Resistenzsituation und Serotypenverteilung von
Streptococcus pneumoniae
in Österreich

S. Forsthuber, H. Lagler, R. Gattringer, K. Stich, A. Hirschl, W. Graninger, A. Georgopoulos*, The Austrian Bacterial Surveillance Network
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Chemotherapie, Medizinische Universität Wien
*(Korrespondierender Autor: Univ.-Prof. DDr. A. Georgopoulos)

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


Schlüsselwörter
S. pneumoniae, Resistenz, Resistenz-Gene, Serotypen


Zusammenfassung

In der vorliegenden Studie wurde die aktuelle Resistenzsituation von Pneumokokken sowie die Abdeckungsrate bezüglich der derzeit in Österreich erhältlichen Vakzine untersucht. Die Stämme wurden zwischen Jänner 2003 und Februar 2005 von Patienten aus ganz Österreich isoliert. Die Ergebnisse der Serotypisierung zeigten, dass 75% bzw. 60% der Stämme im 23-valenten bzw. 7-valenten Impfstoff enthalten waren. Insgesamt konnten die Kapseltypen 14, 3, 19F,6B und 23F am häufigsten bestimmt werden. 12% der untersuchten Isolate zeigten eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Penicillin, wobei jedoch nur 1 Stamm (0,02%) hochresistent (MHK 2 µg/ml) war. Ein deutlich höheres Resistenzniveau wiesen die getesteten 14-, 15-gliedrigen Makrolide (Clarithromycin, Azithromycin, Erythromycin) (18%), Tetracyclin (15%) sowie Ciprofloxacin (15%) auf. Die molekularbiologische Untersuchung von Makrolid-resistenten Pneumokokken hinsichtlich zugrunde liegender Resistenzmechanismen ergab, dass sowohl der mefA-Genotyp (M-Phänotyp) als auch der erm-Genotyp (MLSB-Phänotyp) annähernd gleich häufig präsent waren. 58 (10%) der untersuchten Stämme wiesen eine Multi-Resistenz auf, wobei mehr als 60% den Serotypen 14, 6B, 19F sowie 23F zuzuordnen waren. Insgesamt zeichneten sich jedoch nach wie vor Penicillin, Telithromycin, die neueren Fluoroquinolone sowie Amox./Clav. durch eine hohe Wirksamkeit gegenüber den getesteten Pneumokokken aus.


Key-words
S. pneumoniae, resistance, resistance genes, serotypes


Summary

Between January 2003 and February 2005, a total of 554 S. pneumoniae isolates were recovered from both invasive and non-invasive sites, and analysed by serotyping, antibiotic susceptibility testing and molecular typing. The most common capsular serotypes were in order of frequency 14, 3, 19F, 6B, 23F, whereas 75% were covered by serotypes included in the 23-valent vaccine. Referring to the 7-valent conjugate vaccine licensed for use in young children, 60% of strains isolated from children were covered. Antibiotic susceptibility testing revealed that 0.02% of S. pneumoniae isolates were highly resistant to penicillin. Higher resistance rates demonstrated macrolides (18%), tetracycline (15%) and ciprofloxacin (15%). Genetical analysis showed a similar distribution of mefA-genotype (M-phenotype) and erm-genotype (MLSB-phenotype) in macrolide resistant strains. Furthermore, 58 isolates expressed multidrug-resistance, whereas > 60% belonged to serotypes 14, 6B, 19F and 23F. In summary, newer fluoroquinolones, telithromycin and amoxicillin/clavulanic acid were the most active antibiotics against all tested S. pneumoniae isolates.



