Chinolone 2007 – Ein Update

H. Burgmann
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien


Schlüsselwörter:
Antiinfektiva, Chinolone, Pharmakodynamik, Resistenz, Nebenwirkungen


Zusammenfassung

Fluorchinolone sind seit vielen Jahren im klinischen Alltag bewährte und zigtausendfach verordnete Antiinfektiva. Zu den großen Vorteilen der Gruppe zählen unter anderem die hervorragenden pharmakokinetischen Eigenschaften, insbesondere die parenteral-orale Äquivalenz oder aber auch das breite Wirkspektrum.

In den letzten Jahren haben sich unter den vielen Substanzen drei Vertreter durchgesetzt, mit denen man eigentlich alle möglichen Chinolon-indikationen abdecken kann: Ciprofloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin. Durch den unkritischen Umgang mit den Fluorchinolonen in den letzten Jahren sind wir heute mit einer steigenden Fluorchinolonresistenz von Keimen konfrontiert, die früher ausgezeichnet mit diesen Substanzen therapiert werden konnten (z.B. E. coli, Salmonellen). Die Erfahrung der letzten Jahre hat weiter gezeigt, dass die adäquate Dosierung maßgeblich die Effektivität beeinflusst und Unterdosierungen unbedingt vermieden werden müssen.


Key-words:
Antiinfektiva, Quinolones, pharmaco-dynamics, resistance, toxicity


Summary

Quinolones are one of the largest classes of antimicrobials used worldwide. No other class of antimicrobial agents has grown so rapidly or been developed with such interest by pharmaceutical research companies. Advantages of the quinolones are excellent pharmacological properties and its wide microbiological coverage. Recently three compounds are used in clinical practice: ciprofloxacin, levofloxacin and moxifloxacin.

In recent years quinolones have been overused in many settings, and this misuse has led to the emergence of resistance to the class (E. coli, Salmonella, ...).

The challenge to all clinicians is to understand when to prescribe the quinolones, so that appropriate use is maximized. Prudent application of these agents lengthens their clinical use, and it is hoped delays emergence of resistance.



Einleitung

Mit mehr als 800 Millionen Verordnungen weltweit zählen die Chinolone zu den wichtigsten Antiinfektiva-Gruppen. Ursprünglich in den Siebzigern für Harnwegsinfektionen in Verwendung, wurde das Indikationsspektrum der neu entwickelten Chinolone weit verbreitert und betrifft heute fast alle Kompartimente des Körpers. Das Wissen über den Zusammenhang zwischen Struktur und Aktivität führte zu enormen Anstrengungen, neue Substanzen mit einem breiteren Spektrum, höherer intrinsischer Aktivität und einem verbesserten pharmakokinetischen Profil zu synthetisieren. Es wird geschätzt, dass bisher etwa 10.000 Neumoleküle dieser Substanzgruppe generiert wurden. Diese Anstrengungen wurden aber durch das Auftreten von Resistenzen und für einige dieser Moleküle unakzeptablen Nebenwirkungen beeinträchtigt.

 

Chinolone – Struktur und Wirkweise

Die derzeit verwendeten Chinolone weisen alle die typische Grundstruktur mit einer Ringkette, dem N-Molekül in Position 1, der Carboxylgruppe in Position 3 und einer Carbonylgruppe in Position 4 auf. Der F-Rest in Position 6 trägt wesentlich zur Wirkungsverstärkung der Fluorchinolone bei. Die chemischen Eigenschaften der Seitenkette der unterschiedlichen Substanzen entscheiden über das pharmakologische Profil wie aber auch die Toxizität (Abbildung 1).

Abbildung 1: Struktur-Wirkungs-Beziehungen bei Levofloxacin

1962 als Nebenprodukt der Anti-Malaria-Forschung entdeckt, ist die Nalidixinsäure die Muttersubstanz der Chinolone. Die Verwendung der Nalidixinsäure war aufgrund des schmalen Spektrums, der geringen Serumspiegel und der Toxizität ziemlich begrenzt. Es begann nun eine intensive Suche nach der Struktur-Aktivitäts-Relation mit dem Ziel, die Aktivität des Antiinfektivums zu erhöhen. Viele Chinolonmoleküle wurden patentiert, aber nur einige wenige erreichten die Marktreife. Die derzeit erhältlichen Chinolone werden in 4 Gruppen, hauptsächlich auf Basis ihrer Wirkung, eingeteilt (Tabelle 1).

