Resistenzentwicklung bei Enterobakteriazeen undPseudomonas in Österreich

H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, A. ö. Krankenhaus der Elisabethinen Linz
(Leiter: Prim. Univ.-Prof. Dr. H. Mittermayer)

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


Enterobakteriazeen und Pseudomonas aeruginosa sind wichtige Infektionserreger, die sich in ihren biologischen Eigenschaften, ihrer Virulenz und ihrer Epidemiologie wie auch in ihrer Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika beträchtlich unterscheiden. Beiden gemeinsam ist allerdings ihre Bedeutung bei Krankenhausinfektionen.

Die Familie der Enterobakteriazeen umfasst mehr als 20 Gattungen mit einem Vielfachen an Arten. Durch den Einsatz molekularbiologischer Methoden hat sich die Taxonomie dieser Bakterienfamilie in den letzten Jahren beträchtlich verändert. Für klinische Fragestellungen sind die Änderungen, die vor allem die Gattungsnamen betreffen, von untergeordneter Bedeutung. Aus praktischen Gründen jedoch sinnvoll ist es, die Enterobakteriazeen hinsichtlich ihrer Pathogenität in 2 Gruppen zu unterteilen. Zu den pathogenen Vertretern, also den Keimen, die auch beim gesunden Menschen in der Regel Krankheit verursachen, gehören die Gattungen Salmonella, Shigella und Yersinia. Die weitaus größere Gruppe ist die der fakultativ pathogenen Enterobakteriazeen, die Bestandteil der normalen Flora des Gastrointestinaltraktes und anderer Körperbereiche sind und, wenn man von Ausnahmen wie enterotoxigenen oder enterohämorrhagischen E. coli-Stämmen absieht, üblicherweise nur ausserhalb ihres natürlichen Standortes in normalerweise keimfreien Regionen des Körpers Infektionen auslösen. Außerhalb des Krankenhauses sind es vor allem Escherichia coli und seltener Proteusarten, die als Erreger endogener Infektionen (z.B. des Harntraktes) vorkommen, während bei nosokomialen Infektionen die gesamte Palette der Gattungen und Arten nachgewiesen werden kann. Neben E. coli und Proteus sind es im Krankenhaus vor allem die Gattungen Klebsiella, Enterobacter, Citrobacter und Serratia, die aufgrund ihrer Häufigkeit und ihrer Antibiotikaresistenz Bedeutung haben.

Pseudomonas aeruginosa ist normalerweise kein Bestandteil der gastrointestinalen Flora, kann sich jedoch bei Antibiotikabehandlung temporär im Körper ansiedeln. Pseudomonaden sind opportunistische Krankheitserreger, d.h. solche, die eine Infektion nur bei schwer abwehrgeschwächten Patienten oder bei massiver traumatischer Einbringung ins Gewebe auslösen können.

Resistenzentwicklungen sind sowohl bei Enterobakteriazeen als auch bei Pseudomonas aeruginosa von Bedeutung. Multiresistenzen sind bei Shigellen, Salmonella typhi und enteritischen Salmonellen in Asien, Lateinamerika und anderen Entwicklungsländern häufig zu beobachten. In Europa kommen in erster Linie importierte Infektionen mit solchen multiresistenten Erregern vor. Bei Salmonellen der Enteritisgruppe besteht allerdings die Gefahr, dass sich von eingeschleppten Stämmen ausgehend, die Resistenz über die Nahrungskette epidemisch ausbreitet. Bei E. coli nimmt die Resistenz gegenüber Fluorochinolonen und Aminoglykosiden sowohl innerhalb als auch außerhalb des Krankenhauses beträchtlich zu. Ähnliches gilt, wenn auch auf niedrigerem Niveau, für Drittgeneration-Cephalosporine. Bei nosokomialen Infektionen sind es meist resistente Stämme der verschiedenen Gattungen, die durch die Verwendung von Antibiotika selektiert wurden und durch Kreuzkontamination von einem auf den anderen Patienten weitergegeben werden können. Die wichtigsten Entwicklungen sind die zunehmende Resistenz gegen Beta-Laktam-Antibiotika, hervorgerufen durch eine ständig wachsende Gruppe von Beta-Laktamasen, heute vor allem ESBL, ampC und im Vormarsch begriffen Carbapenemasen, die Fluorochinolonresistenz, deren Mechanismus Mutationen in den Genen sind, die für die bakteriellen Topoisomerasen kodieren, und die Resistenz gegen Aminoglykoside, meist hervorgerufen durch enzymatische Inaktivierung oder durch verminderten aktiven Transport. Die Bedeutung der Aminoglykoside für die Therapie ist allerdings heute sehr eingeschränkt, sodass Resistenzphänomene hier klinisch nicht so sehr zum Tragen kommen. Weitere Resistenzmechanismen, die eine zunehmende Bedeutung haben, sind Effluxpumpen, die Antibiotika aktiv aus der Zelle ausschleusen, und Permeabilitätsbarrieren, die durch Veränderung oder Verlust von Porinen in der äußeren Membran zustande kommen.

