Der Einsatz von ß-Lactam-Antibiotika in der Kinderheilkunde

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg


Schlüsselwörter:
Penicillin, 6-Amino-Penicillanring, 7-Amino-Cephalosporanring, Carbapenem, ß-Lactamase-Stabilität, Pharmakokinetik, Nebenwirkungen, Klinische Indikationen


Zusammenfassung

ß-Lactam-Antibiotika gehören zu einer großen Gruppe von antimikrobiellen Präparaten mit einem 4-gliedrigen ß-Lactam-Ring. Durch die Darstellung des 6-Amino-Penicillanrings bzw. des 7-Amino-Cephalosporanrings und die Substitution durch verschiedene Seitenketten wurden zusätzliche Eigenschaften wie die Erweiterung des antimikrobiellen Wirkspektrums oder die Stabilität gegen ß-Lactamasen erzielt. Carbapeneme vereinigen die Vorteile von Penicillinen als auch Cephalosporinen mit breiter Wirksamkeit, wobei annähernd das gesamte Erregerspektrum erfasst wird. ß-Lactam-Antibiotika sind zeitabhängig bakterizid, d.h. für die antimikrobielle Wirksamkeit ist der Zeitraum, über welchen der MHK- oder MBK-Wert eines Keimes am Infektionsort überschritten wird, entscheidend.

Ein besonderer Vorteil aller ß-Lactam-Antibiotika ist ihre gute Verträglichkeit und die hohe therapeutische Breite. Unerwünschte Reaktionen treten bei 5–15% der Patienten auf und betreffen bei oral verabreichten Präparaten vorwiegend gastrointestinale Störungen. Allergische Überempfindlichkeitsreaktionen werden in 1–5% der Patienten beobachtet, eine schwere anaphylaktische Reaktion ist jedoch sehr selten. Es besteht eine Kreuzallergie zwischen den einzelnen Präparaten, wobei die Monobactame mit einer weiteren Modifikation des Penicillinrings weitgehend ausgenommen sind. ß-Lactam-Antibiotika werden generell oral gut resorbiert, eine Resorptionsminderung durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme muss bei einzelnen Präparaten beachtet werden.

ß-Lactam-Antibiotika sind auch 60 Jahre nach der Entdeckung des ersten klinisch eingesetzten Präparates ein Eckpfeiler bei der Behandlung bakterieller Infektionen in der Kinderheilkunde. Das Haupt-Indikationsgebiet für ß-Lactam-Antibiotika ist die Behandlung von Infektionen der oberen und unteren Luftwege, des Harntraktes und von Haut- und Weichteilinfektionen. Auch in der Therapie schwerer, lebensbedrohlicher Infektionen bei eingeschränkter körpereigener Abwehr mit unbekanntem Erreger sind ß-Lactam-Antibiotika unverzichtbar. Zahlreiche klinische Studien belegen eine sehr gute klinische Wirksamkeit. Die Anwendungsgebiete und besondere Aspekte der Verabreichung und Dosierung werden besprochen.


Key-words:
ß-lactam-antibiotics, penicillins, cephalosporines, pharmacokinetics, adverse events, clinical indication


Summary

ß-Lactam-antibiotics are a large group of compounds that have in common a four-membered ß-lactam-ring. The subclasses differ from one another with regard to their side chain and the presence of other ring structures. By the isolation of the 6-aminopenicillanic acid resp. the 7-aminocephalosporanic acid and the development of ß-lactamase-resistant compounds the spectrum of activity was expanded towards gram-negative pathogens. The early ß-lactam-antibiotics were rapidly hydrolysed by ß-lactamases. The development of ß-lactamase stable compounds and the development of ß-lactamase inhibitors e.g. clavulanic acid, tazobactam and sulbactam extended the spectrum of activity towards ß-lactamase-forming gram-positive, gram-negative and anaerobic microorganisms. Carbapenems combine the favourable effects of the broad spectrum penicillins and the cephalosporines and cover virtually the entire spectrum of pathogens responsible for serious infections in the pediatric practice.

ß-lactam-antibiotics are rapidly bactericidal against most susceptible bacteria. The mode of action has been described as concentration-in-dependent and time-dependent and it is believed that the bactericidal action is optimal if the concentration at the site of the infection is 4–10 times greater than the MIC value. An important determinant of the bactericidal activity of ß-lactam-antibiotics is the length time during the dosing interval that the concentration of the antibiotic exceeds the MIC or MBC for the infecting organism.

ß-lactam-antibiotics are available for parenteral and oral application and most of the products are well absorbed from the gastrointestinal tract. Impairment of absorption by young age, coadministration of food or certain underlying disorders must be kept in mind.

Penicillins as well as cephalosporins are safe for the use in infants and children. These compounds have abroad safety margin and almost no dose related toxicity. The most common reactions are local ones including pain at the injection site and thrombophlebitis with parenteral application or mild gastrointestinal symptoms with oral administration. Nonspecific, antibiotic-associated diarrhea and less common Clostridium difficile toxin-related colitis can occur. Hypersensitivity reactions occur in approximately 1–3% of treatment courses and include a morbilliform rash, urticaria and pruritus. Anaphylactic reactions are exceedingly rear.

Even 60 years after the introduction of the first clinically applicable compound this group of antibioticis indispensable in the treatment of bacterial infections in infants and children. ß-lactam-antibiotics are used for the treatment of infections of the upper and lower respiratory tract, urinary tract infections, skin and soft tissue infections. These compounds are also suitable for empiric therapy of serious life-threatening infections with unidentified microorganisms in immunocompromised patients.

Special indication of the available compounds in children are discussed as well as choices of dosing and of dosing intervals.



Einleitung

Im Jahre 1928 machte Alexander Fleming die Beobachtung, dass in Kulturen von Penicillium notatum eine diffusible, antimikrobiell wirksame Substanz gebildet wird, die er „Penizillin“ nannte. 1941 gelang die Herstellung dieser Substanz in gereinigter Form und in ausreichenden Mengen, wodurch die Durchführung klinischer Studien möglich wurde, die bis dahin nicht gekannte klinische Ergebnisse vor allem bei schweren bis lebensbedrohlichen Infektionen im Kindesalter erbrachten.

Penicillin war in der Frühphase der Antibiotikatherapie eine überaus wertvolle Substanz und wurde in einer Tagesdosis von 10 000 iE/kg KG bei Säuglingen und Kleinkindern verabreicht. Trotz dieser aus heutiger Sicht sehr niedrigen Dosierung war es nun möglich, eine Pneumokokken-Meningitis, die immer tödlich war, eine Pneumokokken-Pneumonie, die in der vorantibiotischen Ära mit einer Letalität von bis zu 20% behaftet war, bzw. eine Diphtherie mit einer Letalität bis 10% erfolgreich zu behandeln. Die Behandlung des Scharlachs, die in der vorantibiotischen Ära mit Streptokokken-Immunserum vom Pferd bzw. mit Scharlach-Rekonvaleszentenserum erfolgte und eine Letalität von 5–8% zeigte, war jetzt möglich. Das rheumatische Fieber zeigte einen wesentlichen Rückgang durch die Behandlung der Streptokokkenangina mit Penicillin.

Penicillin zeigte jedoch ein beschränktes Spektrum. H. influenzae, ein gefürchteter Erreger im frühen Kindesalter nicht nur von Infektionen der oberen Luftwege wie Otitis media und Sinusitis, sondern auch schwerer invasiver Infektionen, war durch Penicillin nicht beherrschbar.

Nach der Darstellung des Penicillin-Grundkörpers, der 6-Aminopenicillansäure, war es möglich zahlreiche weitere Penicillinderivate zu synthetisieren, die wesentliche Zusatzeigenschaften aufwiesen, wie Säurestabilität, Stabilität gegen die Zerstörung zuerst durch einzelne, später durch zahlreiche ß-Lactamasen, Erweiterung des antimikrobiellen Spektrums in den Gram-negativen Bereich mit Wirksamkeit gegen Pseudomonas spp. Die derzeit in klinischer Verwendung stehenden Verbindungen sind in Tabelle 1 gelistet.

Tabelle 1: Derzeit in klinischer Verwendung stehende Verbindungen

Die weitere Entwicklung ergab eine wichtige Gruppe innerhalb der ß-Lactam-Antibiotika, nämlich die Cephalosporine. Der gemeinsame Grundbaustein ist die 7-Aminocephalosporansäure, die durch unterschiedliche chemische Strukturen ergänzt wird. Der 6-Aminopenicillanring und der 7-Aminocephalosporanring können an verschiedenen Seitenketten substituiert werden, wobei man durch Kenntnis der Struktur-r-Wirkungsbeziehung besondere Eigenschaften erzielen konnte. Acylaminoderivate bedingen eine Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa und Enterobakterien sowie die gute Gallengängigkeit, Aminothiazol-Oxim-Cephalosporine (Cefotaxim und Cefixim) haben eine erheblich stärkere ß-Lactamase-Stabilität als früher entwickelte Substanzen, Oxymethylderivate (Cefoxitin) sind stabil gegen ß-Lactamasen von Bacteroides.

Die Carbapeneme stellen eine neue Gruppe innerhalb der ß-Lactam-Antibiotika dar, die sowohl die günstigen Eigenschaften der Breitspektrum-Penicilline als auch der Cephalosporine vereinigen. Imipenem ist das erste klinisch verfügbare stabile ß-Lactam-Antibiotikum aus der Gruppe der Carbapeneme, Meropenem ist ein weiteres wertvolles Antibiotikum aus dieser Gruppe.

Die letzte Gruppe der ß-Lactam-Antibiotika umfasst die Monobactame. Sie gehören zu den monozyklischen ß-Lactam-Antibiotika und besitzen nur einen halben ß-Lactam-Ring. Der Kern des Aztreonams ist die Alpha-Methyl-3-Amino-Monobactamsäure, die mit einer Seitenkette des Ceftazidims verbunden ist. Aztreonam ist das erste und bisher einzige klinisch eingesetzte Monobactam.

Es stellte sich bald heraus, dass die zu Beginn voll empfindlichen Staphylokokken rasch Resistenzen ausbildeten. Der häufigste Resistenzmechanismus ist die Bildung von ß-Lactamasen, die den Penicillin-Ring enzymatisch inaktivierten und die größte klinische Bedeutung haben. Erstmals wurden ß-Lactamasen 1940 bei E. coli nachgewiesen. Seither sind über 250 ß-Lactamasen von Gram-positiven und Gram-negativem aeroben und anaeroben Mikroorganismen beschrieben worden. Zur Überwindung der Resistenz durch ß-Lactamasen wurden ß-Lactamase-Inhibitoren entwickelt, von denen 3 Substanzen in klinischer Verwendung stehen.

ß-Lactamase-Hemmer ähneln in der Struktur dem Penicillin-Ring, besitzen aber durch Änderungen am Molekül nur eine schwache antimikrobielle Wirksamkeit, die bei alleiniger Anwendung therapeutisch nicht ausreicht. ß-Lactamase-Hemmer besitzen eine unterschiedlich hohe Affinität zu ß-Lactamasen. Clavulansäure und Sulbactam hemmen irreversibel ß-Lactamasen der Typen II, III, IV und V. Tazobactam, das im Gegensatz zu Clavulansäure und Sulbactam keine eigene antimikrobielle Wirksamkeit entfaltet, hemmt die meisten plasmidübertragbaren ß-Lactamasen und viele chromosomal codierte Cephalosporinasen. Die Bindung des Inhibitors an ß-Lactamasen ist irreversibel. Gram-positive Bakterien geben die ß-Lactamasen nach außen in die unmittelbare Umgebung ab. Dies erklärt, dass ein schwach ß-Lactamase-bildender Keim, z.B. Moraxella catarrhalis, durch eine hohe Konzentration eines nicht ß-Lactamase-stabilen Antibiotikums bisweilen noch eradiziert werden kann. Die ß-Lactamasen Gram-negativer Bakterien befinden sich im periplasmatischen Raum und hydrolysieren ß-Lactam-Antibiotika erst, wenn diese die äußere Bakterienwand durchdrungen haben. Dies gewährleistet, dass bereits geringe Mengen an ß-Lactamasen ausreichen, eine Resistenz auszubilden. Es ist außerdem zu betonen, dass ß-Lactam-Antibiotika die Bildung von ß-Lactamasen stimulieren.

Penicillin-resistente Pneumokokken werden durch ß-Lactamase-Hemmer nicht empfindlich, da die Resistenz auf veränderten Penicillin--Bindeproteinen beruht. Auch Methicillin-resistente Staphylokokken werden durch ß-Lactamase-Inhibitoren nicht empfindlich.

 

Wirkweise

Alle ß-Lactam-Antibiotika haben prinzipiell den gleichen Wirkmechanismus. Sie hemmen als ersten Schritt initial die Zellteilung; d.h. Mikroorganismen sterben in Gegenwart von ß-Lactam-Antibiotika nicht sofort ab, sondern wachsen weiter, teilen sich aber an den vorgesehenen Teilungsstellen nicht, sie werden zum Filament. Gleichzeitig wird der Aufbau der Zellwandstrukturen beeinflusst. ß-Lactam-Antibiotika hemmen bestimmte Enzymsysteme, die zum Aufbau der normalen Peptidoglykanstruktur als wesentlicher Baustein der starren bakteriellen Zellwand notwendig sind. Es sind dies Trans-, Carboxy-, Endopeptidasen, die zu Schwachstellen in der starren Zellwand führen. In der Folge reißt die Zellwand an diesen Schwachstellen, es buchtet sich dabei die flexible Zellmembran aus. Man nennt diesen Vorgang die Bildung von Sphäroplasten. In der weiteren Folge platzt auch die Zellmembran und das Zytoplasma fließt aus (Abbildung 1).

Abbildung 1: Änderung der Morphologie eines frischen klinischen Isolats von H. influenzae (MHK 0,5 µg/ml) unter dem Einfluss fallender Wirkstoffkonzentrationen von Amoxicillin. 25,0 µg/ml initial, Elution mit einer Halbwertszeit von 1 Stunde. Bild 1–3: Der Keim ist auf die 10fache Länge des ursprünglichen Keims angewachsen. Filamentbildung, dann Bildung eines Sphäroplasten. Bild 4: Ruptur der Zellmembran und Tod des Keimes. Ausbildung und Ablösung eines neuen Keims -> vom absterbenden Keim, da es bei fallender Wirkstoffkonzentration und Unterschreitung des MHK-Wertes wieder zur Zellteilung kommt.

