Fast
jedes Jahr sind wir in der kalten Jahreszeit mit einer Grippewelle
konfrontiert, die durch verschiedene Varianten des Influenza A-
oder B-Virus verursacht wird und weltweit geschätzten 250.000bis
500.000 Menschen das Leben kostet. Diese sogenannte 'Saisonale Influenza'
wird durch sich ständig verändernde Varianten des Influenza-Virus
verursacht, die zwar ein ähnliches Erkrankungsbild verursachen,
aber eine veränderte Antigenstruktur haben. Anders als bei relativ
stabilen Viren wie Mumps, Masern, Röteln, Polio, FSME, Hepatitis
A oder Hepatitis B, ist diese für das Influenza-Virustypische 'Antigen-Drift'
eine enorme Herausforderung für die Impfstoffhersteller. Jedes Jahr
muss ein neuer Cocktail gemischt werden, von dem angenommen wird,
dass er möglichst gut mit den tatsächlich in der nächsten Saison
zirkulierenden Viren übereinstimmen wird.
Neben der
im Wesentlichen vorhersehbaren Belastung durch die saisonalen Influenza-Epidemien
wird die Welt jedoch auch durch die Möglichkeit des Entstehens
eines völlig neuen Influenza-Virus und eine dadurch ausgelöste
Pandemie bedroht. Die Geschichte der Influenza zeigt vor allem am
Beispiel der Spanischen Grippe, dass diese Gefahr real ist und zum
Tod von zig Millionen Menschen führen kann. Wie die Vergangenheit
zeigt können neue Pandemie-Viren aus dem riesigen tierischen
Reservoir des Influenza-Virus (vor allem bei Vögeln) generiert
werden. Obwohl es ein wenig an öffentlicher Aufmerksamkeit
verloren hat, ist das H5N1-Vogelinfluenza-Virus nach wie vor jener
Hauptverdächtige, dem am ehesten die Rolle eines Ahnherrn für
ein neues Pandemie-Virus zugetraut wird. Dieses H5N1-Virus hat weltweit
bisher mindestens 357 Menschen infiziert, und mehr als die Hälfte
davon sind an den Folgen der Infektion verstorben. Es handelt sich
somit bereits jetzt um ein für den Menschen hochpathogenes
Virus, dem allerdings glücklicherweise – zumindest vorläufig
noch – die Fähigkeit fehlt, effizient von Mensch zu Mensch
übertragen zu werden. Wann und ob überhaupt aus H5N1 tatsächlich
ein neues Pandemie-Virus entsteht, kann niemand voraussagen. Die
Gefahr wird jedenfalls ernst genommen und ist die treibende Kraft
für neue technologische Entwicklungen bei Impfstoffen, antiviralen
Medikamenten, neuen virologischen Analysemethoden und vorbereitenden
organisatorischen Maßnahmen im öffentlichen Gesundheitssystem
(Pandemiepläne). All diese neuen Instrumentarien helfen uns
bereits jetzt bei der Bewältigung der saisonalen Influenza-Epidemien,
und die Welt wird auch im Fall einer neuerlichen Pandemie mit Sicherheit
wesentlich besser gerüstet sein, als das bei der Spanischen
Grippe der Fall war.
Univ.-Prof. Dr.
Franz X. Heinz
Institut für Virologie,
Medizinische Universität Wien |