmazylinders, winden sich um ihn und enden frei in der Mitte (Abbildung 3). Im Unterschied zu Gram-negativen Bakterien enthält die Außenmembran von Borrelia burgdorferi hauptsächlich Lipoproteine und einen relativ kleinen Anteil an Proteinen mit membranumspannenden Verbindungen. Borrelien besitzen die Eigenschaft, Strukturen ihrer Außenmembran umzugestalten, Antigene zu variieren, um während des Infektionszyklus einerseits die Kompartimente von Vektoren zu durchsetzen und andererseits den Abwehrmechanismen im Wirbeltierwirt zu entgehen. Sehr gut charakterisierte Oberflächenproteine sind die Lipoproteine OspA (outer surface protein), OspB und OspC, wobei diese im periplasmatischen Spalt sozusagen deponiert werden können. Ein Phänomen, das in seinen Details immer besser verstanden wird, ist der Wechsel der Expression von Osps. In der ungesogenen Zecke findet sich OspA, mit dem Borrelien wahrscheinlich an den Epithelzellen des Zecken-Mitteldarms anhaften. Sobald durch eine Blutmahlzeit die Temperatur im Mitteldarm ansteigt und sich das pH ändert, wird die OspA-Expression zugunsten der OspC-Expression unterdrückt (Abbildung 4). Mit OspC an der Oberfläche können Borrelien den Zeckendarm verlassen, in die Speicheldrüsen und schließlich in den nächsten Wirbeltierwirt gelangen. Diese Beobachtung führte zu einem neuen Impfstoffkonzept, bei dem nach Impfung mit einem OspA-Impfstoff eine ausreichende Konzentration von OspA-Antikörpern im Blut vorhanden sein muss, um bei der Blutmahlzeit einer Zecke die in ihrem Mitteldarm vorhandenen Borrelien abtöten zu können. Mitreguliert werden die Zellvorgänge der Borrelien durch ein besonderes Genom, das aus einem linearen Chromsom mit etwa 900 kbp sowie 21 oder mehr extrachromosomalen Elementen zwischen 56 und 6 kbp, nämlich linearen und zirkulären Plasmiden besteht.


Abbildung 3: Schematischer Längs- und Querschnitt durch eine Borrelie. Die Endoflagellen, welche das p41-Antigen tragen, sind unter der äußeren Zellwand lokalisiert. Dieses „Design“ erlaubt dem Bakterium auch in hochviskösen Medien beweglich zu bleiben.


Abbildung 4:
Schematische Darstellung der Blutmahlzeit einer Schildzecke. Das aufgenommene Blut erhöht Temperatur und pH im Mitteldarm der Zecke und führt, vereinfacht gesprochen, zur Expression des Oberflächenproteins C (OspC). Mit OspC erfolgt dann die Ausbreitung der Borrelien in die Speicheldrüsen und in den Blutwirt.

Wir unterscheiden heute neben Borrelia burgdorferi sensu stricto zahlreiche weitere so genannte Genospezies, die sich geografisch unterschiedlich verteilen (Tabelle 1). Als humanpathogene Arten gelten Borrelia afzelii, Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia garinii, sowie das noch nicht verbindlich benannte Borrelien-Isolat A14S.

Tabelle 1: Geografische Verbreitung von Borrelia burgdorferi sensu lato-Genospezies und Schildzecken-Vektoren (I.= Ixodes, H.= Hyalomma). Die schattierten Felder markieren Krankheitserreger und ihre Überträger (modifiziert nach Masuzawa 2004)

   Spezies
Europa
West-
Russland
Ost-
Russland
Nord-
Amerika
China
Nepal
Japan
   B. afzelii
I. ricinus
I. persulcatus
-
-
-
I. persulcatus
   B. burgdorferi
   sensu stricto
I. ricinus
-
I. scapularis
I. pacificus
-
-
-
   B. garinii
   (eurasischer Typ)
I. ricinus
I. persulcatus
-
-
-
I. persulcatus
   B. garinii
   (asiatischer Typ)
-
I. persulcatus
-
-
-
I. persulcatus
   a) Isolat A14S
I. ricinus
-
-
-
-
-
   B. andersonii
-
-
I. dentatus
-
-
-
   b) B. bissettii
I. ricinus?
-
I. spinipalpis
I. pacificus
-
-
-
   B. japonica
-
-
-
-
-
I. ovatus
   c) B. lusitaniae
I. ricinus
-
-
-
-
I. columnae
   B. sinica
-
-
-
I. ovatus
-
-
   B. tanukii
-
-
-
-
I. tanuki
I. tanuki
   B. turcica
H. aegyptium
-
-
-
-
-
   B. turdi
-
-
-
-
-
I. turdus
   B. valaisiana
I. ricinus
-
-
-
-
-
   B. valaisiana
   -related
-
-
-
I. granulatus
-
I. granulatus

   a) neue Spezies, der Name B. spielmani wurde vorgeschlagen
   b) vermutlich auch in Europa verbreitet
   c) vermutlich Krankheitserreger in Portugal und Nordafrika

 

Behandlung der Lyme-Borreliose mit Penicillin

Die Ermittlung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) von Antibiotika gegenüber Borrelien ist methodisch ein weitaus komplizierteres Unterfangen als die MHK-Bestimmung mit schnell wachsenden Krankheitserregern. Es wurden Mikrosysteme entwickelt, in denen die Bedingungen für das Wachstum der Borrelien konstant gehalten werden konnten. Die MHKs von Penicillin G variierten relativ stark je nach Borrelienart, überschritten jedoch den Empfindlichkeitsbereich nicht (Baradaran-Dilmaghani & Stanek 1996, Hunfeldet al. 2000).

