Die perioperative
Antibiotika-Prophylaxe ist unter strenger Einhaltung der Asepsis
eine gut dokumentierte Methode, die postoperative Wundinfektionsrate
deutlich zu senken. In Abhängigkeit vom Kontaminationsgrad,
den Risikofaktoren des Patienten, dem richtigen Zeitpunkt der
AB-Gabe, der adäquaten Auswahl des Antibiotikums kann die
perioperative AB-Prophylaxe nicht nur postoperative Wundinfektionen
stark vermindern, sondern auch die hohen Kosten einer postoperativen
Wundinfektion minimieren.
Die perioperative Antibiotika-Prophylaxe
ist fünf Jahrzehnte nach ihrer Einführung unvermindert
Gegenstand kontroverser Diskussionen. Laut NIDEP-Studie können
sich nur ca. 80% der Operateure zu einer Antibiotikaprophylaxe
durchringen. Allerdings muss festgehalten werden, dass für
die meisten elektiven Eingriffe der Kategorie „sauber“
verwertbare klinische Daten fehlen, da sich diese statistisch
wegen der Notwendigkeit umfangreicher Stichprobengrößen
kaum sichern lassen.
Die traditionelle Wundklassifikation
nach Cruse (Tabelle 1) genügt heute
nicht mehr den Anforderungen, ein Infektionsrisiko zu beschreiben.
Zahlreiche patienteneigene (Tabelle 2) und
chirurgisch-technische Risiken sind beschrieben
worden, die in Studien mit erhöhtem postoperativen Infektionsrisiko
korrelieren. Solche Risikofaktoren können auch bei einem
„sauberen“ Eingriff, bei nicht kontaminiertem oder
infiziertem Gewebe zu infektiösen Komplikationen führen
(wie z. B. Operationstechnik, Rezidiveingriffe, perioperative
Hygienemaßnahmen, längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt,
Fremdkörperimplantationen, Blutverlust bzw. Bluttransfusion
usw.).
Tabelle
1: Traditionelle Wundklassifikation nach Cruse
Tabelle
2: Patienteneigene Risikofaktoren
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>
ASA > 3
(Anästhesie Risiko Score) |
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Tabelle
3: National Nosocomial Infection Surveillance
System
Je
ein Score für |
- Operationsdauer
> T Stunden
|
- intrinsisches
Patientenrisiko:
ASA > 3
|
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-
kontaminiert |
-
infiziert |
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Tabelle
4: Indikationen für perioperative AB-Prophylaxe
- Hohe
Infektionsrate infolge
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-
OP in kontaminiertem Gebiet |
-
lang andauernde OP |
-
hohes Patientenrisiko > ASA 3 |
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- Infektionsrate
niedrig, Morbidität/Letalität
hoch
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-
Neurochirurgie |
-
Orthopädie |
-
Gefäß- und Kardiochirurgie |
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Eine generelle
Antibiotika-Prophylaxe bei allen aseptischen Eingriffen wird
derzeit zu Recht abgelehnt. Es gibt aber Hinweise, dass besonders
Patienten mit hohen Infektionsrisiken bei aseptischen Eingriffen
von einer Antibiotika-Prophylaxe profitieren.
Im Schnitt beträgt die Häufigkeit nosokomialer Infektionen
zwischen 3,5 – 4,5%. Der Anteil der chirurgischen
postoperativen Wundinfektionen liegt bei etwa 15%.
Da
Wundinfektionen den Krankhausaufenthalt wesentlich verlängern,
sind sie ein erheblicher Kostenfaktor im Krankenhaus. Eine effektive
Antibiotikaprophylaxe besitzt ein bedeutendes Potenzial für
Kostensenkung in der Chirurgie. Als Risikofaktoren für
eine postoperative Wundinfektion gelten neben den patienteneigenen
und präoperativen Risikofaktoren ein hoher NNIS-Score (National
Nosocomial Inf. Surveillance Score) (Tabelle
3).