Pseudomonas aeruginosa ist von Natur aus gegen eine Vielzahl von Antibiotika unempfindlich. Darüber hinaus findet eine Resistenzentwicklung im Vergleich zu Enterobakteriazeen sehr viel rascher, auch unter Therapie, statt. Meist ist es ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Resistenzmechanismen wie Beta-Laktamasen, Effluxpumpen, Mutationen in den Genen, die für Porine kodieren und Veränderungen der Topoisomerasen, die gemeinsam zur Ausprägung von Resistenzen führen. Bei Pseudomonas aeruginosa sind es vor allem kleinräumige Resistenztrends innerhalb eines Krankenhauses oder einer Abteilung, hier besonders in den Intensivstationen. Bei den Enterobakteriazeen sind sowohl großräumige bei den ausserhalb des Krankenhauses erworbenen Infektionen als auch kleinräumige Trends bei nosokomialen Infektionen zu verzeichnen.

Daten aus Österreich zur Resistenzentwicklung sind in verschiedenen Quellen zu finden. Es handelt sich dabei einerseits um Untersuchungen, die in Österreich durchgeführt wurden, andererseits um internationale Studien, an denen österreichische Laboratorien beteiligt waren. Bei letzteren sind in den Publikationen die österreichischen Daten nicht immer gesondert angeführt, sodass ein Rückschluss auf die Resistenzlage in Österreich nur bedingt und oft nur rudimentär möglich ist. Die Resistenzquoten aus diesen Studien sind nicht über die Jahre hin vergleichbar, da unterschiedliche Test-Standards und Grenzwerte für die Resistenzklassifizierung verwendet wurden. Vor einigen Jahren wurde von den mikrobiologischen Laboratorien beschlossen, die NCCLS-Standards in Österreich durchgehend einzusetzen, was zu einer Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse geführt hat. Durchgehende Resistenzdaten für Indikatorkeime gibt es flächendeckend erst, seitdem im Jahr 2000 die Erhebung von Resistenzdaten für EARSS (European Antimicrobial Resistance Surveillance System) begonnen wurde. Bei den Enterobakteriazeen sammelt EARSS Daten von invasiven Escherichia coli-Stämmen. Durch ein standardisiertes Protokoll ist es möglich, die Resistenzdaten mit denen anderer europäischer Länder zu vergleichen. Klebsiella spp. und Pseudomonas aeruginosa werden ab dem Jahr 2006 in die Datenbank aufgenommen. Im Folgenden sollen exemplarisch einige ausgewählte Ergebnisse aus Untersuchungen zur Resistenzlage in Österreich präsentiert werden.

Mittermayer et al. [1] haben 1982/83 die Resistenz von Blutkulturisolaten gegenüber 4 Aminoglykosid-Antibiotika im Untersuchungsmaterial von 4 Laboratorien in Linz, Wien, Graz und Feldkirch untersucht. In 2 weiteren Untersuchungen wurden Daten bis 1988 erhoben und mit den im Rahmen einer internationalen Studie für Österreich erhobenen Ergebnissen verglichen [2, 3]. Die Resistenzquoten waren in der Untersuchungsperiode 1982/83 für alle Gram-negativen Bakterien (Enterobakteriazeen und Nonfermenter [in der Studie nur Pseudomonas aeruginosa]) für Gentamicin und Tobramycin bei 12,8 bzw. 11,0% und bei Netilmicin und Amikacin 8,3 bzw. 3,7%. Erwartungsgemäß waren bei E. coli die Resistenzquoten mit jeweils 2,2% für Gentamicin und Tobramycin am niedrigsten, während bei den Nonfermentern die Resistenzquoten am höchsten lagen (Gentamicin und Tobramycin 25%, Amikacin 5%), die anderen Enterobakteriazeen lagen im mittleren Bereich. 5,5% der untersuchten Stämme wiesen eine Resistenz gegen eines der 4 getesteten Antibiotika auf, 11,8% gegen 2 oder mehrere. Zwischen den drei Untersuchungsperioden (die zusätzlichen waren 1984/85 und 1987/88) waren bei Tobramycin und Amikacin Schwankungen zu verzeichnen, die allerdings kein einheitliches Bild in Richtung eines Trends nach oben oder unten ergaben (Tab. 1). Es wurden auch Unterschiede in den Resistenzquoten zwischen den Laboratorien beobachtet.

