Therapie der Influenzavirus-Infektion

Ch. Steininger
Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien


Schlüsselwörter:
Antivirale Therapie, Influenza, respiratorische Virusinfektion, Epidemie, Pandemie


Zusammenfassung

Die effektive Prävention und Therapie der epidemischen und pandemischen Influenzavirus-Infektion ist von hoher klinischer und sozioökonomischer Relevanz. M2-Kanal-Blocker (Amantadin und Rimantadin) wurden über mehrere Jahrzehnte für diese Indikation verwendet. Unter Therapie kam es jedoch rasch zu Resistenzentwicklung, reversiblen, zentralnervösen Nebenwirkungen und diese Substanzen waren nur gegen Influenza A-Viren wirksam. Die Neuraminidase-Inhibitoren (Oseltamivir und Zanamivir) lösten die M2-Kanal-Blocker in der medikamentösen Prävention und Therapie der epidemischen Influenza wegen eines günstigeren Nebenwirkungsprofils und Wirksamkeit auch gegen Influenza B-Viren ab. Allerdings wäre Amantadin in der Prävention und Therapie in Kombination mit Neuraminidase-Inhibitoren sowie als Reservemedikament erwägenswert.


Key-words:
Antiviral therapy, influenza, respiratory virus infection, epidemic, pandemic


Summary

Effective prevention and therapy of epidemic and pandemic influenzavirus infections is of high clinical and socioeconomic relevance. The M2-channel-blockers (Amantadin and Rimantadin) were used for several decades for prevention and treatment of influenza. Nevertheless, resistant influenza strains emerged rapidly and central-nervous sideeffects were commonly associated with this antiviral therapy. The neuraminidase-inhibitors (Oseltamivir and Zanamivir) replaced the M2-channel-blockers for the prevention and treatment of epidemic influenza due to the low incidence of sideeffects and effectiveness also against influenza B viruses. M2-channel-blockers may be considered as second line drugs in the case of pandemic influenza.



Einleitung

Influenzavirus-Infektionen haben eine große klinische, als auch sozioökomomische Bedeutung. Prävention und effektive Therapie sind daher von großem individuellen und öffentlichem Interesse. Die beste präventive Maßnahme vor einer epidemischen Influenzavirus-Infektion, eine aktive Schutzimpfung, wird in Österreich schlecht angenommen – die jährlichen Impfraten liegen sogar unter dem ohnehin niedrigen europäischen Durchschnitt von rund 20%. Eine antivirale, medikamentöse Prävention und Therapie hat neben Resistenzentwicklung und Nebenwirkungen Nachteile, die bei Verordnung der entsprechenden Präparate bedacht werden muss.

Die antivirale Therapie muss spätestens innerhalb von 48 Stunden nach Erkrankungsbeginn begonnen werden, um einen messbaren Therapieerfolg zu erzielen. Die höchsten Virusmengen werden in respiratorischen Sekreten unmittelbar nach Beginn der klinischen Symptomatik gemessen, so dass zu diesem Zeitpunkt auch die maximale Wirkung erzielt werden kann. Die Diagnose einer Influenzavirus-Infektion und damit die Indikationsstellung für eine antivirale Therapie ist mittels Laboruntersuchung in der Regel nicht innerhalb dieses Zeitraums möglich. Die Entscheidung für oder gegen eine antivirale Therapie muss daher auf der klinischen Diagnose basieren, die eine Sensitivität von ~60–75% und Spezifizität von ~55% während der Influenza-Saison erreicht [1]. Ein beträchtlicher Anteil von Patienten mit grippalem Infekt anderer Genese wird daher unnötigerweise antivirale und antibakterielle Substanzen erhalten. Die Wichtigkeit der jährlichen aktiven Immunisierung gegen die epidemische Influenza kann daher nicht ausreichend betont werden.

