Infektion beim diabetischen Fuß – Mikrobiologie

H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, Nationales Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen und
Antibiotikaresistenz, Nationales Referenzzentrum für Hepatitis, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
(Leiter: Prim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Mittermayer)

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Die Häufigkeit des diabetischen Fußsyndroms und der damit verbundenen Probleme wird oft unterschätzt. Etwa 15-25% der Diabetiker leiden in ihrem Leben zumindest einmal an einer ulzerösen Läsion am Fuß, die durchschnittliche Heilungsdauer beträgt 4 Monate. 10% der Ulzera persistieren über ein Jahr, 15% heilen bis zum Tod nicht aus. Schätzungsweise 3%-7% Läsionen treten jährlich neu auf, das Risiko für ein Rezidiv ist mit 30%-100% ausgesprochen hoch. Das diabetische Fußsyndrom gilt als eine schwerwiegende Komplikation, da es mit einem hohen Amputationsrisiko vergesellschaftet ist. 40%-60% aller nicht traumatischen Amputationen der unteren Extremität betreffen Diabetiker, ungefähr 85% der Amputationen geht eine ulzeröse Läsion voraus. Infektionen sind für die Entstehung von untergeordneter Bedeutung, spielen aber eine wichtige Rolle bei der Progression, sind mitverantwortlich für Wundheilungsstörungen und ein wichtiger Risikofaktor für Amputationen. Das diabetische Fußsyndrom ist auch ein ökonomisches Problem, jeder fünfte Krankenhausaufenthalt und die Hälfte aller Belagstage von Diabetikern sind auf Fußprobleme zurückzuführen. Die Belastungen sind beträchtlich: Die Kosten eines oberflächlichen Ulkus belaufen sich schätzungsweise auf 4.500 Euro und die einer tiefen Infektion auf 23.500 Euro. Ein Gangrän belastet das Gesundheitsbudget sogar mit 50.000 Euro. Weniger als 1% der Gesamtkosten entfallen dabei auf die antibiotische Therapie.


Erregerspektrum

Die Besiedelung der Läsionen geschieht durch die Keime der Haut- und Schleimhautflora sowie durch exogene Mikroorganismen. Beim Entstehen einer Wundinfektion und auch bei der Therapie muss man zwischen Kontamination, Kolonisation und der eigentlichen Infektion unterscheiden. Unter Kontamination versteht man das Vorhandensein von Mikroorganismen, die sich nicht vermehren. Praktisch alle Wunden sind kontaminiert, die Wundheilung wird davon aber meist nicht beeinflusst. Der nächste Schritt ist die Kolonisation, bei der es zur Vermehrung der adhärenten Keime kommt, allerdings noch immer ohne erkennbare Schädigung oder Wundheilungsstörung. Von einer Wundinfektion spricht man, wenn sich potenziell pathogene Mikroorganismen (z.B. Staphylococcus aureus, ß-hämolysierende Streptokokken, E. coli, Proteus, Klebsiellen, obligate Anaerobier, Pseudomonas u.a.) vermehren und lokale oder systemische Krankheitszeichen auftreten. Antibiotika sind bei Kontamination oder Kolonisation im Allgemeinen nicht indiziert, der Einsatz von Antiseptika hingegen oft sinnvoll. Die Mehrzahl der Infektionen ist polymikrobiell bedingt (Abbildung 1). Bei frühen akuten Wunden dominieren Gram-positive Keime (S. aureus, ß-hämolysierende Streptokokken), nach etwa 4 Wochen nimmt die Besiedelung durch Gram-negative Keime (Proteus, E. coli, Klebsiella) zu. Lange bestehende chronische Wunden enthalten zunehmend mehr Anaerobier und Gram-negative Nonfermenter (Pseudomonas, Acinetobacter, Stenotrophomonas) aus exogenen Quellen. Enterokokken und Sprosspilze (Candida) werden auch häufig gefunden, die klinische Relevanz erscheint aber fraglich. Mykobakterien sind schlecht erfassbar, könnten aber an der verzögerten Wundheilung mitverantwortlich sein. Staphylokokken sind bei über der Hälfte der infizierten diabetischen Läsionen nachweisbar. 22-28% davon sind Staphylococcus aureus. Die Häufigkeit des Auftretens von MRSA ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich (Abbildung 2). Bis vor einiger Zeit wurden MRSA fast ausschließlich als nosokomial auftretende Keime beobachtet, seit kurzem findet man aber immer häufiger auch so genannte „community“-MRSA (c-MRSA) außerhalb des Krankenhausbereiches. Diese resistenten Bakterien sind genetisch etwas anders aufgebaut, die Resistenzkassette ist kleiner, beinhaltet meist nur eine Resistenzdeterminante, gilt aber als einfacher übertragbar. C-MRSA bilden auch häufig den Virulenzfaktor PVL (Pantone-Valentine-Leukozidin), der zu Schädigung von Leukozyten und Porenbildung in biologischen Membranen führt.

