Ein Gefängnisinsasse
kann nicht mehr gehen |
I. Zollner-Schwetz, R. Krause
Univ.-Klinik für Innere Medizin, Infektiologie, Klinische
Abteilung für Pulmologie, Medizinische Universität
Graz |
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Fallbericht
Ein
28-jähriger Mann kam aus einer Justizanstalt in die Notaufnahme
unserer Klinik. Die Eigenanamnese war wegen Somnolenz zunächst
nicht erhebbar. Die Justizwachebeamten berichteten, der Patient
sei wegen zunehmender Verwirrtheit am Vorabend auf die Krankenstation
der Justizanstalt verlegt worden und sei wegen Verschlechterung
der Vigilanz in die Notaufnahme gebracht worden.
Bei der Erstuntersuchung war der Patient somnolent, reagierte
auf Ansprache nur mit Öffnen der Augen. Während des
Aufenthaltes in der Notaufnahme besserte sich jedoch die Vigilanz
des Patienten und er berichtete, seit einiger Zeit nicht mehr
richtig gehen zu können. Als Vorerkrankungen gab der Patient
eine chronische Hepatitis C und intravenösen Drogenabusus
an. Der Blutdruck war 90/60 bei einer Herzfrequenz von 131/min.
Die Auskultation der Lungen ergab beidseits feuchte Rasselgeräusche,
die Auskultation des Herzens war unauffällig. Das Aufnahmelabor
zeigte eine Leucozytose (34,97 G/L), eine Thrombozytopenie (86
G/L), eine Hyponatriämie (123 mmol/L), eine Erhöhung
des C-reaktiven Proteins (160,6 mg/L, normal bis 8) und der
Lactatdehydrogenase (414 U/L, normal bis 240), die anderen Laborwerte
lagen im Normbereich. Ein Harntest auf Morphine und andere Substanzen
war negativ. Aufgrund des anfangs somnolenten Zustandsbildes
wurde eine Computertomographie von Schädel und Gehirn veranlasst.
Die Untersuchung ergab keine pathologischen Veränderungen.
Die Liquorpunktion zeigte
klaren Liquor mit einer Zellzahl von 111/µL, davon 90%
Granulozyten (Laktat erhöht, Glucose im Normbereich). Das
Thoraxröntgen zeigte ausgeprägte teils fleckige, teils
ringschattenartige und rundherdartige alveoläre Infiltrate
in beiden Lungen (Abbildung 1). Weiterführend wurde eine
Computertomographie der Lunge durchgeführt. Es zeigten
sich multiple Kavernen in beiden Lungen mit Prädominanz
der Oberlappen beidseits und des Mittellappens, vereinbar mit
Compuabszedierenden Herden. Der Patient wurde mit den Arbeitsdiagnosen
abszedierende Pneumonie und Paraparese unklarer Genese stationär
aufgenommen und erhielt eine empirische antibiotische Therapie
mit Ceftriaxon und Clindamycin.
Abbildung
1: Das Thorax-Röntgen zeigte bei Aufnahme ausgeprägte
teils fleckige,
teils ringschattenartige und rundherdartige alveoläre Infiltrate
in beiden Lungen.
Am
Tag nach der Aufnahme konnten sowohl aus der Blutkultur als
auch der Liquorkultur Gram-positive Kokken isoliert werden,
die in weiterer Folge als Methicillin-sensibler Staphylococcus
aureus identifiziert wurden. Die antibiotische Therapie
wurde daraufhin auf Flucloxacillin und Rifampicin umgestellt.
Wegen der Paraparese der unteren Extremitäten wurde eine
Magnetresonanz-Tomographie der Wirbelsäule durchgeführt.
Diese zeigte einen 3 cm im Durchmesser haltenden Abszess im
Musculus erector spinae rechts auf Höhe des zweiten Lendenwirbels
und Kontrastmittel-Enhancement im Duralsack im Bereich der mittleren
Brustwirbelsäule. Weiterführend wurde eine transösophageale
Echokardiographie durchgeführt, die eine 8 mm große
Vegetation am septalen Segel der Trikuspidalklappe ergab.
Unter
der Therapie mit Flucloxacillin und Rifampicin waren die Entzündungswerte
zunächst rückläufig. Am sechsten Tag des stationären
Aufenthaltes kam es jedoch zu einem neuerlichen Anstieg des
C-reaktiven Proteins. Eine Computertomographie der Lunge wurde
veranlasst und ergab ein ausgedehntes Pleuraempyem links mit
einem Luftflüssigkeitsspiegel nach einer Abszessruptur
mit Atelektase der Restlunge links (Abbildung 2). Es wurde umgehend
eine chirurgische Sanierung der linke Lunge mittels Segmentresektionen,
Dekortikation, Lavagen und der Anlage einer Thoraxdrainage vorgenommen.
Sechs Wochen nach der Aufnahme konnte der Patient beschwerdefrei
entlassen werden. Die Vegetation auf der Trikuspidalklappe war
nicht mehr nachweisbar.
Abbildung
2: Die Computertomographie des Thorax ergab ein ausgedehntes
Pleuraempyem links
mit einem Luftflüssigkeitsspiegel nach einer Abszessruptur
mit Atelektase der Restlunge links.
