Infektionen im Kindesalter – Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. W. Rascher)

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Einleitung

Infektionen nehmen im Kindesalter eine zentrale Stelle ein. Sie betreffen sowohl in der Klinik als auch beim niedergelassenen Arzt jedes Fachgebiet der Kinderheilkunde und sämtliche Organsysteme: In der Gastroenterologie sind es akute und chronische Durchfallerkrankungen, die durch virale oder bakterielle Mikroorganismen hervorgerufen werden, in der Nephrologie handelt es sich um akute und rezidivierende Harnwegsinfektionen, begünstigt durch funktionelle und anatomische Störungen des Urogenitaltrakts. In der Pulmonologie sind es Pneumonien, die erhebliche diagnostische und therapeutische Probleme aufwerfen. Eine obstruktive Bronchitis bzw. das Intrinsic-Asthma des Säuglings und Kleinkindes wird häufig durch eine Infektion mit Respiratory-Syncytial (RS)-Viren, bei ca. 20% der Patienten auch durch Mycoplasma pneumoniae ausgelöst. Später ist eine obstruktive (asthmoide) Bronchitis Ausdruck eines allergischen Geschehens [1]. Die korrekte Differenzialdiagnose eines allergischen versus infektbedingten Asthmas sowie in der weiteren Folge die Diagnose einer bakteriellen Superinfektion bei gestörter mucociliärer Clearance ist für die Indikation einer antimikrobiellen Therapie wichtig. Vielfach handelt es sich bei Säuglingen und Kleinkindern um die klassischen akuten Infektionskrankheiten, die direkt vom Kranken auf den Gesunden oder indirekt über gesunde Träger oder kontaminierte Gegenstände durch Tröpfchen-, Schmier- oder Kontaktinfektion übertragen werden. Primäre bakterielle Infektionen mit Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis oder Neisseria meningitidis, aber auch Erreger atypischer Infektionen wie Mycoplasma pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae sind in Industrieländern für ca. 20-30% der Patienten verantwortlich. Der Arzt ist heute jedoch mit einem geänderten Erregerspektrum und einer ausgeprägten Resistenzentwicklung konfrontiert. Weltweit kam es zu einer Zunahme von Infektionen mit Koagulase-positiven und -negativen Staphylokokken, zur Entwicklung Methicillin-resistenter Staphylokokken, Penicillin- und Makrolid-resistenter Pneumokokken sowie Makrolid-resistenter Streptococcus pyogenes-Stämme. Im Krankenhaus beobachtet man zudem eine Zunahme von multiresistenten Enterobacteriaceae und Enterokokken [2, 3].

Im Bereich der Luftwege beginnen Infektionen jedoch meist als virale Infektionen durch Influenza-, Parainfluenza- oder RS-Viren, die zu funktionellen Störungen der unspezifischen körpereigenen Abwehrfunktionen wie der mucociliären Clearance, der Belüftung von Epitheloberflächen und der Peristaltik führen. Die Besonderheit in der Kinderheilkunde besteht darin, dass es nach einer ersten harmlos erscheinenden Virusinfektion zu schweren bakteriellen Komplikationen kommen kann. Einer Otitis media bzw. Sinusitis geht regelmäßig eine Virusinfektion der Nasenschleimhäute voraus [4]. Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen die Öffnungen der Nasennebenhöhlen bzw. der Eustachischen Tuben und die mucociliäre Clearance trotz einer Schleimhautschwellung erhalten bleiben, führt dies bei Säuglingen und Kleinkindern wegen der Enge der Strukturen zu bakteriellen Superinfektionen. Im Säuglings- und Kleinkindalter kommt es bei 7 - 9 % der Patienten zu einer bakteriellen Sinusitis, bei Erwachsenen dagegen bei < 2 %. Auch anatomische Fehlbildungen wie eine Septumdeviation, eine Muschelhyperplasie oder eine Hyperplasie des lymphatischen Gewebes des Nasenrachenraums (Tonsillen, Adenoide) führen durch eine Beeinträchtigung der Belüftung der Schleimhäute und des Sekretabflusses zu bakteriellen Superinfektionen [5]. Anatomische Fehlbildungen z.B. des Harntrakts geben regelmäßig Anlass zur bakteriellen Besiedlung und Infektion des Urogenitaltrakts.

