Pharmakokinetische Aspekte zur Findung des geeigneten Antibiotikums

C. Joukhadar
Univ.-Klinik für Klinische Pharmakologie, Abteilung für Klinische Pharmakokinetik, Medizinische Universität Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Markus Müller)

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


Abszesse bestehen aus einer äußeren Membran bzw. Kapsel, einer inneren Leukozytenschicht und zentralen nekrotischen Zellbestandteilen (Abbildung 1). Lokalisation und Morphologie sind variabel, ebenso können die Erreger zu verschiedenen bakteriellen Spezies gehören.

Eine antibiotische Therapie von Abszessen gestaltet sich oft schwierig, nach Möglichkeit sollte chirurgisch drainiert werden. Die Wirksamkeit antiinfektiver Substanzen wird durch schlechte Permeabilität, geringe Sauerstoffverfügbarkeit und niedrigen pH eingeschränkt. Ein Problem ist auch das verlangsamte Bakterienwachstum in der eitrigen Abszessflüssigkeit, da Antibiotika meist gerade in der Wachstumsphase angreifen.

Abbildung 1: Abszessmorphologie: äußere Membran/Kapsel, innere Leukozytenschicht und zentrale nekrotische Zellbestandteile


Das ideale Antibiotikum

Bis das Antibiotikum im Abszessinneren wirken kann, hat es einen pharmakokinetischen Hürdenlauf zu bewältigen (Abbildung 2). Zunächst muss die Substanz aus dem Gefäßsystem über kapillare Poren durch das Endothel ins Interstitium gelangen, zum Abszess diffundieren und anschließend durch die Kapsel in das Innere des Abszesses penetrieren. Bei der Auswahl des idealen Antibiotikums müssen daher eine ausreichende Abszess-Penetration, geringe Proteinbindung, antibakterielle Aktivität im anaeroben Milieu und ein genügend breites antibiotisches Spektrum gefordert werden. Die Anforderungen sind nicht einfach zu erfüllen. Das ideale Antibiotikum sollte eine vernachlässigbare Proteinbindung und ein hohes Verteilungsvolumen besitzen – zwei Forderungen, die letztendlich im Gegensatz zueinander stehen und von einem einzelnen antimikrobiellen Wirkstoff auch nicht erfüllbar sind. Darüber hinaus wäre eine Potenzierung der antibiotischen Aktivität im anaeroben Milieu wünschenswert. Dass das Wirkspektrum des Antibiotikums natürlich auch alle zu erwartenden Erreger inkludieren sollte, versteht sich von selbst.

Abbildung 2: Der pharmakokinetische Hürdenlauf eines Antibiotikums


Studie mit Fosfomycin

Die Messung des zeitlichen Konzentrationsverlaufes eines Antibiotikums im Abszess ist eine Herausforderung, da aus einem Abszess nur einmal eine Probe gewonnen werden kann. Daher wurde in einer Studie an 18 Patienten (Alter 18-80 Jahre) nach intravenöser Gabe von 8 Gramm Fosfomycin die Abszessgröße bestimmt, regelmäßig Blut abgenommen und Abszessflüssigkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Rahmen einer interventionellen Abszessdrainage gewonnen. Die Ergebnisse wurden entsprechend extrapoliert (Abbildung 3). Es konnte keine Korrelation zwischen der Plasma- und der Abszess-Pharmakokinetik, jedoch eine sehr gute Korrelation der Permeabilitätsfähigkeit und der Abszess-Pharmakokinetik gefunden werden. Die Halbwertszeit von Fosfomycin im Abszess war in den meisten Fällen deutlich verlängert. Laut der Studie sollten hohe Dosen verabreicht und eine Ladungsdosis nicht vergessen werden, um rasch hohe Konzentrationen im Abszess zu erreichen. Bei Niereninsuffizienz ist die Dosierung zu reduzieren, die Ladungsdosis bleibt aber unverändert. Trotz der sehr hohen interindividuellen Variabilität konnten im Steady State bei fast allen Patienten effektive Fosfomycin-Konzentrationen im Abszess erreicht werden. Daher ist die Gabe von Antibiotika wie Fosfomycin eine sinnvolle therapeutische Option, wenn eine chirurgische Sanierung nicht durchführbar ist.

Abbildung 3: Verläufe der gemessenen Plasmakonzentrationen (°) und extrapolierten Abszesskonzentrationen (•) (Sauermann, Joukhadar et al., AAC 2005)

Anschrift des Referenten:
Univ.-Prof. Dr. Christian Joukhadar
Univ.-Klinik für Klin. Pharmakologie, Abt. für Klin. Pharmakokinetik
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: christian.joukhadar@meduniwien.ac.at

zurück zum Inhalt