Bei Carbapenemen, insbesondere bei Imipenem, kommt es direkt zur Sphäroplastenbildung unter Umgehung der Filamentphase. Dadurch liegen weniger Lipopolysaccharide mit einer geringeren Freisetzung von Endotoxinen vor. Mikroorganismen, die unter dem Einfluss subinhibitorischer Wirkstoffkonzentrationen wachsen, bilden nicht mehr alle Zellwandbestandteile wie Lipooligosaccharide und Lipopolysaccharide in der ursprünglichen Konzentration aus. Durch niedrigere Konzentrationen an Lipooligosacchariden induzieren Mikroorganismen einerseits eine geringere Entzündungsreaktion, zudem sind Mikroorganismen auch weniger elektronegativ und können dadurch bei guter Abwehrlage leichter phagozytiert werden. Gleichzeitig ist jedoch auch die Empfindlichkeit vermindert.

 

Das antimikrobielle Wirkspektrum der ß-Lactam-Antibiotika

Eine Übersicht über das antimikrobielle Wirkspektrum der einzelnen Derivate der ß-Lactam-Antibiotika auf die einzelnen Bakterienarten ist in Tabelle 2 dargestellt. Detaillierte Angaben über die antimikrobielle Wirksamkeit und der Vergleich zwischen den einzelnen Präparaten erfolgt im Rahmen der Besprechung der einzelnen Substanzen.

Tabelle 2: Übersicht über das antimikrobielle Wirkspektrum der einzelnen Derivate der ß-Lactam-Antibiotika auf die einzelnen Bakterienarten


 

Verabreichungsweise und Pharmakokinetik

Bei der Verabreichung von ß-Lactam-Antibiotika an Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder sind zusätzlich zu den Regeln, die auch für Erwachsene gelten, eine Reihe von Besonderheiten zu beachten. Diese betreffen weniger die Art der in Frage kommenden Mikroorganismen, als vielmehr die zu behandelnden Infektionen, die bei nicht vollkommen ausgereifter körpereigener Abwehr häufig foudroyanter verlaufen als im späteren Leben.

Je nach Schwere des Krankheitsbildes und verschiedenen Begleitsymptomen wie der Kreislaufsituation, Durchfällen, begleitendem Erbrechen können ß-Lactam-Antibiotika parenteral (meist intravenös, seltener intramuskulär) oder oral verabreicht werden. Die parenterale Verabreichung erfolgt meist als Kurzinfusion über 20–30 Minuten, wobei zu beachten ist, dass die Verabreichung streng intravenös erfolgen muss und eine paravenöse Verabreichung zu lokalen Gewebsschäden führen kann. Verschiedene parenteral zu verabreichende Antibiotika führen auch in vermehrtem Maße zu Thrombophlebitis.

Die orale Verabreichung ist für das Kind sicher mit einer wesentlichen Erleichterung der Behandlung verbunden, wobei auch auf den Geschmack vor allem aber den Nachgeschmack der Wirksubstanz zu achten ist. Von Vorteil für eine bessere Compliance sind eine mögliche Verabreichung in 2 Tagesdosen, die auch dann leichter verabreicht werden können, wenn das Kind – bereits klinisch gebessert – wieder den Kindergarten besucht.

Besonderheiten der Pharmakokinetik im Kindesalter
Die Bioverfügbarkeit der einzelnen Präparate nach oraler Verabreichung unterliegt einer großen Bandbreite und hängt z.B. von der Lipoidlöslichkeit der Grundsubstanz, ob die Wirksubstanz als Resorptionsester vorliegt, aber auch von der galenischen Zubereitung ab.

Die Beurteilung der Bioverfügbarkeit erfolgt durch die

  • Bestimmung des Serumkonzentrationsverlaufes und
  • der im Harn wiederentdeckten Menge an Wirksubstanz.

Die Berechnung der Fläche unter der Resorptionskurve und weitere klinisch relevante pharmakokinetische Parameter wie Invasions- und Eliminationshalbwertszeit sind für die Wahl der Tagesdosis und der Dosierungsintervalle wichtig.

Die Bioverfügbarkeit eines Antibiotikums hängt ab

  • von der Azidität des Magensaftes und der Magenentleerungszeit: Die Azidität des Magens ist im ersten Trimenon vermindert, was einen günstigen Einfluss auf nicht vollständig säurestabile Antibiotika hat. Die Entleerungszeiten des Magens sind bei Früh- und Neugeborenen im Gegensatz zum Erwachsenen, bei denen einer initialen schnelleren eine exponentiell langsamere Phase folgt, verzögert und linear. Dies bedingt einen flacheren Serumkonzentrationsverlauf.
  • von der resorptiven Oberfläche: Verschiedene ß-Lactam-Antibiotika wie Penicillin und Aminopenicilline werden nur im Duodenum und in den obersten Abschnitten des Jejunums resorbiert, andere wie die Oralcephalosporine im gesamten Dünndarm.
  • von der Peristaltik: Die Peristaltik ist im gesamten ersten Lebensjahr zum Teil erheblich beschleunigt, was bei Präparaten, die nur in den obersten Abschnitten des Dünndarms resorbiert werden, eine erhebliche Resorptionseinbuße bedingt.
  • von der Durchblutung der resorptiven Oberfläche. Diese ist bei hohem Fieber oder bei Kreislaufeinschränkung vermindert.
  • von verschiedenen Grundkrankheiten.

Den größten Einfluss auf die Höhe der Serumkonzentrationen hat das wesentlich größere extrazelluläre Flüssigkeitskompartment im ersten Lebensjahr, das sich erst im Laufe des zweiten Lebensjahrs an das Erwachsener angleicht. Dadurch ist das Verteilungsvolumen doppelt so hoch und im Umkehrschluss sind die Serumkonzentrationen bei gleicher Resorptionsmenge halb so hoch.

Die physiologischen Besonderheiten des Säuglingsorganismus müssen auch bei der Organverteilung von ß-Lactam-Antibiotika berücksichtigt werden. Aus diesem Grund können die fast ausschließlich bei Erwachsenen gewonnenen Werte von Serumkonzentrationen, Galle-, Harn- und Liquorkonzentrationen nicht ohne weiteres auf Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge übertragen werden. Demgemäß müssen die gesamte Tagesdosis und Dosierungsintervalle der jeweiligen Altersstufe angepasst werden.

Die Bindung an Serumeiweiß mit Transportfunktion und die Verdrängung anderer wichtiger körpereigener Substanzen spielt bei Verabreichung von ß-Lactam-Antibiotika keine wesentliche Rolle. Generell ist die Eiweißbindung antimikrobiell wirkender Substanzen als Resultat geringerer Albuminkonzentrationen sowie einer geringeren Affinität des fetalen Albumins für Arzneimittel beim Neugeborenen niedriger als bei Erwachsenen. Höhere freie Wirkstoffkonzentrationen von Ampicillin/Amoxicillin, Benzylpenicillin aufgrund einer niedrigeren Eiweißbindung und der freien Diffusion in verschiedene Gewebskompartments ist ebenso eine Folge eines erhöhten Verteilungsvolumens.

Prinzipiell sind die mangelhafte Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktion, die durch Reifungsvorgänge von Leber und Niere bei Früh- und Neugeborenen bedingt sind, bekannt. So ist beispielweise bei der Geburt sowohl die glomeruläre Filtrationsrate als auch die tubuläre Sekretionsrate reduziert, wobei jedoch die Filtration deutlich stärker entwickelt ist. Ein kleines Frühgeborenes (< 30 SSW) hat deutlich weniger Glomeruli als ein reifes Neugeborenes, dessen Anzahl der Glomeruli etwa der Erwachsener entspricht. Penicilline und Cephalosporine werden unverändert durch die Nieren ausgeschieden, in Einzelfällen findet eine geringe Metabolisierung statt. Viele Substanzen werden glomerulär filtriert, einige wie Cefalothin werden rückresorbiert und tubulär sezerniert. Insgesamt ist jedoch sowohl für Störungen der Nierenfunktion als auch Störungen der Entgiftungsfunktion durch die Leber eine Dosisanpassung von ß-Lactam-Antibiotika von untergeordneter Bedeutung. Bei Niereninsuffizienz wird die erste Dosis als Regeldosierung verabreicht und entsprechend der Kreatinin-Clearance eine Verlängerung der Dosierungsintervalle auf 12 Stunden (zwischen 10 und 50 ml/min), bei einer Kreatinin-Clearance <10 ml/min auf 24 Stunden verlängert.

 

Pharmakokinetik

Pharmakokinetik von Oralpeni-cillinen und Cephalosporinen
In klinischer Verwendung unter den Penicillinen ist ausschließlich das säurestabile Phenoxymethyl-Penicillin, das in verschiedenen Darreichungsformen vorliegt. Der Serumkonzentrationsverlauf des Kaliumsalzes von Phenoxymethylpenicillin in einzelnen Lebensabschnitten ist nach Gabe von 12 500 iE/kg KG in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Serumkonzentrationsverlauf von Phenoxymethylpenicillin K nach Gabe von 12 500 iE/kg KG an Patienten in verschiedenen Lebensabschnitten

Serumspitzenkonzentrationen, die nach Gabe von 12 500 iE/kg KG Phenoxymethylpenicillin-Kalium erreicht werden, liegen beim Erwachsenen und bei Schulkindern und einer Invasionshalbwertszeit von 15 Minuten nach 1 Stunde bei 7,5 µg/ml. Die Elimination erfolgt mit einer Halbwertszeit von ca. 1 Stunde.

Phenoxymethylpenicillin wird im Duodenum und in den ersten 25 bis 30 cm des Jejunums resorbiert. Die Resorption hängt jedoch von der resorptiven Oberfläche und der Passagezeit ab. Da die Peristaltik bei Säuglingen um das 3- bis 4fache beschleunigt ist, liegen die Serumkonzentrationen bei gleicher mg/kg-KG-Dosierung bei Säuglingen erheblich niedriger. Die Bioverfügbarkeit von Phenoxymethylpenicillin, aber auch von Azidocillin ist dadurch altersabhängig bei Patienten in den ersten 15 Lebensmonaten erheblich geringer als bei älteren Kindern und Erwachsenen.

Ähnliche Ergebnisse wurden im Rahmen von Thereapieüberwachungsuntersuchungen nach Gabe von Amoxicillin + Clavulansäure oder Sulbactam Ampicillin bei Säuglingen <1 Jahr im Vergleich zu Kindern zwischen 6 und 12 Jahren nach Verabreichung von 17,5 mg/kg KG als Einzeldosis beobachtet. Bei je 12 Patienten im Schulalter wurden im Mittel 2 Stundenwerte von 6 µg/ml, nach Gabe von Sulbactam Ampicillin von 5,0 µg/ml gemessen. Bei Säuglingen wurde für Amoxicillin/Clavulansäure ein Mittelwert von 2,0 µg/ml und für Sulbactam Ampicillin 1,3 µg/ml ermittelt. Bemerkenswert war, dass nach Gabe von Sulbactam Ampicillin bei 3 von 12 Patienten keine Wirkstoffkonzentrationen gefunden werden konnten.

Bei Neugeborenen zeigte sich, dass entsprechend der Fläche unter der Kurve und der im Harn wiederentdeckten Wirkstoffmenge eine deutlich größere Wirkstoffmenge resorbiert wird als bei älteren Kindern. Dies beruht einerseits auf einer höheren Membranpermeabilität im oberen Dünndarm bei Früh- und Neugeborenen mit besserer Penetration des Wirkstoffes im Darm, anderseits einer durch die Unreife der Nieren verzögerten Ausscheidung. Beim Frühgeborenen verläuft auch die Magenentleerung langsamer und linear. Die vergleichsweise niedrigeren Spitzenkonzentrationen resultieren aus dem grösseren Verteilungsvolumen bei Früh- und Neugeborenen mit einem extrazellulären Flüssigkeitsanteil von 40–45% des Körpergewichtes. Bis zum Ende des 2. Lebenshalbjahres sinkt das extrazelluläre Flüssigkeitskompartment auf ca. 25% des Körpergewichtes. Die verlängerte Magenentleerung kann zu unerwarteten und/oder ausgedehnten Resorptionssprüngen des Medikamentes führen.

Die Serumkonzentration des Benzathinsalzes von Phenoxymethylpenicillin in Saftform verläuft etwas flacher als der Serumkonzentrationsverlauf von Phenoxymethyl-Penicillin-Kalium. Die erreichbaren Konzentrationen bei Gabe von 12 500 iE/kg KG liegen beim Benzathinsalz 1 Stunde nach Verabreichung bei 5 µ/ml. Da die Fläche unter der Serumkonzentrationskurve und die im Harn wiederentdeckte Menge an Wirkstoff bei beiden Präparaten gleich hoch ist, ist auch die Wirksamkeit identisch. Ein Vorteil bei Kindern ist die längere Halbwertszeit, die erlaubt, das Benzathinsalz des Phenoxymethylpenicillins 2 x täglich zu verabreichen. Zudem fehlt wegen der etwas geringeren Wasserlöslichkeit der bittere Nachgeschmack des gut wasserlöslichen Kaliumsalzes.

Cefalexin, aber auch Cefaclor, Cefadroxil und Loracarbef werden imgesamten Intestinaltrakt resorbiert. Die Resorptionsquote beträgt, gemessen an der im Harn wiederentdeckten Wirkstoffmenge, zwischen 80% für Cefaclor, für Loracarbef und Cefadroxil 90% und für Cefalexin bei 100%.

Orale Cephalosporine der III. Generation wie Cefixim, Ceftibuten weisen eine Bioverfügbarkeit von 50% auf. Prodrugs wie Cefuroxim-Axetil, Cefpodoxim-Proxetil und Cefetamet-Pivotil haben eine substanziell verbesserte Bioverfügbarkeit von mehr als 80%. In der Literatur wird auf die Möglichkeit einer verminderten Bioverfügbarkeit veresterter Substanzen aufgrund der im Säuglingsalter (I und II Trimenon) verminderten Ausstattung an intestinalen Hydrolasen hingewiesen. Für Cefpodoxim-Proxetil wurde dies im Rahmen der Therapieüberwachung an Säuglingen im ersten im Vergleich zum vierten Trimenon untersucht. Es wurde eine mittlere Wirkstoffkonzentration nach Gabe von 6 mg/kg KG als Einzeldosis nach 2 Stunden von 3,5 µg/ml sowohl bei Patienten im ersten als auch im vierten Trimenon gefunden. Diese Ergebnisse entsprechen den Konzentrationen, die bei älteren Kindern und Erwachsenen gemessen werden.

