Chinolone in der Veterinärmedizin

O. Robak, W. Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien


Schlüsselwörter:
Chinolone, Veterinärmedizin


Zusammenfassung

In der Veterinärmedizin werden zunehmend Antibiotika verwendet. Gleichzeitig treten Resistenzen gegen verschiedene Klassen von Antibiotika auf. Chinolone sind bakterizide antimikrobielle Wirkstoffe, die die bakterielle Gyrase bei Gram-positiven und Gram-negativen Erregern hemmen. Die häufigsten Gyrasehemmer sind Fluorchinolone wie Danofloxacin, Difloxacin, Enrofloxacin, Marbofloxacin, Orbifloxacin und Sarafloxacin. Der exzessive Gebrauch in Prophylaxe und Therapie hat zu einem starken Anstieg resistenter Erreger geführt. Eine Prophylaxe mit Chinolonen sollte vermieden werden. Eine falsche Verwendung wird zu resistenten Erregern führen, wie das heute schon bei Campylobacter, E. coli und Salmonellen der Fall ist.


Key-words:
Quinolones, veterinary medicine


Summary

The use of antibiotics in veterinary medicine has increased over the past few years. Simultaneously, more and more organisms have gained resistance against different subgroups of antimicrobial substances. Quinolones are antimicrobials with a strong bactericidal effect and are often used inveterinary medicine. Common fluoroquinolones in veterinary medicine are danofloxacin, difloxacin, enrofloxacin, marbofloxacin, orbifloxacin, and sarafloxacin. Excessive use of these substances, not only as therapeutic agent but also as prophylaxis, caused a strong increase of infections with bacterial strains resistant against fluoroquinolones. Aquaculture often used antibiotics. The use of antimicrobial substances should be appropriate regarding dosage, pharmaceutical form and duration. Quinolones should not be used as prophylaxis. Otherwise resistant species will soon become a problem even in human medicine with bacteria that cannot be treated with quinolones, like Campylobacter spp., E. coli and Salmonella spp.



Einleitung

Der Gebrauch von antimikrobiell wirksamen Substanzen in der Veterinärmedizin ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Aufgrund ihrer bakteriziden Aktivität sind Chinolone weit verbreitet zur Bekämpfung von Infektionen durch sowohl Gram-positive als auch Gram-negative Erreger.

Chinolone interagieren mit der DNA-Gyrase (entspricht der Topoisomerase II der Eukaryonten) sowie in geringerem Ausmaß mit der Topoisomerase IV, die beide nur bei Bakterien vorkommen. Die DNA-Gyrase ist für das Super-Coiling verantwortlich und fügt geschnittene DNA-Stränge wieder zusammen. Dieser Effekt wird durch Gyrase-Hemmer wirkungsvoll unterbunden. Außerdem können Chinolone gut durch die Blut-Hirn-Schranke diffundieren und eignen sich somit auch zur Behandlung von z.B. intrazerebralen Abszessen. Gyrase-Hemmer können verschiedenen chemischen Gruppen angehören:

• Chinolone (inkl. Fluorchinolone)
• Cinnoline
• Naphthyridine
• Pyridopyrimidine

Die wichtigsten Vertreter sind die Chinolone, deren erster Vertreter die Nalidixinsäure war. Ausgehend davon wurde eine Vielzahl von Substanzen entwickelt, die sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin Bedeutung haben. Hier soll speziell auf die Substanzen eingegangen werden, die in der Veterinärmedizin verwendet werden.

 

Danofloxacin

Danofloxacin (Advocin®, Advocid®) ist durch seine große therapeutische Breite geeignet für eine Vielzahl von Keimen. Es ist ein Fluorochinolon der 3. Generation mit bakterizider Wirkung, welches sowohl oral als auch parenteral verwendet werden kann. Der Wirkeintritt ist relativ schnell, die Verteilungshalbwertszeit bei i.v-Gabe beträgt 11-17 Min. Es weist bei subkutaner und intramuskulärer Verabreichung eine vergleichbare Wirkung auf wie nach einer i.v. Applikation. Bei per-os-Gabe werden 80-90% resorbiert. Danofloxacin wird bis zu 40% über die Niere ausgeschieden, der Rest über die Galle. Es wird vor allem bei Infektionen der Atemwege eingesetzt. Bei Schweinen und Rindern wirkt es gegen Infektionen mit Pasteurella haemolytica, Pasteurella multocida, Haemophilus somnus, Actinobacillus pyogenes und Mycoplasma, weiters gegen Infektionen des Gastrointestinaltrakts mit Salmonella typhimurium. Die Dosis beträgt bei i.m.-Gabe 1-5 mg/kg KG über 3-5 Tage. Bei Geflügel verwendet man es gegen Gastroenteritiden mit E. coli, Mycoplasma gallisepticum und Pasteurella multocida. Hier beträgt die orale Dosierung 3-6 mg/kg Lebendgewicht über 3 Tage.