In den Jahren 1987 und 1988 wurden von Mitgliedern der European Study Group on Antibiotic Resistance (ESGAR) ca. 2.200 Gram-negative Stäbchen aus Blutkulturen gesammelt und auf ihre Empfindlichkeit gegen verschiedene Antibiotika getestet [4]. Österreich war mit 150 Stämmen an dieser Untersuchung beteiligt. In den einzelnen Ländern wurden sehr unterschiedliche Resistenzquoten erhoben. Wie auch in anderen Untersuchungen waren die Resistenzquoten im Allgemeinen niedrig in Nordeuropa, im mittleren Bereich in Zentraleuropa und hoch in Südeuropa. Für Österreich lagen die Werte in den meisten Fällen im oder unter dem Bereich der jeweiligen Mittelwerte der Resistenzen. Lediglich bei der Resistenz von Pseudomonas aeruginosa gegenüber Imipenem waren in Österreich höhere Werte zu verzeichnen (Tabelle 2).

Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie führt seit 1975 regelmäßig Resistenzstudien durch, an denen sich Labors aus Deutschland, der Schweiz und Österreich beteiligen. Ergebnisse dieser Untersuchungen sind publiziert [5, 6, 7, 8]. DieTeilnehmer erhalten eine detaillierte Auswertung, die auch lokale und regionale Resistenzdaten enthält. Die Ergebnisse der neueren Untersuchungen sind im Internet verfügbar (http://www.p-e-g.org). In einer dieser Untersuchungen [5] wurde festgestellt, dass sich die Häufigkeit der Nalidixinsäureresistenz bei Enterobakteriazeen als Hinweis auf eine erste Mutation in den Topoisomerasegenen zwischen 1975 und 1986 nicht verändert hat, obwohl in dieser Zeit die Fluorochinolone neu eingeführt und dann auch häufig verwendet wurden. Die Resistenzquoten bei Enterobakteriazeen gegenüber Ciprofloxacin lagen 1983 bei 0,3% und 1986 bei 0,1%, bei Pseudomonas aeruginosa bei 0,7 bzw. 1,0%. Die Nalidixinsäureresistenz als Vorläufer einer Fluorochinolonresistenz war in den einzelnen Untersuchungsstellen unterschiedlich von null bis zu einem Spitzenwert von 12,1% (in einem Labor in Österreich). Einige Jahre später [7] waren in Österreich 0,5% der E. coli-Stämme resistent gegen Ciprofloxacin bei Werten von 0 - 1,6% in anderen europäischen Ländern, und bei Pseudomonas aeruginosa bei 10% mit Ergebnissen aus anderen Ländern zwischen 0 und 43,3%. Letztere Untersuchung war ein Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgruppe Resistenz der Paul-Ehrlich-Gesellschaft mit ausgewählten Laboratorien anderer europäischer Länder. Weitere Daten der PEG zeigen, dass zwischen den Untersuchungen der Jahre 1990 und 2001 bei E. coli ein Anstieg der Ciprofloxacin-Resistenz von 0,2 auf 14,5% stattgefunden hat. Bei Pseudomonas aeruginosa war eine Erhöhung von 6,4 auf 15,3% zu verzeichnen (für detaillierte Daten: http://www.p-e-g.org).

Auch andere internationale Studien wie das SENTRY-Projekt enthalten Daten aus Österreich. Als Beispiel sei eine Untersuchung über die Aminoglykosid-Resistenz in Europa angeführt [9]. Die Ergebnisse zeigen, dass in Österreich im Vergleich zu den früheren Untersuchungen keine Resistenzsteigerung bei Aminoglykosiden stattgefunden hat (Tabelle 3). Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund der geringen Zahlen aus den einzelnen Ländern eine größere statistische Schwankungsbreite einkalkuliert werden muss.