Bemerkenswert ist, dass auch durch eine ungünstige galenische Zubereitung des Medikamentes in Saftform, z.B. bei Generikaherstellern, die Bioäquivalenz nicht von vornherein angenommen werden kann, sondern für jedes Präparat gesondert untersucht werden muss.

Resorptionsbeeinflussung unterbestimmten klinischen Bedingungen
Gleichzeitige Gabe eines Präparates mit Nahrung kann zu erheblichen Interaktionen führen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Serumkonzentrationsverlauf von Phenoxymethylpenicillin K nach Gabe von 12 500 iE/kg KG an Patienten im Schulalter nüchtern und nachgleichzeitiger Nahrungsaufnahme (250 ml Vollmilch + Butterbrot)

Wesentlich ist eine Resorptionseinbuße durch gleichzeitige Verabreichung von Nahrungsmitteln. Nahrungsmittel, insbesondere Milch mit einem hohen Gehalt an Kalzium, führen zu substanziellen Resorptionseinbußen von verschiedenen ß-Lactam-Antibiotika. Das Kaliumsalz des Phenoxymethylpenicillins dissoziiert im sauren Magen in Penicillin V und K. Wenn gleichzeitig Milch mit dem Antibiotikum verabreicht wird, rekombiniert sich Phenoxymethylpenicillin mit dem im Überschuss vorhandenen Kalzium und führt zu einem unabsorbierbaren Kalziumsalz des Phenoxymethylpenicillins.

Bei Benzathinsalz des Phenoxymethylpenicillins besteht keine Resorptionseinbuße, z.B. durch gleichzeitige Verabreichung von Nahrungsmitteln. Die Tatsache, dass die Resorption des Benzathinsalzes von Phenoxymethylpenicillin durch gleichzeitige Verabreichung von Nahrung, insbesondere Milch, kaum beeinflusst wird, begünstigt die gute Compliance, die bei Kindern entscheidend zum Therapieerfolg beiträgt.

Auch Azidocillin wird durch Nahrungsmittel in der Resorption beeinträchtigt. Es gilt daher die Empfehlung, ß-Lactam-Antibiotika entweder 20 Minuten vor der Nahrung oder 2 Stunden nach einer Nahrungsaufnahme zu geben. Zu betonen ist, dass eine klare Flüssigkeit (klare Suppe, Fruchtsäfte) die Resorption nicht beeinflusst. Kohlenhydrate führen zu einer geringeren Resorptionsbeeinflussung als Fett und Eiweiß.

Resorptionseinbußen für ß-Lactam-Antibiotika beobachtet man bei akuten und chronischen Durchfallerkrankungen, die oft eine Pharyngitis, Tonsillitis, aber auch Infektionen der unteren Luftwege und Harnwegsinfektionen begleiten. Untersuchungen im Rahmen von Therapiekontrollen zeigten bei akuten Durchfallerkrankungen eine Verminderung der Bioverfügbarkeit von 50%, gemessen an der Serumspitzenkonzentration, und 25% bei der Fläche unter der Kurve. Chronische protrahierte Durchfallerkrankungen, wie bei Coeliakie, bei Lambliasis oder beim postenteritischen Syndrom, zeigen eine erratische Resorption, z.T. einen unerwarteten Anstieg der Serumkonzentration nach 4 Stunden nach vorübergehendem Abfall, was eventuell auch auf eine Verzögerung der Magenentleerung zurückzuführen ist.

Auch hohes Fieber (> 39,5°C) führt zu einer Verminderung der Bioverfügbarkeit von bis zu 45%.

Bei Mucoviscidose ist die Resorptionsmenge von Amoxicillin und Epicillin, gemessen an der im Harn wiederentdeckten Wirkstoffmenge, nicht beeinträchtigt. Die erheblich niedrigeren Serumkonzentrationen von Amoxicillin, die beobachtet wurden, stammen von einer der Mukoviszidose eigenen, beschleunigten renalen Elimination von Penicillin, Amoxicillin, Isoxazolylpenicillin, aber auch von Aminoglykosiden. Dies ist aber bei oralen Cephalosporinen nicht der Fall. Cefalexin wird etwas verzögert resorbiert, die Serumspitzenkonzentration wird 30 Minuten später erreicht, die Fläche unter der Kurve und die im Harn wiederentdeckte Wirkstoffmenge ist gleich wie bei Kontrollpatienten.

Insgesamt ist es wichtig, all die resorptionsmindernden Faktoren zu berücksichtigen, da bei oraler Verabreichung die nicht resorbierte Wirkstoffmenge einerseits am Infektionsort fehlt, anderseits im Intestinaltrakt zu Störungen wie z.B. osmotischen Durchfällen führt. Die weitere Verabreichung eines oralen Penicillinpräparates führt zur Aufrechterhaltung der durchfälligen Stühle. Eine Alternative ist z.B. die intramuskuläre Verabreichung eines Depotpenicillins. Man muss jedoch nach 24 Stunden – bei Besserung der Durchfälle – die Therapie mit einem oralen Präparat fortsetzen, um die gesamte Therapiedauer zu gewährleisten.

 

Pharmakodynamik

ß-Lactam-Antibiotika sind zeitabhängige Antibiotika, d.h. eine Dosissteigerung über das Doppelte der minimalen Hemmkonzentration hinaus hat keine Beschleunigung der Absterbegeschwindigkeit zur Folge. Der wesentliche Parameter für eine Keimelimination durch ß-Lactam-Antibiotika ist daher die Fläche unter der (Wirkstoff-)Konzentrationskurve am Infektionsort (AUC) bzw. der Zeitraum, den die Wirkstoffkonzentration den MHK-Wert übersteigt. Als wesentliches Ergebnis dieser Untersuchungen ist zu werten, dass für eine effiziente Eradikation von Keimen durch ß-Lactam-Antibiotika der MHK-Wert abhängig von der körpereigenen Abwehr über mindestens 40% der Zeit überschritten werden muss. Da man sich bei Säuglingen, Kleinkindern, aber auch älteren Kindern mit verschiedenen Grundkrankheiten nicht auf eine effiziente körpereigene Abwehr verlassen kann, ist eine Überschreitung des MHK-Wertes für mindestens 75%, besser 90–100% der Zeit bis zur nächsten Dosis angezeigt.

Die klinische Relevanz dieser Untersuchungen besteht in einer korrekten Wahl der Tagesdosis und der Dosierungsintervalle.

  • Eine prompte Eradikation der Pathogene führt zu einem raschen Rückgang der Entzündungsreaktion und einer prompten klinischen Besserung.
  • Dies führt auch zu einer Verhinderung des Übergangs einer akuten Infektion in eine chronisch schwelende Infektion. Untersuchungen konnten zeigen, dass Cefpodoxim-Proxetil mit Überschreitung des MHK-Wertes von H. influenzae und Pneumokokken im Mittelohrsekret von > 90% der Zeit bis zur nächsten Dosis gegenüber Amoxicillin eine erheblich bessere Pharmakodynamik aufweist, bei dem der MHK-Wert nur über 50% der Zeit überschritten wird. Dies führte z.B. zu einer Verminderung des Auftretens eines chronischen Tuben-Paukenhöhlenkatarrhs von mehr als 75%. Bei Gabe einer zusätzlichen Einzeldosis von Amoxicillin 4 Stunden nach Therapiebeginn, dem sog.„Zweitschlag“, kann man jedoch diesen Nachteil kompensieren und eine Überschreitung des MHK-Wertes im Paukenhöhlensekret über 36 Stunden erzielen (Abbildung 4).
    Dies ist auch mit wesentlich besseren klinischen Resultaten gekoppelt. Bei je 50 Patienten wurde nach der traditionellen 3 x täglichen Gabe von Amoxicillin bei 13 von 50 Patienten ein persistierender Tuben-Paukenhöhlenkatarrh beobachtet im Gegensatz zu 4 von 50 Patienten nach dem „Zweitschlag“.
  • Prompte Eradikation der Pathogene vermindert die Resistenzentwicklung.

Abbildung 4: Konzentrationsverlauf von Amoxicillin im Paukenhöhlensekret nach 3 Einzelgaben von 17,5mg/kg KG und einer zusätzlichen Dosis von 17,5 mg/kg nach 4 Stunden

 

Toxizität und Nebenwirkungen

Nebenwirkungen der Behandlung mit ß-Lactam-Antibiotika lassen sich einteilen in:

  • Lokale Schäden: Thrombophlebitis nach intravenöser Verabreichung, Neuritis, Nekrose und Abszess bei intramuskulärer Applikation.
  • Störung des biologischen Gleichgewichts, Störung der normalen Darm-, Rachen-, Hautflora bei Gabe von ß-Lactam-Antibiotika und Selektionierung resistenter Mikroorganismen. Dieses Phänomen ist bei Breitspektrum-Penicillinen und einzelnen Cephalosporinen der III-Gruppe mit einer 50%igen Bioverfügbarkeit (Cefixim) besonders eindrücklich. Auch nach Gabe von oral aber auch parenteral verabreichten Breitspektrum-Penicillinen und Cephalosporinen mit hoher biliärer Ausscheidung (z.B. Ceftriaxon, Cefoperazon) kommt dies zum Tragen (Abbildung 5a, 5b).

    Cefixim besitzt eine 50%ige Bioverfügbarkeit. Die nicht resorbierten Wirkstoffkonzentrationen von Cefixim überschreiten die MHK-Werte der Coliflora im Darm um das1000fache. Es kommt zur Überwucherung mit Enterokokken, Candida albicans. Ab dem 5. Behandlungstag treten multiresistente Mikroorganismen auf, die meist aus der Nahrungskette stammen. Ca. 10 Tage nach Absetzen des Antibiotikums regeneriert sich die E. coli-Flora und verdrängt Enterokokken und Candida, aber auch multiresistente Mikroorganismen. Cefpodoxim-Proxetil hingegen ist als Prodrug im Darm antimikrobiell nicht aktiv und wird zu 90% renal ausgeschieden. Die Wirkstoffkonzentrationen im Intestinaltrakt sind gering, deshalb die geringe Beeinträchtigung der Homöostase der Darmflora.
  • Eine Überempfindlichkeitsreaktion durch Penicilline oder Cephalosporine tritt in 0,5 – 1% der Patienten auf. Sie beruht einerseits auf Verunreinigungen durch Penicilloylsäure und Penicillansäure. Man nennt diese „Major-Determinanten“. Haptene, die seltener zu Allergien führen, sind Benzylpenicilloat (entsteht durch alkalische Hydrolyse) und Benzylpenilloat (entsteht durch saure Hydrolyse von Penicillin G) und werden „Minor-Determinanten“ genannt. Man beobachtet:
  • IgE-vermittelte, allergische Reaktionen vom Soforttyp werden vorwiegend durch Antikörper gegen „Minor-Determinanten“ hervorgerufen. Sie manifestieren sich in Urtikaria, Larynxödem, aber auch – selten – in einem anaphylaktischen Schock.
  • Zytotoxische Reaktionen vom Typ II mit hämolytischer Anämie, Neutropenie, Thrombopenie, interstitielle Nephritis werden durch IgG- und IgM-Antikörper gegen „Major-Determinanten“ ausgelöst.
  • Eine Immunkomplex-Krankheit Typ III (Serumkrankheit-ähnliches Krankheitsbild) beruht auf der Bildung von löslichen Immunkomplexen durch „Major-Determinanten“.
  • Eine zellvermittelte Reaktion vomTyp IV kommt selten vor, da lokale Präparate wie Salben praktisch nicht mehr verwendet werden und somit auch eine kutane Sensibilisierung äußerst selten ist.

Beobachtet werden idiopathische, makulopapulöse, bisweilen hämorrhagische Exantheme nach Gabe von Amoxicillin bei Verabreichung des Präparates bei Virusinfektionen, insbesondere bei Mononukleose, ab dem 9. Behandlungstag. Sie gehören zu den idiopathischen Reaktionen vom Typ V. Es ist dies das häufige, toxische Amoxicillinexanthem (Abbildung 6a, 6b).

Abbildung 5a: Beeinflussung der Darmflora nach Gabe von Cefixim; Beobachtung über 3 Wochen

Abbildung 5b: Beeinflussung der Darmflora nach Gabe Cefpodoxim-Proxetil;. Beobachtung über 3 Wochen

Abbildung 6a: toxisches, hämorrhagisches Amoxicillinexanthem bei Mononukleose

Abbildung 6b: Penicillinallergie bei lymphatischer Leukämie

Aber auch ein Erythema exudativum multiforme (Stevens-Johnson) oder das medikamentös bedingte Lyell-Syndrom gehören in diese Gruppe. Ein toxisches Exanthem, ähnlich dem Amoxicillinexanthem, wird bei Behandlung einer fortgeschrittenen Neuroborreliose mit Ceftriaxon in annähernd 10% der Patienten beobachtet. Die Exantheme treten nach erneuter Gabe am 4. bis 5. Behandlungstag auf. Nach Jahren der Abstinenz wird das Risiko eines Wiederauftretens geringer. Der Mechanismus ist unklar.

Zwischen den einzelnen Penicillinen besteht eine Kreuzallergie. Zwischen Penicillinen, Cephalosporinen und Carbapenemen ist eine Kreuzallergie selten. Patienten mit Penicillinallergie können daher meist mit einem Cephalosporin behandelt werden. Sicherheitshalber soll der Patient vorher getestet werden. Der Nachweis spezifischer IgE-Antikörper ergibt keine befriedigende Aussage. Als Vorproben kommen der Scratch-Test, der Intracutantest oder ein kontrollierter Expositionstest in Frage. Mit Aztreonam gibt es fast nie Kreuzreaktionen.

Allergische Reaktionen sind durch die modernen Fermentationsverfahren sehr viel seltener geworden. In der Kinderheilkunde ist der Verdacht auf eine Penicillinallergie oft auch durch eine Fehldiagnose bedingt. Ein 3-Tages-Fieber-Exanthem oder Masern werden bei einer gleichzeitigen Behandlung mit Penicillin als allergisches Exanthem missgedeutet.

Beobachtet werden auch sekundäre Wirkungen wie eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion; wenn z.B. bei einer Lues connata hohe Dosen Penicillin verabreicht werden, kommt es durch den raschen Keimzerfall zum Entotoxinschock.