Einleitung

Seit der Entdeckung des ersten Penicillin-resistenten S. pneumoniae-Stammes in den 60er Jahren kam es in den letzten Jahrzehnten sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrienationen zu einem kontinuierlichen Anstieg der Penicillin-Resistenz [1], wobei derzeit die höchsten Resistenzen in Asien zu verzeichnen sind (z.B. Südkorea mit 80%). Obwohl global gesehen dieser Trend anhält, gibt es deutliche regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Ein wesentlicher Grund hierfür ist der unterschiedlich hohe Antibiotika-Verbrauch bzw. der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika in den entsprechenden Ländern. Europäische Studien belegen, dass in Ländern mit hohen Prävalenzen z.B. an Penicillin-resistenten Pneumokokken ein hoher Gesamt-Antibiotika-Verbrauch zu verzeichnen ist, während in Ländern mit niedrigeren Resistenzraten sowohl weniger Antibiotika konsumiert als auch Substanzen mit engerem Spektrum bevorzugt werden [2, 3]. Obwohl der Zusammenhang zwischen In vitro-Resistenz, vor allem bezüglich Penicillin-Resistenz, und Therapieerfolg kontrovers diskutiert wird [4, 5], ergibt sich eine klinische Relevanz dadurch, dass Penicillin-resistente Stämme häufig Multi-Resistenzen (z.B. Co-Resistenz gegenüber Makroliden, Tetracyclinen und Fluoroquinolonen) aufweisen, wodurch wiederum die Therapie erschwert wird. Auch in epidemiologischer Hinsicht sind multi-resistente Stämme, welche hauptsächlich mit den Serogruppen 6, 9, 14, 19 und 23 assoziiert sind [6], von besonderer Bedeutung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der spanische 23F-Klon, welcher zuerst in Spanien isoliert wurde und sich in weiterer Folge weltweit (z.B. Europa, Argentinien, Brasilien, USA, Südafrika, Mexiko sowie Südkorea) ausgebreitet hat [7]. Das PMEN (Pneumococcal Molecular Epidemiology Network) hat bis jetzt 26 internationale Klone nach den Kriterien von McGee et al. identifiziert [11]. Diese Stämme breiten sich infolge der zunehmenden Globalisierung durch Handels- und Reiseverkehr sowie Migration weltweit aus und werden neben dem Antibiotikaverbrauch für die zunehmende Resistenz verantwortlich gemacht.

Ziele der vorliegenden Studie waren die Erfassung der aktuellen Resistenzsituation von Pneumokokken in Österreich gegenüber wichtigen, häufig in Klinik und Praxis eingesetzten Antibiotika, sowie die Serotypenverteilung bzw. Abdeckungsrate bezüglich derzeit erhältlicher Vakzine.

 

Material und Methode

Zwischen Jänner 2003 und Februar 2005 wurden 554 Pneumokokken aus ganz Österreich gesammelt, wobei die Mehrzahl der Stämme aus dem Respirationstrakt isoliert wurden (Tabelle 1). 256 Keime stammten von Kindern 10 Jahre und 298 Isolate von Kindern > 10 Jahre sowie von Erwachsenen (Erw.), wobei in den folgenden Ausführungen die Einteilung in Kinder 10 Jahre und Erwachsene (inkl. Kinder > 10 J.) erfolgte.

 

Tabelle 1: Verteilung der untersuchten S. pneumoniae-Stämme bezüglich Entnahmematerial

Material
Erwachsenea
n
%
Kinder 10 J.
n
%
Auge
BAL
Blut
Bronchialsekret
Liquor
Nase
Pleurapunktion
Rachen
Sputum
Trachealsekret
19
6,4
36
12,1
38
12,7
1
0,3
8
2,7
36
12,1
3
1
56
18,8
81
27,2
20
6,7
42
16,4
2
0,8
25
9,8
7
2,7
15
5,8
64
25
4
1,6
71
27,7
23
9
3
1,2
Gesamt
298
100
256
100
a inkl. Kinder > 10 J.

Alle Pneumokokken wurden sowohl mittels mikrobiologischer Methoden (Optochin-Sensibilität, Galle-Löslichkeits-Test) als auch molekular-biologisch aufgrund von Pneumokokken-spezifischen Virulenzfaktoren (ply, lytA, psaA) identifiziert. Die Kapseltypen wurden mit typenspezifischen Antiseren (Statens-Serum-Institut, Kopenhagen) mittels Kapselquellungstest nach Neufeld bestimmt.

