Klinische Virologie – eine Herausforderung

C. Wenisch, K. Kandel, E. Bischof, H. Laferl, M. Szell
SMZ-Süd, KFJ Spital, 4. Medizinische Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin, Wien
(Vorstand: Prim. Univ.-Prof. Dr. Christoph Wenisch)

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Schlüsselwörter:
Klinische Virologie, HIV, CMV, Hepatitis, Influenza


Zusammenfassung

Bis vor einigen Jahren standen bei Virusinfektionen wenige diagnostische Tests und nur supportive therapeutische Maßnahmen zu Verfügung. Parallel zu einer deutlich verbesserten Diagnostik gibt es heute für viele Virusinfektionen eine spezifische Therapie. Zudem werden jedes Jahr neue Viren entdeckt und Zusammenhänge klinischer Zustandsbilder mit spezifischen Viren assoziiert (SARS-assoziierte Coronaviren, Parvoviren, Hantaan, HHV 6, HHV 8, Westnilvirus etc.). Die Kenntnis der Epidemiologie dieser Infektionen ist für diagnostische Überlegungen insbesondere bei importierten Infektionen wichtig. All das hat das Management dieser Erkrankungen und insbesondere den Verlauf und die Prognose dieser Erkrankungen wesentlich verändert. Im folgenden Artikel wird die aktuelle Herausforderung bei in Österreich vorkommenden klinisch bedeutsamen Virusinfektionen (Influenza, HIV, FSME, CMV, Hepatitis und Dengue) diskutiert.


Key-words:
Clinical virology, HIV, CMV, Hepatitis, Influenza


Summary

Until recently, only limited diagnostic tests and supportive care was available for viral infections. Today, diagnostic systems improved considerably and for a variety of viral infections specific antiviral therapy is available. In addition to the growing knowledge of the viral etiology of “new” diseases (parvovirus, SARS-associated coronavirus, hantavirus, HHV 6, HHV 8, etc.) epidemiological considerations are pivotal in respect to diagnosis, in particular in the context of imported infections. These facts have considerably modified management, course and prognosis of these infections. Herein we review several aspects of the current challenge of clinical virology (Influenza, HIV, FSME, CMV, Hepatitis, and Dengue) in Austria.



HIV

Seit dem erstmals 1981 beobachteten gehäuften Auftreten von Pneumocystis-Pneumonien und Kaposi-Sarkomen unter US-amerikanischen Homosexuellen und IVDUs [1] und der Isolation des HI-Virus durch Gallo und Montagnier 1983 haben sich die Herausforderungen, die diese Erkrankung an den behandelnden Arzt stellt, deutlich gewandelt.

Derzeit leben etwa 39,4 Millionen Menschen weltweit mit dem Virus, 25,4 Millionen davon auf dem afrikanischen Kontinent. Die Zahl der Neuinfektionen wird für 2004 auf 4,9 Millionen geschätzt [2]. Weniger als 4 % aller weltweit Infizierten haben Zugang zu einer wirksamen medikamentösen Therapie. Während staatliche und private Programme in Ländern wie Thailand, Brasilien und Uganda durch ihren Erfolg Hoffnung geben, müssen die zum Teil explosionsartig steigenden Infektionsraten insbesondere unter Jugendlichen in einigen osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern mit Besorgnis zur Kenntnis genommen werden. Bedeutend ist weiters die Verteilung der Risikogruppen. In vielen afrikanischen Ländern beträgt der Anteil der Frauen unter den HIV-Infizierten bereits um die 80 %, in den USA und Europa sind die beiden größten Risikogruppen noch Homosexuelle und Konsumenten intravenöser Drogen. Dem auch hier steigenden Anteil infizierter Frauen muss mit entsprechender Aufklärung Rechnung getragen werden. Nur so kann in Zukunft verhindert werden, dass die Erstdiagnose bei dieser Population häufig zu einem bereits fortgeschrittenen Krankheitsstadium gestellt wird. Die Diagnose der akuten HIV-Infektion stellt ein Problem dar, das nicht nur auf eine Risikogruppe beschränkt ist. Gerade zu diesem frühen Stadium ist die Viruslast oft sehr hoch und das Transmissionsrisiko damit ebenso. Die Bedeutung der Therapieeinleitung in dieser frühen Krankheitsphase wird diskutiert und der Kliniker ist somit aufgerufen seine differentialdiagnostischen Sinne zu schärfen [3]. HIV-assoziierte Morbidität und Mortalität haben sich erst mit Einführung der HAART 1996 deutlich geändert. Die mittlere Überlebensdauer unter HAART wird heute auf 15 bis 20 Jahre geschätzt. Standen früher opportunistische Infektionen und andere direkt HIV-assoziierte Erkrankungen im Vordergrund des klinischen Verlaufs, so stellt heute das Management Therapie-assoziierter Erkrankungen die größte Herausforderung für den Arzt dar. Der Anteil von Malignomen, Lebererkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen an den Todesursachen HIV-Positiver steigt stetig [4]. Dem behandelnden Arzt steht heute einerseits ein umfassendes diagnostisches und therapeutisches Armentarium zur Kontrolle opportunistischer Infektion zur Verfügung. Andererseits kann er für die HAART derzeit auf Präparate aus 4 Substanzgruppen mit unterschiedlichem Angriffspunkt innerhalb des viralen Lebenszyklus zurückgreifen [5]. Es handelt sich um NRTIs, NNRTIs , PIs und die Fusionsinhibitoren. Integraseinhibitoren, Glucosidaseinhibitoren und Chemokinrezeptorblocker befinden sich in einem bereits fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, während die Rolle, die Zytokinmodulatoren für die Behandlung der HIV-Infektion spielen könnten, noch nicht ganz geklärt scheint. Auf dem Gebiet der Vakzinentwicklung konnte bis dato leider kein durchschlagender Erfolg erzielt werden. Die Herausforderung für den behandelnden Arzt besteht in der Auswahl der „richtigen“ Therapie für jeden einzelnen Patienten. Zu berücksichtigen sind Lebensumstände, Komorbidität und Komedikation, Komplexität der Einnahmevorschriften, Resistenzsituationen und zu erwartende Nebenwirkungen. Neben virologischen, immunologischen, infektiologischen und umfassenden allgemeinmedizinischen Kenntnissen sind hohe psychosoziale Kompetenz und gute kommunikative Fähigkeiten gefordert, um eine möglichst optimale Arzt-Patienten-Beziehung zu schaffen. Nur auf dieser Basis kann mit hoher Compliance und Adhärenz gerechnet werden. Letztere sind die Vorraussetzung für einen lang anhaltenden Therapieerfolg [6]. Dieser kann aber oft nur durch Therapiemodifikationen erzielt werden. Erforderlich werden diese bei Auftreten nicht traktabler oder nicht akzeptabler Nebenwirkungen oder aber bei Entwicklung von Resistenzen, die sich in bis zu 50% unter Therapie entwickeln.Trotz aller deutlicher Fortschritte, die in den letzten 20 Jahren in allen Teilbereichen der HIV-Infektion erzielt werden konnten, bleiben also noch genügend Probleme zu lösen. Herausforderungen für den klinischen Virologen wird es also auch in den nächsten Jahrzehnten geben, noch größere Herausforderungen wahrscheinlich aber für Regierungen, Pharmakonzerne sowie Gesundheitsinstitutionen, die mit Prävention befasst sind.