Ein ähnliches Phänomen wurde auch bei der Behandlung der eitrigen Meningitis durch Pneumokokken und Meningokokken beobachtet. Patienten mit einer Pneumokokkenmeningitis und hohen Keimzahlen im Liquor (> 5 x 106 CFU/ml) zeigten nach der ersten Bolusdosis von Penicillin oder Ampicillin, das zu einem raschen Keimzerfall führte, ein schweres Hirnödem, das durch Einklemmung des Hirnstamms zum Tod führte. Dies konnte dadurch vermieden werden, dass die erste Dosis als Kurzinfusion über 2–3 Stunden verabreicht wurde.

Hohe Dosen von Penicillin im Liquor führen zu Krampfanfällen, ebenso setzt Imipenem die Krampfschwelle herab. Die intrathekale Gabe von Penicillin ist kontraindiziert.

 

Die einzelnen Präparate

Penicilline

Nach ihrer chemischen Struktur sind alle Penicilline Derivate der 6-Aminopenicillansäure. Die Penicilline sind als schwache Säuren unbeständig, stabiler sind die neutralen Salze und die Ester, welche auch gut wasserlöslich sind. An die Seitenkette werden Radikale angehängt, die über die antimikrobielle Wirksamkeit entscheiden.

Benzylpenicillin (Penicillin G) ist nach wie vor das wirksamste Antibiotikum gegen ß-hämolysierende Streptokokken. Mit einem MHK-Wert von 0,01–0,001 µg/ml ist die Empfindlichkeit dieses Erregers auch nach > 60 Jahren unübertroffen.

Das Benzylpenicillin ist als leichtwasserlösliches Natrium- oder Kaliumsalz oder als schwer lösliches Depotpenicillin (Procain-Penicillin G, Clemizol-Penicillin G oder Benzathin-Penicillin G) verfügbar. Es liegt als Benzylpenicillin-Natrium zur parenteralen Verabreichung vor. Die Tagesdosis beträgt je nach Schwere der Infektion im Kindesalter zwischen 100 000 iE/kg KG bis 400 000 iE/kg KG bei der eitrigen Meningitis. Da die Halbwertszeit des intravenös verabreichten Penicillin G nur ca. 30 Minuten beträgt, sind 6-stündliche Dosierungsintervalle (Aufteilung der Tagesdosis auf mindestens 4 Dosen) nötig. Auch intramuskulär verabreichtes Benzylpenicillin hat eine ähnliche kurze Halbwertszeit und eignet sich, da es ebenso 6-stündlich intramuskulär verabreicht werden müsste, nur in Kombination mit Depotpenicillinen, um einen raschen Wirkspiegel zu erreichen.

Procain- oder Clemizolpenicillin werden intramuskulär verabreicht und haben einerseits einen langsamen Konzentrationsanstieg mit niedrigen Konzentrationen zur Folge, der mit einer Halbwertszeit von 6–8 Stunden abfällt.

Nach intramuskulärer Gabe von Benzathin-Penicillin G erreicht man maximale Serumkonzentrationen von 0,1 µg/ml, jedoch über einen Zeitraum von 20–25 Tagen. Dadurch eignet sich dieses Präparat primär zur Dauerprophylaxe bei rheumatischem Fieber 1 x monatlich. Auch zur Behandlung der exquisit empfindlichen Spirochaeten kann Benzathin-Penicillin eingesetzt werden.

Klinische Indikation für intra-venöses Penicillin G-Natrium
Die parenterale Verbreichung von Penicillin G ist bei schweren bakteriellen Infektionen mit Mikroorganismen mit bekannter Empfindlichkeit, wie Pneumokokken, Meningokokken, Streptokokken, Leptospiren, Aktinomyzes, Gasbrand, Tetanus, indiziert. Die Behandlung erfordert wegen des schweren Krankheitsbildes eine stationäre Aufnahme, wobei Verabreichungsintervalle von 6 Stunden wegen der kurzen Halbwertszeit eingehalten werden können. Entsprechende Krankheitsbilder sind ein Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, ein toxischer Scharlach, ein Erysipel, ein rheumatisches Fieber initial bis zur klinischen Stabilisierung, Gasbrand und Tetanus. Bei diesen Krankheitsbildern ist durch eine Prima-Vista-Diagnose der Verdacht auf einen Penicillin-empfindlichen Keim gegeben (Abbildung 7a, 7b).

Abbildung 7a: Waterhouse-Friderichsen-Syndrom

Abbildung 7b: toxischer Scharlach

Die bakterielle Endocarditis kann mit Penicillin in Kombination mit einem Aminoglykosid behandelt werden, bis die Erregerdiagnose mit den entsprechenden Empfindlichkeiten vorliegt.

Bei einer akut beginnenden Lobärpneumonie kann man mit einem parenteralen Penicillin G beginnen. Eine Pneumonie kann jedoch durch verschiedene Mikroorganismen verursacht werden, die nicht alle auf Penicillin empfindlich sind. Die Erregerdiagnose mit Resistenzprüfung dauert meist Tage. Schnelltests wie der Nachweis von Pneumokokkenantigenen im Harn sind zwar möglich, der Test ist aber nicht breit verfügbar und sagt nichts über die Empfindlichkeit der Pneumokokken aus.

Aus diesem Grund ist die Verabreichung eines Breitspektrum-Penicillins oder Cephalosporins der Cefuroxim- oder der Cefotaximgruppe bei einer ambulant erworbenen Pneumonie vorzuziehen (Abbildung 8a). Bei Verdacht auf eine atypische Pneumonie ist die Behandlung mit einem Makrolid-Antibiotikum zu beginnen. Bei vollkommener Unklarheit ist im Kindesalter eine Kombination eines Breitspektrum-Cephalosporins mit einem Makrolid angezeigt, bei Jugendlichen wird ein Chinolon verabreicht. Dies gilt nicht für die Streptokokken B-Pneumonie ± Sepsis im Neugeborenenalter, die auch weitgehend klinisch festzumachen ist und mit Penicillin G – evtl. in Kombination mit einem Aminoglykosid – behandelt wird (Abbildung 8b). Zur Prophylaxe einer Streptokokken B-Infektion beim Neugeborenen kann einer Streptokokken-positiven Mutter 2 Stunden präpartal 200 000 iE eines Depotpenicillins i.m. verabreicht werden.

Abbildung 8a: Typische Lobärpneumonie durch Pneumokokken

Abbildung 8b: Streptokokken B-Pneumonie und Sepsis bei einem reifen Neugeborenen

Phenoxymethylpenicillin
Die Besonderheit von Phenoxymethylpenicillin V ist die Widerstandsfähigkeit gegen Zerstörung durch die Magensäure. Säurestabil sind neben dem Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V) auch Propicillin und Azidocillin, die jedoch in der Kinderärztlichen Praxis eine untergeordnete Rolle spielen, nicht zuletzt da Propicillin eine um das 5fache schwächere Wirksamkeit gegen Gram-positive Penicillin-empfindliche Erreger besitzt und sowohl Propicillin als auch Azidocillin mit 80 – 85% Eiweißbindung deutlich niedrigere freie Wirkstoffkonzentrationen im Serum und im Gewebe erreichen als nach Gabe von Phenoxymethylpenicillin V, das eine Eiweißbindung von 20% aufweist. Die orale Gabe von Penicillin G ist wegen der fehlenden Säurestabilität nicht sinnvoll.

Die Tagesdosis beträgt bei Kindern 100 000 iE/kg KG, die man auch beim Benzathinsalz am ersten Tage in 8-stündigen Intervallen verabreichen sollte, danach wird die Tagesdosis auf 2 Dosen verteilt. Bei Durchfall zu Beginn der Behandlung ist eine einmalige Dosis eines Depotpenicillins intramuskulär günstig, da eine ausreichende Resorption eines Oralpenicillins nicht gewährleistet ist. Anschließend, d.h. spätestens nach 36 Stunden, muss mit einem Oralpenicillin fortgesetzt werden, um einen 10-Tages-Wirkspiegel aufrechtzuerhalten.

Der klinische Einsatz eines Oralpenicillins beruht in erster Linie auf der Behandlung der Streptokokkenangina. Die Diagnose beruht auf klinischen Kriterien wie einem scarlatiniformen Exanthem und der Himbeerzunge (Abbildung 9), die erst nach 24 Stunden erscheint. Differenzialdiagnostische Hinweise gibt die Anamnese und die epidemiologische Situation. Klinisch präsentiert sich eine Streptokokkenangina mit einem schweren Krankheitsbild mit plötzlichem Beginn, mit hohem Fieber und Schluckschmerzen. Typisch sind Brechreiz und Erbrechen, Bauchschmerzen und geschwollene, druckempfindliche Halslymphknoten. Der Tonsillenbefund zeigt initial hochrote glasig geschwollene Tonsillen ohne Beläge. Pathognomonisch sind Petechien am weichen Gaumen (Abbildung 10). Wenn eine Streptokokkenangina nicht antibiotisch behandelt wird, treten ab dem 2.–3.Tag flache Ulzerartionen auf den Tonsillen auf.

Abbildung 9: Himbeerzunge bei Scharlach

Abbildung 10: Petechien am weichen Gaumen typisch bei Scharlach

Die Diagnose kann durch den Streptokokken-Schnelltest bestätigt werden.

Zahlreiche Studien zeigen, dass nur eine Therapiedauer von 10 Tagen zu einer klinischen und „bakteriologischen Heilung“ mit Eradikation von Streptokokken in >95% der Patienten führt. Bemerkenswert und bis vor kurzem unklar war, dass Streptokokken, die trotz einer 10-tägigen Penicillinbehandlung noch in 3–8% der Patienten im Rachen isoliert werden können, weiterhin voll Penicillin-empfindlich sind. Untersuchungen zeigten, dass Streptokokken auch von sog. „nicht professionellen Phagozyten“ wie Epithelzellen aufgenommen werden können und intrazellulär überleben, ohne die Wirtszelle zu zerstören. Nach 10, 15, 18 Tagen werden auch diese Streptokokken aus den Epithelzellen freigesetzt und werden im Rachenabstrich nachgewiesen. Die so überlebenden Streptokokken haben jedoch ihre Virulenz, d.h. Infektiosität, verloren und sind als apathogen zu betrachten.

Oralpenicilline können auch zur frühzeitigen Behandlung einer Borrelieninfektion, eines Erythema chronicum migrans eingesetzt werden. Die Behandlungsdauer beträgt 14 Tage, es sind streng 8-stündliche Dosisintervalle einzuhalten, um einen kontinuierlichen Wirkstoffspiegel aufrechtzuerhalten (Abbildung 11).

Abbildung 11: Erythema chronicum migrans nach Zeckenstich

Auch bei peridontalen Infektionen sind Oralpenicilline indiziert, wie auch zu einer Endocarditis-Prophylaxe bei Herzklappenfehlern, bei Zahnbehandlung, bzw. bei der Prophylaxe des rheumatischen Fiebers.

Die Impetigo contagiosa ist eine Mischinfektion von Streptococcus pyogenes und meist ß-Lactamase-bildenden Staphylokokken. Dabei kommt aber der pathologischen transienten Streptokokkenflora die größere pathogenetische Bedeutung zu. Diese kann meist mit einem Oralpenicillin erfolgreich behandelt werden. Die Behandlung einer Impetigo contagiosa erfolgt auch um eine hämorrhagische Poststreptokokken-Glomerulonephritis zu verhindern, die bei besonderen nephritogenen Streptokokkenstämmen auftreten kann.

ß-Lactamase-stabile Penicillinabkömmlinge, Isoxazolylpenicilline
Isoxazolylpenicilline sind gegen ß-Lactamasen von Staphylokokken stabil. Sie haben prinzipiell den gleichen Wirkmechanismus wie Penicillin und sind weitgehend gegen die gleichen Gram-positiven Mikroorganismen wirksam, allerdings um den Faktor 10 geringer als Penicillin. Isoxazolylpenicilline werden meist parenteral verabreicht, die orale Verabreichung ist möglich. Die enterale Resorption ist am besten bei Flucloxacillin, dieses Präparat ist auch in Saftform erhältlich. Alle Isoxazolylpenicilline werden nach Nahrung deutlich schlechter resorbiert. Kritisch ist auch die hohe Serum-Eiweißbindung zu bewerten, die zwischen 95% und 98% liegt.

Die Präparate sind bei Penicillin-Allergie kontraindiziert, die übrigen unerwünschten Wirkungen entsprechen weitgehend denen der anderen Penicilline. Cholestatische Hepatitiden kommen häufiger nach Gabe von Flucloxacillin als nach Oxacillin oder Dicloxacillin vor. Bei eingeschränkter Nierenfunktion wird je nach Kreatinin-Clearance das Dosierungsintervall auf 8 bzw. 12 Stunden verlängert.

Die Präparate Oxacillin, Cloxacillin und Flucloxacillin sind ausschließlich bei schweren Infektionen durch Penicillin-resistente Staphylokokken zur parenteralen Verabreichung indiziert. Es ist dies eine abszedierende Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatocele evtl. mit Pleuraempyem und Spannungspneumatothorax (Abbildung 12). Flucloxacillin wird auch bei der akuten hämatogenen Osteomyelitis empfohlen.

Abbildung 12: Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatocele

Auch bei einer abszedierenden Lymphadenitis cervicalis wird das Präparat allerdings mit mäßigem Erfolg verabreicht. Isoxazolylpenicilline werden – in Kombination mit einem Aminoglykosid – zur Behandlung einer Staphylokokken-Endocarditis bzw. bei metastatischen Absiedelungen aus einem liegenden Fremdkörper verwendet. Flucloxacillin ist eine therapeutische Option bei schweren Hautaffektionen z.B. durch Staphylokokken im Neugeborenenalter (Neugeborenen-Pemphigoid) wegen septischer Metastasen im gesamten Körper, die mit einer Mortalität von 20% behaftet war (Abbildung 13).

Abbildung 13: Staphylokokkeninfektion der Haut bei einem Neugeborenen (Neugeborenen-Pemphigoid)

Orale Isoxazolyl-Präparate haben in der Kinderheilkunde keinen hohen Stellenwert, da Oralcephalosporine das gleiche Spektrum abdecken, aber wesentlich besser bioverfügbar sind.