Die Unreife der spezifischen stimulierbaren körpereigenen Abwehrfunktionen bei Früh- und Neugeborenen, angeborene und erworbene Störungen der spezifischen Abwehr bei Antikörpermangel oder Granulozytendefekten sowie funktionelle und anatomische Störungen der körpereigenen Abwehr führen zu schweren, foudroyant verlaufenden oder protrahierten Infektionen oft mit multiresistenten Mikroorganismen [6].

In der Onkologie bzw. nach Knochenmarktransplantationen ist die körpereigene Abwehr für Wochen eingeschränkt. Infektionen spielen z.B. bei der lymphatischen Leukämie des Kindesalters als Todesursache eine ebenso große Rolle wie Tumorrezidive. Bei der Behandlung von Früh- und Neugeborenen sind schwere bakterielle Infektionen mit multiresistenten nosokomialen Infektionserregern ein ernstes Problem.

Letztlich treten Probleme auch als Folgekrankheiten von Infektionen bzw. in der Differenzialdiagnose nichtinfektiöser Krankheitsbilder auf. Infektionen sind auch Auslöser schwerer immunologisch bedingter Krankheitsbilder wie des rheumatischen Fiebers oder der Post-Streptokokken-Glomerulonephritis. Ein klassisches Beispiel für ein differenzialdiagnostisches Problem ist auch das Kawasaki-Syndrom, das zu Beginn mit dem typischen Exanthem und Enanthem im Rachen, einer massiven Schwellung der Kieferlymphknoten und dem hohen Fieber einem Scharlach ähnelt, jedoch bei fehlendem Streptokokkennachweis, der Fieberkontinua, den Lacklippen, dem Palmarerythem und den Hautabschilferungen an den Finger- und Zehenkuppen rasch zu diagnostizieren ist [7].

Infektionen sind nach wie vor weltweit die häufigste Todesursache bei Säuglingen und Kindern, wobei in den Industrieländern wegen der verbesserten Ernährungsbedingungen, besserer Wohnbedingungen sowie der aktiven Immunisierung gegen zahlreiche virale und bakterielle Mikroorganismen ein Rückgang der Sterblichkeit zu beobachten ist [8]. Durch den Einsatz wirksamer Impfstoffe hat sich die Epidemiologie, aber auch das Erregerspektrum im letzten Jahrzehnt verändert. Polio und Diphtherie sind weitgehend verschwunden, schwere invasive Infektionen wie die Meningitis und die Epiglottitis durch H. influenzae vom Kapseltyp b sowie Keuchhusten weitgehend reduziert. Durch die Pneumokokkenimpfung wurde auch eine deutliche Reduktion von Erkrankungen durch Pneumokokken beobachtet. Gleichzeitig wurde jedoch auch ein Wechsel der häufigsten Pneumokokken-Serotypen beobachtet, hin zu Serotypen, die im 7fach-Impfstoff nicht enthalten sind.

 

Diagnostik

Es ist wichtig, den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen auf klare Indikationen zu beschränken. Der unkritische Gebrauch von Antibiotika hat zu einer inzwischen bedrohlichen Zunahme resistenter Mikroorganismen nicht nur im Krankenhaus geführt. Antibiotika, insbesondere Breitspektrumantibiotika mit inkompletter Bioverfügbarkeit oder langer Halbwertszeit, haben einen substanziellen Einfluss auf die Zusammensetzung und das Resistenzverhalten der körpereigenen Flora. Diese resistenten Mikroorganismen sind die Quelle von Reinfektionen.

