Eisen und Infektionen

G. Weiss
Med. Universität, Klin. Abt. für Allgemeine Innere Medizin, Klinische Infektiologie und Immunologie, Innsbruck
(Vorstand: A.o. Univ.-Prof. Dr. J. Patsch)

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


Schlüsselwörter:
Eisen, Makrophagen, Anämie, intrazelluläre Bakterien, Siderophore, Stickstoffmonoxid (NO), Interferon


Zusammenfassung

Eisen ist aufgrund seiner Funktion für den Sauerstofftransport im Blut und seiner Cofaktorrolle für viele zentrale Enzyme essenziell für das Wachstum aller Zellen und somit auch von Mikroorganismen. Darüber hinaus beeinflusst Eisen die Effektivität der Immunantwort, einerseits aufgrund seiner Effekte auf die Differenzierung und Proliferation v.a. von Lymphozyten, andererseits beeinflusst Eisennegativ proinflammatorische und T-Helfer-Zell-Typ-1 induzierte Immuneffektorwege. Des Weiteren besitzt Eisen katalytische Funktion für die Bildung von hochtoxischen Hydroxylradikalen, die sowohl in der Immunantwort eine Rolle spielen, aber auch mit Gewebeschädigung im Rahmen chronisch inflammatorischer Prozesse assoziiert sind. Andererseits haben Mikro-Organismen ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, um Eisen auch bei limitiertem Angebot des Metalls an sich zu binden und aufzunehmen und so Wachstum und Proliferation sicherzustellen. Solche Siderophor- und Eisenaufnahmesysteme sind häufig mit Pathogenität von Bakterien und Pilzen assoziiert.

Aus den genannten Gründen ist eine stringente Kontrolle der Eisenhomöostase auch von zentraler Bedeutung in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten, zumal eine erhöhte Eisenverfügbarkeit bzw. eine Eisenüberladung des Immunsystems mit einer erhöhten Infektanfälligkeit und einem ungünstigen klinischen Verlauf von Infektionen assoziiert ist. Die häufigste Erkrankung, die diese Interaktion von Eisen und Immunität offenbart, ist die Anämie chronischer Erkrankungen (ACD), die besonders bei Patienten, die an Autoimmunerkrankungen, Tumoren oder Infektionen leiden, zu finden ist. Dabei kommt es unter anderem zu einer Restriktion von Eisen in Makrophagen, was möglicherweise aus dem Bestreben des Körpers erwächst, Eisen von eindringenden Mikro-Organismen und Tumorzellen fern zu halten und andererseits die Effektivität der Immunantwort zu stärken.

Die Kontrolle über die Eisenverfügbarkeit ist eines der entschiedensten Kriterien, die den Verlauf einer Infektion determinieren, weshalb Untersuchungen zu diesem komplexen Netzwerk zwischen Eisenhomöostase, Immunantwort und Mikroben nicht nur für das Verständnis der Zusammenhänge der Host-Pathogen-Interaktion optimieren, sondern auch für die Entwicklung neuer therapeutischer Optionen von größtem Interesse sind.


Key-words:
Iron, macrophages, anemia, intracellular bacteria, siderophores, nitricoxide, interferon


Summary

Iron is an essential component for all living organisms because of its co-factor role for essential enzyme in mitochondrial respiration, citric acid cycle and DNA synthesis. In addition, iron exerts subtle effects on immune function by modifying the proliferation and differentiation of lymphocyte subsets and by exerting direct negative effects of cell mediated immune effector mechanisms of macrophages which are directed against invading pathogens. On the other hand, microorganisms have evoked sophisticated strategies to acquire iron even under limited availability to ensure a sufficient amount of the metal needed for their proliferation. Thus, the control over cellular iron homeostasis is one of the central battlefields deciding about the fate of an infection. This becomes most obvious with the anemia of chronic disease (ACD). ACD is the most frequent anemia observed in hospitalized patients and subjects suffering from diseases causing an activated immune system such as cancer, auto-immune disorders and infections. An increasing amount of evidence supports the notion that ACD may result from a defense strategy of the body (host) in order to limit the availability of iron to pathogens and to strengthen immune effectors pathways directed against them.