 

Difloxacin

Difloxacin (Dicural®, Vetequinon®) ist wirksam gegen Gram-negative, jedoch auch gegen einige Gram-positive Bakterien, Kokken und Mycoplasmen. Gegen Anaerobier ist es nicht oder nur schwach wirksam. Als Fluorchinolon ist seine bakterizide Wirkung dosisabhängig. Es hat eine gute enterale Bioverfügbarkeit und eignet sich somit zur bevorzugten p.o.-Gabe. Ein schmackhafter Überzug bewirkt eine gute Akzeptanz bei Hunden. Difloxacin sollte nicht gleichzeitig mit Antazida oder NSAR verwendet werden. Es wird mit einer Eliminationshalbwertszeit von ~6Std. bevorzugt (~90%) über die Niere ausgeschieden. Es erreicht daher im Urin hohe Konzentrationen. Bei wiederholter Gabe kann es aufgrund der langen Halbwertszeit zur Akkumulation kommen. Aufgrund seiner Pharmakokinetik wird es vor allem bei Harnwegsinfekten (E. coli, Staphylokokken und Proteus) eingesetzt. Ausserdem kann es bei Infektionen im Bereich des Atemtrakts sowie Weichteilinfektionen (Staph. intermedius, Klebsiella pneumoniae, Proteus spp., weiters Pseudomonas spp.) verwendet werden. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 5 mg/kg KG, die Behandlung sollte einmal täglich über mind. 5 bis max. 10 Tage fortgeführt werden.

 

Enrofloxacin

Enrofloxacin (Baytril®) ist das am weitesten verbreitete Chinolon in der Veterinärmedizin und wird am häufigsten verwendet. Es ist ein Fluorchinolon der 2. Generation, das ausschließlich in der Veterinärmedizin Verwendung findet. Die verbreitetsten pathogenen Keime haben MHK-Werte (mininale Hemm-Konzentration) zwischen 0,01-2 µg/ml. Neben Enrofloxacin ist auch sein Metabolit Ciprofloxacin, welcher in der Humanmedizin große Bedeutung hat, bakterizid wirksam. Die orale Bioverfügbarkeit ist stark variabel von Art zu Art. Es penetriert gut in die Gewebe und reichert sich in Galle, Leber, Niere, Lunge und den Fortpflanzungsorganen an. Neben einer p.o.-Gabe kann Enrofloxacin auch i.v. und i.m. verabreicht werden. Es wird über die Leber und die Nieren ausgeschieden, bei einer beeinträchtigten Nierenfunktion sollte daher auch eine verlängerte Wirkdauer beachtet werden und die Gabe wenn möglich vermieden werden. Die Halbwertszeit für Enrofloxacin beträgt ca. 2-7 Stunden. Die Standarddosis liegt bei 5 mg/kgKG für 3-5 Tage, bei schweren Infektionen (Sepsis) und für spezielle Indikationen (orthopädische Infektionen) bis zu 15 mg/kg KG für bis zu 10 Tage. Als Hauptindikation gelten Infektionen im Urogenital- sowie Gastrointestinaltrakt, weiters systemische und Gelenksinfektionen.

 

Marbofloxacin

Marbofloxacin (Marbocyl®, Zenequin®) wirkt gegen Gram-positive und Gram-negative Keime, jedoch vor allem gegen Enterobacteriaceae, Pasteurella, Pseudomonas und Staphylokokken. Die höchsten Spiegel findet man in Lunge, Leber und Niere. Es wird über die Niere und den Kot ausgeschieden, davon bis zu 40% unverändert. Die Halbwertszeit im Plasma ist mit 9,5 Std. bei Marbofloxacin größer als bei Enrofloxacin oder Difloxacin. Daher ist auch die Gefahr der Akkumulation größer und sollte entsprechend bei Niereninsuffizienz beachtet werden. Die empfohlene Dosierung für Vögel liegt bei 10 mg/kg KG pro Tag, bei Schweinen und Rindern bei 2 mg/kg KG pro Tag. Neben der s.c.- sowie i.v.-Gabe bietet sich die per-os-Gabe an, die orale Bioverfügbarkeit liegt bei annähernd 90%. Indiziert ist Marbofloxacin bei Infektionen des Respirationstrakts (Pasteurella multocida, P. haemolytica und Mycoplasma bovis) sowie bei der akuten Mastitis (E. coli) bei Rind und Kalb. Beim Schwein eignet es sich zur Anwendung beim Milchfieber sowie ebenfalls bei Atemwegsinfektionen (Actinobacillus pleuro-pneumoniae, Pasteurella multocida und M. hypopneumoniae).