 

CMV

Eine Infektion mit Cytomegalieviren im immunsupprimierten Patient ist eine oft gefürchtete Komplikation immunsuppressiver Therapien und geht mit einer hohen Letalität einher. So kommt es durch das Virus bei transplantierten Patienten, bei Neugeborenen oder bei HIV-Patienten zu schweren Organmanifestationen der Lunge, der Retina, des Darmes oder des ZNS. Bei diesem speziellen Krankengut sind diese Krankheiten daher wohl bekannt und gefürchtet.

Weniger bekannt ist jedoch, dass das Cytomegalievirus bei immunkompetenten Erwachsenen ebenfalls zu einer beträchtlichen Morbidität und auch in seltenen Fällen zu schweren Komplikationen führen kann [7, 8]. Leider wird dieses Krankheitsbild oft viel zu spät diagnostiziert, und bis dahin werden unnötige diagnostische und therapeutische Maßnahmen getroffen. Obwohl die Erkrankung seit den 60er Jahren bekannt ist, wird sie nach wie vor oft übersehen, obwohl sich viele Patienten typisch präsentieren: Der „klassische“ CMV-Patient heute ist etwa 30 Jahre alt, hat seit vielen Tagen teils hohes Fieber und zeigt im Labor eine „Transaminitis“ (GPT > GOT) [7, 8, 9, 10, 11].

Seit 1997 erfassen wir an unserer Abteilung alle Patienten mit einer akuten CMV-Infektion. Immunsupprimierte Patienten wurden von der Erfassung ausgeschlossen. Insgesamt konnten wir 57 Patienten identifizieren. Im Folgenden möchten wir die wichtigsten Charakteristika dieser Erkrankung anhand unserer eigenen Daten präsentieren.

Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Bezüglich der Altersverteilung zeigt sich ein Median von 34 Jahren. Etwa 80% der Patienten sind zwischen 21 und 40 Jahre alt. Es gibt keine jahreszeitliche Häufung.

Etwa ein Drittel unserer CMV-Patienten hatte eine rezente Auslandsreise in der Anamnese. Einerseits ist diese Beobachtung dadurch verzerrt, dass unsere Infektionsambulanz auch von Tropenrückkehrern frequentiert wird, andererseits sind die CMV-Seroprävalenzen in subtropischen und tropischen Ländern deutlich erhöht. Eventuell dürfte auch das erhöhte Risikoverhalten im Urlaub (orale Kontakte, Geschlechtsverkehr) eine Rolle spielen.

Das klinische Leitsymptom dieser Erkrankung ist das Fieber; fast alle Patienten haben Fieber. Die durchschnittliche Fieberdauer betrug bei unseren Patienten 17,8 Tage, das durchschnittliche Fiebermaximum betrug 38,8°C (Maximalwert: 40°C).

Fast die Hälfte der Patienten klagt über Kopfschmerzen, etwa ein Drittel über Myalgien. Ebenfalls ein Drittel berichtet über eine teilweise extreme Müdigkeit. Weitere nicht so oft beobachteten Symptome sind: Husten, Lymphknotenschwellung, Nachtschweiß, Exanthem.

Im Labor zeigt sich in fast allen Fällen eine Erhöhung der Transaminasen, wobei typischerweise – ähnlich wie durch „klassische“ Hepatitisviren – die GPT höher als die GOT ist. Auffallend bei diesen Patienten ist eine oft deutliche Erhöhung der LDH.

Ebenfalls richtungweisend im Labor ist der Nachweis einer Lymphozytose mit reaktivierten bzw. atypischen Lymphozyten.

Dass die Diagnose dieser Erkrankung Schwierigkeiten bereitet, zeigt schon alleine die Tatsache, dass 40% unseres Kollektives auswärts bereits mit Antibiotika anbehandelt wurden.