Aussagekräftige Befunde einer mikrobiologischen Untersuchung, d.h. Isolierung und Identifizierung des pathogenen Erregers sowie eine Resistenzprüfung, zu erhalten ist im Kindesalter erheblich schwieriger als bei Erwachsenen. Proben, z.B. bei einer Otitis media oder Sinusitis, sind nur nach Punktion des Infektionsherdes z.B. durch eine Parazentese zu gewinnen, eine Indikation dafür ist jedoch fast nie gegeben. Die Erregerdiagnostik bei Pneumonien ist unbefriedigend. Patienten bis zum Alter von 6 Jahren verschlucken das Sputum, bei Pneumonien durch Mycoplasma/Chlamydia pneumoniae oder Legionella pneumophila zeigen die Kinder einen trockenen Reizhusten meist ohne Sputum. Mikroorganismen können aus dem Pleuraexsudat und der Blutkultur, bei atypischen Pneumonien auch aus dem Epipharynxsekret isoliert werden. Die transtracheale Bronchialaspiration ist abzulehnen, die Bronchiallavage beim narkotisierten, intubierten Kind ist auf Problemfälle (nosokomiale Pneumonie bei immunsupprimierten Patienten oder Therapieresistenz) zu beschränken.

Eine Gelenkpunktion bei Verdacht auf eine septische Arthritis ist hingegen unverzüglich durchzuführen.

Besondere Schwierigkeiten treten bei der Gewinnung von Harnproben beim Säugling und Kleinkind auf. Die Gewinnung eines Mittelstrahlharns ist meist erst nach dem 3. Lebensjahr möglich. Der Beutelurin ist immer mit einer gewissen Keimmenge kontaminiert und muss sofort bearbeitet werden, um ein repräsentatives Ergebnis zu erbringen. Ein Versand ist nicht möglich. Die Gewinnung eines Katheterharns ist mit dem Risiko der Keimverschleppung behaftet, die suprapubische Blasenaspiration, obwohl in der Literatur empfohlen, ist wegen der Belastung des Patienten nur in Ausnahmefällen durchzuführen. Wenn in einer Harnprobe mehrere Keime isoliert werden, deutet dies außer bei Patienten mit einer neurogenen Blasenentleerungsstörung auf eine Kontamination hin. Durch eine Quantifizierung des Leitkeims ist evtl. trotzdem eine Aussage möglich. Ein Ausweg bietet sich bei der Verwendung von Eintauchobjektträgerkulturen, allerdings darf das Ergebnis nicht als alleiniges Kriterium beurteilt werden, sondern nur in Kombination mit einer mikroskopischen Untersuchung des Nativharns und einer Beurteilung der Keimmenge im unzentrifugierten, ungefärbten Harn. > 1 Keim/Gesichtsfeld bei einer 400fachen Vergrößerung ist diagnostisch für eine Harnwegsinfektion [10].

Ein weiteres Problem der mikrobiologischen Diagnostik ist die Zeitdauer bis zur Übermittlung der Kulturergebnisse und der Resistenzprüfung. Bei einem Rachenabstrich mit Streptokokkennachweis dauert dies im besten Fall 12h, das Ergebnis einer Harnkultur oder einer Bronchialaspiration ist nach 24h, das Ergebnis einer Liquor- bzw. Blutkultur (Keimisolierung und Resistenzprüfung) ist frühestens nach 24-36h verfügbar. Kulturergebnisse bei Mycoplasma/Chlamydia pneumoniae sowie auch Bordetella pertussis bedürfen einer Bebrütungszeit von 7 Tagen und sind für eine Therapielenkung nicht geeignet, wohl aber zur epidemiologischen Überwachung.