Die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) wurde mittels Mikrodilutionsmethode entsprechend den Richtlinien nach CLSI (Clinical and Laboratory Standards Institute) [8] durchgeführt und interpretiert, wobei die In vitro-Empfindlichkeit von insgesamt 12 verschiedenen Antibiotika getestet wurde: Penicillin (PEN), Augmentin (AUG), Erythromycin (ERY), Clarithromycin (CLA), Azithromycin (AZI), Josamycin (JOS), Clindamycin (CLI), Telithromycin (TEL), Tetracyclin (TET), Ciprofloxacin (CIP), Levofloxacin (LVX) und Moxifloxacin (MXF).

Zusätzlich zur Empfindlichkeitsprüfung mittels Mikrodilution wurden alle S. pneumoniae-Stämme mit einer ERY-MHK 1 µg/ml auf ihre zugrunde liegenden Resistenzmechanismen untersucht. Der Nachweis des M-Resistenz-Phänotyps (Resistenz gegenüber 14- und 15-gliedrigen Makroliden mittels Effluxsystem) sowie des MLSB-Resistenz-Phänotyps (Resistenz gegenüber Makroliden, Lincosamiden und Streptogramin-B durch Methylierung des Targets an der 23S rRNA) erfolgte mittels Doppel-Plättchen-Diffusions-Test [9]. Die Makrolid-Resistenzgene ermB, ermC, ermTR sowie mefA, sowie die Tetracyclin-Resistenzgene tetM und tetO wurden mit Hilfe einer PCR bestimmt [10].

Die Identifizierung internationaler multi-resistenter Klone erfolgte mittels PFGE (Pulsfeld-Gelelektrophorese), PBP-RFLP (PBP-Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus) sowie Sequenzierung von „House-keeping Genen“ [11, 12].

 

Ergebnisse

Serotypen-Prävalenz

Die Verteilung der häufigsten Serotypen sind in Abbildung 1 dargestellt. Insgesamt konnte bei 540 Pneumokokken eine Kapsel nachgewiesen werden, wobei 50 verschiedene Serotypen identifiziert wurden. Die Ergebnisse der Serotypisierung zeigten allerdings, dass 75% (n 192) der Kinder-Pneumokokken auf nur 9 verschiedene Serotypen entfielen: 14, 6B,19F, 23F, 3, 6A, 18C, 4 und 1. Die Abdeckungsrate bezüglich des 7-valenten Konjugat-Impfstoffes (Prevenar®) betrug 60% (n 153). In der Altersgruppe > 10 Jahre waren die dominierenden Serotypen (65%), angeführt nach Häufigkeit, 3, 14, 19F, 23F, 11A, 6B, 6A, 4, 19A sowie 9V. Insgesamt betrugen die Abdeckungsraten ohne Berücksichtigung des Alters 75% (Pneumovax23®) und 49% (Prevenar®).

 

Abbildung 1: Serotypenverteilung von 554 S. pneumoniae (298 Erwachsene inkl. Kinder > 10 J., 256 Kinder 10 J.)

 

Prävalenz der Antibiotika-Resistenz von S. pneumoniae

Die Ergebnisse der MHK-Prüfung sind in Tabelle 2 dargestellt. Wie aus der Tabelle ersichtlich, lag die intermediäre Penicillinresistenz bei 11% (Erw.) bzw. 13% (Kinder), wobei nur ein Isolat eine MHK von 2 µg/ml aufwies und als hochresistent einzustufen war. Annähernd 70% der Penicillin-resistenten Stämme wiesen die Kapseltypen 14, 23F, 6B, 6A sowie 9A auf. Ein deutlich höheres Resistenzniveau war bei den häufig als Alternative bei ß-Laktam-Allergie eingesetzten Makroliden sowie bei Tetracyclin (14%) zu verzeichnen. Dabei war die CLA-Resistenzrate der getesteten Kinderstämme (22%) gegenüber den Erwachsenen-Isolaten (15%) signifikant höher (p= 0,030). Bei beiden Altersgruppen lag die Ciprofloxacinresistenz bei >15% (Erwachsene: 15,1% / Kinder: 16%), allerdings zeigten sich neuere Fluoroquinolone (Levofloxacin und Moxifloxacin) zu 99% bzw. 100% wirksam.

