Konservative
Antibiotikatherapie beim Hirnabszess |
G. Wurm
Abteilung für Neurochirurgie, Landesnervenklinik Wagner-Jauregg
Linz
(Vorstand: W.HR. Univ.-Prof. Prim. Dr. Johannes Fischer) |
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Ein
Hirnabszess ist eine umschriebene eitrige Einschmelzung von
Hirngewebe, sie gilt auch heute noch als potenziell lebensbedrohliche
Erkrankung. Die Inzidenz beträgt 1-3 pro 100.000 Einwohner
pro Jahr; die Häufigkeitsgipfel liegen zwischen dem 4.
und 7. und dem 20. und 30. Lebensjahr. Die Inkubationszeit beträgt
üblicherweise 1 bis 2 Wochen, kann aber nach einem Unfall
auch Monate bis Jahre dauern. Das längste an der LNK Linz
registrierte Intervall dauerte nach einem Mopedunfall 36 Jahre.
Hirnabszesse entstehen entweder hämatogen (häufig
multipel) oder durch direkte Fortleitung von otogenen (Otitis,
Mastoiditis) oder von paranasalen Infekten (Sinusitis), von
retrobulbären Abszessen, von einer Osteomyelitis oder von
Furunkeln bzw. septischen Thrombophlebitiden. Ein Hirnabszess
kann auch im Anschluss an eine nicht ausgeheilte oder zu spät
erkannte Meningitis entstehen. Weitere Ursachen sind Traumen
(z.B. Schädelbasisfraktur) oder postoperativ entstandene
Hirnabszesse. Begünstigt wird die Entstehung durch Immunsuppression.
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Diagnostische Möglichkeiten
Die
klinische Symptomatik ist, vor allem im Anfangsstadium, meist
relativ unspezifisch. Zu den allgemeinen Symptomen gehören
Abgeschlagenheit, Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und
Erbrechen (typisch für eine Druckerhöhung im Schädel),
Bewusstseinsstörungen, fokale neurologische Ausfälle
und epileptische Anfälle. Allgemeine Infektionszeichen
wie Leukozytose, BSG-Erhöhung und Fieber dürfen
nicht als obligat betrachtet werden. Auch der Liquorstatus
ist in vielen Fällen nicht aussagekräftig. Nuklearmedizinische
Untersuchungsmethoden wie PET oder SPECT liefern mitunter
sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse.
Bei den bildgebenden Verfahren hat inzwischen die MRT die
CT abgelöst. Die konventionelle MRT zeigt einen Hirnabszess
bereits im Frühstadium, allerdings sehr unspezifisch.
Diagnostisch aussagekräftig ist meist eine erweiterte
MRT mit T1 mit und ohne Kontrastmittel, T2-Gewichtung, Diffusion,
Perfusions-MR, und Spectroskopie (Abbildung
1-3). Als Differentialdiagnosen von Hirnabszessen kommen
hirneigene Tumore, Metastasen, Parasitosen, Hämatome
in Resorption oder subakute Infarkte in Frage.
Abbildung
1: MR-Diagnostik des Hirnabszesses
a)
T1 ohne Kontrastmittel
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b)
T1 mit Kontrastmittel
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c) Diffusion
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d) T2
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Abbildung
2: MR-Spectroskopie
a) Metaboliten der gesunden
Seite
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b) Metaboliten aus Abszess
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Abbildung
3: Perfusion CBV
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Erreger und Therapie
Hirnabszesse
beinhalten häufig eine aerobe und anaerobe Mischflora.
Die häufigsten Erreger sind Staphylococcus aureus,
Bacteroides, anaerobe Streptokokken, E. coli,
Proteus, Klebsiellen (otogen), Nocardia asteroides
(Lungen-Nocardiose), Toxoplasma gondii (HIV) oder Pilze
(HIV, onkologische bzw. transplantierte Patienten). Im Gegensatz
zur früheren Meinung muss nicht jeder Hirnabszess chirurgisch
entfernt werden. Besonders bei tief liegenden Abszessen in eloquenten
Arealen, wo eine Operation mit einem hohen chirurgischen Risiko
einhergeht, gilt es, über eine rein konservative Therapie
mit Antibiose nachzudenken – eventuell in Verbindung mit
einer Drainage. Natürlich muss auch der Ausgangsherd saniert
werden. Bei einem ausgedehnten Ödem in der Umgebung des
Hirnabszesses ist kurzfristig eine hoch dosierte Therapie mit
Kortikosteroiden möglich. In den meisten Fällen muss
die Antibiose ohne Keimidentifikation ungezielt begonnen werden
(Tabelle 1). Ein Keimnachweis ist anzustreben,
ist mitunter aber problematisch. Die Dauer der Antibiotikagabe
ist Gegenstand von Diskussionen. Laut Literatur sollte nicht
unter 2-3 Wochen i.v. und anschließend 2-6 Wochen oral
therapiert werden; bei Toxoplasmose sollte 6-8 Wochen, bei manchen
Infektionen bis zu 3 Monate, bei Nocardien sogar 6-12 Monate
behandelt werden. Im Fall einer Drainage gibt es die Möglichkeit
einer Lokaltherapie, wobei als Spülung Refobacin-L, Vancomycin,
Fosfomycin, oder Colistin verwendet werden.
Tabelle
1: Initialtherapie bei zunächst unbekanntem Erreger
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Prognose
Die
Prognose der Hirnabszesse ist nach wie vor problematisch. Die
Mortalität bei solitären Abszessen wird mit 4%-20%,
die Mortalität bei multiplen Abszessen – trotz eingeleiteter
Behandlung – sogar mit 60% - 80% angegeben. Auch bei Totalexstirpation
(inklusive der Abszesskapsel) ist bei nur 50% der Überlebenden
eine restitutio ad integrum, schwere Defektheilungen in 25%
und Rezidive in 5% zu erwarten. Bei etwa einem Viertel der überlebenden
Patienten treten in Folge epileptische Anfälle auf.
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Anschrift
der Referentin:
Univ.-Doz. Dr. Gabriele Wurm
Abteilung für Neurochirurgie, Landesnervenklinik Wagner-Jauregg
A-4020 Linz, Wagner-Jauregg-Weg 15
E-Mail: gabriele.wurm@gespag.at
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