Ein Konferenzbesuch in USA – keine gute Idee

A. Dunky, W. Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien


Schlüsselwörter:
CA-MRSA aus USA, Linezolid


Zusammenfassung

Ein Kollege mit einem nach Trauma entstandenem Ulkus am Unterschenkel besuchte einen Kongress für Rheumatologie in Washington D.C.

Nach der Rückkehr kam es zur enormen Vergrößerung des Ulkus, was schlussendlich nach mehreren Monaten zur plastischen Deckung des Ulkus führte. Als Erreger konnte ein CA-MRSA isoliert werden. Die Therapie mit Vancomycin war erfolglos, erst eine Therapie mit Linezolid führte zum Erfolg.


Key-words:
CA-MRSA from the US, linezolid


Summary

A rheumatologist developed a small ulcer after a minimal trauma. He than visited a congress in Washington D.C. Afterwards the ulcer became necrotic and plastic surgery had to be performed after 5 months. CA-MRSA was isolated. Vancomycin showed no effect, the patient recovered by treatment with linezolid.



Einleitung

Staphylococcus aureus ist ein häufiger Krankheitserreger, gegen den eine Vielzahl von Antibiotika wirksam ist. Anders ist das bei den so genannten MRSA (Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus), gegen die Betalaktame, Aminoglykoside und Makrolide unwirksam sind.

MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken) sind als Ursache für komplizierte, spitalerworbene Infektionen in Kliniken bekannt. Meist trifft es Kranke mit einer langen Vorgeschichte an Hospitalisationen, Interventionen und Antibiotikatherapien.

Seit einigen Jahren macht eine epidemiologisch „junge“ Gruppe Methicillin- resistenter Staphylokokken von sich reden, die sogenannten Community-
acquired MRSA (CA-MRSA). Epidemiologisch und genetisch sind CA-MRSA von den „klassischen“ MRSA (health care associated-HAMRSA) völlig verschieden, und im Gegensatz zu Letzteren sind bisher keine Risikofaktoren für eine Erkrankung bekannt. Typisch für CA-MRSA ist, dass sie Infektionen bei vorwiegend jungen Gesunden verursachen und nicht wie die MRSA mit dem Krankenhaus assoziiert (nosokomial) sind – eben „Community-acquired“. Bei den Krankheitsbildern handelt es sich meist um Haut- und Weichteilinfektionen (Abszesse, Furunkulosen, Impetigo). Beobachtet wurden aber auch schwere Verläufe mit nekrotisierender Pneumonie und disseminierter invasiver Osteomyelitis.

CA-MRSA wurden erstmals 1993 bei Aborigines in Westaustralien beschrieben. Morphologisch eigen ist ihnen eine genetische Sequenz, die so genannte SCCmec-Kassette vom Typ IV, und die meisten CA-MRSA codieren für ein virulentes Exotoxin, das Panton-Valentine-Leukocidin (PVL). Je nach Klon spielen nebst PVL auch andere Exotoxine eine pathogenetisch wichtige Rolle und möglicherweise auch die Bildung von Superantigenen.

 

Kasuistik

Bei einem 65-jährigen Arzt kam es nach einer Schürfwunde im Bereich der linken Ferse – Achillessehne – zum Auftreten eines kleinen Ulkus. An der ca. fingernagelgroßen Läsion traten am Rande umschriebene livide Verfärbungen auf, die auf Druckstellen des Schuhwerkes zurückgeführt
wurden.

Da an der linken Achillessehne vor 4 Jahren ein posttraumatischer Achillessehneneinriss bestand, wurde eine Magnetresonanztomographie durchgeführt. Diese bestätigte einen kleinen lateralseitigen Hautdefekt nahe des Achillessehnenansatzes. Das umgebende Weichteilgewebe zeigte jedoch ein geringes Kontrastmittelenhancement entsprechend einer leichten Hyperämie bzw. einer Granulationsgewebsbildung. Die Achillessehne selbst zeigte keine Änderungen und keine entzündliche Mitbeteilungen. Die angrenzenden Knochenstrukturen waren unauffällig. Eine acrale Oszillographie ergab einen unauffälligen Gefäßbefund an den unteren Extremitäten. Routinelaborbefunde zeigten keine Auffälligkeit, das C-reaktive Protein war mit 16 mg/dl mäßig erhöht (Abbildung 1).

Abbildung 1:

Wiederholte Wundabstriche ergaben einmal Proteus mirabilis, sonst war mikrobiologisch kein Wachstum nachweisbar. Das Ulkus zeigte keine Abheilungstendenz trotz lokaler Therapie mit Nu-Gel und Opside-Folie. Wegen der fehlenden Heilungstendenz wurde eine Prostacyclin-Therapie über 4 Wochen durchgeführt. Gleichzeitig wurde eine Vakuumtherapie durchgeführt. Letztere wurde nach 10 Tagen wegen starker Schmerzen abgesetzt. Differentialdiagnostisch wurde u.a. ein Pyoderma gangraenosum in Erwägung gezogen (Abbildung 2).