Der Nachweis von CMV-IgM im Serum in Kombination mit Fieber und erhöhten Leberwerten ist als Diagnose ausreichend. Nur in speziellen Fällen ist die Durchführung einer CMV-PCR oder der Nachweis des Antigen spp65 indiziert [12].

Eine antivirale Therapie (Ganciclovir, Foscarnet) ist bei einem unkomplizierten Verlauf nicht indiziert. Die akute CMV-Infektion ist eine wichtige Differentialdiagnose des fiebernden Tropenrückkehrers, des FUO-Patienten und gehört auch zu der Differentialdiagnose der viralen Hepatitis. Eine frühzeitige Bestimmung der CMV-Antikörper kann die Diagnose sichern und erspart dem Patienten unnötige weitere diagnostische Schritte und sinnlose Antibiotikagaben.

 

Influenza

Die Influenza ist eine akute Viruserkrankung, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Ihre Ausbreitung erfolgt vor allem in dichten Menschenansammlungen, in Verkehrsmitteln, Arbeitsstätten, Schulen, Kaufhäusern etc., besonders durch Anhusten und Niesen sowie auch durch Husten und Niesen in die rechte Handfläche, die man dann seinen Mitmenschen zur Begrüßung reicht.

Nach einer Inkubationszeit von 1 - 4 Tagen beginnt die Krankheit plötzlich mit Schnupfen, Fröstelgefühl, Kopf- und Gliederschmerzen. Danach erfolgt ein rascher Anstieg der Körpertemperatur auf 39 - 40 Grad Celsius, zugleich tritt der für die Erkrankung der Atemwege charakteristische Husten bereits in den Vordergrund. Die Patienten klagen außerdem über Brennen im Rachen und Schmerzen hinter dem Sternum. Die Entfieberung erfolgt meistens nach 4 - 6 tägigem Krankheitsverlauf. Die Erkrankung verläuft in den meisten Fällen relativ leicht. Es kann aber auch zu gefährlichen Komplikationen kommen, dazu gehören die Pneumonie, für die besonders Hochrisikopatienten (die mit pulmonalen oder cardiovasculären Grunderkrankungen, Patienten mit Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Hämoglobinpathien oder Immunsupression, Patienten in Pflegeheimen und älteren Patienten) ein Risiko aufweisen. Auf der einen Seite kann es sich dabei um eine primäre Influenzapneumonie handeln, die insbesondere dann auftreten kann, wenn sich die primäre Influenzainfektion nicht verbessert und hohes Fieber, Dyspnoe und Zyanose auftritt; auf der anderen Seite auch die sekundäre bakterielle Superinfektion, deren Pathogenese auf den Flimmerzellverlust durch die Virusinfektion zurückgeführt wird.

Der häufigste bakterielle Erreger ist Streptococcus pneumoniae (48% in einer Untersuchung), auch Staphylococcus aureus (19%) und Hämophilus influenzae-Pneumonie können Influenza komplizieren. Klassischerweise tritt dies nach einer initialen klinischen Besserung und Afebrilität für 2 - 3 Tage im Sinne einer akuten Erkrankungsexacerbation mit hohem Fieber, Husten, purulentem Sputum unter radiographischen Zeichen von pulmonalen Infiltraten auf.

Andere wichtige Komplikationen sind Myositis und Rhabdomyolyse, wobei auch hier Myoglobinurie und assoziiertes Nierenversagen beschrieben wurden.

Weitere Komplikation ist das Reyesyndrom im Sinne einer extrapulmonalen Komplikation, welches vor allem mit Influenza-B-Virusinfektion assoziiert wurde. Insbesondere Kinder (Altersgruppen 2 - 16) sind davon betroffen. Man sah bei dieser Erkrankung eine epidemiologische Assoziation mit der Verwendung von Aspirin, welche durch die Empfehlung Aspirin bei Influenza nicht zu verwenden und des damit verbundenen Rückgangs der Inzidenz des Reyesyndroms unterstützt wurde. Das Reyesyndrom führt klinisch zu Übelkeit und Erbrechen, gefolgt von einer Vielzahl zentralnervöser Zeichen wie Veränderung der Bewusstseinslage bis zur Lethargie, Koma, Delirium und Krämpfe. Eine Hepatomegalie mit erhöhten Leberfermenten und LDH und minimal erhöhtem Serum-Bilirubin ist typisch. Die Kontrolle des cerebralen Ödems und der Hypoglykämie sind wichtig bei diesen Patienten. Die Letalitätsrate ist bis 10%.

Eine weitere Komplikation ist eine hämorrhagische Encephalitis, eine Myelitis transversa und eine aseptische Meningitis. Eine Assoziation mit einem Guillain-Barre-Syndrom hinsichtlich der Ätiologie wurde nicht bewiesen.

Eine Myocarditis und Pericarditis wurde häufig in der Pandemie 1918 berichtet, aber selten in späteren Berichten. Auf der anderen Seite sieht man EKG-Veränderungen häufig bei Patienten mit Influenza, insbesondere bei denen, die eine zugrunde liegende chronische Herzkrankheit aufweisen.

Erst 1933 wurde das Influenza-Virus nachgewiesen. Man stellte dabei 3 Virustypen fest, Typ A, B und C. Seither wurde bei Pandemien und größeren Epidemien nur das Influenza-Virus vom Typ A festgestellt, Typ B kommt bei kleineren Epidemien und Endemien vor, während sich der Typ C nur bei Einzelerkrankungen im Kindesalter feststellen ließ. Erkältungskrankheiten, die gewöhnlich als grippaler Infekt bezeichnet werden, und für die klassische Theorie aus Schnupfen und Heiserkeit gekennzeichnet ist, werden in Wirklichkeit von anderen respiratorischen Viren wie Rhinoviren, Coronaviren, Adenoviren oder Echoviren verursacht.