 

Orbifloxacin

Orbifloxacin (Orbax®, Victas®) ist ein Fluorchinolon-Präparat, welches speziell für die Bedürfnisse der Veterinärmedizin entwickelt wurde. Auch sein Wirkungsspektrum umfasst Gram-positive und Gram-negative Erreger und wirkt nur schwach gegen Anaerobier. Es sind Resistenzen bei Pseudomonas- sowie bei vielen Enterococcus-Stämmen aufgetreten. Die orale Bioverfügbarkeit liegt bei annähernd 100%, nach 45 Minuten ist die komplette Dosis resorbiert. Dies sollte daher auch die bevorzugte Gabe sein. Orbifloxacin wird zu 50% unverändert über die Nieren ausgeschieden. Wie die meisten Chinolone wird Orbifloxacin bei Infektionen des Respirations-, des Urogenitaltraktes und bei Hauterkrankungen (v. a. bei Hund und Katze) verwendet. Die orale Dosis liegt bei 2,5-7,5 mg/kgKG täglich für Hunde und Katzen, bei Pferden sollten 5 mg/kg KG verwendet werden. Schweine erhalten i.m. 5 mg/kg KG.

 

Sarafloxacin

Sarafloxacin (Floxasol®, Saraflox®, Sarafin®) ist ein ebenfalls antimikrobiell wirksamer Metabolit von Difloxacin (Dicural®, Vetequinon®). Es wirkt vor allem gegen Aeromonas salmonicida, Vibrio salmonicida, Vibrio anguillarum und Yersinia ruckeri. Die MHK liegt zw. 0,0025 und 0,3 µg/ml. Die Halbwertszeit liegt bei ~30 Std., selbst nach 14 Tagen sind beim Aal noch Reste in Leber und Niere nachweisbar. Sarafloxacin wird vor allem bei Infektionskrankheiten von Zuchtfischen gegen empfindliche Keime verwendet. Die empfohlene Dosis beträgt 15 mg/kg Lebendgewicht.

 

Oxolinsäure

Oxolinsäure ist ein älteres Chinolon, das mittlerweile durch potentere Wirkstoffe vielfach abgelöst wurde. Bei Geflügel wird es eingesetzt gegen Kolibazillose, verursacht durch Oxolinsäure-empfindliche Organismen (aviäre pathogene E. coli- APEC). Bei Fischen verwendet man es bei Infektionen, verursacht durch Gram-negative Keime. Die übliche Dosierung für Geflügel beträgt 8 g pro100 kg Lebendgewicht und Tag, eingemischt in die notwendige Futtermenge über 5 Tage. Die Dosierung für Fische beträgt 5 g pro 100 kg Lebendgewicht und Tag, während 5 bis 6 Tagen eingemischt in das Futter.

 

Diskussion

Der exzessive Gebrauch von Gyrase-Hemmern, sei es aus Vorsicht oder Unüberlegtheit, hat in letzter Zeit zum Auftreten vieler resistenter Stämme geführt. Ca. 50% sind medizinisch nicht gerechtfertigt. Diese werden zunehmend zum Problem nicht nur in der Veterinärmedizin, sondern auch in der Humanmedizin. Als Beispiel sei hier die Verwendung von antimikrobiell wirksamen Substanzen in der industriellen Meeresfrüchte-Produktion genannt: Besonders bei Shrimps-und Lachs-Aquakulturen werden regelmäßig vorbeugend (also nicht therapeutisch) Antibiotika (u.a. auch Chinolone) verwendet, um den Befall mit Salmonellen, Vibrio spp. und Listerien einzudämmen. Viele von ihnen wurden nie für ihre Eignung in Aquakulturen getestet. Die Folge war einerseits, dass in Shrimps vermehrt resistente Bakterienstämme, v.a. Salmonellen, E. coli und Staphylokokken (Iyer, 1989), nachgewiesen wurden (Willis, 1999), andererseits schädigte die unreflektierte Antibiotika-Gabe die Shrimps-Larven, bei denen Deformationen und Massensterben die Folge waren. In Japan wurde 1990 sogar vorübergehend der Verkauf von Shrimps aus Thailand verboten. Als Reaktion darauf entwickelte Thailand Richtlinien zum Antibiotika-Gebrauch, die die Antibiotika-Rückstände in Folge wieder sinken ließen. Leider setzte sich diese Maßnahme nicht auf internationalen Märkten durch (Macintosh, 1992). Controlling-Programme testen lediglich eine Probe pro 100 Tonnen. Reilly und Käferstein proklamierten den Missbrauch von Veterinärmedikamenten 1997 daher als erstrangiges Problem der Lebensmittelsicherheit.