Abbildung 1 zeigt das Wundinfektionsrisiko
mit dem NNIS-Gesamtscore gut korreliert. In zahlreichen Studien
konnte auch ein direkter Zusammenhang zwischen Operationsdauer
und Wundinfektionshäufigkeit dokumentiert werden. Dieser
Zusammenhang gilt auch bei so genannten „sauberen“
Operationen.
Abbildung 1: Wundinfektionsrisiko
und NNIS-Score
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Die Indikation zur perioperativen Prophylaxe (Tabelle
4) wird anhand der Wundklassifikation und aufgrund zusätzlicher
Risikofaktoren des Patienten erstellt. Bei allen Patienten mit
der Wundklassifikation „sauber-kontaminiert“ und
„kontaminiert“ wird sie unabhängig von weiteren
Faktoren durchgeführt. Auch bei aseptischen Eingriffen
mit Fremdkörperimplantationen ist die Antibiotikagabe etabliert.
Bei „sauberen“ oder „sauber-kontaminierten“
Eingriffen ist die Indikation abhängig vom Vorliegen der
patienteneigenen und präoperativen Risikofaktoren.
Zeitpunkt,
Dauer der AB-Prophylaxe:
Im klinischen Routineablauf bietet sich die intravenöse
Verabreichung zum Zeitpunkt der Narkoseeinleitung, also etwa
30 bis 60 Minuten vor dem Hautschnitt an. Die Wundinfektionsrate
nimmt mit jeder Stunde nach dem Hautschnitt signifikant zu,
wenn die Antibiotikagabe länger als eine Stunde vor Operationsbeginn
erfolgt. Jede Antibiotikagabe nach Wundverschluss hat keinen
Einfluss auf die Wundinfektionsrate (Abbildung
2).
Abbildung 2: Infektionsrate
in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Verabreichung einer
perioperativen Antibiotikaprophylaxe
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Eine
einmalige Gabe des Antibiotikums in Normaldosierung ist für
eine effektive Prophylaxe von unter 2,5 Stunden ausreichend.
Bei länger dauernden Eingriffen sollte eine zweite Dosis
in Abhängigkeit von der Halbwertszeit
des verwendeten Antibiotikums verabreicht werden. Dauert die
Operation länger-gleich 8 Stunden, sollte eine dritte Dosis
verabreicht werden. Eine Antibiotikagabe darüber hinaus
gilt als Therapie.
Die
Auswahl des geeigneten Antibiotikums erfolgt nach dem zu erwartenden
Erregerspektrum, das aus der normalen bzw. pathologischen Besiedelung
des Operationsgebietes und seiner unmittelbaren Haut- und Schleimhautumgebung
resultiert. Die Substanzen sollten nebenwirkungsarm, kostengünstig
sein und möglichst hohe bakterizide Wirkspiegel im OP-Gebiet
sicherstellen (Tabelle 5).
Tabelle 5: Antibiotika-Prophylaxe
AB |
Dosierung
i.v. |
Halbwertszeit |
|
AMOXI/CLAV: |
2,2
– 4,4 g |
60
min. |
Piperacillin/Tazobactam |
4,4
g |
45
min. |
|
Cefozolin |
2
– 4 g |
95
min. |
Cefuroxim |
1,5
– 3 g |
70
min. |
Cefamandol |
2
– 4 g |
35
min.! |
Cefotaxim |
2
– 4 g |
60
min. |
Ceftriaxon |
2
g |
480
min. |
|
Clindamycin |
0,6
– 1,2 g |
160
min. |
Metronidazol |
1
– 1,5 g |
420
min. |
|
Vancomycin |
1
– 2 g |
6
h |
Linezolid |
600
mg |
7
h |
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nur bei Hochrisikopatienten |
nur bei MRSA-Trägern bzw. einer > 10%igen
postoperativen MRSA-Infektionsrate |
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