Neue Trends bei Anti-Infektiva

W. Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien



Entwicklung der Antibiotika

Das vorige Jahrhundert war durch die Entwicklung der Antibiotika geprägt (Folie 1 und 2). Nach der Einführung von Penicillin, Penicillin-Derivaten, Cephalosporinen, Tetracyklinen, Makroliden und Carbapenemen glaubte man, dass Infektionskrankheiten kein Problem mehr darstellen. Die Pharmaindustrie reduzierte den Forschungsaufwand und konzentrierte sich auf andere Gebiete (Folie 3). Das Ende des vorigen Jahrhunderts war allerdings durch das zunehmende Auftreten von resistenten Keimen geprägt, die heute nur mehr schwer zu bekämpfen sind (Folie 4 und 5).

  
   
  

 

Resistenzsituation

Eine Ursache der Resistenzentstehung ist die häufige Verwendung von Antibiotika. Während beispielsweise in Griechenland die Resistenzsituation aufgrund des starken Verbrauchs antimikrobieller Substanzen dramatisch gestiegen ist, werden Antibiotika in Schweden viel seltener verwendet, weshalb dort eine Pneumokokken-Pneumonie heute noch erfolgreich mit Pen V behandelbar ist (Folie 6).

Weltweit sterben jährlich etwa 90 000 Patienten an den Folgen bakterieller Resistenzen. 70% der im Spital erworbenen Infektionen werden durch resistente Erreger hervorgerufen. Diese Zahl unterliegt allerdings starken geografischen Schwankungen. In den Niederlanden wird eine geringe antimikrobielle Resistenz verzeichnet, während in Spanien sogar Resistenzen gegen Linezolid bei S. aureus-Infektionen registriert werden. Die Ursachen für die unterschiedlichen Resistenzsituationen sind mannigfaltig. In Großbritannien beispielsweise führt der drastische Sparkurs zu Reduktion von Personal, und das führt wiederum dazu, dass resistente Keime leichter übertragen werden. Eine andere Ursache dürfte aber auch in der medizinischen Ausbildung liegen.

Was können wir dagegen unternehmen?
Ein Punkt ist konsequente Quarantäne, aber viel wichtiger noch ist der geringere Einsatz von Antibiotika.

Heute gibt es sehr wenige Antibiotika mit neuen Wirkmechanismen. Meist handelt es sich um Derivate bereits bestehender Anti-Infektiva (Folie 7). Daptomycin z.B., ein sehr altes Präparat (1987), ist wegen Bedarfs gegen MRSA erst 2003 auf den Markt gekommen. Ähnliches gilt für Tigecyclin und Doripenem. Iclaprim wurde vor 20 Jahren verboten – heute versucht man es wieder einzuführen.

Es wird immer wieder behauptet, wir hätten keine neuen Antibiotika – das ist nicht wahr. Es gibt momentan etwa 15 000 neue Antibiotika, viele werden allerdings nicht weiterentwickelt.

Häufigste Verwendung derzeit finden Cephalosporine mit 27% – da dürfen wir uns nicht über steigende ESBL-Raten wundern, Makrolide mit 20%, Fluorchinolone mit 18% und Penicilline mit 17%. Penicillin G gerät immer mehr außer Mode, auch Cephalosporine (Folie 8).

  

 

Was ist nun mit dem alten Spitzy-Medikament?

Pen G war lange Zeit in Amerika nicht mehr erhältlich, weil geglaubt wurde, dass es nicht mehr gebraucht wird. Es musste sogar aus Kundl reimportiert werden.

 

Andere Antibiotika

In Hinsicht auf die Peneme hat auch ein Wandel stattgefunden. Das neurotoxische Imipenem sollte heute durch Meropenem und Doripenem ersetzt werden. Ertapenem hat ein Revival durch die ESBL erhalten. Allerdings ist es nicht klar, wie ein Medikament mit einer Halbwertszeit von 3 h nur 1 x täglich verabreicht werden kann.

Betreffend Aminoglykoside haben wir gelernt, dass sie individuell – abhängig von Geschlecht, Alter, Gewicht und Nierenfunktion – verabreicht werden müssen. Früher hat jeder 1 g Streptomycin erhalten, was zu einer hohen Nebenwirkungsrate geführt hat. Isepmycin ist eines der besten Aminoglykoside, hat sich am Markt aber leider nicht durchgesetzt.

All die Antibiotika, die 2005 angekündigt wurden, sind leider gestorben – nur Dalbavancin, Tigecyclin und die Peneme haben überlebt (Folie 9).