Einleitung

Eisen ist vor allem aufgrund seines Vorkommens in der Erdkruste in Form von oxidierten Eisenverbindungen insgesamt das vierthäufigste Element. Das Vorhandensein von Eisen ist eng mit der Entstehung von Leben assoziiert. Eisen ist ein für alle Lebewesen essenzielles Molekül, einerseits wegen seiner Rolle als Cofaktor für viele lebenswichtige Enzyme, wie z.B. der Akonitase im Zitratzyklus, als Bestandteil von Schlüsselenzymen in der mitochondrialen Atmung oder von Ribonukleotid-Reduktase in der DNA-Synthese, andererseits wegen seiner zentralen Bedeutung für den Sauerstofftransport im Hämoglobin oder Myoglobin [1]. Insgesamt enthält der menschliche Körper circa 4 g Eisen, dessen Homöostase sehr genau geregelt werden muss. Denn obwohl Eisen eine derart zentrale Aufgabe in der Zelle hat, führen sowohl ein Überangebot als auch ein Mangel an Eisen zu Störungen der Zellfunktion. Bei einem Überangebot von Eisen in der Zelle, wie man es bei einer der häufigsten genetischen Erkrankungen in Mittel- und Nordeuropa, der genetischen Hämochromatose findet, wirkt das Metall als Katalysator für die Bildung toxischer Radikale über die Fenton-Reaktion [2]. Dadurch kommt es intrazellulär zur Akkumulation von toxischen Hydroxylradikalen und damit zur Schädigung von Zellen, was mit der Zeit zur Gewebezerstörung vor allem in parenchymatösen Organen und dadurch zur Fibrose führt. Als Ausdruck dessen entwickeln Patienten mit unbehandelter Hämochromatose häufig eine Leberzirrhose, eine Kardiomyopathie oder einen Diabetes [1, 3]. Die häufigste Form der Hämochromatose, von der ca. 80% der Patienten betroffen sind, ist mit einer Mutation in einem sogenannten nicht-klassischen MHC-I-Molekül, dem HFE, assoziiert. Darüber hinaus gibt es noch vier andere Formen der primären Eisenüberladung, die durch Mutationen in regulatorischen Eisenmetabolismusgenen hervorgerufen werden [3].

Auf der anderen Seite führt ein Eisenmangel zur Einschränkung des zellulären Stoffwechsels und einer Wachstumshemmung und von Zellen, die sich klinisch zuerst als so genannte Eisenmangelanämie, der weltweit häufigsten Anämieform, manifestiert [1].

Da Eisen kaum ausgeschieden werden kann und nur durch die so genannte Zellmauserung bzw. durch Blutungen verloren geht, ist die gut koordinierte Kontrolle von Eisenaufnahme verbunden mit der intrazellulären Regulation von Eisenspeicherung und Eisenverbrauch von vitaler Bedeutung für jede Zelle.

 

Regulation der Immunantwort durch Eisen

Eine ausreichende Verfügbarkeit von Eisen ist von essenzieller Bedeutung für die Proliferation und Differenzierung von Immunzellen, während ein Überangebot insbesondere im Rahmen einer mit einer chronischen Immunaktivierung einhergehenden Erkrankung sich negativ auf die zellvermittelte Immunantwort auswirkt [4, 5]. So ist ein schwerer Eisenmangel mit einer reduzierten Proliferationskinetik vor allem von NK- und T-Lymphozyten assoziiert. Darüber hinaus kann die zelluläre Eisenverfügbarkeit die Differenzierung und Aktivierung von Lymphozytensubsets wievon T-Helfer-Zellen Typ 1 (TH1) und Typ 2 (TH2) oder CD8+-T-Zellen beeinflussen, was wiederum profunde Effekte auf die Regulation der zellulären Immuneffektorfunktion ausübt [4, 5, 6]. Letztendlich ist Eisen auch direkt in Immuneffektormechanismen eingebunden. So katalysiert Eisen die Bildung von hochtoxischen Hydroxyl-Radikalen (OH•) in aktivierten Monozyten/Makrophagen, was von großer Bedeutung für die unspezifische Immunabwehr gegenüber eingewanderten Pathogenen ist [2].