Abbildung 1: Isolate bei stationären Patienten mit diabetischem Fußsyndrom

Abbildung 2: Unterschiede in der Häufigkeit von MRSA in Krankenhäusern, Daten von EARSS (European Antimicrobial Resistance Surveillance System)


Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung der infizierten diabetischen Fußläsion sollte möglichst aufgrund einer mikrobiologischen Untersuchung erfolgen, da das Erregerspektrum zwar kalkulierbar, die Antibiotikaresistenz lokal und regional unterschiedlich und letztendlich kaum voraussagbar ist. Bei der Identifikation der Erreger spielt die richtige Materialgewinnung eine entscheidende Rolle. Der Goldstandard ist die Wundbiopsie oder Nadelaspiration vom Wundrand, alternativ kann nach Reinigung mit steriler Kochsalzlösung auch ein Abstrich vom Grund der Wunde erfolgen. Bei Verdacht auf Osteomyelitis ist eine Knochenbiopsie empfehlenswert, da vom Wundabstrich nicht zuverlässig auf die Verhältnisse im Knochen geschlossen werden kann. In einer rezenten Untersuchungsserie betrug die Konkordanz zwischen den mikrobiologischen Ergebnissen aus den tiefen und den oberflächlich gewonnenen Proben nur 22,5% (Senneville E., et al., CID 2006; 39, 57-62).

Bei Kontamination und Kolonisation sollten nur antiseptische Wirkstoffe, wie Iodophore, PVP-Jod oder Octenidinhydrochlorid, und bei chronischen schlecht heilenden Wunden auch Polihexanid, Taurolidin, nanokristallines Silber oder eventuell auch Fliegenlarven (Lucilia sericata) zum Einsatz kommen. Die Diagnose einer Infektion und damit die Indikationsstellung für Antibiotika muss nach klinischen Kriterien (Rötung, Schwellung, Ödem, systemische Zeichen) erfolgen. Die Therapie kann empirisch begonnen werden und wird nach Vorliegen des Kulturergebnisses adaptiert. Bei der Auswahl des Antibiotikums ist zu berücksichtigen, dass üblicherweise Gram-positive Kokken dominieren (60-80%), Gram-negative Keime vor allem bei chronischen Wunden und Vorbehandlung vorkommen (20-30%) und bei Ischämie bzw. Gangrän Anaerobier (4-15%) obligat sind. Eine empirische Therapie ausschließlich gegen Gram-positive Kokken ist nur bei leichten bis mittelschweren Infektionen ausreichend, bei schweren Infektionen ist auf ein genügend breites Spektrum zu achten. Außerdem müssen die aktuelle lokale Resistenzsituation, mögliche Vorbehandlungen und die Prävalenz von MRSA berücksichtigt werden. Da Fosfomycin nur sehr gezielt zum Einsatz kommt, ist die Empfindlichkeit wichtiger Erreger unverändert günstig. Fosfomycin ist daher ein sinnvoller Kombinationspartner in der parenteralen Therapie von infizierten diabetischen Fußläsionen (Abbildung 3 und 4).

Abbildung 3: Antibiotikaresistenz bei S. aureus aus Wundsekret (2004-2005), Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin im Krankenhaus der Elisabethinen Linz

Abbildung 4: Empfindlichkeit gegen Fosfomycin

Anschrift des Referenten:
Prim. Univ.-Prof. Dr. H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen Linz
A-4010 Linz, Fadingerstraße 1
E-Mail: helmut.mittermayer@elisabethinen.or.at

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