Auch bei den Glykopeptiden haben wir gelernt, dass die Dosis entscheidet. Für lange Zeit wurden Vancomycin und Teicoplanin viel zu gering dosiert. Die hohen Vancomycindosierungen führen allerdings zu erhöhten Nebenwirkungsraten, sodass Vanco in 10 Jahren nicht mehr verwendet werden wird (Folie 10).

  

Auch für Daptomycin ist die endgültige Dosis noch nicht gefunden. Wahrscheinlich müssen wir bei schweren Infektionen Dosierungen von 8 - 10 mg/kg KG verwenden.

Das neue Präparat Dalbavancin zeichnet sich durch eine sehr lange Halbwertszeit aus und ist für die 1/Woche-Verabreichung geeignet. Die Behandlung des Erysipels könnte so mit einer einmaligen Spritze durchgeführt werden.

Linezolid wurde von einer Firma entwickelt, die Waschpulver produziert. Zufällig wurde seine antibakterielle Aktivität gefunden. Großer Vorteil des Linezolid ist die orale und intravenöse Verabreichungsform. Ein Problem ist allerdings die Dosis. Die Dosiseskalation wird durch die steigende Nebenwirkungsrate limitiert.

Tigecyclin gehört de facto zu den Tetracyclinen und ist verwandt mit Minocyclin. Es hat eine gute Aktivität gegen zahlreiche resistente Erreger. Aber auch in diesem Fall ist die derzeit empfohlene Dosis zu gering.

Resistenzkeime wie ESBL, MRSA etc. bilden ein großes Problem. ESBL entstehen durch die Verwendung vor allem von Drittgenerationscephalosporinen (Folie 11). Wieder ist ein Beispiel Griechenland, wo die freizügige Gabe der Cephalosporine zu einem enormen Zuwachs von ESBL geführt hat. Als Folge davon werden nun vermehrt Carbapeneme verwendet, und schon sehen wir das Auftreten von Carbapenem-resistenten Keimen.

  

 

Was ist für die Zukunft notwendig, welche Alternativen gibt es?

Nun, wir haben eine Reihe von neuen Antimykotika, wie beispielsweise die Echinocandine, die das toxische Amphotericin weitgehend verdrängt haben. Wir können auch auf alte Antibiotika zurückgreifen, wie beispielsweise Fosfomycin, das auch eine ausgezeichnete Wirkung gegen ESBL-produzierende Bakterien hat (Folie 12). Interessant ist auch die Biosurgery: Therapie durch Maden. Vor allem bei der Behandlung von Wundgeschwüren eine denkbare Therapie.

Oder man verwendet neue Strategien: In einer alten Studie von Shinefield konnte gezeigt werden, dass wenn Patienten mit harmlosen Bakterien versetzt werden, die gefährlichen Bakterien nicht angreifen können. Oder man reist nach Tahiti, um Cordyceps sinensis zu bekommen, eine Pflanze mit guter Antistaphylokokkenaktivität (Folie 13). Auch dem australischen Honig werden ausgezeichnete antibakterielle Wirkungen nachgesagt.

  

Weitere Therapieoptionen finden sich bei Tieren. Frösche oder Alligatoren versterben nicht an bakteriellen Infektionen. Die Tiere bilden antibakteriell wirkende Peptide (Folie 14). Nisin beispielsweise ist ein kurzkettiges Peptid, oder Laktoferrin. Diese Substanzen haben nichts mit den alten, konventionellen Antibiotika zu tun. Wir wissen fast nichts über deren Pharmakokinetik – vielleicht Substanzen der Zukunft.

Wichtig ist auch eine verbesserte Diagnostik (Folie 15). Die rasche Verfügbarkeit des Pathogens mit seiner Resistenz ermöglicht die gezielte antimikrobielle Therapie und reduziert die Verwendung von Breitspektrum- Antibiotika.

Impfungen stellen eine wichtige Alternative dar. Wir verfügen über einen Impfstoff gegen Pneumokokken, aber auch gegen Staphylokokken und P. aeruginosa sind Impfstoffe verfügbar oder aber in klinischer Entwicklung. Betont werden muss auch die Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen. In Holland konnte man dadurch die MRSA-Rate auf niedrigstem Level halten.

 

Anschrift des Referenten:
Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Graninger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I,
Klin. Abt. für Infektionen und Tropenmedizin
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: wolfgang.graninger@meduniwien.ac.at

Redaktionell bearbeitet*


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