 

Epidemische Influenza

M2-Kanal-Blocker
Amantadin und Rimantadin wirken durch die Blockade des viralen M2-Proteinionenkanals von Influenza A-Viren (Tabelle 1). Das M2-Protein ist essentiell für die Freisetzung der viralen Nukleinsäure und die Regulation des intrazellulären pH-Werts. Insbesondere Amantadin wurde über rund 30 Jahre für die Prävention und Therapie von Influenzavirus-Infektionen angewandt. M2-Inhibitoren haben jedoch mehrere entscheidende Nachteile. Sie wirken ausschließlich gegen Influenza A-Viren, weil Influenza B-Viren die entsprechende Zielstruktur, das Matrixprotein M2, nicht besitzen und es treten unter Therapie rasch resistente Influenzastämme auf. Amantadin und Rimantadin verkürzen die Influenza-Erkrankung um einen Tag, beeinflussen aber nicht die Dauer der Virusausscheidung oder den Verlauf einer asymptomatischen Influenzavirus-Infektion [2]. Amantadin wird auch in der Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt. In Analogie sind primär reversible, zentralnervöse Nebenwirkungen zu erwarten, mit Schlaflosigkeit, Benommenheit, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Diese Nachteile limitierten wesentlich den klinischen Einsatz. Seit der Entwicklung modernerer Substanzen (Neuraminidase-Inhibitoren) ist der Einsatz von M2-Inhibitoren für die saisonale Influenza obsolet geworden und sollte nur in einer Influenza-Pandemie erwogen werden.

Tabelle 1: Antivirale Medikamente mit Wirksamkeit gegen Influenzaviren

Neuraminidase-Inhibitoren
Neuraminidase-Inhibitoren wirken ausschließlich gegen Influenza-Viren, aber im Gegensatz zu M2-Blockern ebenfalls auf Influenza B-Viren und Vogelgrippe-Viren (Tabelle 1). Zanamivir ist ein inhalativer Neuraminidase-Inhibitor, der kaum Nebenwirkungen hat. Wegen der Gefahr eines Bronchospasmus ist dieses Medikament nicht für den Einsatz bei Patienten mit bekannter Hyperreagibilität des Bronchialssystems (Asthmatiker) zugelassen. Durch die inhalative Applikation ist eine ausreichende Wirkstoffzufuhr bei Patienten ohne entsprechender Inhalationstechnik zweifelhaft [3].

Oseltamivir kann oral appliziert werden und ist für die Behandlung der Virusgrippe ab dem 1. Lebensjahr zugelassen (Tabelle 2). Oseltamivir verkürzt die Dauer einer Influenzaerkrankung im Median um 36 Stunden [4], führt zu einer deutlichen Reduktion der bakteriellen Komplikationen trotz reduziertem Antibiotika-Gebrauch und der Hospitalisierungsrate [5]. Die Therapie sollte jedenfalls innerhalb der ersten zwei Tage nach Auftreten der Symptome einer Influenza begonnen werden. Im Falle einer Influenza-Pandemie ist ebenfalls mit einer wesentlichen Reduktion von Hospitalisierungen und Mortalität durch den Einsatz von Oseltamivir auszugehen [6]. Mathematische Modelle sprechen für eine Prävention oder zumindest deutliche Verzögerung einer entstehenden Pandemie durch den großflächigen Einsatz einer Chemoprophylaxe [7, 8]. Die Effizienz von Oseltamivir zur Prävention der saisonalen Influenza beträgt jedoch nur 61–73% [9]; bei der Prävention von Komplikationen des unteren Respirationstrakts ist sie aber signifikant höher als mit Placebo [9].

Tabelle 2: Dosierung antiviraler Medikamente mit Wirksamkeit gegen Influenzaviren (Österreich)

Eine Resistenz gegenüber Oseltamivir wurde bisher sehr selten in klinischen Isolaten beobachtet. In klinischen Studien zur Wirksamkeit von Oseltamivir waren weniger als 1% aller klinischen Isolate resistent. Suboptimale Dosierung und Dauer der antiviralen Therapie kann jedoch rasch zur Entwicklung einer antiviralen Resistenz führen. In zwei klinischen Studien wurden Kleinkinder mit Influenza A-Virusinfektion mit einer vergleichsweise geringen Dosis von Oseltamivir behandelt und es wurde eine Resistenzentwicklung bei rund 16% der behandelten Patienten beobachtet. In einer weiteren Studie trat eine Resistenz gegenüber Oseltamivir in rund 25% der Patienten mit A/H5N1-Infektion auf [10]. N1-Influenzaviren mit His274 Tyr-Mutation sind hochresistent gegenüber Oseltamivir, aber auch deutlich geringer Replikations-kompetent und weiterhin sensitiv gegenüber Zanamivir [11,12].