Wesentlich für die Beurteilung der Wirksamkeit sind selbstverständlich die Ergebnisse klinischer Studien. Phenoxymethylpenicillin, Penicillin V (Spitzy 2000), wurde von Anfang an zur Behandlung des Erythema migrans sehr erfolgreich eingesetzt (Neumann et al. 1987). Ergebnisse einer erst kürzlich veröffentlichten Langzeitbeobachtungs-Studie aus Schweden unterstreichen diese Aussage neuerlich. 708 Patienten mit Erythema migrans als einzige Manifestation der Lyme-Borreliose wurden mit Penicillin V (80%), Doxycyclin (15%) und der Rest mit anderen oralen Antibiotika behandelt. Die Behandlung erwies sich als äußerst wirkungsvoll, 98% komplette Heilung mit Penicillin V. In Schweden wird daher aktuell Phenoxymethylpenicillin zur Behandlung der frühen Lyme-Borreliose empfohlen, sofern keine Zeichen einer disseminierten oder eine Ko-Infektion mit anderen von Zecken übertragbaren Krankheitserregern vorliegt (Bennet et al. 2003).

Zur Behandlung des solitären Erythema migrans und des Borrelien-Lymphozytoms (frühe Lyme-Borreliose) wird empfohlen, die Tagesdosis von Penicillin V auf zwei bis drei Einzelgaben aufzuteilen. Eine Tagesdosis von 25.000 I.E. Phenoxymethylpenicillin pro kg Körpergewicht sollte bei Kindern und Erwachsenen nicht unterschritten werden. Dosierungen bis 6.0 Mega I.E. Phenoxymethylpenicillin pro Tag werden von Erwachsenen komplikationslos vertragen. Die Behandlungsdauer ist oft mit 10 Tagen ausreichend, wird gewöhnlich aber mit 2 Wochen angegeben. Der Effekt einer zweiwöchigen Gabe von Phenoxymethylpenicillin im Vergleich mit anderen Antibiotika zur Behandlung des solitären Erythema migrans bei Kindern und bei Erwachsenen wurde ebenfalls für wirksam befunden (Strle et al. 1992, Arnez et al. 1999, Arnez et al. 2002). Nach Ergebnissen einer jüngst präsentierten Studie aus Österreich erwies sich die Behandlung des Erythema migrans mit Penicillin V über zwei Wochen bei Erwachsenen als ebenso wirksam wie eine über drei Wochen (Aberer et al. 2005).

Auch das Borrelien-Lymphozytom spricht sehr gut auf eine Behandlung mit Phenoxymethylpenicillin an (Strleet al. 1996).

Patienten mit Neuroborreliose und schwerer Lyme-Karditis werden mit Ceftriaxon oder mit Penicillin G intravenös für 2 - 3 Wochen behandelt. Wolfgang Kristoferitsch aus Wien hatte die seltene Möglichkeit, den Spontanverlauf zahlreicher Patienten mit Bannwarth-Syndrom mit dem von antibiotisch behandelten zu studieren, da er bereits Ende der 1970er Jahre sehr intensiv an der klinischen Symptomatik und an der ursächlichen Klärung dieses variablen Syndroms arbeitete (Kristoferitsch et al. 1983). Während im Spontanverlauf etwa 25 Wochen bis zu einer restitutio ad integrum vergehen, führt die frühe, in den ersten drei Wochen nach Krankheitsbeginn einsetzende Behandlung mit geeigneten Antibiotika zu einer sehr raschen Besserung insbesondere des Schmerzsyndroms (Kristoferitsch et al. 1987, Kristoferitsch 1989).

Falldefinitionen, Indikationen für Laboratoriums-Untersuchungen, Dosierung von und Behandlungsdauer mit Penicillinen sind in einem Seminarartikel zusammengefasst (Stanek & Strle 2003).

 

Schluss

Penicillin begleitet die Behandlung der Lyme-Borreliose von Anfang an. Die Möglichkeit einer gezielten Behandlung hat bei dieser Infektionskrankheit interessanterweise nicht zu einem Abbruch der Forschungsaktivitäten geführt. Kürzlich vertraute mir Allen C. Steere bei der „10th International Conference on Lyme Borreliosis and Other Tick-Borne Diseases“, die Mitte September 2005 in Wien stattgefunden hat, an, dass er vor 20 Jahren dachte – als ich die erste derartige Konferenz in Wien organisierte – das sei nun der Abschluss der Lyme Disease-Forschung. Denn es war alles geklärt, das klinische Spektrum, die Spirochäten-Ätiologie und die Behandlungsmöglichkeiten. Das Gegenteil war der Fall. Aufgrund der zahlreichen offenen Fragen, die während der Konferenz im Jahr 1985 aufkamen, wurden Mediziner und Wissenschafter verschiedener Fachrichtungen zu Forschungstaten angeregt. Eine unerwartete Renaissance auf dem Gebiet der Borrelien- und der Schildzeckenforschung brach an, und wird durch die eben abgeschlossene Konferenz weiterhin beflügelt werden. Das sich vergrößernde Europa der EU ermöglicht dazu eine weithin vernetzte Zusammenarbeit. Mit der Hoffnung auf viele gute Jahre setzte ich hier meinen Schlusspunkt.

 

Literatur:

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Anschrift des Verfassers:
Univ. Prof. Dr. med. Gerold Stanek
Klinisches Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie
Abteilung Infektionsimmunologie, Medizinische Universität Wien
A-1095 Wien, Kinderspitalgasse 15

Email gerold.stanek@meduniwien.ac.at

 

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