Infekttherapie beim kritisch Kranken

O. Janata
Krankenhaushygiene, Donauspital im SMZ-Ost, Wien
(Leiter: OA Dr. Oskar Janata)

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Der chronisch morbide und gleichzeitig akut kranke Patient in Kombination mit invasiver Medizin schafft ein Infektionsproblem. Bis zu 80% der Patienten an einer Intensivstation haben daher Kontakt mit Antibiotika. Der hohe Antibiotikaverbrauch erklärt sich teilweise auch durch die Tatsache, dass viele Betroffene eine Kombination aus zwei oder mehr Antibiotika erhalten (Tabelle 1).

Tabelle 1: Antibiotikaverbrauch an der ICU, Hanberger H. et al., AntibioticPolices 2005


Auswahlkriterien

Bei der Wahl eines Antibiotikums an der ICU ist das Wirkspektrum, beruhend auf Diagnose-typischen Erregern, die hauseigenen Resistenzdaten und die Daten aus der laufenden Surveillance abzüglich der „Not-to-treat-Liste“ zu berücksichtigen. Im Zweifelsfall ist es legitim, bei vitaler Bedrohung auf ein Breitspektrum-Antibiotikum zurückzugreifen. Wie Studien zeigen, besteht einerseits keine Gefahr den Patienten zu übertherapieren, andererseits gibt es jedoch die Möglichkeit, durch zuwenig Therapie dem Patienten Schaden zuzufügen.

Die richtige Dosis ist ein wichtiger Faktor. Hochdosierte Betalaktame zählen heute zum Standard, es ist aber auch nötig, die Grundsätze der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik zu berücksichtigen. Vor allem auf eine entsprechende Gewebegängigkeit ist zu achten.


Therapiemöglichkeiten

Der kritisch Kranke braucht eine adäquate Behandlung. Die klassischen Guidelines werden jedoch immer weniger brauchbar, da hausinterne Verhältnisse eine immer bedeutendere Rolle spielen. Eine Möglichkeit, geeignete Antibiotika für die eigene ICU zu suchen, besteht darin, die Blutkulturen und damit die anzunehmenden invasiven Isolate auszuwerten. Während im Gram-positiven Bereich bezüglich der Empfindlichkeit gegen Antibiotika wie Imipenem, Piperacillin/Tazobactam und Cephalosporinen der 4. Generation kaum Unterschiede bestehen, geben diese Resistenzdaten einen guten Überblick, welche Antibiotika zurzeit gegen Gram-negative Keime gut einsetzbar sind (Abbildung 1). Über die richtige Vorgehensweise bei als intermediär empfindlich ausgetesteten Keimen kann man diskutieren; in Frage kommt eine Anwendung besonders hoher Dosen oder die Kombination mit einer zweiten Wirksubstanz. Unter den typischen „Kombinationsantibiotika“ bietet Gentamicin eine gute Resistenzlage, der Einsatz ist wegen Toxizität der Substanz allerdings immer kritisch zu prüfen. Fosfomycin ist nicht nur ein sehr gutes Staphylokokkenantibiotikum, sondern hat auch ein wesentlich breiteres Wirkspektrum im Gram-negativen Bereich (inkludiert z.B. auch ESBL-Organismen) und bietet sich daher als Kombinationspartner an (Abbildung 2 und 3).

Abbildung 1: Gram-negative Erreger in der Blutkultur, 106 Isolate – Donauspital 2005

Abbildung 2: Fosfomycin – In vitro-Aktivität, Donauspital 2005

Abbildung 3: Synergistische Wirkung von Cefpirom und Fosfomycin gegen Pseudomonas aeruginosa-Stämme, Zeitlinger M.A. et al., 2003


Resistenzbeobachtung

An Intensivstationen gehört vor allem die Resistenzlage von Pseudomonas aeruginosa regelmäßig beobachtet und dokumentiert. Typisch ist zurzeit eine Resistenzzunahme bei Penemen, während die Resistenzzahlen bei Chinolonen stabil sind. Dieser Vergleich hat insofern aktuelle Bedeutung, als in den letzten Jahren die Resistenzen gegen Chinolone z.B. bei simplen E. coli stark gestiegen sind. Eine paradoxe Situation mit einer einfachen Erklärung: Durch die häufige und niedrig dosierte ambulante Anwendung von Chinolonen bei Harnwegsinfekten sind die Resistenzen gegen E. coli gestiegen, während auf der ICU diese Substanzen mit Bedacht und hoch dosiert angewendet werden.