Isoxazolylpenicilline wirken nicht gegen Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA), die mit zunehmender Häufigkeit isoliert werden, wobei es lokale Unterschiede gibt. Vor allem bei Patienten mit Mucoviscidose sind MRSA häufig, die durch die prophylaktische Gabe von z.B. Ciprofloxacin induziert werden. Der Resistenzmechanismus beruht auf der Synthese eines geänderten Penicillin-Bindeproteins. Bei Koagulase-negativen Staphylokokken ist die Rate an Methicillin-resistenten Stämmen im Bereich von 60%. Es besteht Kreuzresistenz zwischen Isoxazolylpenicillinen, Cephalosporinen und Carbapenemen.

Breitspektrumpenicilline
Ampicillin, Amoxicillin und Kombinationen mit Clavulansäure
Eine Änderung der Seitenkette ergab mit erweitertem Wirkspektrum. Die Aktivität gegen Gram-positive Erreger ist zwar um das 2- bis 5fache niedriger, es werden jedoch zusätzlich eine Reihe Gram-negativer Mikroorganismen durch Aminopenicilline erfasst. Es sind dies für die Kinderheilkunde besonders relevante Erreger wie H. influenzae, Enterokokken, Listeria monocytogenes. Unterschiedliche Empfindlichkeit besteht gegen E. coli und Salmonellen, resistent sind Klebsiella, Enterobacter, Citrobacter, Serratia marcescens, Pseudomonas und die meisten Proteus-Stämme.

Klinisch verfügbar sind Ampicillin, Amoxicillin und die Kombination von Ampicillin mit dem ß-Lactamase-Inhibitor Clavulansäure.

Ampicillin ist bei oraler Verabreichung nur zu 30–40% bioverfügbar. Die geringe Bioverfügbarkeit bedingt einerseits niedrige Serum- und Gewebskonzentrationen. Erreichbare Serumkonzentrationen liegen bei einer Einzeldosis von 20 mg/kg KG bei 1,5–2 µg/ml. Konzentrationen im Mittelohrsekret liegen abhängig von der Akuität der Entzündung bei 0,15–0,4 µg/ml Mittelohrsekret. Bei parenteraler Applikation einer Einzeldosis von 33 mg/kg KG entsprechend einer Tagesdosis von 100 mg/kg KG, aufgeteilt auf 3 Dosen werden 2 Stunden nach Ende der Kurzinfusion Serumkonzentrationen von 75–120 µg/ml erreicht. Die Gewebegängigkeit ist gut. Ampicillin geht in den fetalen Kreislauf und ins Fruchtwasser über.

Ampicillin wird nach parenteraler Gabe zu 60% unverändert durch die Niere ausgeschieden, nach oraler Verabreichung zu 20–30%. Die Wirkstoffkonzentrationen in der Galle sind gleich hoch wie im Serum.

Nach oraler Gabe werden bei 5–20%, nach parenteraler Gabe bei 3–10% der Patienten gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Abdominalkrämpfe und Durchfälle beobachtet. Es ist jedoch zu betonen, dass ein gewisser Prozentsatz von Patienten bereits durch die Grundkrankheit zu durchfälligen Stühlen, z.B. durch Toleranzüberschreitung bei fortgesetzter Ernährung, neigen und nicht alle Durchfälle antibiotikaassoziiert sind. Anderseits wird, ähnlich wie nach Gabe von Clindamycin auch nach parenteraler Verabreichung von Ampicillin eine pseudomembranöse Enterocolitis beschrieben.

Klinische Indikation: Wegen der ungenügenden Bioverfügbarkeit eignet sich Ampicillin vorwiegend zur parenteralen, d.h. intravenösen Verabreichung. Die Hauptindikationen sind Enterokokkeninfektionen, wie z.B. eine Enterokokken-Endocarditis in Kombination mit einem Aminoglykosid oder eine Enterokokken-Harnwegsinfektion. Ampicillin ist – wiederum in Kombination mit einem Aminoglykosid – das Mittel der Wahl zur Behandlung einer Listerienmeningitis.

Resorptionsverbesserung von Aminopenicillinen
Eine Verbesserung der Resorption auf eine Bioverfügbarkeit von 95% bei Erwachsenen wurde durch einen Resorptionsester (Bacampicillin) erreicht. Bei Kindern spielte dieses Präparat, nachdem auch keine Saftform existiert, keine Rolle.

Durch Hydroxylierung des Ampicillins entsteht das Amoxicillin mit einer verbesserten Lipoidlöslichkeit, wodurch eine wesentliche Resorptionsverbesserung erzielt wird. Bei Erwachsenen wird eine Bioverfügbarkeit von annähernd 100% beschrieben, im Kindesalter ist die Resorption jedoch erheblich geringer, sodass bei Kleinkindern zwischen 2 und 5 Jahren eine Bioverfügbarkeit von 80%, bei Säuglingen im ersten Lebensjahr nur von 65% erreicht wird. Dies entspricht bei einer Einzeldosis von 17,5 mg/kg KG einer Serumkonzentration nach 2 Stunden von 5 µg/ml bei Kleinkindern und von 2,5 µg/ml bei Säuglingen. Dementsprechend können Konzentrationen im Mittelohrsekret zwischen 0,5 µg/ml und 1,75 µg/ml erzielt werden.

Nebenwirkungen der Aminopenicilline
Hautreaktionen sind als häufigste Nebenwirkung bei 5–20% der Patienten beschrieben. Während eine Allergie bzw. ein anaphylaktischer Schock nicht häufiger ist als nach Verabreichung von Penicillin, sind makulöse, hämorrhagische Exantheme wesentlich häufiger. Besonders hoch ist das Risiko für ein toxisches Amoxicillin-Exanthem bei einer bestehenden Infektion durch Epstein-Barr-Viren. Auch ein Erythema exsudativum multiforme wurde in diesem Zusammenhang beschrieben. Das Exanthem tritt vorzugsweise am 8.–10. Behandlungstag auf und verschwindet nach ca. 5–7 Tagen (siehe Abbildung 6a, 6b).

Bei wiederholter Gabe tritt das Exanthem bereits nach 4–5 Tagen auf. Die Ursache ist unklar. Es wird keine IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp und auch keine Kreuzallergie mit Penicillin beobachtet. Mehrere Jahre nach einem typischen Amoxicillinexanthem wird Amoxicillin wiederum vertragen. Schwere exanthematöse Hauterkrankungen treten auch bei Gabe von Amoxicillin mit oder ohne Clavulansäure gehäuft bei der akuten lymphatischen Leukämie auf (Abbildung 14).

Abbildung 14: Klebsiellen-Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie bei einem Säugling mit Leukämie

Das antimikrobielle Wirkspektrum und die Nebenwirkungen sind identisch mit Ampicillin.

Erweiterung des Wirkspektrums durch Kombination mit ß-Lactamase-Inhibitoren
Sowohl Ampicillin als auch Amoxicillin sind nicht ß-Lactamase-stabil. Die Kombination mit einem ß-Lactamase-Inhibitor erweitert das antimikrobielle Spektrum. Clavulansäure wird durch Fermentation von Streptomyces clavuligerus gewonnen und ähnelt in der Struktur dem Penicillin-Kern hat aber keine Azylamino-Seitenkette und in Position 1 anstelle des Sauerstoffmoleküls Schwefel. Clavulansäure besitzt nur eine schwache antimikrobielle Eigenwirksamkeit, ist jedoch ein starker irreversibler ß-Lactamase-Hemmer der Typen II, III, IV und V. Durch die Kombination mit Clavulansäure ist Amoxicillin gegen ß-Lactamase-bildende Haemophilus-Stämme, Moraxella catarrhalis, Staphylococcus aureus, E. coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus spp. und Bacteroides fragilis wirksam. Clavulansäure schützt Amoxicillin nicht vor Extended-Spectrum-ß-Lactamasen (ESBL), wie sie von Enterobacter, Serratia, Morganella, aber auch bestimmten E. coli-Stämmen gebildet werden.

Es ist zu betonen, dass Amoxicillin in Kombination mit Clavulansäure gegen Penicillin G-resistente Pneumokokken nicht wirksam ist, da der Resistenzmechanismus auf einer Änderung der Penicillin-Bindeproteinen beruht. Auch Methicillin-resistente Staphylokokken werden durch die Kombination nicht eradiziert.

Die Kombination Amoxicillin mit Clavulansäure liegt für pädiatrische Formulierungen in einem bestimmten Mischungsverhältnis vor. In pädiatrischen Formulierungen ist ein fixes Mengenverhältnis von 4:1 enthalten, d.h. die Menge an Amoxicillin beträgt der einer 5 ml-Dosis 125 mg und von Clavulansäure 31,25 mg. Bei Dosissteigerung ist somit das Mischungsverhältnis immer gleich.

Dies kann insofern kritisch hinterfragt werden, da die Verträglichkeit von Clavulansäure erheblich schlechter ist als die von Amoxicillin. Krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfälle, die zu einer Resorptionsminderung führen, wurden bei bis zu 25% der Patienten beschrieben. Untersuchungen zeigten, dass bereits eine kleinere Dosis an Clavulansäure die ß-Lactamasen irreversibel hemmt und bei einer Dosissteigerung des antimikrobiell wirksamen Amoxicillin die niedrigere Konzentration von Clavulansäure und somit ein Mischungsverhältnis von 6:1 bzw. 8:1 ausreichen würde. Weitere Nebenwirkungen der Clavulansäure sind ein cholostatischer Ikterus und eine meist reversible Leberfunktionsstörung. Letale Fälle wurden in Zusammenhang mit schweren Grunderkrankungen und gleichzeitiger Medikamentengabe beschrieben.

Die Kombination von Ampicillin mit Sulbactam verbreitert ebenso das Spektrum von Aminopenicillinen im Gram-negativen Bereich. Sulbactam ist ein Penicillansäure-Sulfon mit geringer antibakterieller Aktivität. Durch die Hemmung der gleichen ß-Lactamasen ist das Wirkspektrum von Sulbactam-Ampicillin mit dem von Amoxicillin-Clavulansäure ident. Das orale Präparat enthält einen Ester von Sulbactam und Ampicillin (Sultamicillin), der im Körper rasch in die entsprechenden Komponenten gespalten wird. Die Bioverfügbarkeit ist geringer als die von Amoxicillin ± Clavulansäure, es werden bei gleicher mg/kg-KG-Dosierung ca. 25% niedrigere Wirkstoffkonzentrationen als von Amoxicillin im Serum gefunden.

Bei intravenöser Verabreichung als Kurzinfusion werden Konzentrationen im Mischungsverhältnis 1:2 zu Gunsten vom Ampicillin gefunden, in verschiedenen Geweben kann sich das Mischungsverhältnis aber erheblich ändern. Gastrointestinale Nebenwirkungen und Hautreaktionen sind nach Gabe von Sulbactam-Ampicillin seltener als nach Verabreichung von Amoxicillin-Clavulansäure, auch Leberschäden sind seltener als nach Gabe von Clavulansäure. Allergische Reaktionen sind ähnlich selten wie bei Verabreichung anderer Penicillinderivate. Als Besonderheit wurde nach Gabe von Sulbactam-Ampicillin jedoch eine – reversible – Knochenmarksdepression mit Anämie, Thrombopenie und Leukopenie beschrieben.

Die Domäne der Aminopenicilline allein oder in Kombination mit Clavulansäure ist die orale Behandlung von bakteriellen Infektionen der oberen und unteren Luftwege. Der Großteil der Infektionen der oberen Luftwege beginnt als Virusinfektion, die jedoch zu funktionellen Störungen der unspezifischen Abwehr, z.B. zur Störung der mucociliären Clearance führen. Daraus resultiert eine bakterielle Superinfektionen der angrenzenden Strukturen der Nase. Eine bakterielle Superinfektion der Nasennebenhöhlen ist bei 9–12% der Kleinkinder und Schulkinder zu beobachten, im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen bakterielle Superinfektionen bei <2% der Patienten auftreten. Praktisch jeder akuten Otitis media geht eine Virusinfektion der oberen Luftwege voraus.

Die Erreger, mit denen man bei einer akuten Sinusitis konfrontiert ist, sind Pneumokokken, H. influenzae, Moraxella catarrhalis in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit, seltener, d.h. in < 5% der Fälle, werden Staphylokokken und Streptokokken isoliert. Oft besteht eine aerob-anaerobe Mischinfektion z.B. mit Bacteroides spp.

Bei einer akuten Otitis media werden die gleichen bakteriellen Mikroorganismen als Ursache einer Superinfektion in ähnlicher Reihenfolge bez. ihrer Häufigkeit gefunden. Haemophilus ist bei Säuglingen und Kleinkindern der häufigste Erreger, Pneumokokken bei älteren Kindern. ß-Lactamase-bildende Stämme von Haemophilus influenzae sind in unserem Einzugsgebiet mit < 10% wesentlich seltener als in den USA und in Westeuropa, z.B. Spanien, wo zum Teil mehr als 75% der Isolate ß-Lactamase-Bildner sind. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass im ambulanten Bereich die überwiegende Mehrzahl der primären Isolate bei einer Sinusitis oder Otitis media auf Amoxicillin empfindlich ist und gleich gute klinische Ergebnisse mit Amoxicillin wie durch Gabe von Amoxicillin in Kombination mit Clavulansäure erzielt werden konnten. Bei einem Rezidiv ist die Situation jedoch anders: Dabei wurden durch eine antibiotische Vorbehandlung weniger empfindliche bzw. resistente Mikroorganismen als Ursache einer bakteriellen Superinfektion selektioniert. Unter diesen Bedingungen kann auf ein ß-Lactamase-stabiles Breitspektrum-Antibiotikum, wie z.B. Amoxicillin mit Clavulansäure oder ein Oralcephalosporin der Cefixim-Gruppe, nicht verzichtet werden.

Eine klinische Indikation für Amoxicillin allein oder in Kombination mit einem ß-Lactamaseinhibitor besteht bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen der unteren Luftwege (eitrige Bronchitis, Bronchopneumonie, Pertussis) vor allem nach einer antibiotischen Vorbehandlung oder bei chronisch schwelenden Infektionen.