Darüber hinaus übt Eisen direkte Effekte auf die Immuneffektorfunktion von Monozyten aus. Erhöhte Konzentration von Eisen in Monozyten/Makrophagen führt zu einer Blockade der IFN--vermittelten Immuneffektorwege [7, 8]. Das zeigt sich unter anderem an einer verminderten Produktion von TNF-, einer eingeschränkten Antigenpräsentation durch verminderte MHC-Klasse-II-Expression, einer reduzierten Expression von Adhäsionsmolekülen wie ICAM-1 auf aktivierten Monozyten/Makrophagen oder einer verminderten Bildung von Neopterin [9].

Das führt dazu, dass eisenbeladene Makrophagen nicht mehr in der Lage sind, intrazelluläre Mikroorganismen wie Legionellen, Listerien, Salmonellen oder Mykobakterien über diese IFN--vermittelten Abwehrmechanismen zu eliminieren. Umgekehrt führt der Entzug von Eisen, z.B. durch die therapeutische Gabe eines Eisenchelators, zur Stimulation der Immuneffektorfunktion von Makrophagen und zur Eliminierung der Mikroorganismen, was primär auf die Beeinflussung der IFN--mediierten Immunabwehrmechanismen und nicht auf Limitierung des für Mikroorganismen essenziellen Eisens zurückzuführen ist [10, 11].

Ein Teil dieser Effekte ist auf eine direkte Interaktion von Eisen mit der Bildung des zentralen Immuneffektormoleküls NO zurückzuführen. Sowie nämlich NO in die post-transkriptionelle Kontrolle des Eisenmetabolismus über „iron regulatory proteins“ eingreift [12], beeinflusst die zelluläre Eisenverfügbarkeit auch die NO-Produktion. Erhöhte intrazelluläre Konzentrationen von nicht-ferritingebundenem Eisen reduzieren die Transkription Expression des Enzyms induzierbare NO-Synthase (iNOS) inaktivierten Makrophagen, während Eisenentzug durch Gabe von Desferrioxamin zu einer Erhöhung der iNOS-Expression und damit der NO-Synthese führt [13]. Der zugrunde liegende Mechanismus ist eine eisenbedingte Reduktion der Bindung der zentralen Transkriptionsfaktoren NF-IL6 und HIF-1 an den iNOS-Promotor mit konsekutiver Verminderung der Transkriptionsaktivität [14, 15]. Diese Interaktion von Eisen und NO ist von wesentlicher Bedeutung für die Abwehr gegenüber Infektionen. Die vermehrte Produktion und Freisetzung von NO durch aktivierte Makrophagen ist ein wesentlicher Immunabwehrmechanismus gegenüber Tumorzellen und Mikroorganismen, sodass ein vermehrtes Eisenangebot nicht nur die Proliferation von Mikroorganismen fördert, sondern auch die gegen sie gerichteten Immunabwehrwege schwächt.

Vor allem bei Infektionen mit intrazellulären Erregern scheint der Eisenhomöostase eine entscheidende Bedeutung zuzukommen. Vor nunmehr über 10 Jahren wurde in Makrophagen ein Resistenzgen isoliert, das Schutz vor Infektionen mit Salmonellen, Leishmanien und Tuberkelbakterien bietet [16, 17]. Dieses phagolysosomale Transportprotein, NRAMP-1 (für natural resistance associated macrophage protein), transportiert neben Protonen und Magnesium auch Eisen aus dem Phagolysosom [18], womit es zu einer Eisenverarmung, vermehrten Stimulation der Immunabwehr und besseren Abtötung der eingedrungenen Erreger kommen kann. Darüber hinaus führt die Expression von NRAMP-1 zu einer vermehrten Stimulation der NO-Bildung [19], was wiederum einen wesentlichen Abwehrmechanismus gegen diese intrazellulären Erreger darstellt. Da die zelluläre Eisenverfügbarkeit einen wesentlichen Einfluss auf die Bildung von NO ausübt, während NO umgekehrt in die Eisenhomöostase eingreift, und die NRAMP-1-Expression sowohl durch Eisen reguliert wird, als auch umgekehrt NRAMP-1 den zellulären Eisentransport und die Bildung von NO beeinflusst, dürfte das regulatorische Triangulum NO, Eisen und NRAMP-1 von entscheidender Bedeutung für die Abwehr intrazellulärer Erreger sein.

