Einleitung 
                Influenza 
                  A- und B-Viren gehören zu den wichtigsten Pathogenen des 
                  Menschen. Influenzavirus-Infektionen treten regelmäßig 
                  in den Wintermonaten in epidemischer Form auf und verursachen 
                  hoch fieberhafte Erkrankungen bei ca. 20% der Kinder und 5% 
                  der Erwachsenen [1, 2].
                 Ein 
                  charakteristisches Merkmal der Influenzaviren ist, dass sie 
                  starken Veränderungen unterworfen sind, von denen vor allem 
                  die beiden an der Virusoberfläche gelegenen Antigene, das 
                  Hämagglutinin (HA) und die Neuraminidase (NA) betroffen 
                  sind. Kontinuierliche Veränderungen werden als Antigen-Drift 
                  bezeichnet und kommen sowohl bei Influenza A- als auch bei Influenza 
                  B-Viren vor. Diese Antigen-Drift ist die Ursache dafür, 
                  dass Influenzavirus-Infektionen keine lang anhaltende Immunität 
                  hinterlassen und, dass es daher immer wieder zu Reinfektionen 
                  und jährlichen Epidemien kommt. Plötzliche und drastische 
                  Veränderungen, die als Antigen-Shift bezeichnet werden, 
                  konnten bis jetzt nur bei Influenza A-Viren beobachtet werden 
                  und treten in unvorhersehbaren Intervallen auf. Wenn solche 
                  so drastisch veränderte Virusvarianten die Fähigkeit 
                  besitzen effizient von Mensch zu Mensch übertragen zu werden, 
                  kann es zu ausgedehnten Epidemien und in weiterer Folge zu einer 
                  Pandemie kommen. Dies geschah nach dem derzeitigen Kenntnisstand 
                  in der Geschichte des Influenzavirus bisher zweimal und verursachten 
                  die Pandemien von 1958 und 1968.  
                Die 
                  starke genetische Variabilität der Influenzaviren stellt 
                  vor allem für die Produktion effizienter Impfstoffe ein 
                  erhebliches Problem dar [3-11]. Da die Wirksamkeit der Influenzaimpfung 
                  in erster Linie von der Ähnlichkeit der in den Impfstoffen 
                  enthaltenen Stämme mit den tatsächlich zirkulierenden 
                  Viren abhängt, muss die Impfstoffzusammensetzung jährlich 
                  neu angepasst werden [12-14]. 
                Aus 
                  diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein weltweites 
                  Netzwerk von Referenzlaboratorien für die Charakterisierung 
                  zirkulierender Influenza-Stämme etabliert und basierend 
                  auf den Daten dieses Überwachungssystems wird die Empfehlung 
                  betreffend die aktuelle Impfstoffzusammensetzung für die 
                  nördliche Hemisphäre jährlich im Februar abgegeben. 
                   
                Um 
                  die Aufgaben eines Referenzlabors der WHO in Österreich 
                  erfüllen zu können, hat das Institut für Virologie 
                  der Medizinischen Universität Wien unterstützt von 
                  Roche-Austria das Diagnostische Influenza Netzwerk Österreich 
                  (DINÖ) in der Wintersaison 2000/2001 ins Leben gerufen. 
                  Das DINÖ ist ein Sentinella-System, an dem wenige ausgewählte 
                  niedergelassene Ärzte in allen Bundesländern mitarbeiten 
                  und Proben (Nasen-Rachenabstriche) von selektionierten Patienten 
                  mit akuten Influenza-ähnlichen Symptomen einsenden. Die 
                  labordiagnostische Absicherung der klinischen Verdachtsdiagnose 
                  Influenza erfolgt durch den Nachweis von Influenzaviren in den 
                  Nasen-Rachenabstrichen mittels molekularbiologischer (RT-PCR) 
                  Methoden und der Virusisolierung in Zellkultur. Art und Ausmaß 
                  der Veränderung der zirkulierenden Virusstämme wird 
                  durch antigene und genetische Charakterisierung ihrer Oberflächenglykoproteine 
                  bestimmt [15].  