Bei der antibiotischen Behandlung einer akuten Otitis media ist zu beachten, dass Ohrschmerz nicht synonym mit einer bakteriellen Infektion der Paukenhöhle, d.h. einem Paukenhöhlenempyem, ist. Auch der Unterdruck in der Paukenhöhle als Ausdruck einer Belüftungsstörung durch die Entzündungsreaktion im Rahmen der Virusinfektion führt zu Ohrschmerz, Tragusschmerz und einem gefäß-injizierten Trommelfell. Eine tragbare Vorgangsweise ist, dass Patienten jünger als 2,5 Jahre bei Verdacht auf Mittelohrentzündung (unmotiviertes Schreien, hohes Fieber, Fieberkrämpfe, pathologischer Trom-melfellbefund) antibiotisch, z.B. mitAmoxicillin oder Amoxicillin+Clavulansäure, behandelt werden.Bei älteren Kindern kann man mit Fiebersenkung (Paracetamol, Ibuprofen), antientzündlich (Proxen), abschwellende Nasentropfen (Oxy-Xylometazolin) mit Verbesserung der mucociliären Clearance durch Phytopharmaka (Sinupret, 1,8 Cineol) 24–36 Stunden zuwarten, muss den Patienten jedoch dann neuerlich beurteilen und bei Verschlechterung oder fehlender Besserung mit einem Aminopenicillin mit oder ohne Clavulansäure oder einem Oralcephalosprin der Cefixim-Gruppe behandeln.

Harnwegsinfektionen mit Amoxicillin-resistenten E. coli oder Klebsiellen sowie Haut- und Weichteilinfektionen mit ß-Lactamase-bildenden Staphylokokken sind eine weitere klinische Indikation.

Falsche Indikationen sind eine Monotherapie bei lebensbedrohlichen Infektionen und eingeschränkter körpereigener Abwehr. Außerdem sind es gesicherte Streptokokkeninfektionen und Infektionen durch Clostridien, da hier Penicillin G oder V voll wirksam sind. Amoxicillin allein und in Kombination mit Clavulansäure ist bei Mononukleose und akuter lymphatischer Leukämie kontraindiziert.

Bemerkenswert ist, dass Isoxazolyl-penicilline auch ß-Lactamasen irreversibel hemmen. Dadurch kommt auch einer Kombination von Amoxicillin mit einem Isoxazolylpenicillin ein ähnliches Spektrum zu wie bei Kombination mit Clavulansäure. Als Präparat steht Flanamox in einer 1:1-Kombination von Flucloxacillin mit Amoxicillin zur Verfügung. Da es keine Saftform gibt, wird dieses Präparat in der Kinderheilkunde nicht eingesetzt.

Azylaminopenicilline
Azylureidopenicilline sind eine Weiterentwicklung des Ampicillins mit einer Substitution der Aminogruppe durch eine Ureidoseitenkette. Deshalb sind die Penicillinabkömmlinge dieser Gruppe auch als Azylureidopenicilline bekannt.

Das Spektrum dieser Gruppe von Antibiotika umfasst mehr oder weniger intensiv Pseudomonas aeruginosa, Enterobacterien und Enterokokken. Alle Präparate sind aber instabil gegen ß-Lactamasen von Staphylokokken und resistenten Enterobacter-, Serratia- und Klebsiella-Stämmen.

Präparate dieser Wirkstoffgruppe sind Azlocillin, Mezlocillin und das gängigste Piperacillin. Piperacillin hat – wie auch Mezlocillin – eine gute Wirksamkeit gegen zahlreiche Enterobakterien und eine dem Azlocillin vergleichbare Wirksamkeit gegen Pseudomonas. Gegen Enterokokken wirkt Mezlocillin etwas besser. Bei Haemophilus influenzae und Anaerobiern ist die Wirksamkeit aller Ureidopenicilline vergleichbar. Azylureidopenicilline sind gegen ß-Lactamase-bildende Staphylokokken unwirksam und werden durch ß-Lactamasen von Staphylokokken inaktiviert. Es besteht weitgehend Kreuzresistenz zwischen den einzelnen Azylaminopenicillinen. Mit Aminoglykosiden besteht ein Synergismus. Eigene Untersuchungen konnten zeigen, dass Azylureidopenicilline bei Kombination mit Aminoglykosiden auch gegen ß-Lactamase-bildende Staphylokokken wirksam sind, da ein Wirkmechanismus der Aminoglykoside, nämlich die Hemmung der ribosomalen Proteinsynthese, auch die Bildung von ß-Lactamasen blockiert. Azylureidopenicilline dürfen mit Aminoglykosiden nicht gleichzeitig, sondern müssen zur optimalen Ausnützung der synergistischen Wirksamkeit sequenziell verabreicht werden.

Die Präparate sind nur parenteral zur intravenösen Applikation verfügbar. Die Halbwertszeit aller dieser Medikamente beträgt 1 Stunde, die Plasmaeiweißbindung beträgt 20% für Piperacillin, 30% für Mezlo- und Azlocillin. Die Gewebegängigkeit ist gut, die Liquorpenetration ist entsprechend dem Entzündungsgrad gut bis mäßig.

Azylureidopenicilline werden zu 60% mit dem Harn ausgeschieden, die Gallekonzentrationen betragen 30%, ein kleiner Teil wird metabolisiert.

Die Verträglichkeit der Azylureidopenicilline ist gut, Exantheme treten seltener als nach Gabe von Ampicillin auf. Gastrointestinale Symptome sind ebenso selten, ein vorübergehender Anstieg der Leberenzyme wird bei < 3% der Patienten beobachtet, passagere Neutropenien sind wie auch nach Gabe anderer ß-Lactam-Antibiotika möglich.

Das klinische Einsatzgebiet der Azylureidopenicilline sind schwere Infektionen der Harnwege, der Gallenwege und des Genitaltraktes durch empfindliche Enterobakterien. Auch nachgewiesene oder vermutete Infektionen mit Pseudomonas sind ein Indikationsgebiet. Auch bei schweren Allgemeininfektionen wie einer Sepsis bei immunsupprimierten Patienten, einer Meningitis, bei sekundären Pneumonien bei Patienten mit verschiedenen Grundkrankheiten wie Herzfehler sind Azylureidopenicilline indiziert. Dabei ist allerdings die Kombination mit einem Aminoglykosid oder mit Tazobactam (siehe unten) notwendig, um das Erregerspektrum soweit als möglich abzudecken.

Eine Weiterentwicklung des Sulbactams ist das Tazobactam, das als Kombinationspräparat mit Piperacillin zu einer wesentlichen Erweiterung des Wirkspektrums beiträgt. Tazobactam, das selbst keine antimikrobielle Eigenschaft besitzt, hemmt die meisten Plasmid-übertragbaren ß-Lactamasen und viele chromosomal codierten Cephalosporinasen der Gruppen I – IV. Die Kombination von Tazobactam mit Piperacillin ist gegen die meisten Piperacillin-resistenten ß-Lactamase-bildenden Stämme einschließlich Pseudomonas aeruginosa wirksam. Unempfindlich sind Methicillin-resistente Staphylokokken und ca. 20% der Pseudomonas-Stämme. Enterobacter-, Serratia- und Klebsiella-Arten sind zu 5 – 10% unempfindlich, Burkholderia cepacia wird nicht erfasst.

Tazobactam in Kombination mit Piperacillin ist nur parenteral verfügbar, die Halbwertszeit beträgt 45 Minuten, die Serumeiweißbindung ist mit 20% gering. Tazobactam wird zu 75% unverändert im Harn ausgeschieden. Die Elimination durch die Galle ist gering, wodurch eine nur mäßige Beeinträchtigung der Stuhlflora resultiert.

Der klinische Einsatz von Tazobactam sind schwere, vor allem intraabdominale Infektionen wie eine Peritonitis, z.B. nach einer perforierten Appendicitis, Cholangitis, Cholecystitis. Tazobactam wird be ischweren lebensbedrohlichen Infektionen bei intensivgepflegten Patienten eingesetzt. Es eignet sich z.B. zur Behandlung einer nosokomialen Beatmungspneumonie oder nosokomialen Harnwegsinfektion durch Pseudomonas, Serratien, Acinetobacter. Zur Sicherheit wird dieses Präparat trotz des erweiterten Wirkspektrums mit anderen Antibiotika, z.B. Aminoglykosiden, kombiniert. Tazobactam wird auch bei Tazobactam-empfindlichen Erregern, insbesondere Pseudomonas aeruginosa oder Stenotrophomonas maltophilia bei Patienten mit Mucoviscidose eingesetzt.

Cephalosporine

Eine wichtige Gruppe innerhalb der ß-Lactam-Antibiotika sind die Cephalosporine. Der gemeinsame Grundbaustein ist die 7-Aminocephalosporansäure, die durch unterschiedliche Seitenketten besondere Wirksamkeiten wie Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, längere Halbwertszeit oder überwiegend biliäre Ausscheidung bedingen.

Der Wirkmechanismus ist ähnlich wie bei Penicillinen bakterizid durch Hemmung der Zellwandbiosynthese. Sie wirken auf proliferierende Mikroorganismen in planktonischem Medium, gegen sessile Keime, d.h. auf Oberflächen haftende Keime, sind 100–250fach höhere Wirkstoffkonzentrationen nötig.

Die Einteilung der Cephalosporine erfolgte früher nach der historischen Entwicklung in „Generationen“, gegenwärtig wird eine Einteilung nach Wirkstoffgruppen vorgezogen, die praktikable Hinweise auf den klinischen Einsatz gibt.

Diese Gruppen sind:

1) Cefazolin-Gruppe. Diese Präparate besitzen eine gute Wirksamkeit gegen Gram-positive Mikroorganismen, einschließlich ß-Lactamase-bildender Staphylokokken. Gegen Gram-negative Mikroorganismen ist Cefazolin schwach wirksam. Das Präparat ist nur parenteral verfügbar. Die Indikationen für Cefazolin sind durch die Breitspektrum-Cephalosporine stark eingeschränkt. Cephalosporine der Cefazolin-Gruppe sind bei Penicillin-Allergie und fehlender Kreuzallergie indiziert. Cefazolin kann bei leichten Wundinfektionen mit einer ß-Lactamase-bildenden Mischflora und als perioperative Prophylaxe vor Implantation von Gelenksprothesen eingesetzt werden. Cefazolin kann auch prophylaktisch vor Implantation eines PORT-Katheters verabreicht werden, wenn auch diese Indikationun genügend abgesichert ist.

2) Die Cefuroxim-Gruppe besitzt ein intermediäres Wirkspektrum sowohl gegen Gram-positive als auch gegen zahlreiche Gram-negative Mikroorganismen, wobei die Wirksamkeit gegen Gram-positive geringer als bei der Cefazolin-Gruppe und gegen Gram-negative geringer als bei der Cefotaxim–Gruppe ist. Cefuroxim ist gegen Ampicillin-resistente Haemophilus-Stämme wirksam. Zur Cefuroxim-Gruppe gehören das Cefamandol als erstes Cephalosporin dieser Gruppe, das Cefuroxim und das Cefotiam. Präparate der Cefuroxim-Gruppe eignen sich wegen des breiten Wirkspektrum als ungezielte Therapie von Organinfektionen, bei denen sowohl mit Gram-positiven als auch Gram-negativen Bakterien gerechnet werden muss. Es sind dies eine ambulant erworbene Pneumonie und Wundinfektionen. Die Präparate werden bei schwer kranken Kindern mit Komplikationen von Infektionen der oberen Luftwege wie einer schweren Sinusitis, mit Orbitalphlegmone, einer Mastoiditis und einer schweren abszedierenden Lymphadenitis cervicalis eingesetzt (Abbildung 15, 16, 17).

Abbildung 15: Orbitalphlemone/Entzündung des Tränensäckchens durch Staphylokokken am 3. Tag nach einer Virusrhinitis

Abbildung 16: Idiopathische Wangenphlemone durch Haemophilus influenzae-Kapsel Typ b

Abbildung 17: Subperiostalabszess bei Mastoiditis

3) Die Cefotaxim-Gruppe oder Breitspektrum-Cephalosporine mit besonders guter Wirksamkeit gegen Gram-negative Mikroorganismen. Die Präparate dieser Gruppe sind Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftizoxim und Cefmenoxim. Cefotaxim und analoge Antibiotika wirken besonders gut gegen Klebsiellen, geringer gegen Enterobacter; Enterokokken sind unempfindlich. Gegen Staphylokokken sind Cepohalosporine dieser Gruppe deutlich weniger wirksam als Cephalosporine der Cefazolin- und Cefuroxim-Gruppe. Da der Prozentsatz resistenter Keime wechseln kann sind zur Schließung von Wirkungslücken bei schweren lebensbedrohenden Infektionen Antibiotika-Kombinationen nötig. Cefotaxim ist gegen Streptokokken der Gruppe B gut wirksam und eignet sich daher zur Ersttherapie bei Früh- und Neugeboreneninfektionen.

Der klinische Einsatz von Cephalosporinen der Cefotaxim-Gruppe ist ähnlich wie bei der Cefuroxim-Gruppe vor allem wenn vermehrt mit Gram-negativen Erregern gerechnet werden muss. Cefotaxim eignet sich besonders bei nosokomialen Infektionen bei Früh- und Neugeborenen, z.B. nach perinataler Asphyxie und Fruchtwasseraspiration, aber auch zur Behandlung einer Streptokokken B-Sepsis, Meningitis, Pneumonie.

Cefotaxim ist das Mittel der Wahl zur Behandlung von Harnwegsinfektionen in den ersten Lebensjahren, die wegen der Schwere des Krankheitsbildes und der oft begleitenden Durchfällen intravenös behandelt werden müssen.

Cefotaxim bzw. Ceftriaxon sind gegenwärtig das Mittel der Wahl zur Behandlung der eitrigen Meningitis durch Meningokokken, Pneumokokken und dem sehr selten gewordenen Haemophilus influenzae. Dabei ist eine Tagesdosis von 200 mg/kg KG bei Cefotaxim auf 3 Dosen bzw. 100 mg/kg KG bei Ceftriaxon am 1. Tag aufgeteilt auf 2 Dosen nötig. Die erste Dosis muss als Kurzinfusion über 2–3 Stunden verabreicht werden. Cefotaxim eignet sich nicht zur Behandlung einer Ventilinfektion bzw. einer Infektion einer externen Ventrikeldrainage.

Ceftriaxon wird vorwiegend bei der Borrelienmeningitis, aber auch zur Behandlung einer Borellienarthritis eingesetzt, da es wegen der Einmalgabe auch ambulant verabreicht werden kann. Die Dosierung beträgt 75–100 mg/kg KG.

Cefotaxim ist der Kombinationspartner entweder mit einem Aminoglykosid oder mit einem Glykopeptid bei der ungezielten Behandlung schwerer bakterieller Infektionen bei immunsupprimierten Patienten, z.B.in der Akutphase einer Leukämiebehandlung (Abbildung 18).