Im Gegensatz zu anderen Virusinfektionen wie Pocken, Gelbfieber, Polymylitis, Masern und Röteln ist aufgrund der Varibilität der Oberflächenantigene des Influenza-Virus vom Typ A ein umfassender Impfschutz nicht zu erzielen. Die starke Variabilität der beiden Oberflächensubtypantigene (H und N) des Influenza-Virus vom Typ A führt zu zahlreichen Subtypen. Die Pathogenität von Influenza-Viren hängt vom Hämaglutinin ab. Bislang sind 16 Hämaglutinin (H)- und 9 verschiedene Neurominidase (N)-Subtypen bei Influenza-A-Viren bekannt. Der Grippeimpfstoff, der Jahr für Jahr neu angeboten wurde, wirkte nur gegen die Grippe des Vorjahres. Denn das Virus ändert seinen durch den Impfstoff beherrschbaren Charakter fast jährlich. Diese kontinuierlichen Veränderungen werden als Antigendrift bezeichnet. Dieser Antigendrift ist die Ursache dafür, dass Influenza-Virusinfektionen keine langanhaltende Immunität hinterlassen und immer wieder Reinfektionen und jährliche Epidemien auftreten können. Plötzliche und drastische Veränderungen, die als Antigenshift bezeichnet werden, sind hingegen ein Markenzeichen des Influenza-A-Virus und treten in unvorhersehbaren Intervallen auf. Wenn solche drastisch veränderten Virusvarianten die Fähigkeit besitzen, effizient von Mensch zu Mensch übertragen zu werden, kann es zu ausgedehnten Epidemien und in weiterer Folge zu einer Pandemie kommen.

Dabei kommt einem Genaustausch bei Haustieren (Geflügel und Schweine) eine wichtige Rolle als Virusreservoir im Sinne der genetischen Rekombination zu. Bei der so genannten Hongkong-Grippe des Jahres 1968 dürfte das Hämoglutiningen aus einem Influenza-Virus übernommen worden sein, das in Geflügel vorkommt. Ganz ähnliche Bedingungen fanden sich schon früher in den USA, wo Schweine-Influenza-Viren offensichtlich eine Rolle spielten. Von besonderem Interesse dürfte die Situation in China sein, wo – ähnlich wie früher auch in europäischen Städten – Geflügel, Schweine und Menschen in engem Kontakt miteinander leben und wo daher das menschliche Influenza-Virus vom Typ A die Möglichkeit findet und fand, sein Erbgut mit dem tierischen Influenzavirus auszutauschen und neu zu rekombinieren. Solche Zustände führen zu neuen Virussubtypen („Reassortanten“), die neue biologische Eigenschaften aufweisen und sich daher epidemisch ausbreiten können.

Es gilt als sicher, dass von solchen Reassortanten zwischen Mensch und Tier von Zeit zu Zeit neue Influenzapandemien ausgehen, wobei der Eindruck von sekulären Wellenbewegungen mit einem Rhythmus von etwa 20 - 40 Jahren entstand [13].

In Österreich erkranken pro Jahr ca. 380.000 Personen an der Influenza, 2.000 - 3.000 Personen sterben daran. Obwohl Influenza somit zu den häufigsten und folgenschwersten Infektionskrankheiten gehört, besteht in der Bevölkerung kein adäquates Risikobewusstsein. Dies schlägt sich in dramatisch niedrigen Durchimpfungsraten von durchschnittlich 17% nieder, welche trotz intensiver Aufklärungsarbeit verschiedener Stellen nur sehr langsam gesteigert werden können [14].

Bei vorhandener Epidemie wird auf klinischer Basis Influenza am besten anhand der Nicolson’schen Kriterien diagnostiziert:

Dabei sind die epidemiologische Assoziation, eine plötzliche Erkrankung mit Fieber höher als 38 Grad Celsius Hauptkriterien plus zwei der folgenden Symptome – Muskel- und Gliederschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit bei Kopfschmerzen, Husten, Heiserkeit, Bettlägrigkeit – zur Diagnose notwendig (Tabelle 1).

Ist die Grippewelle voll angelaufen, korrelieren klinische Diagnose und Labordiagnose in etwa 90%. In dieser Zeit ist daher eine Individualdiagnostik nicht erforderlich und würde nur den Behandlungsbeginn verzögern. Die derzeit kommerziell erhältlichen Schnelltestsysteme sind relativ unempfindlich und liefern insbesondere bei älteren Personen falsch negative Ergebnisse. Zur Überwachung von Veränderungen der zirkulierenden Virusstämme während einer Epidemie sollten ausgewählte Untersuchungsmaterialien an Fachlaboratorien weitergeleitet werden. Für den direkten Virusnachweis sind ein Nasenrachenabstrich, abgesaugtes Nasenrachensekret bei Säuglingen und Kleinkindern, Bronchialsekret, bronchoalveoläre Lavage, Biopsie und Sektionsmaterial, welches innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn im Labor einlangen sollte, adäquat. Diagnostische Möglichkeiten für den direkten Virenvirusnachweis gibt es im Sinne des Nachweises von virusspezifischen Proteinen und Nukleinsäuresequenz mittels Immunfluoreszenztechnik, ELISA und PCR direkt im Untersuchungsmaterial bzw.Virusanzucht. Für den Nachweis virusspezifischer Antikörper ist die Komplementbindungsreaktion geeignet [15].