Auch ohne labordiagnostische Untersuchungen ist in vielen Fällen aufgrund unterschiedlicher Krankheitsbilder eine präsumptive Diagnose möglich. Sie beruht auf:

  • der statistischen Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Infektionserreger in bestimmten Altersgruppen infrage kommen. Streptokokken der Gruppe B sind für Neugeboreneninfektionen verantwortlich, Streptokokken der Gruppe A treten nach dem 1. Lebensjahr auf, da vorher kaum Haftrezeptoren an Wangenschleimhautepithelien exprimiert werden. Pneumonien durch Mycoplasma/Chlamydia pneumoniae treten ab dem 3. Lebensjahr auf;
  • charakteristischen klinischen Symptomen, z.B. einem typischen Exanthem bei Scharlach und Streptokokken, Sugillationen der Haut bei Meningokokken, einem feinfleckigen diskreten Exanthem am Stamm mit Tonsillitis, Lymphknotenschwellung zervikal und Hepatosplenomegalie bei Pfeiffer’schem Drüsenfieber, d.h. einer Infektion mit Epstein-Barr-Viren;
  • dem Krankheitsverlauf, insbesondere dem Fieberverlauf. Infektionen durch Streptokokken, Pneumokokken oder Meningokokken führen meist zu einem abrupten Fieberbeginn mit Schüttelfrost, Infektionen mit Mykoplasmen und Viren zu einem treppenförmigen Fieberbeginn. Eine virale Rhinitis ist meist durch ein dünnflüssiges seröses Sekret gekennzeichnet, eine primäre bakterielle Rhinitis bzw. eine bakterielle Superinfektion durch ein eitriges, bisweilen blutig tingiertesSekret. Ein erneuter Fieberanstieg nach bereits beginnender klinischer Besserung oder eine Persistenz der Infektion über 4 Tage hinaus weist auf eine bakterielle Superinfektion hin. Der Nachweis von Kälteagglutininen wird bei Infektionen durch Mycoplasma pneumoniae beobachtet;
  • der epidemiologischen Situation und einer evtl. bereits vorangegangenen, ungezielten Antibiotikatherapie. Daraus lassen sich mit hoher Treffsicherheit die selektionierte Keimspezies sowie auch die Empfindlichkeit der Mikroorganismen ableiten.

Die empirische kalkulierte Wahl eines Antibiotikums ist jedoch in den letzten Jahren durch das Auftreten resistenter Mikroorganismen auch im ambulanten Bereich erheblich schwieriger geworden.

 

Therapie

Die erfolgreiche Behandlung einer Infektion setzt die Wahl eines wirksamen Antibiotikums voraus. Ein Grundsatz einer antimikrobiellen Behandlung besteht darin, möglichst gezielt, d.h. so schmal wie möglich und so breit wie nötig, zu behandeln. Dabei kommt es nicht nur auf die Wahl eines wirksamen Antibiotikums, sondern auch auf eine Reihe weiterer Parameter an:

  • Bioverfügbarkeit und Beeinflussung der Bioverfügbarkeit durch verschiedene Grundkrankheiten wie akute oder chronische Durchfallerkrankungen. Die Bioverfügbarkeit hat auch einen Einfluss auf die Selektion resistenter Mikroorganismen.
  • Halbwertszeit und Eliminationsroute eines Antibiotikums
  • Eiweißbindung
  • Gewebsverteilung des Antibiotikums im Körper und Metabolismus
  • Die Penetration ins interstitielle Flüssigkeitskompartiment und die Epithelial-Lining-Fluid (ELF) sowie entsprechend der Art des Erregers und dem Ort der Infektion auch die Penetration ins intrazelluläre Kompartiment sind entscheidende Parameter für die Wirksamkeit eines Antibiotikums.

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik im Kindesalter
Eine wichtige Orientierungsgröße für die Wirksamkeit eines Antibiotikums ist die Pharmakokinetik, d.h. die Bioverfügbarkeit eines Medikaments, die durch die Messung der Serum- und Gewebskonzentrationen und ihrer Beeinflussung durch Resorptions-, Diffusions- und Exkretionsvorgänge bestimmt wird [11, 12, 13, 14].