Zusammenfassend
lag eine Trikuspidalklappenendokarditis durch S. aureus
in erster Linie durch intravenösen Drogenabusus mit septischen
Absiedelungen in die Lunge, in die paravertebrale Muskulatur
und in das Myelon vor. Die Absiedelung in das Myelon erklärt
das initiale Vorliegen der Paraparese.
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Diskussion
Eine
Endokarditis der Klappen des rechten Herzens stellt eine wichtige
Differentialdiagnose bei fiebernden Patienten mit bekanntem
intravenösem Drogenabusus dar. In einer Studie über
i.v. Drogenabhängige mit Fieber wurde bei 13% eine Endokarditis
diagnostiziert. Die Erkrankung betrifft fast immer die Trikuspidalklappe
und selten die Pulmonalklappe. Eine Beteiligung der Mitral-
oder Aortenklappe kommt in etwa 14% der Fälle vor. Etwa
70% der Fälle von Endokarditis des rechten Herzens werden
durch S. aureus verursacht.
Die
Symptome einer Rechtsherzendokarditis sind unspezifisch. Fieber,
Husten, Dyspnoe, thorakale Schmerzen und Hämoptysen können
vorkommen. Zu den häufigsten Komplikationen gehören
septische Embolisationen, aber auch Pleuraergüsse und pulmonale
Abszesse. Die Ruptur von Abszessen kann zu Empyemen und Pneumothorax
führen, während die Zerstörung der Trikuspidalklappe
zum Rechtsherzversagen führen kann.
Zur
Diagnose einer Rechtsherzendokarditis werden die Duke-Kriterien
herangezogen, obwohl immunologische und vaskuläre Phänomene,
die zu den diagnostischen Kriterien gehören, bei der Rechtsherzendokarditis
seltener vorkommen als bei Endokarditiden der Klappen des linken
Herzens. Für die mikrobiologische Diagnostik ist die Abnahme
von Blutkulturen besonders wichtig, wobei insgesamt mindestens
3 Blutkultur-Paare (bestehend aus 1 aeroben und 1 anaeroben
Blutkulturflasche) angelegt werden sollten. Der Zeitabstand
zwischen den Blutkulturabnahmen ist nicht standardisiert (es
existieren in der Literatur Empfehlungen, alle 3 Blutkultur-Paare
auf einmal oder halbstündlich abzunehmen).
Bei
mehr als der Hälfte aller Patienten mit Rechtsherzendokarditis
finden sich initial pulmonale Infiltrate, die auf septische
Emboli hinweisen. Daher sollte ein Thorax-Röntgen bei der
Abklärung von Fieber bei Patienten mit intravenösem
Drogenabusus nicht fehlen. Bei Anzeichen einer klinischen Verschlechterung
unter Therapie sollten neuerlich bildgebende Verfahren zum Einsatz
kommen, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Bei klinischem
Verdacht auf eine Endokarditis sollte eine transösophageale
Echokardiographie (TEE) durchgeführt werden, um Vegetationen
nachweisen zu können. Die Sensitivität der TEE zur
Detektion von Vegetationen beträgt 87 – 100%, die
Spezifität 89 – 100%, während die transthorakale
Echokardiographie nur eine Sensitivität von 40 –
80% aufweist.
Eine
empirische antibiotische Therapie muss sofort nach Abnahme der
Blutkulturen eingeleitet werden und muss sich an der lokalen
Resistenzlage orientieren. Bei niedriger Inzidenz von Methicillin-resistentem
S. aureus (MRSA) kommt zur initialen Therapie ein Penicillinase-festes
Penicillin (z.B. Flucloxacillin) oder Cephalosporin 1 (z.B.
Cefazolin), bei septisch-embolischen Komplikationen mit Abszessen
in Kombination mit Rifampicin, zum Einsatz. Alternativ kann
Vancomycin i.v. verabreicht werden. Sobald die Ergebnisse der
mikrobiologischen Diagnostik vorliegen, sollte die Therapie
falls notwendig adaptiert werden. In einer Studie war eine orale
Therapie mit Ciprofloxacin und Rifampicin über 4 Wochen
sowohl effektiv als auch gut verträglich. Die Therapiedauer
ist abhängig von der klinischen Situation, sollte jedoch
bei Vorhandensein von septischen Absiedelungen und einer Beteiligung
der Mitral- oder Aortenklappe mindestens 4 Wochen betragen.
Da eine chirurgische Intervention notwendig sein kann (u.a.
bei konservativ nicht beherrschbarer Infektion, Herzdekompensation
aufgrund einer Trikuspidalklappeninsuffizienz, Klappensegelruptur
etc.), sollten die Patienten frühzeitig an einer Herzchirurgie
vorgestellt werden.
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Literatur
1.
Hecht SR, Berger M. Right-sided endocarditis in intravenous
drug users. Prognostic features in 102 episodes. Ann Intern
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7.
Weisse AB, Heller DR, Schimenti RJ, Montgomery RL, Kapila
R.: The febrile parenteral drug user: a prospective study
in 121 patients. Am J Med. 1993 Mar; 94(3):274-80. |
Korrespondierende
Autorin:
Ass. Dr. Ines Zollner-Schwetz
Infektiologie, Klin. Abt. für Pulmologie
Univ.-Klinik für Innere Medizin (UIKM)
8036 Graz, Auenbruggerplatz 20
E-Mail: ines.schwetz@meduni-graz.at |
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