Zur Therapie steht heute Oseltamivir zur Verfügung. Die Dosierung beträgt 2 x 75 mg p.o. für 5 Tage. Oseltamivir ist ein Neuraminidasehemmer, welcher das Freisetzen von neu gebildeten Viruspartikeln aus einer infizierten Zelle verhindert. Insoferne ist ein frühzeitiger Behandlungsbeginn notwendig. Bei einem Therapiebeginn innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn ist mit einer Verkürzung der Erkrankung von 1,5 - 2 Tagen zu rechnen, bei einem Therapiebeginn 12 Stunden nach Symptombeginn ist der Patient 3,1 Tage kürzer krank. Oseltamivir führt zu 55% weniger Antibiotika für untere Atemwegsinfektionen und zu einer Reduktion der Hospitalisierungsrate um 59 % [16, 17, 18]. Beides ist insbesondere für pandemische Situationen und Planungen von höchster Relevanz. Auf Basis der Überlegungen betreffend Schweregradbestimmung von pulmonalen Infektionen wurden im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Wiener Landessanitätsdirektion Triagekriterien für die Aufnahmebedürftigkeit von Influenzakranken evaluiert. Dabei wurde der VAB-65 Score (Verwirrung, Atemfrequenz, Blutdruck, 65 Lebensjahre) vorgeschlagen. Nach klinischer Diagnose (Tabelle 1) sieht dieses Testscoreergebnis auf (Tabelle 2) Folgendes vor:

Bei 0 und 1 Punkten ist eine ambulante Behandlung der Influenza angezeigt.

Bei 2, 3 oder 4 Punkten ist eine stationäre Aufnahme notwendig. Die Klassifikation richtet sich in Ermangelung eines influenzatypischen Scores auf validierte Schweregradbestimmungen im medizinischen Schrifttum betreffend untere Atemwegsinfektionen [19].

Auf Basis krankenhaushygienischer Überlegungen ist eine Dauer der Übertragbarkeit bei ausgebrochener Influenza von bis zu 3 - 5 Tagen nach Ausbruch der Erkrankung bei Erwachsenen und bis zu 7 Tagen bei Kindern zu erwarten. Patienten mit akuter respiratorischer Symptomatik sind bereits im Aufnahmebereich von medizinischen Einrichtungen von Patienten mit anderen Krankheitsbildern zu trennen. Diese Patienten sollten kohortiert werden. Solange beim Personal kein sicherer Impfschutz besteht, sind bei jedem Kontakt mit PatientInnen mit nachgewiesener Influenzainfektion Mundschutz, Augenschutz, Schutzkleidung, Handschuhe und hygienische Händedesinfektion notwendig. Patienten sollten bei Verlassen des Raumes mittels FFP3-Masken ohne Ventil versorgt werden [20].

Besucher sollten bei Eintreten des Raumes eine Maske tragen. Ein Arbeitsverbot für medizinisches Personal mit „Schnupfen“ sollte für Hochrisikobereiche wie Intensivstation, Knochenmarkstransplantation, etc. vorgesehen werden. Eine Prophylaxe mit Oseltamivir bei Patienten und Personal ist für die Dauer des unzureichenden Impfschutzes möglich und wird auch von einigen Fachgesellschaften (Paul-Ehrlich-Gesellschaft) empfohlen. Krankenbesuche sind auf das Notwendige zu beschränken, nur wirklich indizierte Aufnahmen sind vorzunehmen und elektive cardiopulmonale Eingriffe sind zu verschieben. Zur Abschätzung der Epidemie- und Pandemieauswirkungen steht heute ein mathematisches Modell von Meltzer, welches vom CDC Atlanta kostenlos zur Verfügung gestellt wird, zur Verwendung (Fluaid, Centers for Disease Control, Atlanta, USA; www.2a.cdc.gof/od/fluaid/). Dabei würde es bei keiner Durchführung von Prophylaxe und Therapie bei einer Hospitalisierung von 1,5 % der Erkrankten und einer 0,4 %igen Todesrate bei einer 30 %igen Erkrankungsrate zu 36.209 Hospitalisationen und 9.672 Todesfällen in Österreich kommen. Bei Verwendung von medikamentöser Prophylaxe für Gesundheitspersonal und Therapie aller Erkrankten könnte nach dieser Modellrechnung ca. ein Zehntel der Arztkonsultationen, mehr als die Hälfte der Hospitalisationen sowie mehr als die Hälfte der Todesfälle verhindert werden [21].


Tabelle 1:
Influenzadiagnose

Kriterien Influenza ~
90% Sensitivität/Spezifität
Influenza in der Region
Plötzliche Erkrankung
Fieber > 38°C
+ zwei der folgenden Symptome:  
     Muskel- und Gliederschmerzen Husten
     Müdigkeit und Abgeschlagenheit Heiserkeit
     Kopfschmerzen Bettlägerigkeit
*nach Nicolson, Managing Influenza in primary care, 2002

Tabelle 2: Schweregradbestimmung (Triagekriterien nach dem VAB-65-Score, Verwirrung, Atemfrequenz, Blutdruck, 65 Lebensjahre*)

Schweregradbestimmung Punkte
Verwirrung (zeitliche, örtliche und zur Person Desorientierung oder Mentaltestscore < 8) 1 Punkt
Atemfrequenz >30 pro Minute 1 Punkt
Blutdruck systolisch <90 mm/Hg oder
diastolisch < 60 mm/Hg
1 Punkt
Lebensalter > 65 Jahre 1 Punkt
*modifiziert nach [19]
Ergebnis und Bedeutung:
Bei Testscoreergebnissen von 0 und 1 Punkten ist eine ambulante Behandlung der Influenza angezeigt.
Bei Testscoreergebnissen von 2, 3 oder 4 Punkten ist eine stationäre Aufnahme notwendig.