In der vorliegenden Studie wurden nicht nur die Resistenzen gegenüber einzelnen Substanzen, sondern auch die Mehrfachresistenzen (= Resistenz gegenüber 3 Substanzklassen) der Isolate ausgewertet. Von den getesteten 554 Pneumokokken zeigten sich 58 Isolate multi-resistent (MDR), wobei 12 verschiedene Muster eruiert werden konnten (Tabelle 3). Alle MDR-Stämme waren gegenüber 14- und 15-gliedrigen Makroliden resistent und > 50% wiesen eine gleichzeitige Resistenz gegenüber Penicillin auf. 32 MDR-Pneumokokken wurden von Kindern 10 J. isoliert, wobei 11 verschiedene Serotypen identifiziert werden konnten. Die Abdeckungsrate von Prevenar® betrug bei diesen Isolaten 78% (n 25). In der zweiten Altersgruppe waren nur 9% (n 26) der Stämme multi-resistent, allerdings konnten hier 13 verschiedene Serotypen gefunden werden.

 

Tabelle 2: In vitro-Aktivität von S. pneumoniae

Sub-
stanz
Erwachsenea (n = 298)
Empfindlichkeit nach CLSIb
Kinder 10 Jahre (n = 256)
Empfindlichkeit nach CLSIb
Gesamt (n = 554)
Empfindlichkeit nach CLSIb
 
S
I
R
n (%)
n (%)
n (%)
S
I
R
n (%)
n (%)
n (%)
S
I
R
n (%)
n (%)
n (%)
PEN
AUG
ERY
CLA
AZI
JOS
CLI
TEL
TET
CIP
LVX
MXF
266 (89,3)
32 (10,7)
-
298 (100)
-
-
251 (84,2)
2 (0,7)
45 (15,1)
253 (84,9)
2 (0,7)
43 (14,4)
253 (84,9)
-
45 (15,1)
277 (93)
-
21 (7)
279 (93,6)
-
19 (6,4)
298 (100)
-
-
253 (84,9)
3 (1)
42 (14,1)
253 (84,9)
-
45 (15,1)
294 (98,7)
3 (1)
1 (0,3)
298 (100)
-
-
222 (86,7)
33 (12,9)
1 (0,4)
256 (100)
-
-
198 (77,3)
1 (0,4)
57 (22,3)
199 (77,7)
2 (0,8)
55 (21,5)
199 (77,7)
1 (0,4)
56 (21,9)
228 (89,1)
-
28 (10,9)
228 (89,1)
-
28 (10,9)
255 (99,6)
1 (0,4)
-
219 (85,5)
4 (1,6)
33 (12,9)
215 (84)
-
41 (16)
253 (98,8)
3 (1,2)
-
256 (100)
-
-
488 (88,1)
65 (11,7)
1 (0,2)
554 (100)
-
-
449 (81)
3 (0,5)
102 (18,4)
452 (81,6)
4 (0,7)
98 (17,7)
452 (81,6)
1 (0,2)
101 (18,2)
505 (91,2)
-
49 (8,8)
507 (91,5)
-
47 (8,5)
553 (99,8)
1 (0,2)
-
472 (85,2)
7 (1,3)
75 (13,5)
468 (84,5)
-
86 (15,5)
547 (98,7)
6 (1,1)
1 (0,2)
554 (100)
-
-
a inkl. Kinder > 10 J.
b Für die Interpretation der MHK-Ergebnisse wurden die CLSI-Grenzwerte angewandt

Tabelle 3: Multiresistente S. pneumoniae-Stämme bezogen auf Serotypen (n = 58)