Tabelle 1: Einteilung der Chinolone

 

Wirkweise von Chinolonen

Fluorochinolone wirken über eine Blockierung der bakteriellen DNA-Synthese durch Hemmung der Enzyme DNA-Gyrase und Topoisomerase 4 – beide Enzyme sind für das Bakterienwachstum essenziell. Bei Gram-negativen Bakterien ist das bevorzugte Ziel der Chinolonwirkung die DNA-Gyrase, bei Gram-positiven Erregern die Topoisomerase 4. Neben der Art des Erregers spielt aber auch die Art des Chinolons eine Rolle für die bevorzugte Zielstruktur: Ciprofloxacin wirkt bevorzugt an der Topoisomerase, Moxifloxacin an der DNA-Gyrase.

 

Chinolone – Wirkspektrum

Die Chinolone zeichnen sich durch ein breites antibakterielles Wirkspektrum aus (Tabelle 2).

Entsprechend ihres Wirkspektrums werden die Fluorchinolone in 4 Gruppen eingeteilt (siehe Tabelle 1).

Tabelle 2: Chinolon-Wirkspektrum im Vergleich

Chinolone der Gruppe 1:

Norfloxacin
Das Wirkspektrum von Norfloxacin umfasst im Wesentlichen die Enterobacteriaceae. Gegen Gram-positive und „atypische“ Erreger ist es unwirksam.

Fluorchinolone der Gruppe 2:

Ciprofloxacin
Ciprofloxacin hat eine sehr gute Wirksamkeit gegen Enterobakterien und Haemophilus influenzae und eine schwache Wirkung auf Staphylokokken und Pneumokokken sowie auf die Chlamydien, Legionella und Mykoplasmen. Die Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa ist gut. Zugelassene Indikationen sind unkomplizierte und komplizierte Infektionen durch nachgewiesene oder vermutete empfindliche Erreger der Niere und/oder ableitenden Harnwege, des HNO-Bereichs, der Atemwege (nicht bei Pneumokokken), des Bauchraums, der Genitalorgane, der Knochengelenke, der Haut- und Weichteile und der Sepsis, sowie bei Infektionen oder zur Prophylaxe der neutropenischen Patienten, zur peroralen Therapie von neutropenischem Fieber bei Patienten der Risikogruppe 1 (in Kombination mit Amoxicillin), zur selektiven Darmdekontamination bei immunsuppressiv behandelten Patienten und bei akuten Infektionsschüben zystischer Fibrose bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 17 Jahren.

Fluorchinolone der Gruppe 3:

Levofloxacin
Levofloxacin hat eine im Vergleich zu Ciprofloxacin verbesserte intrinsische Aktivität gegen Gram-positive Erreger, wie Staphylokokken, Streptokokken und Pneumokokken, sowie die atypischen Erreger Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen. Die Aktivität gegen Gram-negative Erreger ist vergleichbar, allerdings gegen Pseudomonas aeruginosa etwas schwächer. Levofloxacin ist das linksdrehende Enantiomer und damit der wirksame Anteil des Racemats Ofloxacin. Zugelassene Indikationen für das Levofloxacin sind ambulant erworbene Pneumonie, komplizierte Harnwegsinfektionen, Haut- und Weichteilinfektionen. Weiters konnte Levofloxacin auch erfolgreich bei der empirischen Behandlung des neutropenischen Patienten mit Low-risk eingesetzt werden. Derzeit läuft die Studie zur Verwendung von Levofloxacin bei der Hospital-acquired-Pneumonia. Levofloxacin ist oral und parenteral verfügbar.