Dabei unterscheiden sich alle obengenannten Parameter bei Kindern erheblich von denen bei Erwachsenen. Aber selbst im Kindesalter sind wesentliche Unterschiede in den einzelnen Lebensabschnitten – z.B. zwischen Früh- und Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern zwischen 2 und 6 Jahren, Schulkindern und Adoleszenten – zu beobachten, wobei sich im Laufe der Zeit die pharmakologischen und pharmakokinetischen Parameter dem Erwachsenenalter annähern. Zudem sind besondere Grundkrankheiten zu berücksichtigen, die die oben genannten Parameter zusätzlich überlagern. Es bestehen in verschiedenen Lebensabschnitten erhebliche Unterschiede in der Resorption, Verteilung und im Metabolismus von Antibiotika. Durch eine beschleunigte Peristaltik im Säuglingsalter sowie bei verschiedenen Grundkrankheiten kommt es zu Resorptionseinbußen von 50% gemessen an der Fläche unter der Resorptionskurve und der im Harn wieder entdeckten Wirkstoffmenge. Auch Resorptionseinbußen durch gleichzeitige Verabreichung von Nahrung sind zu berücksichtigen. Dadurch kann man nicht mit einer regulären Pharmakokinetik rechnen, wie sie bei Erwachsenen zur Definition von effektiven Tagesdosen und Dosierungsintervallen geführt hat [15].

In Abhängigkeit vom Lebensalter bestehen erhebliche Unterschiede in der Bioverfügbarkeit. Bei Patienten im Alter zwischen 2 und 18 Monaten ist bei gleicher mg/kg-KG-Verabreichung von Penicillin V K, aber auch Amoxicillin und Amoxicillin/Clavulansäure die Fläche unter der Kurve um 75%, die im Harn wieder entdeckte Substanzmenge um 50% reduziert. Dies hängt nicht zuletzt von der beschleunigten Passagezeit bei Säuglingen im Vergleich zu älteren Kindern ab (Abbildung 1).

Die Resorption hängt ab:

  • vom Füllungszustand und der Entleerungszeit des Magens
  • vom pH-Wert im Magen
  • von der intestinalen Oberfläche und Permeabilität
  • von der Peristaltik des Dünndarms und der mikrobiellen Besiedlung
  • von der Durchblutung im Splanchnikusgebiet, die z.B. bei hohem Fieber vermindert ist

Bei Säuglingen und Kleinkindern hat der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme einen wesentlich größeren Einfluss auf die Verabreichung von Medikamenten als bei Erwachsenen.

Für Penicillin V K wurde eine erhebliche Resorptionsminderung (50% Verminderung der im Harn wieder entdeckten Menge) durch Nahrung beobachtet [16].

Auch die Art der Nahrung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Resorption bzw. Resorptionsminderung. Milch, gefolgt von Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß haben in dieser Reihenfolge eine Resorptionsminderung zur Folge, klare Flüssigkeiten einen resorptionssteigernden Effekt (Abbildung 2).

Diese Resorptionseinbußen werden außer bei Penicillin auch bei zahlreichen anderen in diesem Alter häufig verwendeten Antibiotika (Amoxicillin, Amoxicillin + Clavulansäure, Sulbactam-Ampicillin, Azidocillin) beobachtet [17]. Es wird auch diskutiert, dass die Resorption von Prodrugs wie Cefuroxim Axetil und Cefpodoxim Proxetil im frühen Säuglingsalter wegen der Unreife intestinaler Enzyme zur Spaltung des Esters unzureichend ist [18]. Die Folgen dieser Resorptionseinbuße sind:

  • (zu) geringe Wirkstoffkonzentrationen am Infektionsort mit eingeschränkter klinischer Wirksamkeit, die zu eingeschränkter klinischer Wirksamkeit und Rezidivneigung führen
  • gesteigerte Rate an Nebenwirkungen, insbesondere gastrointestinale Nebenwirkungen, durch osmotische Wirkung nicht absorbierter Arzneimittel und Störung der körpereigenen Flora
  • subinhibitorische Konzentrationen induzieren die Entwicklung resistenter Mikroorganismen.


Abbildung 1:
Unterschiede in der Bioverfügbarkeit zwischen den einzelnen Lebensabschnitten bei einer Dosierung des Kaliumsalzes von Phenoxymethylpenicillin von 12.500 IE pro Kilogramm Körpergewicht.