 

Früh-Sommer-Meningo-Enzephalitis (FSME)

Die FSME ist eine der wichtigsten Ursachen von viralen Entzündungen des Zentralnervensystems und kommt zumindest in 25 europäischen und sieben asiatischen Ländern vor. In diesen Regionen treten insgesamt mehr als 10.000 schwere Fälle pro Jahr auf. In Österreich selbst wurden 2004 54 Fälle von FSME diagnostiziert (Abbildung 1).

Abbildung 1: FSME-Erkrankungen/Durchimpfungsrate Österreich

Während Schneider bereits 1931 die FSME als eigene Erkrankung erkannte [22], wurde das FSME-Virus aus der Familie der Flaviviridae erst 1937 von Zilber in Russland entdeckt [23]. Dabei werden je nach geografischem Vorkommen ein europäischer, sibirischer und fernöstlicher Subtyp unterschieden. Das Vorkommen des Virus ist an so genannte Naturherde gebunden, in denen das Virus zwischen Wirtstieren (Kleinsäugern) und Vektoren (Ixodes ricinus und Ixodes persulcatus) zirkuliert. Die Prävalenz infizierter Zecken variiert in Europa zwischen 0,5% und 5% [24].

Die Infektion des Menschen erfolgt hauptsächlich in den Frühlings- und Herbstmonaten durch den Biss einer Zecke beim Aufenthalt im Freien. Als weiterer Infektionsweg wird der Genuss von Ziegenrohmilchprodukten diskutiert [25].

Typischerweise verläuft die FSME biphasisch, wobei es nach einer 1- bis 2-wöchigen Inkubationszeit zur virämischen Phase mit uncharakteristischen grippalen Symptomen wie Fieber, Muskel- und Gliederschmerzen kommt. Nach einem symptomfreien Intervall von 8 Tagen präsentieren sich die Patienten mit hohem Fieber und Kopfschmerzen. In 20 - 30 % der Fälle werden meningoenzephalitische Symptome beobachtet. Anhaltende neurologische und neuropsychiatrische Symptome für mehrere Monate sind häufig. Als asiatisch-russisches Phänomen existieren chronische Krankheitsverläufe ohne vorangegangene Akutphase. Die Routinediagnostik der FSME besteht im Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern mittels ELISA aus dem Serum. Beweisend ist der 4-fache Titeranstieg nach 2 Wochen. Der direkte Virusnachweis mit RT-PCR ist in der Frühdiagnostik und nach einer kurz zuvor erfolgten Impfung hilfreich.

Die Letalität liegt in Europa bei 1%, meistens jedoch bilden sich alle Symptome wieder vollständig zurück. Eine kausale Therapie der FSME gibtes nicht, das spezifische Immunglobulin wurde aufgrund von besonders schwer verlaufenden Fällen nach passiver Immunisierung vom Markt genommen.

Der einzige wirksame Schutz vor einer FSME-Infektion ist die Impfung. Die erste aus Gewebskulturen entwickelte Vakzine wurde in den frühen 1970er Jahren entwickelt und in Zusammenarbeit des Virologischen Institutes der Universität Wien mit der Immuno AG Wien (heute Baxter Healthcare) kommerzialisiert. Der Impfstoff enthält inaktiviertes, hochgereinigtes Virus des Europäischen Subtyps [26].

In der Vorimpfära hatte Österreich die höchste Morbidität an FSME in Europa. Aus diesem Grund wurde 1981 eine Massenimpfkampagne in österreichischen Schulen gestartet, was zu einer Durchimpfungsrate von über 80% führte [27]. Die Schutzrate der Impfung ist mit 98% sehr hoch. Dadurch konnte die Inzidenz der FSME in den letzten 30 Jahren von 677 im Jahr 1979 auf 54 FSME-Erkrankungen 2004 reduziert werden. Im Vergleich dazu wurden in der Tschechischen Republik bei etwa gleichem Erkrankungsrisiko, aber sehr niedriger Durchimpfungsrate 2004 über 500 FSME-Fälle registriert [28]. Dieser Vergleich belegt eindrucksvoll die Effektivität der Impfung in Österreich.

Die FSME ist eine Erkrankung aller Altersschichten, wobei das höchste Risiko bei den 10 - 14-Jährigen liegt. Dennoch ist in vielen europäischen Ländern heute mehr als die Hälfte der Betroffenen älter als 50 Jahre. Diese älteren Patienten neigen zu schwereren Verläufen mit längerer Hospitalisierung und langwieriger Rehabilitation sowie höheren Raten an Spätfolgen und Todesfällen. Ursache dafür scheint eine altersabhängige Thymusdegeneration zu sein, was über eine Verringerung an naiven T-Zellen zur verminderten Effektivität des Immunsystems und zu schlechtem Ansprechen auf Impfungen führt. Aus diesem Grund ist bei über 50-Jährigen ein kürzeres Impfintervall von 3 Jahren erforderlich.