Abbildung 18: Meningokokkensepsis

Falsche Indikationen sind leichte bakterielle Infektionen, bei denen ebenso mit Penicillin, Aminopenicillinen oder einem Oralcephalosporin der Cefixim-Gruppe behandelt werden kann.

4) Die Ceftazidim-Gruppe (oder Pseudomonas-Cephalosporine) besteht aus Ceftazidim, Cefepim und Cefpirom und besitzt eine besondere Pseudomonas-Wirksamkeit. Ceftazidim hat fast das gleiche Wirkspektrum wie Cefotaxim, ist aber gegen Pseudomonas aeruginosa 10-mal stärker wirksam als Cefotaxim. Ceftazidim besitzt auch gegen Enterobacter, Serratia und Acinetobacter eine gute Wirksamkeit, gegen Staphylokokken ist das Präparat 3fach schwächer als das ohnehin schwache Cefotaxim. Ceftazidim ist gegen Methicillin-resistente Staphylokokken, Enterokokken, Listerien und Clostridium difficile unempfindlich. Die Präparate dieser Gruppe haben eine Serum-Halbwertszeit von 2 Stunden und eine Serum-Eiweißbindung von 10% (Ceftazidim) und 20% (Cefepim). Die Gewebspenetration ist gut, ebenso die Liquorpenetration, jedoch wiederum abhängig vom Entzündungsgrad. Ceftazidim-resistente Pseudomonas-Stämme können gegen Cefepim empfindlich sein. Die Pseudomonas-Wirksamkeit von Cefpirom kann lokal unterschiedlich schwächer sein, die Wirksamkeit gegen Enterobacter ist oft stärker, gegen Acinetobacter und Serratia, aber auch gegen Staphylokokken ähnlich oder stärker als von Cefotaxim.

Die Indikation für Ceftazidim ist die gezielte Behandlung von Pseudomonas-Infektionen vorwiegend in Kombination mit einem Aminoglykosid. Ceftazidim ist auch als Interventionstherapie in Kombination mit einem Aminoglykosid bei neutropenischen Patienten indiziert. Die Verabreichung der Kombinationspartner sollte nicht gleichzeitig, sondern um 4–6 Stunden zeitversetzt erfolgen. Wenn bei einer ungezielten Therapie einer schweren Infektion bei eingeschränkter körpereigener Abwehr eine Beteiligung von Staphylokokken oder Anaerobiern nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Kombination mit Clindamycin oder einem Glykopeptid möglich.

Eine wichtige Indikation ist die Behandlung von Pseudomonas-Infektionen bei der Mucoviscidose.

5) Die Cefoxitin-Gruppe oder Anaerobier-Cephalosporine. Zu dieser Gruppe gehören Cefoxitin und Cefotetan. Gemeinsam ist diesen Cephalosporinen die hochgradige ß-Lactamase-Stabilität einschließlich der ß-Lactamasen, die von Bacteroides fragilis gebildet werden. Deshalb ist eine sehr gute Wirksamkeit gegen Anaerobier gegeben. Resistent sind Pseudomonas und Enterokokken sowie Methicillin-resistente Staphylokokken, Enterobacter und Citrobacter. Gegen Haemophilus ist die Wirksamkeit geringer als die der Cephalosporine der Cefuroxim- und Cefotaxim-Gruppe.

Das klinische Indikationsgebiet umfasst vor allem die ungezielte Therapie von Infektionen, bei denen mit Anaerobiern bzw. einer aerob/anaeroben Mischflora zu rechnen ist. Es sind dies abszedierende Pneumonien, z.B. nach Fremdkörperaspiration, eine Mundbodenphlegmone oder ein Tonsillarabszess. Zur Steigerung der Sicherheit ist die Kombination mit einem Aminoglykosid sinnvoll.

Cefoxitin wird auch gezielt zur Behandlung von Infektionen mit sensiblen Mikroorganismen, die gegen andere Cephalosporine unempfindlich sind, verwendet.

6) Oralcephalosporine der Cefalexin-Gruppe besitzen ein ähnliches Wirkspektrum wie die Cephalosporine der Cefazolin-Gruppe mit guter Wirksamkeit gegen Gram-positive Mikroorganismen und einer relativ bescheidenen Wirksamkeit gegen Gram-negative Bakterien. Sie zeichnen sich durch eine günstige Pharmakokinetik aus und eine nahezu komplette Bioverfügbarkeit. Cephalosporine werden unabhängig von einer gleichzeitigen Nahrungszufuhr resorbiert. Serumkonzentrationen sind bei einer Einzeldosis von 20 mg/kg KG Cefalexin, Cefadroxil 5-mal höher als nach einer äquimolaren Gabe von Amoxicillin.

Cefalexin war das erste Oralcephalosporin mit Aktivität gegen Staphylokokken einschließlich ß-Lactamase-bildender Stämme, jedoch mit Ausschluss der MRSA. Cefalexin ist auch gut gegen Streptokokken, E. coli, Proteus mirabilis und Klebsiella spp. wirksam, gegen Streptokokken ist die Wirksamkeit jedoch um das 10fache schwächer als von Penicillin. Unempfindlich sind Enterokokken und Haemophilus influenzae.

Cefadroxil ist in seinem Wirkspektrum dem Cefalexin ähnlich. Es hat bei einer nahezu kompletten Bioverfügbarkeit eine Halbwertszeit von 1,5 Stunden und kann damit in 2 Tagesdosen verabreicht werden.

Cefaclor wirkt auf Streptokokken und Pneumokokken sowie auf empfindliche Gram-negative Enterobakterien 4- bis 8mal stärker als die übrigen Oralcephalosporine, zudem hemmt Cefaclor auch Amoxicillin-empfindliche und Amoxicillin-resistente Haemophilus influenzae-Stämme. Die Bioverfügbarkeit von Cefaclor beträgt 80%. 60% wird im Harn unverändert ausgeschieden, ein Teil wird im Körper metabolisiert. Die Resorption von Cefaclor wird individuell unterschiedlich durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme beeinflusst, es kommt insbesondere bei Säuglingen zu einer Resorptionseinbuße von bis zu 50%. Die Rate an Nebenwirkungen ist bei Gabe von Cefaclor gering, das Präparat führt in < 3% der Patienten zu gastrointestinalen Nebenwirkungen. Eine vorübergehende Erhöhung von SGOT und SGPT sowie der alkalischen Phosphatase wurde beschrieben. Bemerkenswert ist der gute Geschmack von Cefaclor, der die Compliance erheblich erleichtert.

Loracarbef ist ein synthetisches ß-Lactam-Antibiotikum der Carbacephem-Klasse und wird ausschließlich oral verabreicht. Die antimikrobielle Wirksamkeit entspricht der von Cefaclor, das Präparat ist jedoch gegen Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und einigen Enterobacteriaceae, besonders gegen ß-Lactamase-bildende Stämme, stärker wirksam. Die Bioverfügbarkeit von Loracarbef ist nahezu vollständig, nach einer Einzeldosis von 20 mg/kg KG werden Konzentrationen im Serum von 30 µg/ml erreicht, die Halbwertszeit beträgt 1 Stunde. Die Gewebegängigkeit ist ebenso sehr gut. Im Mittelohrsekret betragen die Wirkstoffkonzentrationen nach 2 Stunden ca. die Hälfte der gleichzeitig gemessenen Serumkonzentrationen von 12–15 µg. Das Präparat wird zu 90% unverändert im Harn ausgeschieden, es findet praktisch keine Metabolisierung statt. Dies hat zur Folge, dass im Gegensatz zu Cefaclor die Stuhlflora weitgehend unbeeinflusst bleibt.

Die Verträglichkeit von Loracarbef ist gut, selten treten Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle auf. Hautrötungen und Exantheme sind selten. Ein serum-krankheitsähnliches Erscheinungsbild mit Ödemen, Gelenkschwellung, Fieber und Hautreaktion wurde beobachtet.

Der klinische Einsatzbereich sind vor allem Infektionen der Luftwege mit empfindlichen Keimen, insbesondere Staphylokokken. Cephalosporine der Cefalexin-Gruppe können als Alternative auch zur Behandlung einer Streptokokkenangina, z.B. bei Penicillinallergie und fehlender Kreuzallergie, verwendet werden, bieten aber sonst keinen Vorteil. Diese Cephalosporine eignen sich auch zur Behandlung von Haut- und Weichteilinfektionen mit einer ß-Lactamase-bildenden Mischflora, z.B. nach einem Hundebiss oder bei großen infizierten Schürfwunden.

7) Oralcephalosporine mit erweitertem Spektrum (Oralcephalosporine III)
Zu dieser Gruppe gehören neben Cefixim (Cephoral, Suprax) und Ceftibuten Prodrugs wie Cefuroxim-Axetil, Cefpodoxim-Proxetil, Cefetamet-Pivotil, die in der Darmwand hydrolysiert werden und nach der Resorption freie Wirkstoffkonzentrationen der einzelnen Präparate im Serum aufscheinen.

Cefixim weist generell eine erheblich stärkere In vitro-Aktivität als Cefalexin und Cefaclor auf. Im Vergleich zu diesen Antibiotika weist Cefixim gegen Haemophilus influenzae eine 6fach stärkere, gegen Streptococcus pyogenes eine 10fach stärkere und gegen Klebsiella und Proteus spp eine 30- bis 50fach stärkere antimikrobielle Wirksamkeit auf. Gegen Enterobacter cloacae, Proteus vulgaris und Morganella morganii ist Cefixim wirksam, während Cefalexin und Cefaclor unwirksam sind. Gegen Pneumokokken ist die Wirksamkeit gleich, gegen Staphylokokken etwas schwächer. Resistent sind MRSA, Penicillin-resistente Pneumokokken, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa, Clostridium difficile und Bacteroides fragilis. Natürlich sind auch intrazelluläre Mikroorganismen wie Mykoplasmen, Chlamydien unempfindlich.

Cefixim zeigt als erster Vertreter dieser Gruppe nur eine ca. 50%ige Bioverfügbarkeit. Nach oraler Gabe von 5 mg/kg KG liegen die Serumkonzentrationen nach 3 Stunden bei 1,5 µg/ml. Die Halbwertszeit beträgt 2,5 Stunden, die Eiweißbindung 65%. Das Präparat wird nur zu 20% renal eliminiert, es finden sich hohe Gallenkonzentrationen. Dies und die unvollständige Resorption führen zu einer erheblichen Störung der Homöostase der Darm- bzw. Stuhlflora und Überwucherung mit Enterokokken, Candida spp und Selektion multiresistenter Enterobakterien.

Cefpodoxim-Proxetil ist ein Resorptionsester des Ceftizoxims, der in der Darmwand vollständig zu aktiven Cefpodoxim hydrolysiert wird. Cefpodoxim ist gegen Streptokokken und Pneumokokken 10-mal wirksamer als Cefaclor, gegen Haemophilus 30-mal wirksamer. Staphylokokken und Moraxella catarrhalis sind gleich gut empfindlich. Cefpodoxim ist gegen Gram-negative Bakterien wesentlich wirksamer als Cefaclor. Unempfindlich sind Pseudomonas aeruginosa, Serratia marcescens, Enterokokken und Bakteroides-Arten sowie Methicillin-resistente Staphylokokken.

Cefpodoxim wird ebenso nicht vollständig resorbiert. Nach Nahrung wird Cefpodoxim etwas besser resorbiert als nüchtern. Maximale Serumkonzentrationen 2 Stunden nach einer Einmalgabe von 5 mg/kg KG betragen 3,5 µg/ml, die Halbwertszeit beträgt 2,5 Stunden. Der Verdacht, dass durch die Unreife der Enzymausstattung der Resorptionsester bei Säuglingen im ersten und zweiten Trimenon schlechter resorbiert würde, konnte nicht bestätigt werden. Das Präparat wird überwiegend renal eliminiert, die Gallenkonzentrationen betragen 3–4 µg/ml. Dadurch, dass das Präparat im Darm nicht antimikrobiell wirksam ist, und die niedrigen Wirkstoffkonzentrationen in der Galle führen zu einer geringen Störung der Stuhlflora, resistente Enterobakterien, Enterokokken und Candida albicans werden kaum selektioniert. Durchfälle kommen gelegentlich, allergische Erscheinungen selten vor.

Cefuroxim-Axetil ist der Azetoxyäthylester von Cefuroxim, der in der Darmwand hydrolysiert wird, wodurch 2 Moleküle freies Cefuroxim im Blut erscheinen. Die Wirksamkeit von Cefuroxim ist unter der Gruppe 2 beschrieben. Das Präparat ist weitgehend ß-Lactamase-stabil und wirkt gegen Pneumokokken, Streptokokken und auch gegen Ampicillin-resistente Haemophilus und Penicillin-resistente Pneumokokken. Auch im Gram-negativen Bereich ist Cefuroxim stärker wirksam als Cefaclor und Cefalexin. Insgesamt ist die Wirksamkeit aber zwischen der von Cefaclor und der von Cefpodoxim-Proxetil anzusiedeln. Resistent sind Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter und MRSA.

Auch bei Cefuroxim-Axetil ist die Resorption unvollständig. Die im Harn wiederentdeckte Wirkstoffmenge beträgt 30–40%, es besteht eine nennenswerte biliäre Exkretion mit Nachweis von Wirkstoffkonzentration im Intestinalsekret und ein Selektionsdruck auf die Stuhlflora.

Cefetamet ist ein Cefotaxim-Derivat, das als Pivaloyl-Oxymethylester nach oraler Gabe resorbiert wird. Das Präparat ist um den Faktor 8–10 stärker wirksam gegen Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae, E. coli, Klebsiella und Yersinien. Die Bioverfügbarkeit ist gut, die im Harn ausgeschiedene Wirkstoffmenge beträgt 50%. Die Halbwertszeit liegt bei 3 Stunden, was eine Einmalgabe ermöglicht. Da keine Saftform existiert, ist dieses Präparat in der Kinderheilkunde nicht eingeführt.

Ceftibuten besitzt ein ähnliches Wirkspektrum wie Cefixim und ist gegen Plasmide- und Chromosomal-vermittelte Plasmiden stabil. Es ist gegen Streptokokken und Haemophilus wirksam, aber gegen Pneumokokken, vor allem aber gegen Staphylokokken weniger wirksam als Cefpodoxim. Der Vorteil von Ceftibuten besteht in der guten Aktivität gegen zahlreiche Enterobacteriaceae. Enterobacter und Serratia sind häufig, Pseudomonas aeruginosa ist immer resistent.