 

Eisen und Infektion

Die Relevanz dieser Interaktionen von Eisen und Immunität wurde durch zahlreiche klinische Beobachtungen untermauert. Mehrere dieser Studienzeigen, dass eine erhöhte Eisenverfügbarkeit mit einem erhöhten Tumor- und Infektionsrisiko bzw. mit einem ungünstigen Verlauf einer dieser Erkrankungen vergesellschaftet ist [20, 21].

In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie in Sambia konnte gezeigt werden, dass die Gabe des Eisenchelators Desferrioxamin zusätzlich zu einer Standardmalariatherapie mit Chinin zu einem günstigeren klinischen Verlauf bei Kindern mit zerebraler Malaria führte, der schwersten Verlaufsform einer Infektion mit PL. falciparum [22]. Die Applikation von Desferrioxamin verkürzte die Fieber- und Komadauer und führte zu einer rascheren Beseitigung vom Plasmodien aus der Zirkulation. Damit verbunden kam es zu einem signifikanten Anstieg der endogenen NO-Synthese nach Desferrioxaminebehandlung [23]. Das legt den Schluss nahe, (i) dass der Mechanismus, über den Desferrioxamine in vitro die iNOS Transkription induziert, [12] auch in vivo Gültigkeit hat und (ii) dass die vermehrte Bildung von NO für den günstigen klinischen Verlauf verantwortlich sein könnte, da NO ein zentrales Effektormolekül bei der Abwehr von Parasiten ist [24, 25]. Das wird auch durch eine Studie unterstützt, die zeigt, dass die Wirkung von Eisen/Desferrioxamine auf die Plasmodien auf die Modulierung der Immunantwort und nicht auf die Beeinflussung der Eisenverfügbarkeit für die Parasiten zurückzuführen ist [25].

Eisen beeinflusst nicht nur die IFN--Aktivität und damit auch die Bildung von NO, sondern greift in das TH-1/TH-2 Netzwerk ein. So führt ein Überschuss von Eisen zu einer verminderten Aktivität von pro-inflammatorisch wirkenden TH-1-Zellen während die kreuzinhibitorische Aktivität von TH-2 und damit eine antiinflammatorische und makrophagen-deaktivierende Immunantwort gefördert wird [11, 27].

Auch bei Hepatitis C konnte gezeigt werden, dass der Eisenstatus einen wesentlichen Einfluss auf den klinischen Verlauf der HCV-Infektion hat. Ein erhöhter Eisengehalt in der Leber ist mit einem schlechten Ansprechen auf eine Therapie mit IFN- assoziiert. Darüber hinaus führen erhöhte Eisenspiegel zu einem rascheren Übergang der Erkrankung in das Zirrhose-Stadium [28]. Das kann (i) auf eine vermehrte Radikalbildung und Gewebsschädigung durch Eisen, (ii) auf eine Schwächung der TH-1-vermittelten Immunmechanismen durch das Metall, die eine zentrale Rolle für die Abwehr von Viren spielen [29] und/oder (iii) auf die stimulierende Wirkung von Eisen auf die HCV-Replikation bzw. HCV-Translation zurückgeführt werden [30, 31]. Letzteres beruht auf einer eisenvermittelten Induktion der Bildung des Translationsinitiationsfaktors e-IF3, der v.a. bei HCV-Virustyp1b und 2 die Translation stimuliert. Klinische Studien haben deshalb untersucht, inwieweit eine Reduktion der Eisenspiegel durch regelmäßige Phlebotomien einen günstigen Einfluss auf den klinischen Verlauf einer HCV-Infektion ausübt. Zwar zeigen sich in einigen Studien durchaus positive und vielversprechende klinische Effekte, eine generelle Empfehlung einer derartigen additiven Therapie erscheint aber zum jetzigen Zeitpunkt noch verfrüht [32, 33].