Abbildung 2:
Resorptionseinbußen von Penicillin V K bei Schulkindern nüchtern und nach einer Milchmahlzeit.

Pharmakodynamik
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Infektionsbehandlung bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Beachtung der Pharmakodynamik von Antibiotika [20]. Die Pharmakodynamik beschreibt die Wirkung eines Antibiotikums auf den Mikroorganismus. Bei Erwachsenen konnte festgestellt werden, dass eine Überschreitung der Wirkstoffkonzentration über den MHK-Wert am Infektionsort > 40% des Zeitraums bis zur nächsten Dosis für eine effektive Keimeradikation ausreicht. Mikroorganismen zeigen in Gegenwart eines Antibiotikums geänderte Oberflächeneigenschaften, d.h. eine niedrigere Konzentration von Lipooligosacchariden in der Zellwand, was einerseits zu einer geringeren Entzündungsreaktion, andererseits durch eine geringere Elektronegativität zu einer besseren Phagozytose führt. Für das Kindesalter werden jedoch Wirkstoffkonzentrationen über dem MHK-Wert über 75-90% des Zeitraums bis zur nächsten Dosis empfohlen. Daraus resultiert eine rasche Keimelimination und klinische Heilung sowie eine Verhinderung der Resistenzentwicklung. Im Gegensatz dazu sind subinhibitorische Konzentrationen von Antibiotika mit verzögerter klinischer Besserung, dem Übergang in eine chronisch schwelende Infektion und der Induktion/Selektion von resistenten Mikroorganismen verbunden. Die notwendige Zeit, in der die Hemmkonzentration überschritten sein muss, hängt von der körpereigenen Abwehr ab, die aber beim Säugling und Kleinkind noch nicht verlässlich entwickelt ist [19,20].

Abbildung 3 zeigt, dass eine einzige zusätzliche Dosis nach 4 Stunden am ersten Behandlungstag zu einer Überschreitung des MHK-Wertes am Infektionsort über nahezu 36 Stunden führt, während die 3x tägliche Gabe nur eine Überschreitung des MHK-Wertes z.B. für H. influenzae von 40% der Zeit ergibt.

Diese eine zusätzliche Dosis ist mit erheblich verbesserten klinischen Ergebnissen, z.B. bei der Behandlung der Otitis media, und einer niedrigeren Rezidivrate verbunden.


Abbildung 3:
Konzentrationsverlauf von Amoxicillin

Behandlungsdauer
Die Behandlungsdauer wird kontrovers diskutiert: Die Meinung, dass sich die Therapiedauer nach der Eradikation des ätiologischen Agens zu richten hat, ist für die Kinderheilkunde nur bedingt korrekt. Wichtiger ist es, die Behandlungsdauer nicht nur nach der Keimeradikation, sondern vielmehr nach der Normalisierung des ursprünglichen Pathomechanismus, der zur Infektion geführt hat, zu richten. Zum Beispiel ist die Funktion der Eustachischen Tube nach einem Virusinfekt für 8 - 12 Tage gestört. Bei einer Behandlungsdauer von 5 Tagen besteht für weitere 5 - 7 Tage nach Therapieende eine Tubenbelüftungsstörung, wobei persistierendes Sekret in der Paukenhöhle zu einer schwelenden Infektion bzw. einer bakteriellen Wiederbesiedlung aus dem Nasenrachenraum und einem Rezidiv Anlass geben kann. In klinischen Untersuchungen konnten die Unterschiede zwischen den einzelnen Behandlungsschemata nicht unmittelbar am Therapieende, sondern nach 4 - 6 Wochen an einer wesentlich niedrigeren Rezidiv-/Reinfektionsrate gemessen werden.

 

Literatur:

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20. Guggenbichler J.P.: „Dosierung von Antibiotika im Kindesalter – Schnittstelle zwischen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik.“ Antibiotika Monitor tom XX/3 (2004).

 

Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. J. Peter Guggenbichler
Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
D-91054 Erlangen, Loschgestraße 15
E-Mail: prof.guggenbichler@gmx.de

 

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