Tabelle 1:
Resistenz (%) gegen Aminoglykoside bei Gram-negativen Bakterien aus Blutkulturen bei 3 Untersuchungen 1982-1988 [3]
 
Gentamicin
Tobramycin
Netilmicin
Amikacin
Periode
I
II
III
I
II
III
I
II
III
I
II
III
E. coli
2,2
5,9
3,8
2,2
5,9
2,5
0
0
1,3
5,0
0
2,5
Alle*
12,8
14,4
12,4
11,0
7,8
6,8
8,3
6,7
8,7
3,7
1,1
7,5
I = 1982/83               II = 1984/85                 III = 1987/88
* alle Gram-negativen Bakterien (Enterobacteriaceae und P. aeruginosa)

Tabelle 2: ESGAR: Resistenz (%) gegen ß-Laktam-Antibiotika und Ciprofloxacin bei Gram-negativen Bakterien aus Blutkulturen; Ergebnisse aus Österreich [4]
 
Alle Gram-negativen
E. coli
P. aeruginosa
 
Österreich
MW*
Österreich
MW**
Österreich
MW**
Piperacillin
Cefazolin
Cefotaxim
Ceftazidim
Imipenem
Ciprofloxacin
27
27
5
4
2
2
33
28
6
5
2
2
23
4
1
3
0
1
26
9
0,2
1
0
0,2
30
-
-
10
15
5
29
-
-
14
9
6
*) Mittelwert aus allen Ländern                   **) Mittelwert Zentraleuropa

Tabelle 3: SENTRY-Projekt: Resistenz (%) gegen Aminoglykosid-Antibiotika, Ergebnisse aus Österreich [9]
 
E. coli
Klebsiella spp.
P. aeruginosa
 
Österreich
alle
Österreich
alle
Österreich
alle
Gentamicin
Tobramycin
Amikacin
2
2
2
4,3
2,5
0,4
0
0
0
9,1
11,6
0,7
11
6
0
18,3
17,8
5,1

Eine österreichische Arbeitsgruppe hat von November 1996 bis Mai 1997 die Aktivität neuerer Beta-Laktam-Antibiotika gegen Enterobakteriazeen und Non-Fermenter auf Intensivstationen untersucht [10]. An dieser Untersuchung beteiligten sich 9 Laboratorien. Der am häufigsten isolierte Keim war Pseudomonas aeruginosa, gefolgt von E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp. und Acinetobacter spp. Meropenem, Imipenem und Ceftazidim waren die wirksamsten Antibiotika, die 90%, 89% und 87% der Isolate hemmten. Bei Pseudomonas aeruginosa war Piperacillin/Tazobactam, gefolgt von Cefepim und Ceftazidim am wirksamsten (89%, 87% und 85%). Imipenem, Meropenem und Cefpirome waren hier weniger wirksam (79%, 75% und 69%). Bei E. coli lagen die Resistenzquoten insgesamt niedrig. Erwartungsgemäß waren in dieser Untersuchung die Carbapeneme insgesamt die wirksamsten der getesteten Antibiotika. Allerdings fiel eine hohe Carbapenem-Resistenz bei Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. auf, was nach Ansicht der Autoren den hohen Verbrauch der Carbapeneme in den vorangegangenen Jahren widerspiegelt.

Das Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Krankenhaus der Elisabethinen Linz hat als nationale Referenzzentrale für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz 2 Untersuchungen (2003) zur Prävalenz von ampC und ESBL und zur Resistenz gegen verschiedene Antibiotika bei Enterobakteriazeen durchgeführt (Studienleitung Dr. Crista Jebelean). In die eine Untersuchung wurden Blutkulturisolate aus ganz Österreich einbezogen, in der anderen wurden Stämme aus verschiedenen Materialien, die in Intensivstationen in Oberösterreich gesammelt wurden, untersucht. Insgesamt wurden die Resistenzdaten von mehr als 800 Keimen ausgewertet. Die Resistenz gegen Drittgeneration-Cephalosporine war in den beiden Untersuchungen unterschiedlich. Bei der Blutkulturstudie wiesen 7% der Stämme eine Resistenz auf, davon 5% durch ein ampC-Enzym und 2% durch eine ESBL. Erwartungsgemäß lag der Prozentsatz der resistenten Stämme auf Intensivstationen höher (13%, davon 8% ampC und 5% ESBL). Auffallend war vor allem bei der Blutkulturstudie der mit 12% hohe Anteil an Ciprofloxacin-resistenten Stämmen. Die Stämme auf den Intensivstationen wiesen trotz höherer Resistenz bei Drittgeneration-Cephalosporinen eine niedrigere Resistenzquote (7%) bei Ciproxin auf. Resistenz gegen Drittgeneration-Cephalosporine und Ciproxin waren häufig vergesellschaftet, sodass bei vielen Stämmen als therapeutische Alternative nur ein Carbapenem in Frage kam.