 

Chronische Hepatitis B (CHB)

Trotz einer seit Jahrzehnten verfügbaren, äusserst effektiven aktiven Vakzine sind weltweit mehr als 400 Millionen Menschen chronisch mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) infiziert. Die Prävalenzraten variieren stark. Wie Nordwesteuropa, Nordamerika und Australien gehört Österreich mit < 1% zu den Niedrigendemiegebietender Erde. Die Hochendemiegebiete (Prävalenzrate >8%) liegen in Subsahara-Afrika und (Süd-)Ostasien. Bei drei Viertel aller chronisch Infizierten handelt es sich folglich um Asiaten. Die Mittelmeerländer und Osteuropastellen Gebiete mit mittlerer Durchseuchung dar. Die CHB ist für ca. 60% der jährlichen 530.000 Fälle von hepatozellulären Karzinomen (HCC) verantwortlich. Wenn gleich die Richtlinien hinsichtlich Indikation, Dauer und Endpunkten einer antiviralen Therapie nicht so klar definiert sind wie bei der chronischen Hepatitis C, wurden in den letzten Jahren durch die Verfügbarkeit neuer Virustatika doch große Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt.

Unter dem Gesichtspunkt der Indikationsstellung zur antiviralen Therapie ist eine Einteilung der chronischen HBV-Infektion, definiert als > 6 Monate bestehender HbsAg-Positivität, unter Berücksichtigung sowohl virologischer als auch klinischer Gesichtspunkte sinnvoll. Virologisch kann die „wild type“-Variante (HbeAg-positiv) von der „Precore-Mutanten“ (HbeAg-negativ) unterschieden werden. Beide Varianten können sowohl als hoch- wie auch als niedrigreplikative Form auftreten. Als Grenze zwischen hoch- und niedrigreplikativer Form wird bei „wild type“ ein Serumvirustiter von 105 copies/ml definiert. Ob bei den „Precore-Mutanten“ ein Grenzwert von 104 copies/ml einen besseren Grenzwert darstellt, wird derzeit noch diskutiert. Hinsichtlich klinischer Aspekte werden drei Phasen unterschieden:

1. Eine immuntolerante Phase (hohe Virustiter, keine Leberentzündung, normale Transaminasen).

2. Eine immunaktive, hochreplikative Phase (hohe Virustiter, histologisches Bild der chronischen Hepatitis, deutlich erhöhte Transaminasen), bei der je nach vorliegender Virusvariante eine HbeAg-positive CHB von einer HbeAg-negativen CHB unterschieden wird sowie

3. Eine niedrigreplikative Phase (niedrige Virustiter, kaum histologische Entzündung, normale bzw. geringgradig erhöhte Transaminasen), auch als inaktiver Hepatitis B-Carrier bezeichnet.

Aufgrund von Fluktuationen des Viruslltiters und der Transaminasen kann die Differenzierung der einzelnen Phasen manchmal schwierig sein und ist oft nur im Verlauf durch serielle Bestimmungen dieser Parameter möglich. Dies gilt insbesondere für die HbeAg-negative CHB. Sowohl bei Patienten in der immuntoleranten als auch bei jenen in der niedrigreplikativen Phase wird in der Regel keine antivirale Therapie empfohlen. Ausnahmen stellen allerdings Patienten dar, bei denen eine immunsuppressive Therapie geplant ist. Selbst bei Patienten in der immunaktiven, hochreplikativen Phase wird die Indikation zur Therapie nur bei Vorliegen histologisch mäßiggradiger oder schwerer Hepatitis mit deutlich erhöhten Transaminasen gestellt. Bei Patienten mit lediglich milder CHB, seien sie nun HbeAg-positiv oder HbeAg-negativ, wird in der Regel zugewartet. Aus all dem Erwähnten geht hervor, dass eine Leberbiopsie zur Therapieindikation bei der CHB in der Regel erforderlich ist. Als primäres Therapieziel ist die möglichst vollständige Suppression der Virusreplikation, jedenfalls auf < 105 copies/ml anzusehen. Im Falle der HbeAg-positiven CHB („wild type“) sollte eine Serokonversion mit Verlust von HbeAg und Auftreten von HbeAk erfolgen. Das Erreichen der niedrigreplikativen Phase ist mit einer Senkung des Risikos des Fortschreitens zur Leberzirrhose bzw. HCC verbunden.

Prinzipiell stehen derzeit zwei Therapiekonzepte zur Verfügung:

1. Interferon-alfa, wobei die einmal pro Woche subcutan zu verabreichenden pegylierten Interferone (Peginterferon-alfa-2a bzw. Peginterferon-alfa-2b) heute die Therapie der Wahl darstellen. Die Therapiedauer beträgt 48 bis 52 Wochen.

2. Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga: Lamivudine und Adefovir, beides peros. Therapiedauer mindestens 1 Jahr bzw. 6 Monate über die HbeAg-Serokonversion hinaus.

Zusammengefasst zeigt die Therapie mit Interferon-alfa-Präparaten bessere Ansprechraten, weniger Rückfälle (stabile Überführung in die niedrig-replikative Phase), ist aber mit signifikant mehr und mitunter auch schweren Nebenwirkungen verbunden. Das Problem der sehr gut verträglichen Therapie mit Lamivudine stellt die häufig auftretende Resistenzentwicklung (17% nach einem, 40% nach zwei und 57% nach drei Jahren) dar, die dann oftmals eine Umstellung auf das ebenfalls gut verträgliche, aber teurere Adefovir erforderlich macht. Im Allgemeinen wird daher heute bei Fehlen von Kontraindikationen die Gabe eines pegylierten Interferons als Primärtherapie empfohlen. Bei Nichtansprechen, Unverträglichkeit oder Vorliegen von Kontraindikationen sollten Lamivudine oder Adefovir eingesetzt werden. Beide Substanzen können auch bei Patienten mit CHB mit dekompensierter Leberzirrhose, bei denen Interferon kontraindiziert sind, eingesetzt werden [29, 30].