Fluorchinolone der Gruppe 4:

Moxifloxacin
Moxifloxacin hat ein sehr breites Wirkspektrum gegen zahlreiche aerobe und anaerobe Gram-negative und Gram-positive Erreger, einschließlich der atypischen Erreger. Im Vergleich zu Levofloxacin besitzt es eine verbesserte Aktivität gegen Gram-positive Erreger wie Staphylokokken und Streptokokken, einschließlich der Pneumokokken, gegen Anaerobier. Gegenüber Pseudomonaden besitzt es keine ausreichende Aktivität. In Alveolarmakrophagen werden überlange Zeit hohe Konzentrationen erreicht. Moxifloxacin ist oral und parenteral verfügbar. Als Einsatzgebiet sind ambulant erworbene Pneumonien aller Schweregrade zugelassen und auch der diabetische Fuß bzw.die schwere Weichteilinfektion.

 

Chinolone – Resistenzmechanismen

Bakterien können auf zwei prinzipielle Arten gegen Chinolone resistent werden: Reduktion der intrazellulären Wirkstoffkonzentration oder Modifikation des Wirkortes.

Die typische Chinolonresistenz entsteht schrittweise durch Mutation der Gene, die die DNA-Gyrase und Topoisomerase 4 codieren. Durch eine erste Mutation entsteht eine Low-Level-Resistenz, die im Routineantibiogramm nicht zu erkennen ist; gefolgt von einer zweiten Mutation, die dann die phänotypische Resistenz erzeugt. Diese Form der Resistenz ist chromosomal und daher nicht übertragbar, findet sich aber durch klonale Ausbreitung mit zunehmender Häufigkeit. Ein weiterer wichtiger Resistenzmechanismus ist die intrinsische Low-Level-Resistenz durch verminderte Membranpermeabilität. Durch Herabregulation von Porinen verschlechtert sich die Diffusion von Chinolonen durch die Membran.

Die Abregulation der intrinsischen MDR-Effluxpumpen erniedrigt die intrazellulären Konzentrationen von Chinolonen und anderen Antibiotika und verursacht ebenfalls eine Low-Level-Resistenz – damit scheinen die Erreger vor niedrigen Chinolonspiegeln geschützt zu sein. Suboptimale Wirkspiegel gelten daher auch als wesentlicher Risikofaktor für Resistenzinduktion. Durch weitere Mutationsschritte entsteht dann das Vollbild der resistenten Erreger. Da diese Effluxpumpen eine Reihe von Substanzen aus der Zelle entfernen, werden dadurch auch Co-Resistenzen gegen andere antiinfektive Wirkstoffgruppen begünstigt.

Quantitativ betrachtet haben Topoisomerasen-Mutationen und Efflux die größten Auswirkungen auf die MHK.

 

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Chinolone

Alle Fluorchinolone verteilen sich extra- und intrazellulär, deshalb haben sie im Vergleich zu den Betalaktamen ein hohes relatives Verteilungsvolumen (1-4 l/kg) und zeigen eine sehr gute Gewebegängigkeit. Die Proteinbindung der verfügbaren parenteralen Vertreter liegt in der Regel unter 40%. Levofloxacin wird ausschließlich renal eliminiert, Ciprofloxacin wird neben der renalen Ausscheidung auch hepatisch und intestinal ausgeschieden. Moxifloxacin wird praktisch ausschließlich durch Konjugationsreaktion eliminiert (Tabelle 3).

Die meisten Chinolone haben eine exzellente Bioverfügbarkeit, die sie ideal für die Behandlung ambulanter Patienten und für die antimikrobielle Switch-Therapie von intravenös auf per oral machen. Sie sind auch charakterisiert durch eine exzellente Penetration in die meisten Gewebe und Körperflüssigkeiten (Tabelle 4).

Frühe Studien zeigten, dass Chinolone, ähnlich wie die Aminoglykoside, hauptsächlich konzentrationsabhängig wirken und einen doch beträchtlichen postantibiotischen Effekt aufweisen. Untersuchungen zeigen, dass eine Cmax/MHK-Rate von größer 10 erreicht werden sollte. Wichtiger scheint allerdings die Substanzmenge im Verhältnis zur MHK zu sein (AUC 24/MHK). Die Chinolone waren die erste antiinfektive Substanzgruppe, bei der diese pharmakodynamische Kalkulation zur Dosisfindung für die Praxis eingesetzt wurde.