Für die Beurteilung lokaler und regionaler Trends in der Antibiotikaresistenz eignen sich auch Daten aus Laboratorien, die eine Versorgungsfunktion für mehrere Krankenhäuser und für niedergelassene Ärzte haben. Als Beispiel seien dafür einige Daten aus dem Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin des Krankenhauses der Elisabethinen Linz angeführt (Tab. 4 und 5). Es zeigt sich, dass vor allem bei E. coli, aber auch bei anderen Enterobakteriazeen der Anteil der Fluorochinolon-resistenten Stämme von 1999 bis 2005 deutlich angestiegen ist. Dies steht in Übereinstimmung zu den bereits früher erwähnten Ergebnissen und auch zu den Daten, die bei EARSS erhoben wurden (siehe dort). Bei Aminoglykosiden sind keine wesentlichen Veränderungen zu verzeichnen gewesen. Der Anteil der Stämme mit ESBL liegt bei E. coli unter 1% mit einem geringfügigen Anstieg über die Jahre, bei Klebsiellen bei 2,2%, wobei bis zum Jahre 2003 ein Anstieg erfolgte und seither nur geringe Veränderungen zu verzeichnen waren. Deutlich angestiegen ist der Anteil der Stämme mit ampC in der Gruppe Enterobacter, Serratia und Citrobacter, der jetzt etwa 11% ausmacht. Die Ergebnisse bei Pseudomonaden sind insgesamt schwankend, was die kleinräumige Epidemiologie bei Besiedlungen und Infektionen mit diesem Keim widerspiegelt. Die Fluorochinolonresistenz hat seit 1999 eher eine Tendenz zum Rückgang gezeigt, ebenso die Resistenz gegenüber Imipenem, Piperacillin und Tobramycin. Es bestehen allerdings zwischen den verschiedenen einsendenden Krankenhäusern zum Teil beträchtliche Unterschiede in den Resistenzquoten gegenüber den einzelnen Antibiotika.


Tabelle 4:
Resistenz (I+R%) gegen Fluorochinolone bei Enterobakteriazeen 1999-2005. Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
 
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005*
E. coli
Klebsiella spp.
Enterobacter/Serratia/Citrobacter
4,2
3,1
3,7
4,8
3,1
4,5
5,6
3,2
7,3
8,8
6,5
9,2
15,3
7,7
12,9
11,0
4,5
9,4
12,1
11,5
10,8
* 2005 1. Halbjahr

Tabelle 5: Resistenz (%) gegen Fluorochinolone, Tobramycin, Azlocillin/Piperacillin, Ceftazidim und Imipenem bei Pseudomonas aeruginosa 1999-2005. Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
 
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005*
Fluorochinolone
Tobramycin
Azlo-/Piperacillin
Ceftazidim
Imipenem
16,0
11,0
11,1
4,6
6,4
15,7
7,5
8,9
2,4
6,7
19,0
9,6
16,4
4,7
6,9
17,5
7,9
13,1
3,5
6,9
12,1
4,1
11,1
2,1
5,8
12,8
3,6
6,5
3,8
3,6
14,0
7,0
5,2
4,5
4,6
* 2005 1. Halbjahr