 

Chronische Hepatitis C

Während weltweit ca. 170 Millionen Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) infiziert sein dürften, wird die Zahl der Betroffenen in Österreich auf ca. 60.000 - 80.000 geschätzt. Laut WHO ist die chronische HCV-Infektion für 20% der weltweit 1,4 Millionen Todesfälle infolge chronischer Lebererkrankungen pro Jahr verantwortlich zu machen. Die Übertragung von HCV erfolgt hauptsächlich durch Blut und Blutprodukte (Bluttransfusionen, kontaminierte Nadeln und Spritzen, iatrogen, nosokomial, iv-Drogenabusus), die vertikale Übertragung von Mutter auf Kind oder auch die sexuelle Übertragung ist – im Gegensatz zum HBV – (sehr) selten. Wenngleich die chronische Hepatitis C jahre- bis jahrzehntelang symptomarm verläuft, geht man heute davon aus, dass ca. 5 - 20% nach 20 bis 25 Jahren eine Leberzirrhose entwickeln und die chronische Hepatitis C somit eine der Hauptursachen gastrointestinaler Blutungen, Leberversagen und HCC und den Hauptgrund für eine Lebertransplantation in Europa und USA darstellt. Diese Tatsache bedeutet nicht nur Leid für die Betroffenen, sondern sie stellt auch eine enorme gesundheitsökonomische Herausforderung dar. Erfreulicherweise konnten in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte in der Therapie der HCV-Infektion erzielt werden, und es ist nun mittels aktueller antiviraler Kombinationstherapie möglich, das HCV in hohem Maße dauerhaft zu eliminieren und damit zu erwartende Komplikationen der Lebererkrankung zu verhindern bzw. hintanzuhalten. Im Zuge der deutlich verbesserten Ansprechraten (von < 10% bei Genotyp 1 mit Standardinterferon noch vor 10 Jahren auf knapp 60% mit moderner Kombinationstherapie derzeit) wird die Indikation zu Therapie heute leichter und bei einem breiteren Spektrum an Patienten gestellt.

Der initiale Schritt in der Diagnostik der chronischen HCV-Infektion liegt im Nachweis von Antikörpern gegen HCV (anti-HCV) mittels ELISA-Tests, gefolgt vom direkten Virusnachweis (HCV-RNA) mittels PCR. Bei positivem anti-HCV und negativer HCV-RNA handelt es sich entweder um einen Patienten mit spontan ausgeheilter HCV-Infektion (tritt in ca. 20% aller HCV-Infektionen auf) oder um eine chronische HCV-Infektion mit intermittierend sehr geringer Viruslast unter der Nachweisgrenze der verfügbaren qualitativen Tests. Aus diesem Grund sollte der HCV-RNA-Test wiederholt werden. Wird die chronische HCV-Infektion durch die HCV-RNA bestätigt, folgt als nächster Schritt die Bestimmung des HCV-Genotyps, die einerseits die Entscheidungsgrundlage für die Dosierung und Dauer der Therapie ist, andrerseits eine Abschätzung des Therapieansprechens, d.h. der dauerhaften Viruseliminierung erlaubt. Hepatitis C besteht aus zumindest 6 Genotypen. In Österreich treten hauptsächlich Genotyp 1 (60 - 70%), Genotyp 2 und GT 3 (v.a. bei i.v.-Drogenanamnese) sowie GT 4 (v.a. Immigranten aus Ägypten) auf. Die Ansprechraten sind bei GT 2 + 3 deutlich höher (> 80%) als bei GT 1 + 4 (50 - 60%). Der Stellenwert der Leberbiopsie im Management der chronischen Hepatitis C ist in letzter Zeit zunehmend in Diskussion geraten. Patienten, die mit den Genotypen 2 oder 3 infiziert sind, werden heute in der Regel, soferne keine Kontraindikationen vorliegen, ohne Durchführung einer Leberbiopsie behandelt. Die Liste der Kontraindikationen ist lange, in praxi sind bei unseren Patienten aber aktuelle iv-Drogenabhängigkeit, chronischer Alkoholismus, schwere psychiatrische Grunderkrankungen sowie zu hohes Alter (> 65 - 70 Jahre aufgrund starker Nebenwirkungen) die Hauptgründe. Patienten, die stabil in einem Substitutionsprogramm sind, sollten allerdings keineswegs von der Therapie ausgeschlossen werden. Erfahrungsgemäß zeigen diese Patienten sogar eine sehr gute Compliance. Selbst bei Patienten mit Genotyp-1-Infektion wird die Leberbiopsie heutzutage keineswegs immer durchgeführt. Einen gewissen Stellenwert hat die Biopsie noch bei Patienten mit konstant normalen Transaminasen, die zwar tendenziell mildere histologische Veränderungen zeigen, bei denen durchaus aber auch bereits fortgeschrittene fibrotische Veränderungen bis hin zur Zirrhose möglich sind. Generell ist festzuhalten, dass eine Leberbiopsie ungeachtet der Höhe der Transaminasen durchgeführt werden soll, wenn davon eine Therapieempfehlung abhängig gemacht wird. Die Durchführung einer Leberbiopsie ist jedoch keine Voraussetzung, um eine Therapie beginnen zu können. Die Therapie der Wahl stellen seit einigen Jahren pegylierte Interferone (Peginterferon-alfa-2a bzw. Peginterferon-alfa-2b) plus Ribavirin dar [31].

 

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Korrespondierender Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Christoph Wenisch
4. Med. Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin,
SMZ-Süd, KFJ Spital
A-1100 Wien, Kundratstraße 3
E-Mail: christoph.wenisch@wienkav.at

 

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