 

Pandemische Influenza

Die Neuraminidase-Inhibitoren Oseltamivir und Zanamivir sind nicht nur gegen Influenza A-Viren wirksam, sondern auch Influenza B-Viren und Vogelgrippe-Viren, und haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil, sodass primär diese Medikamente in allen nationalen Pandemieplänen für die Therapie und Chemoprophylaxe in einer Influenza-Pandemie aufgeführt werden. Im Falle einer Influenza-Pandemie ist eine wesentliche Reduktion von Hospitalisierungen und Mortalität durch den Einsatz von Neuraminidase-Inhibitoren zu erwarten [6]. Mathematische Modelle sprechen für eine Prävention oder zumindest deutliche Verzögerung einer entstehenden Pandemie durch den großflächigen Einsatz einer wirksamen Chemoprophylaxe [7, 8]. Die Effizienz von Oseltamivir zur Prävention der saisonalen Influenza beträgt jedoch nur 61–73% [9]. Eine antivirale Resistenzentwicklung unter Therapie mit Neuraminidase-Inhibitoren bzw. Zunahme der resistenten Influenzastämme während einer Pandemie könnte die Wirksamkeit dieser Substanzklasse weiter reduzieren.

Eine Resistenz gegenüber Oseltamivir wurde bisher sehr selten in klinischen Isolaten beobachtet. In klinischen Studien zur Wirksamkeit von Oseltamivir waren weniger als 1% aller klinischen Isolate resistent. In einer Pandemie-Situation ist mit einer deutlich höheren Resistenzrate zu rechnen, als bisher in kontrollierten klinischen Studien beobachtet wurde. Der großflächige Einsatz antiviraler Medikamente, wie von Nationalen Pandemieplänen vorgesehen, und die große Anzahl an Influenzaerkrankungen während einer Pandemie macht selbst eine Resistenzrate von ~1% klinisch relevant und erhöht gleichzeitig den Selektionsdruck auf sensible Influenzastämme. Suboptimale Dosierung und Dauer der antiviralen Therapie, z. B. durch Knappheit der antiviralen Medikamente oder Selbstmedikation durch Laien, kann die Resistenzentwicklung zusätzlich fördern. In zwei klinischen Studien wurden Kleinkinder mit Influenza A-Virusinfektion behandelt und eine Resistenzentwicklung bei rund 16% der behandelten Patienten beobachtet [10, 13]. Als wahrscheinlichste Ursache wurde eine zu niedrige Dosierung des Neuraminidase-Inhibitors identifiziert – die Dosierung wurde nicht ausreichend an das Körpergewicht angepasst [10].

Klinische Isolate mit Resistenz gegenüber Neuraminidase-Inhibitoren waren bisher deutlich geringer Replikations-kompetent in vitro als Wildvirus-Stämme [11, 12]. Die Fitness eines pandemischen, Oseltamivir-resistenten Influenzastammes lässt sich jedoch nicht vorhersagen. Nationale Pandemiepläne sollten daher Alternativen für den Fall Replikations-kompetenter, Oseltamivir-resistenter Influenzastämme enthalten. In der Behandlung und Prävention Oseltamivir-resistenter Stämme erscheint die Kombination mit Amantadin wegen unterschiedlicher Wirkmechanismen theoretisch sinnvoll. Im Mausmodell zeigte die Kombination eine bessere Wirksamkeit im Schutz vor einer Influenzavirus-Erkrankung als die jeweilige Einzelsubstanz [14] und in der Prävention einer Resistenzentstehung [15]. Daten aus kontrollierten klinischen Studien liegen für die Wirksamkeit der Kombinationstherapie derzeit keine vor. Im Gegensatz zum aktuellen österreichischen Pandemieplan wird z. B. im deutschen Pandemieplan dieser Unsicherheit Rechnung getragen und nicht von der Verwendung von Amantadin abgeraten (siehe www.rki.de). Allerdings verfügen nur in wenigen europäischen Ländern Amantadin-enthaltende Antiparkinsonarzneimittel über die Zusatzindikation Therapie und Prophylaxe der Influenza A-Virusgrippe (ab dem 5. Lebensjahr), da diese Teilindikation in einigen Mitgliedsstaaten der EU zurückgezogen wurde.