Österreich arbeitet seit 1998 am europäischen Surveillance-Netzwerk EARSS mit. Nach einer Pilotphase werden seit dem Jahre 2000 Resistenzdaten an die Studienzentrale gemeldet. EARSS wurde auf Empfehlung eines wissenschaftlichen Gremiums der Europäischen Union ins Leben gerufen und wird von der Generaldirektion für öffentliches Gesundheitswesen und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission unterstützt. Europaweit sind 30 Länder mit mehr als 800 Laboratorien und über 1.000 Spitälern in das Netzwerk eingebunden. In Österreich beteiligen sich 34 Laboratorien, die insgesamt mehr als 110 bettenführende Krankenanstalten versorgen, freiwillig an der EARSS-Datenmeldung. Dies entspricht einem Erfassungsgrad von rund 80% aller Krankenhausaufnahmen. EARSS arbeitet ausschließlich mit Routinedaten, die nach einem gemeinsamen Protokoll erhoben werden. Diese erlaubt die kontinuierliche Erfassung der Resistenzsituation bei vertretbaren Kosten. Eine gemeinsame Qualitätskontrolle sichert die Validität der erhobenen Daten. Es werden ausschließlich Keime von invasiven Infektionen einbezogen (Blutkulturen, Liquor). Damit ergibt sich auch eine einheitliche klinische Bewertung, da sich im Allgemeinen nicht die Frage nach Kolonisation oder Infektion stellt. Bei den Enterobakteriazeen liegen Ergebnisse für E. coli vor (Abbildung 1). Auffallend ist der dramatische Anstieg der Fluorochinolonresistenz von 7% im Jahre 2001 auf 19,8% im ersten Halbjahr 2005. Auch bei den Drittgeneration-Cephalosporinen ist ein Resistenzanstieg von 0,4 auf jetzt 4% zu verzeichnen. Dies ist insofern auch bemerkenswert, da es sich bei E. coli nicht wie bei Klebsiella um den hauptsächlichen Träger von ESBL-Resistenzen handelt. Würde man die Daten auf Klebsiellen extrapolieren, so wären insgesamt deutlich höhere Resistenzquoten zu erwarten. Bei Aminoglykosiden, deren klinische Bedeutung allerdings wesentlich zurückgegangen ist, war ebenfalls ein Anstieg der unempfindlichen Stämme von 1,9 auf 6,6% zu beobachten. Ampicillin, das lediglich als allgemeiner Resistenzmarker dient, weist von vornherein hohe Resistenzquoten auf, die sich allerdings noch gesteigert haben. Die Daten können aus dem Internet abgerufen werden (http://www.earss.rivm.nl).


Abbildung 1:
EARSS (European Antimicrobial Resistance Surveillance System): Resistenz (%) gegen Drittgenerations-Cephalosporine, Aminoglykoside und Fluorochinolone bei E. coli-Stämmen aus Blutkulturen in Österreich 2001-2005

Aus den vorgestellten Daten lassen sich wichtige Informationen über die Resistenztrends bei Enterobakteriazeen und Pseudomonas aeruginosa in den letzten Jahren ablesen. Während in den 1980ern und Anfang der 1990er wenig Veränderungen zu verzeichnen waren – hier muss allerdings auch die relativ geringe Dichte der Daten berücksichtigt werden –, hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Dynamik in der Resistenzentwicklung ergeben. An der Spitze dieser Entwicklung steht der dramatische Anstieg der Fluorochinolonresistenz bei Enterobakteriazeen, der sich aus allen verfügbaren Datenquellen nachvollziehen lässt. Lokale und regionale Unterschiede bestehen zwar in der Höhe der Prozentsätze, nicht jedoch im Trend nach oben. Auch Resistenzen gegen Drittgeneration-Cephalosporine nehmen zu, wenn gleich ausgehend von einem wesentlich geringeren Niveau. Trotz der deutlich zurückgegangenen Verwendung von Aminoglykosiden in der Infektionsbehandlung scheinen die Resistenzquoten nicht zu stagnieren. Die klinische Bedeutung dieses Phänomens ist allerdings wesentlich geringer als die des Anstiegs der Fluorochinolonresistenz. Bei Pseudomonas aeruginosa ist die Situation uneinheitlich. Die Resistenzquoten liegen von vornherein höher und sind vor allem durch die lokalen Verbrauchsgewohnheiten bei Antibiotika und die nosokomiale Übertragung vor allem auf Intensivstationen beeinflusst. Aus den Daten lässt sich jedoch ablesen, dass eine sichere Behandlung von Pseudomonasinfektionen ohne Kenntnis der lokalen Resistenzdaten und gegebenenfalls des individuellen Antibiogramms nicht vorstellbar ist.