MDRa
Resistenzmuster
Serotypen (n)
Erwachsene b
Kinder
Anzahl
gesamt (%)
PEN, ERY, CIP
PEN, ERY, CLI
PEN, ERY, CLI, CIP
PEN, ERY, CLI, TET
PEN, ERY, CLI, TET, CIP
PEN, ERY, TEL, CIP
PEN, ERY, TET
PEN, ERY, TET, CIP
ERY, CLI, CIP
ERY, CLI, TET
ERY, CLI, TET, CIP
ERY, TET, CIP
6A(1)
-
-
14(2)
4(1), 15A(1), 23A(1), 23F(1)
-
14(1), 17F(1)
14(2)
3(1)
3(1), 6B(1), 19A(2), 19F(3), 23F(1)
6B(1), 19F(1)
18B(2), 23F(1), 31(1)
3(1), 6B(3)
9A(1), 23F(1)
14(1)
1(1), 14(2), 6B(3), 9V(1), 23F(1)
6B(1), 14(2), 19F(1)
19F(1)
14(1)
-
5(1)
3(1), 6A(1), 6B(2), 14(1), 19C(1), 19F(4)
-
-
5 (8,6)
2 (3,4)
1 (1,7)
10 (17,2)
8 (13,8)
1 (1,7)
3 (5,2)
2 (3,4)
2 (3,4)
18 (31)
2 (3,4)
4 (6,9)
a multi-drug resitance
b inkl. Kinder > 10 J.

Makrolid-Phänotypen und molekularbiologische Analysen

Die Ergebnisse der Phäno- und Genotypisierung Makrolid-resistenter Isolate sind in Tabelle 4 dargestellt. Von den insgesamt 102 Pneumokokken mit einer Erythromycin-MHK 1µg/ml zeigten 54 einen MLSB-Phänotyp und 48 einen M-Phänotyp. Bei 39 Isolaten konnten Erm-Methylasen(ermB, ermC, ermTR; MLSB-Phänotyp) nachgewiesen werden, während 38 Stämme mefA (M-Phänotyp) enthielten. 5 Pneumokokken waren sowohl ermB- als auch mefA-positiv. Bei beiden Altersgruppen zeigten MLSB-Stämme signifikant höhere MDR-Raten als Stämme mit dem M-Phänotyp (p < 0,001).

Ausgewählte multi-resistente Stämme wurden mittels PFGE, PBP-RFLP sowie Sequenzierung bestimmter „Housekeeping-Gene“ weiter analysiert, um das mögliche Vorhandensein pandemischer multi-resistenter Klone in Österreich zu eruieren. Die Ergebnisse zeigten, dass von insgesamt 26 internationalen Klonen 7 in Österreich nachzuweisen waren: Spanien23F-1-Klon, Spanien6B-2-Klon, Spanien9V-3-Klon, England14-9-Klon, Poland6B-20-Klon, Portugal19F-21-Klon, Taiwan23F-15-Klon.

 

Tabelle 4: Makrolid-resistente S. pneumoniae: Phänotypen und Resistenzgene

 
Resistenzgene
MDRa
ermB
ermC
ermTR
mefA
tetM
tetO
Erwachsene
c-MLSB
i-MLSB
M
n 19
n 5
n 21
13
2
-
2
9
-
17
4
-
1
-
3
-
2
-
-
-
15
3
-
5
Kinder
10 Jahre
c-MLSB
i-MLSB
M
n 28
n 2
n 27
23
-
-
2
13
-
26
2
-
-
2
2
-
-
-
-
-
23
1
-
6
a multi-drug resitance

 

Diskussion

Pneumokokken gelten als einer der häufigsten Erreger von ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen, wie z.B. Otitis media, Sinusitis und Pneumonie, sowie als Auslöser schwerer invasiver Infektionen, wie Meningitis und Sepsis, und sind nach Angaben der WHO weltweit für ca. 1,6 Mio. Todesfälle pro Jahr verantwortlich [13]. Eine effektive Therapie dieser Infektionen wird allerdings durch die zunehmenden Resistenzraten, vor allem gegenüber Penicillin und Makroliden, erschwert. Vergleicht man den Anstieg der Penicillin-Resistenz europäischer Länder, so kam es vor allem in Italien (8%->15%), Irland (25%->41%), Portugal (20%->28%), Spanien (41%->53%), Frankreich (43%->62%), (14%->26%) sowie Ungarn (36%->65%) zu einem deutlichen Anstieg, während sich das Resistenzniveau in Großbritannien (~ 14%), Belgien (~ 18%), Schweiz (~ 13%), den Niederlanden (~ 4%) und Deutschland (~ 8%) nicht wesentlich verändert hat. In Ländern außerhalb Europas kam es hauptsächlich in den USA (30%->43%), Mexiko (47%->57%) und Brasilien (14%->43%) zu einem Ansteigen der Penicillin-Resistenz [14, 15]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigten, dass es in Österreich ebenfalls zu einem Anstieg der Penicillin-Prävalenz kam. So betrug die Resistenz 1996 noch annähernd 5%, 2002 schon 10% [16] und in der jetzt durchgeführten Studie 12%.