Die Bioverfügbarkeit von Ceftibuten ist gut, die im Harn ausgeschiedene Wirkstoffmenge beträgt 60–70%. Damit eignet sich dieses Präparat zur Behandlung von Harnwegsinfektionen bei Kleinkindern, bei denen eine orale Behandlung möglich erscheint.

Der klinische Einsatz von Oralcephalosporinen III der Cefixim-Gruppe ist breit. Diese Präparate geben eine hervorragende Behandlungssicherheit bei Otitis media, Sinusitis, ambulant erworbener Pneumonie. Auch eine Streptokokkenangina kann bei Penicillin-Überempfindlichkeit mit einem dieser Präparate behandelt werden.

Diese Cephalosporine eignen sich auch sehr gut zur ambulanten Behandlung von schweren Harnwegsinfektionen. Bei Harnwegsfehlbildungen können diese Präparate auch zur Dauerprophylaxe verwendet werden, wenn bereits resistente Mikroorganismen selektioniert wurden. Durch Cefixim wird jedoch regelhaft ein multiresistenter Enterobacter cloacae oder Candida spp. als Reinfektionserreger selektioniert.

Das am besten geeignete Präparat aus dieser Gruppe ist das Cefpodoxim-Proxetil, das vor allem wegen der günstigen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik sehr gute klinische Ergebnisse erbringt, vielfach den Übergang in eine chronisch schwelende Infektion verhindert und die körpereigene Flora am geringsten von allen Breitspektrum-Cephalosporinen beeinträchtigt.

 

Carbapeneme

Die Carbapeneme stellen eine neue Gruppe von ß-Lactam-Antibiotika dar, die sowohl die günstigen Eigenschaften der Breitspektrum-Penicilline als auch der neuen Cephalosporine vereinigen und sich als Monotherapie bei lebensbedrohlichen Infektionen eignen.

Imipenem ist das erste klinisch verfügbare stabile ß-Lactam-Antibiotikum aus der Gruppe der Carbapeneme. Imipenem wird durch Diopeptidasen in der Niere rasch abgebaut und bedarf deshalb eines Inhibitors der renalen Dehydropeptidasen. Durch eine fixe 1:1-Kombination mit dem Cilastatin wird die Hydrolyse von Imipenem in der Niere reduziert und dadurch die Konzentration im Plasma und im Gewebe erhöht. Im Tiermodell wurde beobachtet, dass Cilastatin nicht nur die Nephrotoxizität von Imipenem, sondern auch von Aminoglykosiden und Ciclosporin A vermindert.

Meropenem ist das zweite Antibiotikum aus der Reihe der Carbapeneme mit einem ähnlich breiten Wirkspektrum, aber einer hohen Stabilität gegen Dehydropeptidasen.

Carbapeneme wirken wie alle ß-Lactam-Antibiotika bakterizid durch die Hemmung der Zellwandbiosynthese. Untersuchungen der Absterbekinetik bei Carbapenemen zeigen, dass der MHK-Wert und der MBK-Wert oft identisch, maximal innerhalb von 2 Dilutionen liegen. Es zeigt sich zudem, dass im Gegensatz zu Aminopenicillinen oder Cephalosporinen der Cefuroxim-Gruppe kein Inokulumeffekt zu beobachten ist, d.h. dass der MHK-Wert für ein Inokulum von 107 gleich hoch liegt wie von 105 Keimen/ml. Untersuchungen ergaben weiters, dass

  • die Absterbegeschwindigkeit von Staphylococcus aureus deutlich schneller ist als bei Isoxazolylpenicillinen oder Cephalosporinen der Cefixim-Gruppe,
  • die Absterbegeschwindigkeit von Klebsiella pneumoniae und E. coli ebenso deutlich schneller ist als von Cephalosporinen der Cefotaxim-Gruppe,
  • bei Imipenem nicht die Bildung der bei ß-Lactam-Antibiotika üblichen Filamente beobachtet wird, sondern die sofortige Bildung von Sphäroplasten. Dies erklärt auch die nach Gabe von Imipenem besonders niedrige Konzentration an Endotoxinen. Hohe Konzentrationen von Endotoxin, die im Rahmen einer Infektionsbehandlung mit hohen Keimzahlen freigesetzt werden, führen bei lebensbedrohlich kranken Patienten zu einer weiteren Verschlechterung der Kreislaufsituation, zu vermehrter bakterieller Translokation von Mikroorganismen und deren Antigenen aus dem Darm und einer Beeinträchtigung der Granulozytenfunktion.

Nach Gabe von Meropenem wird die sofortige Sphäroplastenbildung nicht beobachtet, sondern wie bei allen anderen ß-Lactam-Antibiotika die Bildung von Filamenten. Die Absterbegeschwindigkeit von Staphylokokken ist etwas langsamer als nach Gabe von Imipenem, aber schneller als von Cephalosporinen der Cefuroxim-Gruppe.

Carbapeneme besitzen ein außerordentlich breites Wirkspektrum, das alle wichtigen Gram-positiven und Gram-negativen Pathogene, die z.B. bei schweren septischen Infektionen von Früh- und Neugeborenen isoliert werden, umfasst. Carbapeneme sind stabil gegen zahlreiche ß-Lactamasen einschließlich der Extended-Spectrum-ß-Lactamasen (ESBL). Sie besitzen dadurch ein stabiles Wirkspektrum gegen multiresistente Hospitalkeime wie Enterobactercloacae, Serratia, Pseudomonas aeruginosa und Anaerobiern. Bei Pseudomonas wurde allerdings bei vermehrtem Einsatz eine Zunahme der resistenten Stämme beobachtet. Lücken im Spektrum bestehen für Streptococcus faecium, Stenotrophomonas maltophilia und Burkholderia cepacia. Die Wirksamkeit gegen MRSA ist nicht verlässlich.

Imipenem und Meropenem sind schwache ß-Lactamase-Induktoren; durch Bildung zusätzlicher PBPs kann bei Methicillin-resistenten Staphylokokken eine Kreuzresistenz mit anderen ß-Lactam-Antibiotika induziert werden.

Unterschiede im Wirkspektrum zwischen Imipenem und Meropenem bestehen kaum. Meropenem ist etwas stärker gegen Pseudomonas, Imipenem gegen Anaerobier wirksam.

Die Wirkung von Imipenem und Meropenem auf die körpereigene Flora wurde untersucht. Beide Carbapeneme eradizieren bei parenteraler Applikation die physiologische Darmflora, es kommt zur Überwucherung von Enterokokken und Candida spp. Eine Selektionierung multiresistenter Hospitalkeime wie Enterobacter cloacae, Acinetobacter, Serratia wurde nicht beoachtet. Beide Präparate liegen nur zur parenteralen Verabreichung vor.

Die pharmakokinetischen Parameter von Imipenem und Meropenem wurden bei Säuglingen und Kleinkindern, aber auch bei Frühgeborenen unterschiedlichen Reifegrades untersucht.

Pharmakokinetische Untersuchungen nach Einzeldosen und nach Mehrfachdosierung wurden durchgeführt. Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen therapeutische Serumkonzentrationen von Imipenem bei einer Dosierung von 100 mg/kg KG, aufgeteilt auf 3 Tagesdosen, erreicht werden, ist bei sehr unreifen Frühgeborenen (< 30.SSW), aber auch bei Frühgeborenen zwischen der 30. und 36. SSW eine Tagesdosis von 50 mg/kg KG, aufgeteilt auf 2 Dosen, ausreichend. Talspiegel lagen bei Frühgeborenen < 1500 g Geburtsgewicht bei 0,9 µg/ml, bei Frühgeborenen > 1500 g Geburtsgewicht bei 0,64 µg/ml. Die Halbwertszeit beträgt bei Frühgeborenen 3,3 Stunden, bei reifen Neugeborenen 2 Stunden. Ein steady state stellt sich bei Frühgeborenen nach der 5. Dosis, bei reifen Neugeborenen nach der 8. Dosis ein. Ähnliche Ergebnisse von pharmakokinetischen Untersuchungen liegen auch für Meropenem vor.

Unter Berücksichtigung aller Probleme bei der Harngewinnung bei Früh- und Neugeborenen wurden Harnkonzentrationen der Carbapeneme von mindestens 10 µg/ml beobachtet.

Carbapeneme penetrieren gut in den Liquor, man findet bei einer akuten Entzündung 30 Minuten nach der Applikation Liquorkonzentrationen von 10 µg/ml, nach 2–5 Stunden Werte zwischen 3,8 und 5,7 µg/ml und nach 7 Stunden Konzentrationen von 0,4 µg/ml. Carbapeneme werden als Kurzinfusion über 15–30 Minuten intravenös verabreicht.

Die Sicherheit und Verträglichkeit der Carbapeneme ist im Allgemeinen gut. Bei Imipenem wurde eine Herabsetzung der Krampfschwelle im Tierversuch beobachtet. Bei geschädigtem Gehirn, z.B. nach einer eitrigen Meningitis, intrakranieller Blutung, hypoxischer Schädigung bei perinataler Asphyxie, wurden Krampfanfälle beobachtet. Auch die gleichzeitige Gabe von Ganciclovir induziert Krampfanfälle. Bei eitriger Meningitis ist daher Meropenem vorzuziehen.

Der klinische Einsatz von Carbapenemen ist die ungezielte Behandlung schwerer bakterieller Infektionen mit nosokomialen Infektionserregern bei intensiv gepflegten bzw. in ihrer körpereigenen Abwehr eingeschränkten Patienten. Es sind dies intraabdominelle Infektionen, eine Beatmungspneumonie, schwere septische Haut- und Weichteil- sowie postoperative Wundinfektionen. Carbapeneme werden vorzugsweise dann eingesetzt, wenn andere Antibiotika oder Kombinationen bereits versagt haben und ergeben gute Resultate. Die Kombination mit einem Aminoglykosid ist möglich, aber mit Ausnahme von Pseudomonas-Infektionen meist unnötig.

 

Aztreonam

Aztreonam ist das einzige Antibiotikum aus der Gruppe der Monobactame, das sich von den übrigen ß-Lactam-Antibiotika durch die monozyklische Ringstruktur unterscheidet. Aztreonam hat nur einen halben ß-Lactam-Ring. Die Kernstruktur des Aztreonams ist die alpha-Methyl-3-Aminomonobactamsäure, die mit der Seitenkette des Ceftazidims verbunden ist.

Auch Aztreonam hemmt als ß-Lactam-Antibiotikum die bakterielle Zellwandsynthese; die starke Bindung an Penicillin-Bindeprotein 3 erklärt die starke Wirksamkeit im Gram-negativen Bereich. Das Präparat ist sehr stabil gegenüber ß-Lactamasen von Gram-negativen Bakterien.

Aztreonam wirkt gegen fast alle aeroben Gram-negativen Bakterien einschließlich Pseudomonas, nicht aber gegen Anaerobier. Aztreonam wirkt auch gegen Ampicillin-resistente Haemophilus-Stämme. Im Vergleich mit Cefotaxim und Ceftazidim ist Aztreonam vier- bis acht malaktiver bei Klebsiella, Enterobacter, Providencia und Morganella. Gegen Serratia ist Aztreonam vierfach wirksamer als Cefotaxim. Ein Teil der Pseudomonas aeruginosa-, Citrobacter- und Enterobacter-Acinetobacter-Stämme ist resistent. Gegen Burkholderia cepacia und Stenotrophomonas maltophilia ist Aztreonam kaum wirksam. Aztreonam ist vollkommen unwirksam gegen Gram-positive Bakterien. Synergien bestehen mit Aminoglykosiden gegen Pseudomonas aeruginosa. Es besteht keine Kreuzresistenz mit anderen ß-Lactam-Antibiotika. Aufgrund der fehlenden Aktivität gegen Gram-positive Bakterien, Anaerobier und der geringen biliären Ausscheidung ist die Störung der physiologischen Flora der Haut und des Intestinaltrakts weitgehend ausgeschlossen.

Aztreonam wird intravenös als Kurzinfusion über 30 Minuten verabreicht. Die Halbwertszeit liegt zwischen 1,5 und 2 Stunden. Das Präparat wird zu 70% renal ausgeschieden, ein Teil als inaktiver Metabolit. Dadurch sind anhaltend hohe Harnkonzentrationen gewährleistet. Die biliäre Ausscheidung ist gering, die Liquorgängigkeit ist im akuten Stadium mit 15% der gleichzeitig gemessenen Serumkonzentration ausreichend, nach Abklingen der Entzündung ist die Liquorpenetration schlecht.

Klinische Indikation von Aztreonam sind komplizierte Harnwegsinfektionen mit multiresistenten Keimen nach zahlreichen Vorbehandlungen und urodynamischen Problemen wie Fehlbildungen, Obstruktionen, Blasenentleerungsstörungen. Auch bei der ungezielten Behandlung schwerer septischer Infektionen bei eingeschränkter körpereigener Abwehr ist Aztreonam – in Kombination mit Clindamycin oder einem Glykopeptid, um die Lücke im Gram-positiven Bereich zu schließen – indiziert. Aztreonam eignet sich zur Behandlung von pulmonalen Exacerbationen durch Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia bei Mucoviscidose. Ein besonderer Vorteil ist die fehlende Kreuzallergie mit anderen ß-Lactam-Antibiotika, sodass das Präparat bei Penicillin- und Cephalosporinallergie verabreicht werden kann.

Das Spektrum der Nebenwirkungen entspricht dem der anderen ß-Lactam-Antibiotika. Ein besonderer Vorteil ist die fehlende Kreuzallergie mit anderen ß-Lactam-Antibiotika, das Präparat kann bei Penicillin- und Cephalosporinallergie verabreicht werden. Trotzdem sind Überempfindlichkeitsreaktionen und allergische Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie möglich.

Selten wird ein passagerer Anstieg der Prothrombin- und partiellen Thromboplastinzeit beobachtet. In Einzelfällen tritt eine Anämie und Thrombopenie auf. Der Arginingehalt im Aztreonam erhöht bei kleinen Frühgeborenen die Serumkonzentration von Arginin.

 

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Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. J. Peter Guggenbichler
Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
D-91054 Erlangen, Loschgestraße 15
E-Mail: prof.guggenbichler@gmx.de


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