                Die 
                  im Rahmen des DINÖ eingesendeten und untersuchten Proben 
                  repräsentieren eine Stichprobe, die österreichweit 
                  das Auftreten der Influenza-Viren erfasst und deren genaue Typisierung 
                  ermöglicht. Durch die Analyse dieser Daten kann eine rasche 
                  Aussage über die Wirksamkeit der für die jeweilige 
                  Saison verfügbaren Impfstoffe gemacht werden. 
                Abbildung 
                  1: Neuerkrankungen an Grippe/grippalem Infekt und die 
                  Gesamtanzahl an positiven Virusnachweisen pro Woche während 
                  der 4 analysierten Saisonen 
                  
                Abbildung 
                  1 gibt einen Überblick über die Daten von 4 Influenza-Saisonen 
                  (2003/04 bis 2006/07) in Österreich. Die Auswertung der 
                  virologischen Ergebnisse gemeinsam mit den epidemiologischen 
                  Daten der Magistratsabteilung 15 der Stadt Wien ermöglichen 
                  den Beginn, das Ausmaß und das Ende der alljährlichen 
                  Grippewelle sehr genau zu erfassen. In allen untersuchten Saisonen 
                  konnte bereits einige Wochen vor dem für Influenzawellen 
                  charakteristischen signifikanten Anstieg der Erkrankungszahlen 
                  an Grippe/grippalem Infekt sporadische Fälle von Influenzavirus-Infektionen 
                  nachgewiesen werden. 
                Die 
                  jeweils dominierenden Stämme, die neu aufgetretenen Drift-Varianten 
                  und die Übereinstimmung der zirkulierenden Stämme 
                  mit den für die entsprechende Saison empfohlenen Impfstämmen 
                  sind in Tabelle 1 zusammengefasst.  
                Tabelle 
                  1: Gegenüberstellung der zirkulierenden Influenzaviren 
                  zu den verwendeten Impfstämmen der jeweiligen Grippesaison 
                  
                In 
                  der Saison 2003/04 startete die Influenzavirusaktivität 
                  in Kalenderwoche 2 und diese Grippewelle kann sowohl was ihre 
                  Dauer von 9 Wochen, als auch das Ausmaß und die Schwere 
                  der Erkrankungen betrifft, als durchschnittlich bezeichnet werden. 
                  Der Höhepunkt der Neuerkrankungen wurde in den Kalenderwochen 
                  4 bis 6 verzeichnet, wobei alle Influenzaerkrankungen in dieser 
                  Saison durch den Subtyp A/H3N2 verursacht wurden. Die genaue 
                  Stammanalyse ergab, dass überwiegend A/H3N2-A/Wyoming/3/03-ähnliche 
                  Stämme zirkulierten. Im Impfstoff für diese Saison 
                  war jedoch A/Panama/2007/99 (H3N2) enthalten, wodurch die Impfung 
                  keinen optimalen Schutz gegen die tatsächlich zirkulierenden 
                  Stämme bieten konnte. Darüber hinaus zeigte die genaue 
                  Genotypisierung das zusätzliche Auftreten von neuen A/H3N2-Drift-Varianten, 
                  die bereits eine große Ähnlichkeit mit dem in der 
                  folgenden Saison zirkulierenden A/H3N2-Stamm aufwiesen. 
                Diese 
                  folgende Saison (04/05) war für Virologen besonders interessant, 
                  da beide Typen, mehrere Subtypen und Stämme gleichzeitig 
                  zirkulierten, wobei zwei Drittel der Erkrankungen durch Influenza 
                  A- und ein Drittel durch Influenza B-Viren verursacht wurden. 
                  Zusätzlich konnte bei den Influenza A-Viren auch eine Ko-Zirkulation 
                  der beiden Subtypen A/H3N2 (67%) und A/H1N1 (33%) nachgewiesen 
                  werden. Wenn man bedenkt, dass in der Regel nur ein Stamm eines 
                  Subtyps dominiert, ist es nicht weiter verwunderlich, dass während 
                  dieser Grippewelle bis zu 30 000 Neuerkrankungen an Grippe/grippalem 
                  Infekt pro Woche zu verzeichnen waren. 