Abbildung 2:

Vier Monate später reiste der Patient zu einen Kongress nach Washington und verbrachte dort 10 Tage. Nach der Rückkehr wurde versucht, das inzwischen stark vergrößerte Ulkus mittels Propellerplastik zu decken. Bei der Operation wurde nekrotisches Material exzidiert – in der bakteriologischen Kultur fand sich MRSA. Nach 3 Tagen breitete sich trotz VAC-System die Wundinfektion (trotz der Therapie mit 2 x 2 g Vancomycin) massiv aus, sodass die Deckplastik abgetragen werden musste (Abbildung 3).

Abbildung 3:

Die Therapie wurde mit Hinblick auf eine mögliche ambulante Therapie auf Teicoplanin umgestellt. Auffallend im Antibiogramm war die Resistenz des S. aureus gegen Betalaktame, Fusidinsäure und Trimethoprim bei bestandener Empfindlichkeit gegen Clindamycin. Die Suche nach Panton Valentine Leukozidin verlief negativ. Der Erreger war weiterhin nachweisbar, sodass die Therapie auf Linezolid 3 x 600 mg geändert wurde. Darunter war der Erreger nicht mehr nachweisbar, die Wunde granulierte zufrieden stellend. Nach 3 Wochen wurde die Linezolidtherapie wegen einer bds. axillaren Lymphknotenschwellung und eines Erythrozytenabfalls, die beide in möglichen Zusammenhang mit der Therapie gebracht wurden, abgesetzt. Nach einem weiteren Monat wurde die Wunde mit Spalthaut gedeckt, wobei der Patient auf Anraten des Dermatologen zusätzlich Cyclosporin A in ansteigender Dosierung nahm – in Annahme dass es sich um ein superinfiziertes Pyoderma gangraenosum gehandelt hatte (Abbildung 4).

Abbildung 4:

Die plastische Deckung verlief zufriedenstellend. Der Patient ist nach einem Jahr wieder vollkommen gesund (Abbildung 5).

Abbildung 5:

 


Diskussion

Bei dem Patienten bestand ein ein Monat langes Martyrium ausgehend von einem nicht heilenden Ulkus, das zunächst nicht mikrobiell auffällig war. Nach einem Besuch in USA kam es zu einer enormen Progression, wobei an den Wundrändern massive Nekrosen auftraten aus denen MRSA isoliert wurde. Eine Vancomycin/Teicoplanin-Therapie brachte keinen Erfolg, erst durch Linezolid in hoher Dosierung gelang es den Prozess zu beherrschen und letztendlich die Basis für eine plastische Deckung zu schaffen. Der Erreger wurde weiter nicht typisiert. PVL konnte nicht nachgewiesen werden. Der Patient hatte in den USA kein Hospital aufgesucht, sodass der Verdacht auf einen CAMRSA als ursächlichen Erreger besteht. Der Patient war 6 Monate ambulant. Der Erreger wurde bei der Hospitalisierung isoliert. Die ursprüngliche Ätiologie des Ulkus blieb unbekannt. Auffallend war die enorme Progression nach 5 Monaten als MRSA nachgewiesen werden konnte.

Seit einigen Jahren treten MRSA auch außerhalb der Kliniken auf. Diese "community-associated" oder CAMRSA sind auf der ganzen Welt verbreitet. In den USA werden sie seit einigen Jahren immer öfter nachgewiesen. In Österreich seien sie noch selten, eine Dunkelziffer sei jedoch nicht auszuschließen. Bei Hautinfektionen sollte immer ein Erregernachweis geführt werden, um CA-MRSA zu erkennen.

Die Globalisierung macht eine Ausbreitung der CA-MRSA auch in Österreich und Deutschland unvermeidlich.

 

Literatur

1. H.-J. Linde, N. Lehn: Community-associated MRSA: Klinik, Therapie, Hygiene-Krankenhaushygiene up2date 2008; 3 (1): S. 29-44.
2. W. Zimmerli Infektiologie: Der ambulant erworbene methicillinresistente Staphylococus aureus (CA-MRSA) Schweiz Med Forum 2005;5: 1285-1287.
3. Zarfel, G; Grisold, AJ; Hoenigl, M; Feierl, G; Leitner, E; Badura, A: Masoud, L; Wagner, U; Marth, E: Community-associated Methicillin-resistant Staphylococcus auerus (CA-MRSA) in Southeastern Austra: distribution to spa-types and first occurence of USA300. Proceedings of the 18th ECCMID 2008;-18th European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases, ECCMID; Apr 19-22, 2008; Barcelona, Spain.

 

Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I,
Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin
1090 Wien, Währingergürtel 18-20
E-Mail: wolfgang.graninger@meduniwien.ac.at


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