In der EU sind Chinolone zur Prophylaxe in der Veterinärmedizin verboten. Häufig wird dieses Verbot dadurch umgangen, dass einzelne Tiere weiter in der Herde gehalten werden, aber die gesamte Herde „therapiert“ wird.

Häufige Fehler bei einer antimikrobiellen Therapie sind falsche Darreichungsformen, unsachgemäße Kombinationen von Wirkstoffen, nicht ausreichend hohe Dosierungen oder die Nichtbeachtung des Dosierungsintervalls und der Therapiedauer. Die Wahl des geeigneten Antibiotikums sollte sich daher am möglichen Erreger sowie wenn nötig an einem erstellten Antibiogramm inkl. Resistenztestung und Bestimmung der MHK orientieren. So ist einerseits eine optimale Therapie für das Tier gewährleistet, andererseits wird die Resistenzbildung minimiert. Einen Überblick über die aktuelle Resistenzsituation von Campylobacter in Österreich am Beispiel eines gebräuchlichen Chinolons gibt Abbildung 1.

Abbildung 1: Ciprofloxacin-Resistenzsituation in Österreich 2005

Die hohen Resistenzraten sind Ausdruck der früher durchgeführten Prophylaxe mit Chinolonen in der Geflügelzucht – sie sollten bei strikter Einhaltung der EU-Richtlinien wieder sinken.

Chinolon-resistente Campylobacter-Spezies stellen ein gutes Beispiel für die negative Auswirkung der ungezielten Chinolontherapie dar. Die Übertragung ist auch über Ausscheidungen der Tiere, die resistente Erreger enthalten, gegeben. Weiters können Antibiotika-Rückstände im Tierfleisch in der menschlichen Darmflora zu einer Resistenzentwicklung bestimmter Keime führen. Die Gefahr liegt hier bei intensivem Kontakt mit Nutz- oder Haustieren im Austausch von Resistenzgenen mit humanpathogenen Keimen sowie in der Infektion des Menschen mit neuen, resistenten Keimen. Beispielsweise führt eine unkontrollierte Therapie (Prophylaxe) mit Fluorchinolonen bei Zuchttieren zu einer Selektion und Kolonisation der Tiere mit Campylobacter spp. In weiterer Folge erhalten wir kontaminiertes Schlachtgut mit resistenten Erregern, das dann im Supermarkt zum Verkauf gelangt. Beim Verzehr erkrankt der Mensch an einer Campylobacterenteritis, welche aufgrund der Resistenzlage nicht mehr therapierbar ist. Eine ernste Bedrohung stellt dies bei immunsupprimierten Patienten dar.

Tabelle: Chinolone in der Veterinärmedizin

Tabelle: Indikationen für Chinolone in der Veterinärmedizin

 

Literatur

Iyer T.S.G., Shrivastava K.P.: „Incidence and low temperature survival of Salmonella in fishery products.“ Fish Technol. 26 (1989)39-42.
Reilly A., Käferstein F.: „Food safety hazards and the application of the principles of the hazard analysis and critical control point (HACCP) system for their control in aquaculture production.“ Aquaculture research. 28 (1997) 735-752.
Macintosh D.J., Phillips M.J.: „Environmental issues in shrimp farming.“ In: DeSaram H. and T. Singh (Eds.): Shrimp '92: Proceedings of the 3rd Global Conference of the Shrimp Industry, Hong Kong. 14-16 Sept. 1992. Infofish, Kuala Lumpur, Malaysia: (1992) 118-145.
Sárközy G.: „Quinolones: a class of antimicrobial agents.“ Vet.Med. - Czech, 46, 2001 (9-10) 257-274.
Jahresbericht 2005 der Nationalen Referenzzentrale für Campylobacter, Gebhard Feierl.

 

Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt.für Infektionen und Tropenmedizin
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: wolfgang.graninger@meduniwien.ac.at


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