Tabelle 3: Pharmakokinetik einzelner Fluorchinolone

Tabelle 4: Gewebe mit hohem Chinolonspiegel

 

PK/PD-Werte – Prädiktoren für den Therapieerfolg?

Die Korrelation zwischen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik (Empfindlichkeit des Erregers gegenüber dem Antibiotikum) kann zur Vorhersage des voraussichtlichen Therapieerfolgs herangezogen werden. PK/PD-Werte geben außerdem Hinweise zur Prävention von Mutation und Resistenzen und können zur Optimierung der Dosierung beitragen. In der Praxis haben sich vor allem folgende 3 PK/PD-Indizes bewährt (Abbildung 2).

Abbildung 2: Pharmakokinetische Indizes

Zeit oberhalb der MHK (bei zeitabhängig wirkenden Antibiotika): die Zeitspanne (t in % des Dosierungsintervalles), in der die Konzentration des Antibiotikums über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des ursächlichen Erregers liegt.

Cmax/MHK (bei konzentrationsabhängig wirkenden Antibiotika): das Verhältnis der Antibiotikum-Spitzenkonzentration zur MHK des Erregers.

AUC/MHK (=AUIC) (bei konzentrationsabhängig wirkenden Antibiotika): das Verhältnis aus der Fläche unter der 24-Stunden-Konzentrationszeitkurve (AUC 24) des Antibiotikums und der MHK des ursächlichen Erregers.

Zeitabhängig wirken z. B. Betalaktame und Makrolide. Dagegen ist für Aminoglykoside und Fluorchinolone die Konzentration des Antibiotikums entscheidend. Als bester Prädiktor für einen Therapieerfolg in vivo gilt bei Fluorchinolonen das Verhältnis von AUC und MHK (AUIC). Ausreichend hohe AUIC-Werte verringern zugleich das Risiko, dass unter Therapie resistente Mutanten selektioniert werden. Allerdings gilt auch für die Korrelation zwischen AUIC und Resistenzentwicklung, dass die Grenzwerte nicht verallgemeinert werden können, sondern für einzelne Erreger unterschiedlich sind.

Generell hat sich die Tagesdosis der Fluorchinolone in den letzten Jahren deutlich erhöht. Wurde Ofloxacin noch mit 2x50 mg/Tag verabreicht, so liegt heute die Tagesdosis von Levofloxacin (antimikrobiell aktiver Teil von Ofloxacin) bei 1-2x500 mg (würde in etwa 1.000-2.000 mg Ofloxacin entsprechen) (Tabelle 5). Einschränkend muss man aber sagen, dass viele dieser pharmakokinetischen Überlegungen im Wesentlichen auf mathematischen Modellrechnungen beruhen und die experimentellen Daten bisher meist nicht klinisch belegt wurden.

Tabelle 5: Tagesdosierungen für Chinolone

 

Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen von Fluorchinolonen

Die Verwendung von Chinolonen wird durch eine Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen (4-10%) limitiert, die zumeist mild sind, manche können aber auch sehr schwer verlaufen und haben die Rücknahme einzelner Präparate vom Markt hervorgerufen. Es gibt Effekte, die alle Moleküle dieser Klasse betreffen, wenn auch mit unterschiedlicher Frequenz, z. B. gastrointestinale Nebenwirkungen oder Arthralgien. Eine Reihe von Chinolonen, unter anderem Temafloxacin, Grepafloxacin, Sparfloxacin und Trovafloxacin mussten wegen zwar seltenen, aber unakzeptablen Nebenwirkungen vom Markt genommen werden (Tabelle 6).