Die möglichen Resistenzen gegen Peneme haben auf die primären Therapieentscheidungen allerdings keinen Einfluss, da die Abnahme der Empfindlichkeit von Pseudomonas aeruginosa erst nach 2 - 3 Wochen Liegedauer an der Intensivstation zum Tragen kommt. Ob sich durch eine Kombinationstherapie diese Resistenzen verhindern lassen, ist fraglich. In den diversen Studien erhielten zwischen 40% und 75% der Patienten mit sekundär resistent gewordenen Pseudomonaden primär eine Kombinationstherapie. Bei Staphylokokken-Infektionen ist die Indikation zur Kombinationstherapie gar nicht so selten gegeben. Neben der „Intensivierung“ der Therapie durch gewebegängige Antiinfektiva, mit denen auch in schwierigen Kompartimenten wie Abszessen ein Behandlungserfolg erzielt werden kann, spricht auch die Resistenzzunahme bei Substanzen, die meist als Monotherapie verabreicht werden (Clindamycin, Fusidinsäure), für eine Kombination, da Antiinfektiva die üblicherweise in Kombination eingesetzt werden, dieses Problem weniger haben (Rifampicin, Fosfomycin) (Abbildung 4).

Abbildung 4: Staphylococcus aureus-Resistenzen, ca. 1.300 klinische Isolate, Donauspital 2005


Gewebegängigkeit

Gerade bei ZNS-Infektionen ist die ausreichende Penetration an den Zielort ein wichtiger Faktor für das Therapieergebnis. Zurzeit ist die Kombination eines Betalaktams mit einem gut penetrierenden Antibiotikum wie Fosfomycin üblich. Ein pharmakodynamischer Therapieansatz ist die kontinuierliche Verabreichung des Antibiotikums mittels Perfusor, allerdings konnte die Wertigkeit dieser Methode selbst bei problematischen Erregern aus verschiedensten Gründen bisher nicht schlüssig bewiesen werden. Bei Keimen, die als hochempfindlich auf ein Antibiotikum ausgetestet sind, ist eine kontinuierliche Gabe auf jeden Fall unnötig. Außerdem verändern sich bei kritisch kranken Patienten die pharmakokinetischen Werte, auch eine verlängerte Halbwertszeit bei eingeschränkter Nierenfunktion spricht gegen die kontinuierliche Applikation von Antiinfektiva.

Die übliche Angabe vom Anteil des Gewebespiegels in Prozent des Blutspiegels kann bezüglich der Fähigkeit zur Gewebepenetration täuschen, es sind die tatsächlich vor Ort erzielten Wirkspiegel im Vergleich mit den MHK-Werten für die Therapie relevant. Heute ist bei der Bestimmung der Gewebegängigkeit die Mikrodialyse Standard. Eine typische Schwäche der großmolekularen Substanzen, d.h. auch aller Betalaktame, ist die mangelhafte intrazelluläre Penetration (Abbildung 5). Hier sind kleine Moleküle, wie Fosfomycin, deutlich besser.

Abbildung 5: Liquorgängigkeit von Vancomycin bei Drain-assoziierter Ventrikulitis

Anschrift des Referenten:
OA Dr. Oskar Janata
Krankenhaushygiene, Donauspital im SMZ-Ost
A-1220 Wien, Langobardenstraße 122
E-Mail: oskar.janata@wienkav.at

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