Die Dynamik der Resistenzentwicklung macht Interventionen dringend nötig. Bei der Resistenz gegen Fluorochinolone ist es nicht allein die Verwendung dieser Antibiotika im Krankenhaus, sondern vielmehr die im ambulanten Bereich, durch die die Resistenzquoten in die Höhe getrieben werden. Wenn darüber hinaus, wie bei nosokomialen Infektionen auch, eine Keimübertragung stattfindet, sind weitere Resistenzanstiege unausweichlich. Wenngleich auch bei anderen Antibiotika der Resistenztrend nach oben geht, so scheinen doch vor allem bei Fluorochinolonen wirksame Maßnahmen vordringlich. Wir werden, wenn wir diese Daten ernst nehmen, um Kampagnen, die für einen sinnvollen und kritischen Einsatz von Chinolonen und für eine ernstere Beschäftigung mit der Krankenhaushygiene werben, nicht umhin kommen.

Es wird unsere Aufgabe für die Zukunft sein, die Wirksamkeit der Antibiotika, an deren Entwicklung und Einführung in die Therapie unser Jubilar Prof. Karl Hermann Spitzy so maßgeblichen Anteil hatte, zu erhalten, damit wir zu Recht als seine Erben bezeichnet werden können.

 

Literatur:

1. H. Mittermayer, M. Rotter, W. Thiel, G. Breitfellner: „Resistenz von Blutkulturisolaten in vitro gegenüber 4 Aminoglykosidantibiotika - 1982/83.“ Wien. Klin. Wochenschr. 97 (1985)334-339.

2. H. Mittermayer, M. Rotter, G. Breitfellner, W. Thiel: „Internationale Studie zur Aminoglykosidresistenz von Blutkulturisolaten – Ergebnisse aus Österreich.“ Antibiotika Monitor 1985; Nr. 1: 6-9

3. H. Mittermayer, M. Rotter, G. Breitfellner, F. Riezinger, W. Thiel, L. Binder, R. Watschinger: „Resistance of Gram-negative Bacilli and Staphylococci from Blood Cultures to Aminoglycoside Antibiotics. Comparison of 3 in-vitro Investigations from Austria 1982-1988.“ Zbl. Bakt. 272 (1990) 448-457.

4. K. Dornbusch and the European Study Group on Antibiotic Resistance: „Resistance to ß–Lactam Antibiotics and Ciprofloxacin in Gram-negative Bacilli und Staphylococci Isolated from Blood: a European Collaborative Study.“ J. Antimicrob. Chemother. 26 (1990) 269-278.

5. M. Kresken und B. Wiedemann: „Development of Resistance to Nalidixic Acid and the Fluoroquinolones after the Introduction of Norfloxacin and Ofloxacin.“ Antimicrob. Agents Chemother. 32 (1988) 1285-1288.
6. M. Kresken, F.H. Kayser, H. Mittermayer, D. Hafner: „Resistenzsituation bei klinisch wichtigen Bakterienarten gegenüber Chemo-therapeutika in Mitteleuropa. Ergebnisse einer multizentrischen Studie aus dem Jahre 1990.“ Chemotherapie Journal 3 (1994) 211-213.
7. M. Kresken, D. Hafner, H. Mittermayer et al.: „Prevalence of Fluoroquinolone Resistance in Europe.“ Infection 22 (1994) 90-98
8. M. Kresken, D. Hafner: „Prävalenz der Antibiotikaresistenz bei klinisch wichtigen Infektionserregern in Mitteleuropa.“ Chemotherapie Journal 5 (1996) 225-230.
9. F.J. Schmitz, J. Verhoef, A.C. Fluit and the SENTRY Group: „Prevalence of Aminoglycoside Resistance in 20 European University Hospitals Participating in the European SENTRY Antimicrobial Surveillance Programme.“ Eur. J. Clin. Microbiol. Infect. Dis. 18 (1999) 414-421.
10. R. Krause, H. Mittermayer, G. Feierl et al.:„In vitro Activity of Newer Broad Spectrum ß-Lactam Antibiotics against Enterobacteriaceae and Nonfermenters: A Report from Austrian Intensive Care Units.“ Wien. Klin. Wochenschr. 111 (1999) 549-554.

Daten der Paul-Ehrlich-Gesellschaft und von EARSS:
http://www.p-e-g.org
http://www.earss.rivm.nl

Anschrift des Verfassers:
Prim. Univ.-Prof. Dr. H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin,
A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen Linz
A-4010 Linz, Fadingerstraße 1
E-Mail:helmut.mittermayer@elisabethinen.or.at

 

zurück zum Inhalt