Zu den folgenschwersten Komplikationen mancher Fluorchinolone gehören sicher die Verlängerungen der QT-Dauer und konsekutiver Arrhythmien und Todesfälle. So darf Moxifloxacin laut Produktmonografie nicht mehr bei kongenitalem oder bei bekanntem Long-QT-Syndrom, Elektrolytstörung, insbesondere Hypokaliämie, klinisch relevanter Bradykardie, klinisch relevanter Herzinsuffizienz mit reduzierter Linksventrikelfunktion oder anamnestischen Arrhythmien verabreicht werden. Auch für Gatifloxacin gibt es Berichte über Todesfälle und Grepafloxacin wurde wegen vermehrter Arrhythmien vom Markt genommen.

Tabelle 6: Nebenwirkungen von Chinolonen

Tabelle 6 Fortsetzung: Nebenwirkungen von Chinolonen

 

Kontraindikationen für Chinolone

In folgenden Situationen ist eine Fluorchinolongabe kontraindiziert oder nur unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung möglich: Überempfindlichkeit gegen Chinolone

  • Schwangerschaft und Stillperiode
  • Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr
  • verlängerte QT-Dauer bei manchen Chinolonen
  • Patient mit zerebralen Anfallsleiden
  • anamnestische Chinolon-Tendinitis
  • Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel bei manchen Chinolonen
  • Alle Chinolone sind wegen der an jungen Hunden beobachteten Arthropathien in der Schwangerschaft und Stillperiode kontraindiziert. Für die Schwangerschaft gilt die FDI-Kategorie C, d. h., dass eine Gabe nur bei fehlender Alternative und unter Risikoabwägung erlaubt ist. Studien an Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft unwissentlich mit Chinolonen therapiert wurden, ergaben bisher keinen Hinweis auf Teratogenität bei Menschen. Ist die Gabe bei Stillenden notwendig, ist das Abstillen zu empfehlen.

     

    Chinolone in der Pädiatrie

    Chinolone gelten bei Kindern und Jugendlichen vor dem 18. Lebensjahr wegen der bereits erwähnten Knorpelschäden bei jungen Hunden als kontraindiziert. Im Gegensatz zu diesen tierexperimentellen Ergebnissen wurden bislang bleibende Knorpel- oder Gelenksschäden im klinischen Einsatz in der Pädiatrie nicht beobachtet. Die in Entwicklung befindlichen Desfluorchinolone dürften frei sein von möglicher Knorpeltoxizität.

    Obwohl es anzunehmen ist, dass in den nächsten Jahren auch in der Behandlung von Infektionen bei Kindern Chinolone in einzelnen Indikationen zugelassen werden, muss heute noch bei Patienten unter 18 Jahren der potenzielle Nutzen gegenüber den möglichen Risiken abgewogen werden.

    Die Verwendung von Fluorchinolonen kann unter folgenden Umständen in Erwägung gezogen werden:

    1. Infektion mit MDR-Pathogen, bei dem es keine sichere oder effektive Alternative gibt.
    2. Parenterale Therapie ist nicht möglich und keine andere orale Therapie ist verfügbar.

    Die Aufklärung sollte wie unter den Bedingungen der klinischen Prüfung geschehen, das heißt, es muss eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern und in der Regel ab dem 14.Lj. auch des Patienten eingeholt werden. Ciprofloxacin sollte bevorzugt werden, da es am besten dokumentiert ist und eine Saftzubereitung zur Verfügung steht. Die Applikation sollte auf folgende spezielle Indikationen limitiert sein:

  • Harnwegsinfekte durch Pseudomonas aeruginosa oder andere multiresistente, Gram-negative Erreger (z. B. Enterobacter spp.)
  • Chronische suppurative Otitis media oder maligne Otitis externa
  • Chronische Osteomyelitis
  • Exazerbation einer zystischen Fibrose
  • Enterobakter-Meningitis, Gram-negative Meningitis beim Neugeborenen
  • Langzeittherapie bei Infektionen durch Gram-negative Erreger ohne therapeutische Alternative
  • Schwere Salmonellen-, Shigellenenteritis
  • Prophylaxe systemischer Meningokokken-Infektionen
  • Postexpositionelle Prophylaxe bei Bacillus anthracis
  •  