Neben ß-Lactamen sind vor allem Makrolide ein wesentlicher Bestandteil in der Therapie von Pneumokokken-Infektionen. Seit Einführung der ersten Substanz (Erythromycin) dieser Antibiotikaklasse sind die Resistenzraten vor allem in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. In einigen Ländern hat die Makrolid-Resistenz bei S. pneumoniae die Penicillin-Resistenz sogar übertroffen, wobei dieser Trend vor allem im europäischen (Italien, Niederlande, Deutschland, Belgien und Österreich) und im asiatischen Raum (Hongkong, Japan, Südkorea) zu erkennen ist [15]. Vergleicht man, analog der Penicillin-Resistenz, Ergebnisse der Erythromycin-Resistenz bei Pneumokokken von 1996/97 mit Daten von 1999/2000 so hat die Resistenz in den meisten westeuropäischen Staaten (Irland 14%->26%; Niederlande 2%->8%; Deutschland 7%->16%; Österreich 5%->14%; Frankreich 46%->58%; Italien 30%->43% und Portugal 4%->16%) und in bestimmten osteuropäischen Ländern (Ungarn 14%->56%; Polen 13%->23%) zugenommen, während sie z.B. in Spanien (29%) und Belgien (32%) nahezu unverändert hoch geblieben ist [14,15]. Weltweit betrachtet sind die höchsten Resistenzen in Asien (z.B. Südkorea 88%) zu finden. In Österreich lag die Resistenz 1996 noch bei 3%, 2002 schon bei 10% und in der vorliegenden Studie bei 18% [16].

Obwohl Erythromycin in der Therapie keine Rolle spielt, ergibt sich die klinische Relevanz der Resistenzdaten dadurch, dass die meisten ERY-resistenten Stämme auch gegenüber den therapeutisch eingesetzten Makroliden (Clarithromycin, Azithromycin) resistent sind. In der jetzt durchgeführten Studie waren alle ERY-resistenten Pneumokokken ( 1 µg/ml) zusätzlich gegenüber Clarithromycin und Azithromycin resistent. Prinzipiell unterscheidet man bei einer Resistenz gegenüber Erythromycin zwischen zwei Phänotypen (MLSB mit den Untergruppen konstitutive MLSB und induzierbare MLSB sowie M), welche sich aus den zugrunde liegenden Resistenzmechanismen ergeben. c-MLSB-resistente Stämme (erm-Genotyp) zeigen eine vollständige Kreuzresistenz zwischen allen Makroliden, Lincosamiden und StreptograminB-Antibiotika. Bei Keimen mit induzierbarer MLSB-Resistenz (erm-Genotyp) sollten ebenfalls weder Makrolide (inkl. 16-gliedrige Makrolide) noch Clindamycin zur Therapie eingesetzt werden, da diese Antibiotika bei Streptokokken als Induktoren fungieren. Im Gegensatz dazu besteht beim M-Phänotyp (mef-Genotyp) nur eine Resistenz gegenüber 14- und 15-gliedrigen Makroliden, während Josamycin und Clindamycin vollständig wirksam sind. Die Ergebnisse, welche im Rahmen einer internationalen Studie bei ERY-resistenten S. pneumoniae durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass weltweit ermB (56%, hpsl. Europa) gegenüber mefA (35%, hpsl. Nordamerika) dominierte [17]. Die Höhe der ermB-Rate variiert allerdings in den einzelnen europäischen Ländern. Während in Spanien, Frankreich, Polen, Ungarn und Belgien > 90% ermB-positive S. pneumoniae nachzuweisen waren, zeigten sich in anderen europäischen Ländern (Großbritannien, Schweden, Österreich, Deutschland) wesentlich niedrigere ermB-Raten (< 60%). Die vorliegende Studie zeigte allerdings, dass in Österreich beide Geno- bzw. Phänotypen annähernd gleich verteilt waren.