Auch bei der Tuberkulose findet sich eine enger Zusammenhang zwischen dem Krankheitsverlauf und dem Eisenangebot. So ist eine Bantusiderose, ein sekundärer Eisenüberladungszustand im südlichen Afrika, der mit der Herstellung des traditionellen Bieres in Eisenkesseln assoziiert ist, mit einem ungünstigen klinischen Verlauf und einer erhöhten Mortalität bei Tuberkulose verbunden [34]. Diese Beobachtung wird durch In vitro-Daten unterstützt, die zeigen, dass ein vermehrtes Eisenangebot in Makrophagen die Proliferation von Mykobakterien fördert und die Immunabwehrmechanismen schwächt [35].

Auch bei der HIV-Infektion waren vor Verwendung von HAART (danach wurden dazu keine Studien mehr publiziert) eine therapeutische Eisengabe oder eine vermehrte Eisenspeicherung im Knochenmark mit einem kürzeren Überleben assoziiert (for review see 36). Es gibt noch viele weitere Beispiele, bei denen ein Überangebot oder die Applikation von Eisen zu einem ungünstigen Verlauf einer Infektion führt. Dazu gehören bakterielle Infektionen mit Gram-positiven und Gram-negativen Erregern, Pilzerkrankungen (z.B. Candidainfektionen) oder Infektionen mit Parasiten (Leishmaniose, Pneumocystits carinii)[20]. Bei Patienten unter Hämodialyse hat sich ein enger Zusammenhang von hohen Eisenspiegeln oder Eisentherapie mit dem Auftreten von infektiösen Komplikationen oder Septikämien offenbart, wobei hier auch die negativen Effekte von Eisen auf die Funktion von neutrophilen Granulozyten eine Rolle spielen [37].

Die Gründe für die negative Beeinflussung des Krankheitsverlaufs liegen in einer Schwächung der zellmedierten Immunabwehr durch Eisen, in einer Beeinträchtigung der Funktionalität von neutrophilen Granulozyten und in einer Wachstumsstimulation der Mikroorganismen durch das essenzielle Element Eisen [20, 37, 38, 39, 40]. Zudem haben Mikroorganismen eine Unzahl von Strategien entwickelt, um häm- und nichthämgebundenes Eisen aufzunehmen, und verwenden z.T. auch Eisen dazu, um Abwehrmechanismen zu stimulieren, die die Immuneffektorfunktion von Makrophagen oder Granulozyten neutralisieren [40, 41].

 

Die Infektions-Anämie

Als pathophysiologischer Ausdruck der engen Interaktion von Eisenstoffwechsel und Immunantwort entwickelt sich bei chronischen Infektionen häufig eine normozytäre/normochrome Anämie, die als Infektanämie oder Anämie chronischer Erkrankungen (ACD) bezeichnet wird und sich auch in einem hohen Prozentsatz bei Patienten findet, die an Autoimmunerkrankungen oder Tumoren leiden [43, 44].

Die Pathophysiologie dieser Anämie basiert auf einer Umleitung des Eisens aus der Zirkulation in die Speicher des Retikuloendothelialen Systems (RES) mit Entstehung einer funktionellen Eisenverteilungsstörung – gekennzeichnet durch eine Hypoferriämie und eine Hyperferritinämie. Hierfür sind primär TH1/TH2-Zytokine und das Akutphaseprotein Hepcidin verantwortlich, die zu einer vermehrten Aufnahme und Retention von Eisen in Makrophagen führen. Dazu kommen eine gesteigerte Erythrophagozytose [45] und eine verminderte Eisenresorption aus dem Darm, wofür wiederum Hepcidin verantwortlich sein dürfte. Das alles resultiert in einer Limitierung der Eisenverfügbarkeit für erythroide Vorläuferzellen und führt dadurch zur Entwicklung einer Anämie [43, 44]. Weiters bewirken die Zytokine eine Hemmung der Proliferation und Differenzierung von erythroiden Progenitorzellen und reduzieren die Bildung und Wirksamkeit von Erythropoietin, allesamt Faktoren, die die Anämie verstärken.

Die Diagnose einer ACD kann sehr einfach aufgrund typischer Veränderungen im Eisenstoffwechsel gestellt werden. Bei ACD-Patienten findet sich ein niedriger Serumeisenspiegel, eine niedrige Transferrinsättigung und eine verminderte Transferrinkonzentration, während der Serumferritinspiegel ebenso wie Zytokinkonzentrationen im Serum erhöht sind.