                Die 
                  Daten der Stammcharakterisierungen ergaben, dass die zirkulierenden 
                  Influenza A/H1N1-Viren (A/New Caledonia/20/99-like) und Influenza 
                  B-Viren (B/Jiangsu/10/2003-like) den in den Impfstoffen für 
                  diese Saison enthaltenen Impfstämmen entsprachen, dass 
                  jedoch die A/H3N2-Komponente der Impfstoffe (A/Wyoming/3/03) 
                  nicht ideal mit den tatsächlich zirkulierenden A/H3N2 A/California/7/2004-ähnlichen 
                  Viren übereinstimmte. Auch in dieser Saison konnte wieder 
                  das Neuauftreten einer A/H3N2-Drift-Variante (A/Wisconsin/67/05) 
                  nachgewiesen werden, die dann den Großteil der Influenzavirus-Infektionen 
                  der darauffolgenden Saison verursachte. Diese (2005/06) war 
                  durch ihren späten Beginn in der Kalenderwoche 7 und eine 
                  ungewöhnlich lange Dauer von ca. 10 Wochen gekennzeichnet. 
                  Besonders auffällig war dabei jedoch, dass der epidemische 
                  Schwellenwert von 10000 – 12000 Neuerkrankungen an Grippe/grippalem 
                  Infekt pro Woche nur marginal überschritten wurde. Wie 
                  im Jahr zuvor, konnte auch in dieser Saison die Ko-Zirkulation 
                  von Influenza A-(73%) und Influenza B-Viren (27%) beobachtet 
                  werden. Trotz der klinisch moderaten Situation konnten dennoch 
                  mittels der laufend durchgeführten Genotypisierungen vier 
                  verschiedene zirkulierende Varianten des Influenza A-Virus identifiziert 
                  werden. Zwei davon (A/NewCaledonia/20/99 (H1N1) und A/California/7/2004 
                  (H3N2)) entsprachen den für diese Saison konzipierten Impfstämmen, 
                  wobei letzterer gemeinsam mit dem bereits in der Vorsaison als 
                  Drift-Variante aufgetretenen A/Wisconsin/67/05(H3N2) die dominierenden 
                  Stämme dieser Saison waren. Zusätzlich konnte noch 
                  im Verlauf dieser Grippewelle eine neu aufgetretene A/H3N2-Drift-Variante 
                  als vierter zirkulierender Influenza A-Stamm identifiziert werden. 
                   
                Die 
                  Stammcharakterisierung der Influenza B-Viren ergab hingegen, 
                  dass von Beginn an ein neuer Influenza B-Virusstamm (B/Malaysia/2506/04) 
                  zirkulierte, der sich von dem im Impfstoff enthaltenen (B/Shanghai/361/2002) 
                  signifikant unterschied.  
                Die 
                  Influenzasaison 2006/07 startete in der Kalenderwoche 5 und 
                  dauerte ca. 8 Wochen. Sie wurde von Influenza A/H3N2-Viren dominiert 
                  und es konnten nur einige wenige Influenza A/H1N1- und Influenza 
                  B-Viren nachgewiesen werden. Die genaue genetische Analyse der 
                  zirkulierenden Stämme ergab, dass der Großteil der 
                  Erkrankungen von Influenza A/Wisconsin/67/05-ähnlichen 
                  (H3N2) Viren verursacht worden war, die den in den Impfstoffen 
                  für diese Saison enthaltenen Influenza A/H3N2-Stamm sehr 
                  ähnlich waren. Zusätzlich konnte auch die bereits 
                  in der Vorsaison aufgetretene A/H3N2-Drift-Variante (A/Brisbane/10/07) 
                  wieder nachgewiesen werden. Die nur sehr sporadisch vorkommenden 
                  A/H1N1-Erkrankungen wurden durch eine Drift-Variante des H1N1-Virus 
                  verursacht (A/Solomon Island/3/2006-like), die durch den im 
                  Impfstoff enthaltenen Stamm A/NewCaledonia/20/99 nicht abgedeckt 
                  war. 
                Die 
                  Daten dieser vier Saisonen zeigen sehr deutlich die komplexe 
                  Dynamik der sich kontinuierlich verändernden Influenzaviren, 
                  die nur durch den Einsatz hochsensitiver antigener und genetischer 
                  Charakterisierungsmethoden erfasst werden kann und unterstreichen 
                  die Bedeutung der virologischen Überwachung für die 
                  Entwicklung möglichst wirksamer Impfstoffe.   
                 |