    Immunmodulatorische Effekte der Fluorchinolone

    Untersuchungen der letzten Jahre zeigten, das Fluorchinolone sowohl auf die zelluläre als auch die humorale Immunität wirken. Generell benötigen sie für diese immunmodulatorischen Effekte aber ein Co-Stimulans. Sie verursachen einerseits eine Downregulation von proinflammatorischen Zytokinen, andererseits eine Upregulation der Hämatopoese. Diese immunmodulatorischen Effekte findet man vor allem bei Fluorchinolonen mit einem Cyclopropylanteil am N1., also Ciprofloxacin oder Moxifloxacin. Die klinische Auswirkung dieser Immunmodulation ist allerdings nicht klar.

     

    Mögliche Indikationen von neuen Fluorchinolonen

    Aufgrund ihres breiten Wirkspektrums und der doch guten Verträglichkeit werden Chinolone häufig im klinischen Alltag verwendet (Tabelle 7).

    Allerdings werden Chinolone leider oft unkritisch eingesetzt. In der folgenden Tabelle sollen nun Pro und Kontra für den klinischen Einsatz von Chinolonen diskutiert werden (Tabelle 8).

    In der oralen Infekttherapie spricht die im Vergleich zu den Betalaktamen sehr gute Bioverfügbarkeit oft für den Einsatz von Fluorchinolonen (Tabelle 9).

    Gerade im ambulanten Bereich haben sich durch den manchmal zu unkritischen Einsatz der Chinolone in den letzten Jahren Resistenzprobleme ergeben (z. B. Chinolon-resistenter E. coli).

    In der Behandlung schwerer nosokomialer Infekte (Sepsis, Beatmungspneumonie) werden heute allgemein Chinolon-Betalaktam-Kombinationen empfohlen. Auch wenn die Evidenz dafür mittels randomisierter Studien nicht gesichert ist, spricht der Umstand, dass lebensbedrohliche Infekte rascher und kompetent therapiert werden müssen, um die Infektsterblichkeit zu senken, doch für eine Kombinationstherapie. Selbst bei kritisch Kranken ist die gute orale Resorption beispielsweise von Levofloxacin belegt. In einer pharmakologischen Studie konnte bei 10 Patienten an einer Intensivstation problemlos eine IV per oral switch durchgeführt werden und die errechnete Bioverfügbarkeit betrug 95%. Voraussetzung dafür ist natürlich das Fehlen gastrointestinaler Störungen.

    Tabelle 7: Mögliche Indikationen für neue Chinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin) (mod. nach den Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie)

    Tabelle 8: Klinische Verwendung von Fluorochinolonen: Pro und Kontra

    Tabelle 9: Vergleich der % oralen Resorption unter optimalen Bedingungen

     

    Zusammenfassung

    Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden die Fluorchinolone mit Fanfaren als Antwort auf zunehmende Infektionen mit Gram-negativen Bakterien begrüßt.
    Durch Molekülmodifikationen versuchte man die Wirksamkeit dieser Substanzgruppe zu optimieren, oftmals leider auf Kosten der Verträglichkeit. So erreichten zahlreiche Chinolone nicht die Marktreife und einige mussten nach der Zulassung aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen wieder zurückgenommen werden. Bei den derzeit in Österreich verfügbaren Substanzen handelt es sich um sehr effektive Antiinfektiva mit breitem Wirkspektrum. Die inadäquate und zahlreiche Anwendung hat in den letzten Jahren allerdings zunehmende Resistenzraten auch bei früher hoch sensiblen Keimen wie E. coli hervorgerufen.
    Bei Fortbestehen dieses Trends könnte die klinische Wertigkeit dieser heute sehr potenten Substanzen bald deutlich eingeschränkt sein.

    Es liegt am gezielten Einsatz der Chinolone – nicht zuletzt im niedergelassenem Bereich – die Resistenzrate möglichst niedrig zu halten.

     

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    Anschrift des Verfassers:
    a. Univ.-Prof. Dr. Heinz Burgmann
    Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt.für Infektionen und Tropenmedizin
    A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
    E-Mail:heinz.burgmann@meduniwien.ac.at


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