Aufgrund der steigenden Resistenzraten von Penicillin und Makroliden werden Substanzen wie neuere Fluoroquinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin) als mögliche Alternative bei Pneumokokken-Infektionen vorgeschlagen. Bei Kindern sollten Amox./Clav., bzw. bei Penicillin-Allergie 16-gliedrige Makrolide wie Josamycin, als Alternative gesehen werden. Im Gegensatz zu Penicillin, Makroliden und Tetracyclin sind Resistenzen gegenüber Fluoroquinolonen bei Pneumokokken weltweit gesehen noch selten. Allerdings haben Studien gezeigt, dass in Asien bereits 5% bzw. 3% der Stämme gegenüber LVX bzw. MXF resistent sind, wobei vor allem in Hongkong mit 14,3% hohe LVX-Resistenzraten zu verzeichnen waren [15, 18]. In der vorliegenden Studie waren 99,8% der Stämme gegenüber LVX vollempfindlich, während Moxifloxacin zu 100% wirksam war.

Da die Erkankungshäufigkeit und Letalität von Pneumokokken-Infektionen nach wie vor relativ hoch ist und die Therapie durch ansteigende Resistenzen zunehmend erschwert wird, bestand die Notwendigkeit, effiziente Vakzine zu entwickeln, wobei in Österreich derzeit zwei Pneumokokken-Impfstoffe im Handel sind: der 23-valente Impfstoff Pneumovax23® sowie der speziell für Kleinkinder entwickelte 7-valente Konjugat-Impfstoff Prevenar®. Um die aktuelle Serotypen-Prävalenz von S. pneumoniae und ihre Abdeckung bezüglich vorhandener Vakzine zu evaluieren, wurde bei allen S. pneumoniae-Stämmen der Neufeld-Kapselquellungstest durchgeführt. Wie bei der von Buxbaum et al. [16] veröffentlichten Studie, bei welcher die Serotypenverteilung in Österreich von 1996 bis 2002 untersucht wurde, waren die häufigsten Typen 3, 6B, 14, 19F sowie 23F. Die Vakzin-Abdeckung zeigte ebenfalls ähnliche Ergebnisse: Pneumovax23®– 75% (72% Buxbaum et al.) und Prevenar®– 49% (44% Buxbaum et al.). Bei Kindern 10 Jahre betrug die Abdeckung bezüglich Prevenar® jedoch 60%.

 

Literatur:

1. Appelbaum, P. C. (1992). Antimicrobial resistance in Streptococcus pneumoniae: an overview. Clin Infect Dis 15: 77-83.
2. Cars, O., Molstad, S. & Melander, A.(2001). Variation in antibiotic use in the European Union. Lancet 357: 1851-1853.
3. Granizo, J. J., Aguilar, L., Casal, J., Garcia-Rey, C., Dal-Re, R. & Baquero, F.(2000). Streptococcus pneumoniae resistance to erythromycin and penicillin in relation to macrolide and beta-lactam consumption in Spain (1979-1997). J Anti-microb Chemother 46: 767-773.
4. Choi, E. H. & Lee, H. J. (1998). Clinical outcome of invasive infections by penicillin-resistant Streptococcus pneumoniae in Korean children. Clin Infect Dis 26, 1346-1354.
5. Feikin, D. R., Schuchat, A., Kolczak, M., Barrett, N. L., Harrison, L. H., Lefkowitz, L., McGeer, A., Farley, M. M., Vugia, D. J., Lexau, C., Stefonek, K. R., Patterson, J. E.& Jorgensen, J. H. (2000). Mortality from invasive pneumococcal pneumonia in the era of antibiotic resistance, 1995-1997. AmJ Public Health 90, 223-229.
6. Klugman, K. P. (1996). Epidemiology, control and treatment of multiresistant pneumococci. Drugs 52 Suppl 2: 42-46.
7. Smith, R. D. & Coast, J. (2002). Antimicrobial resistance: a global response. Bulletin of the World Health Organisation 80: 126-133.
8. Clinical and Laboratory Standards Institute. (2003). Methods for dilution and antimicrobial susceptibility tests for bacteria that grow aerobically. Approved standard (M7-A5, M100-S13), 6th ed. Wayne, PA.
9. Seppala, H., A. Nissinen, Q. Yu, and P.Huovinen. (1993). Three different phenotypes of erythromycin-resistant Streptococcus pyogenes in Finland. J Antimicrob Chemother 32:885-91.
10. Reinert, R. R., S. Muckel, A. Al-Lahham, B. G. Spratt, A. B. Brueggemann, R.Hakenbeck, and R. Lutticken. (2003). Characterization of German penicillin non-susceptible serotype 23F pneumococci using multilocus sequence typing. J Med Micro-biol 52:981-7.
11. McGee, L., L. McDougal, J. Zhou, B. G. Spratt, F. C. Tenover, R. George, R. Hakenbeck, W. Hryniewicz, J. C. Lefevre, A. Tomasz, and K. P. Klugman. (2001). Nomenclature of major antimicrobial-resistant clones of Streptococcus pneumoniae defined by the pneumococcal molecular epidemiology network. J Clin Microbiol 39:2565-71.
12. Enright, M. C., and B. G. Spratt. (1998). A multilocus sequence typing scheme for Streptococcus pneumoniae: identification of clones associated with serious invasive disease. Microbiology 144 ( Pt 11):3049-60.
13. World Health Organization. (2003). Pneumococcal vaccines. The Weekly Epidemiological Record 2003 14: 2004
14. Felmingham, D. & Gruneberg, R. N.(2000). The Alexander Project 1996-1997: latest susceptibility data from this international study of bacterial pathogens from community-acquired lower respiratory tract infections. J Antimicrob Chemother 45,191-203.
15. Felmingham, D., Reinert, R. R., Hirakata, Y. & Rodloff, A. (2002). Increasing prevalence of antimicrobial resistance among isolates of Streptococcus pneumoniae from the PROTEKT surveillance study, and compatative in vitro activity of the ketolide, telithromycin. J Antimicrob Chemother50 Suppl S1, 25-37.
16. Buxbaum, A., S. Forsthuber, R. Sauermann, R. Gattringer, W. Graninger, and A. Georgopoulos. (2004). Development of macrolide-resistance and comparative activity of telithromycin in streptococci in Austria, 1996-2002. Int J Antimicrob Agents24:397-400.
17. Farrell, D. J., Morrissey, I., Bakker, S. & Felmingham, D. (2002). Molecular characterization of macrolide resistance mechanisms among Streptococcus pneumoniae and Streptococcus pyogenes isolated from the PROTEKT 1999-2000 study. J Antimicrob Chemother 50 Suppl S1, 39-47.
18. Canton, R., Morosini, M., Enright, M. C.& Morrissey, I. (2003). Worldwide incidence, molecular epidemiology and mutations implicated in fluoroquinolone-resistant Streptococcus pneumoniae: data from the global PROTEKT surveillance programme. J Antimicrob Chemother 52, 944-952.
19. Buxbaum, A., Forsthuber, S., Graninger W. & Georgopoulos, A. (2004). Serotype distribution and antimicrobial resistance of Streptococcus pneumoniae in Austria. JAntimicrob Chemother 54: 247-250.

* The Austrian Bacterial Surveillance Network: A. Hirschl, G. Tucek, W. Ulrich, U. Setinek-Liszka (Wien); F. Allerberger(Innsbruck); W. Sixl, A. Bojatzis (Graz); M. Müller (Salzburg); E. Grund (Klagenfurt); G. Alpi (Villach); G. Leitner (Leoben); W. Pflanzl (Oberwart); W. Aichinger (Wels); J. Feichtinger (Steyr); H. Gogl (Vöcklabruck); G. Brinninger (Ried); W. Öhlinger (Krems); L. Gerstner (Mistelbach); W. Stiglbauer (Wr. Neustadt); M. Drlicek (Linz)

Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. DDr. Apostolos Georgopoulos
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt.für Infektionen und Chemotherapie
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: apostolos.georgopoulos@meduniwien.
ac.at

 

zurück zum Inhalt