 

Symptomatisch-supportive und adjuvanteTherapie

Glucocorticoide
Die Datenlage zur Gabe von Glucocorticoiden bei viralen Infektionen des unteren Respirationstrakts ist derzeit heterogen. Eine Meta-Analyse zeigte einen positiven Effekt von Steroiden auf den Verlauf einer Influenza A-Virus-Pneumonie [16]. Eine Verdoppelung der Dosis inhalativer Steroide bei akuter Exazerbation eines Asthma bronchiale und eine systemische Kortisontherapie bei Kindern mit akuter viraler Bronchiolitis erbrachten keinen nachweisbaren positiven Effekt [17, 18, 19]. Ein Schutz vor Exazerbationen eines Asthma bronchiale konnte bei Schulkindern mit moderaten Dosen eines inhalativen Steroids (400 µg Beclomethason täglich) nicht erzielt werden [20, 21]. Der Einsatz von Kortikosteroiden in der Prävention und Therapie einer viralen Erkrankung des unteren Respirationstrakts bleibt insgesamt kontrovers diskutiert, scheint aber bei der Therapie der Influenzavirus-Infektion und viralen Pneumonie positive Effekte zu erzielen.

Antiobstruktive Therapie in der akuten viralen Erkrankung
Bronchodilatoren sind ein wichtiger Bestandteil in der antiobstruktiven Therapie der infekt-exazerbierten COPD. Die Verwendung von Bronchodilatatoren bei der Bronchiolitis wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Eine Meta-Analyse bisheriger Studien fand keinen eindeutigen Benefit, während eine andere Meta-Analyse minimale, kurzzeitige Verbesserungen der klinischen Symptomatik nachwies [22]. In letzterer Studie zeigte sich nur bei einem von vier mit Bronchodilatatoren behandelter Kinder eine vorübergehende Besserung der klinischen Symptomatik. Bronchodilatatoren werden daher nicht routinemäßig in der Therapie der Bronchiolitis eingesetzt [23]. Die empirisch-probatorische Therapie mit a-adrenergen oder b-adrenergen Medikamenten ist eine Option, die jedoch nur bei raschem klinischen Erfolg fortgeführt werden sollte. Inhalationen mit warmer, angefeuchteter Luft zeigten in drei klinischen Studien einen Benefit bei Infektionserkrankungen der oberen Atemwege, während drei weitere Studien diese Resultate nicht bestätigen konnten [24]. Studien zur viralen Infektion der unteren Atemwege liegen nicht vor.

Vitamine, Echinacea und Hühnersuppe
Die Einnahme von Nahrungsergänzungen zur Stärkung des Immunsystems ist en vogue. Die Wirksamkeit konnte allerdings nur in Ausnahmen bewiesen werden. Vitamin C reduzierte in einer klinischen Studie die Inzidenz und Krankheitsdauer oberer Atemwegsinfektionen [25]. Vitamin A-Defizienz ist ein bekannter Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Maserninfektion. In einer Meta-Analyse zeigte die Gabe von Vitamin A in zwei Einzeldosen eine signifikant reduzierte Pneumonie-assoziierte Letalität bei Kindern unter dem 2. Lebensjahr [26]. Patienten mit Pneumonien durch andere virale Erreger profitierten nicht von der Gabe von Vitamin A [27]. Die Wirksamkeit anderer Substanzen in der traditionellen Volksmedizin konnte in klinischen Studien nicht bestätigt werden. Echinacea hatte keine messbaren Effekte auf Rhinovirusinfektionen in sorgfältig geplanten Studien [28]. Die Gabe von Zink hatte keinen Einfluss auf Infektionen der oberen Atemwege [29] und zur Einnahme von Hühnersuppe kann derzeit nur auf Basis kulinarischer Erfahrungswerte angeraten werden.

 

Literatur

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12. Mishin VP, Hayden FG, Gubareva LV. Susceptibilities of antiviral-resistant influenza viruses to novel neuraminidase inhibitors. Antimicrob Agents Chemother 2005; 49:4515-20.
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14. Masihi KN, Schweiger B, Finsterbusch T, Hengel H. Low dose oral combination chemoprophylaxis with oseltamivir and amantadine for influenza a virus infections in mice. J Chemother 2007; 19:295-303.
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29. Marshall I. Zinc for the common cold. Cochrane Database Syst Rev 2000;CD001364.

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Christoph Steininger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin.Abt. für Infektionen und Tropenmedizin
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: christoph.steininger@meduniwien.ac.at


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