Diabetischer Fuß – Angiopathie vs. Neuropathie – Differenziertes Vorgehen

T. Hölzenbein
Univ.-Klinik für Chirurgie, Klinische Abteilung für Gefäßchirurgie, Medizinische Universität Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Mühlbacher)

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


Das diabetische Fußsyndrom ist keine echte Entität mit einem klar definierten Zuständigkeitsbereich. Es wird versorgt von Allgemeinmedizinern, Internisten, Chirurgen und Neurologen, dazu kommt noch Fachpersonal aus den Bereichen Pflege, Orthopädietechnik, Diätwissenschaft, Physikalische Medizin, Wundversorgung, etc. Laut St.Vincent-Deklaration von 1989 sollte die Anzahl der Amputationen aufgrund diabetischer Gangrän in der nächsten Zeit um die Hälfte reduziert werden. Dazu ist eine fachüberschreitende Kooperation aller Beteiligten nötig.


Therapeutisches Vorgehen

Am Anfang der Therapie steht eine ausreichende Abklärung mit klinischer Untersuchung (Inspektion, Fußpulse tasten, ...), Fußröntgen (eventuell mit Vergrößerung), oberflächlichen und tiefen Kulturen, Bestimmung des Doppler-Index, Rheographie, Duplex der Arteria femoralis superficialis, Semmes-Weinstein-Test und MR-Angiographie (Abb. 1). Um Läsionen vorzubeugen, sollte auch immer das Schuhwerk kontrolliert werden. Zu enge Schuhe sind zu vermeiden, idealerweise sind die Schuhe 2-3mal täglich zu wechseln. Schuhkorrekturen haben professionell zu erfolgen, „Basteleien“ sind nicht sinnvoll. Bei Verdacht auf Osteomyelitis ist eine Knochenbiopsie empfehlenswert. Da in den meisten Fällen eine Neuropathie besteht, kann diese Intervention üblicherweise problemlos durchgeführt werden. Ein Débridement sollte bei guter Durchblutung großzügig, bei schlechter Durchblutung sparsam erfolgen (Abbildung 2). Knochenanteile sind aus der Wunde zu entfernen, die Wundränder werden locker, allenfalls mit einer Sit-Naht, adaptiert. Bei Osteomyelitis muss heute nicht mehr unbedingt chirurgisch interveniert werden, nur bei feuchter Gangrän (Gasbildung) ist eine Amputation praktisch immer notwendig.

Abbildung 1: Entscheidungskaskade

Abbildung 2: Débridement beim diabetischen Fuß


Gefäßchirurgische Interventionen

Durch moderne bildgebende Verfahren ist heute auch die Darstellung von kleinen Gefäßen möglich. Dabei hat sich gezeigt, dass die vielzitierte diabetische „Mikroangiopathie“ nur mehr als historischer Begriff betrachtet werden darf. Die Gefäßprobleme beim diabetischen Fußsyndrom sind auf eine Makroangiopathie zurückzuführen, die kleinen Gefäße sind in der Regel offen. Entsprechend dieser Tatsache ist ein Bypass zu den Fußarterien sinnvoll und heute mit akzeptabler Morbidität und Mortalität durchführbar. Der femoro-distale Venenbypass zählt daher heute zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in der Gefäßchirurgie. Eine Amputation hat natürlich eine deutlich höhere Mortalität als die Bypassoperation (Abbildungen 3a, 3b und 4). Die 30-Tage-Mortalität der Oberschenkelamputation beträgt etwa 50%, im Gegensatz dazu lag die Mortalität in einer Studie an 325 Bypass-Patienten bei 1,2%. Allerdings kann die Major-Amputationsrate nur durch die Einführung des pedalen Bypass gesenkt werden, die Langzeitergebnisse bei proximalen Rekonstruktionen sind durchwegs schlechter. Im Laufe der Entwicklung wurde die Bypass-Technik aber so weit verfeinert, dass inzwischen Abschlüsse auf sehr distale Arteriensegmente möglich sind – auch die Nähe zur Infektion sollte heute kein Problem sein. Prinzipiell ist immer eine autologe Bypassversorgung anzustreben, alternative Verfahren sollten nur ausnahmsweise zum Einsatz kommen (Abbildung 5).

Abbildung 3a und 3b: Mortalitätsrate – Amputation versus Bypass

Abbildung 4: Amputation versus Bypass

Abbildung 5: Iliaco-cruraler Bypass aus Armvenen – Rezidivbypass

Anschrift des Referenten:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hölzenbein
Univ.-Klinik für Chirurgie, Klin. Abt. für Gefäßchirurgie
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: thomas.hölzenbein@meduniwien.ac.at

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