Aus der Entstehung der Anämie ergeben sich nicht nur Nachteile für den Patienten (Müdigkeit, verminderte Nierendurchblutung, ineffiziente Herzleistung, kognitive Probleme), sondern auch potenzielle Vorteile, die wohl aus dem Bestreben des Körpers entspringen, das essenzielle Nahrungsmittel Eisen den Mikroorganismen zu entziehen und gleichzeitig die gegen diese gerichteten Immuneffektorwege zu verstärken (Abbildung 1). Somit könnte die ACD als eine Abwehrstrategie des Körpers bei der Kontrolle von Infektionen und Tumorerkrankungen gesehen werden.

Abbildung 1: Der Kampf ums Eisen: Im Falle einer Infektion oder Tumorerkrankung kommt es zur Aktivierung des Immunsystems. Durch die Wirkung von Zytokinen wie Interferon-gamma (IFN-) werden in Makrophagen Mechanismen in Gang gesetzt, die dazu dienen sollen, diese Pathogene zu eliminieren. Dazu gehören die Bildung anderer Zytokine, aber auch von Radikalen wie NO, die Tumorzellen und Mikroorganismen schädigen. In der Gegenwart von Eisen ist die Effektivität dieser Immunantwort herabgesetzt, weshalb Makrophagen versuchen, Eisen in das Speicherprotein Ferritin einzubauen und so dessen negative Wirkung auf das Immunsystem herabzusetzen. Hierzu werden komplexe molekulare Mechanismen in Gang gesetzt, wodurch die Effizienz der Immunantwort steigt. Parallel dazu nehmen Makrophagen aus der Zirkulation vermehrt Eisen auf und speichern dieses. Dahinter steht die Strategie, den Mikroorganismen und Tumorzellen das für diese essenzielle Nahrungsmittel Eisen zu entziehen und dadurch deren Vermehrung zu blockieren.


Abbildung 1:
Der Kampf ums Eisen

Somit verfolgt der Entzug von Eisen aus dem Blut und dessen Speicherung in Makrophagen zwei Ziele: Eine Blockade des Wachstums von Tumorzellen und Mikroorganismen und eine Stärkung der gegen diese gerichteten Immunfunktionen.

Aus den genannten Gründen ist die Gabe von Eisen zur Therapie der ACD bei Infektionen und Tumorerkrankungen strikt abzulehnen, da diese Maßnahme diese Strategie unterlaufen würde und zu einer Förderung des Wachstums von Mikroorganismen und zu einer Schwächung der zellulären Immunantwort führen würde.

Die Kontrolle über die Eisenhomöostase ist mithin eines der entscheidenden Kriterien, das über den Verlauf einer Infektion entscheiden kann. Da eine erhöhte Eisenverfügbarkeit das Wachstum von Mikroorganismen fördert und die gegen diese induzierten Immuneffektormechanismen schwächt, erscheint es sinnvoll, Strategien zu entwickeln, die auf pharmakologischem Weg die Eisenverfügbarkeit für Mikroorganismen eindämmen. Einige Studien haben gezeigt, dass Eisenchelatoren durchaus klinisches Potenzial bei der Behandlung von Infektionskrankheiten aufweisen, allerdings sind die derzeit verfügbaren Substanzen im Hinblick auf Membranpermeabilität und die Möglichkeiten der intrazellulären Eisenchelierung noch ausbaufähig. Andere therapeutische Ansätze zur Behandlung von Infektionen könnten in der pharmakologischen Interaktion mit den Eisenaufnahmemechanismen dieser Mikroorganismen liegen. Das Spannungsfeld zwischen Eisen, Immunität und Infektionen kann deshalb sicherlich als sehr zukunftsträchtige Branche in der Infektiologie angesehen werden, vor allem in Anbetracht des zunehmenden Auftretens multipler Resistenzen bei Bakterien, Pilzen und Parasiten.

 

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Anschrift des Verfassers:
A.o. Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss
Medizinische Universität, Universitätsklinik für Innere Medizin,
Klinische Infektiologie und Immunologie
A-6020 Innsbruck, Anichstraße 35
E-Mail: guenter.weiss@uibk.ac.at

 

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