Einleitung
Die
Haut stellt mit 1,7 m2 beim Erwachsenen das Grenzorgan zur mikrobiologischen
Umwelt dar. Deshalb sind die Haut und deren angrenzende Strukturen
(Schweiß-, Talgdrüsen, Haarfollikel sowie das Unterhaut-Fettgewebe)
bei einer Vielzahl infektiöser Erkrankungen betroffen.
Gleichzeitig übernimmt die Haut wichtige Funktionen im
Bereich des Stoffwechsels und der Immunologie und verfügt
über vielfältige Anpassungsmechanismen. Eingebettet
in die Epidermis und Dermis liegen dendritische Zellen, die
die Aufgabe haben, pathogene Mikroorganismen zu erkennen und
naiven T-Lymphozyten im Haupt-Histokompatibilitäts-Komplex
(MHC) zu präsentieren. Dadurch kommt es zur Anbahnung sowohl
der adaptiven Immunität als auch der Mukosaassoziierten
Immunität.
Nicht zuletzt ist die Haut auch bei zahlreichen systemischen infektiösen
und immunologischen Erkrankungen wie dem M. Still (juvenile rheumatoide
Arthritis), Arzneimittelexanthem etc. beteiligt (Abbildung 1,
2, 3). Die
gesunde Haut ist dicht mit Mikroorganismen, wie Bakterien und
Pilzen, besiedelt, die als so genannte Kommensalen bzw. Mutualen
einen natürlichen Bestandteil der Hautoberfläche darstellen
und als Hautflora zusammengefasst werden. Sie stellen neben
der mechanischen Barrierefunktion und der spezifischen und unspezifischen
körpereigenen Abwehr die Voraussetzung dar, um die Haut
selbst und den Organismus als Ganzen vor pathogenen Keimen zu
schützen.
Je
nach Hautregion, Alter, Geschlecht, genetischer Veranlagung
und Umgebungsbedingungen können sowohl das Keimspektrum
als auch die Keimzahlen der normalen Hautflora sehr unterschiedlich
sein. Das Verhältnis von anaeroben zu aeroben Spezies ist
mit 10:1 vergleichsweise ausgeglichen. Die Keimdichten liegen,
je nach Region, zwischen 102 und 106 KBU pro cm2. Ungefähre
Keimzahlen unterschiedlicher Hautregionen (Keimzahl pro cm2):
Fingerkuppen 20 – 100, Rücken 3 x 102, Füße
102–103, Vorderarm 102–5 x 103, Hand 103, Stirn
2 x 105, Kopfhaut 106, Achselhöhle 2 x 106. Insgesamt leben
rund 1010 Bakterien auf unserer Hautoberfläche. Die Haarfollikel
beherbergen dabei den Großteil der Keime, was u. a. entscheidend
für die Ausbildung von so häufigen Krankheiten wie
der Akne oder einer Follikulitis ist.
Mikroorganismen
der normalen Keimflora der Haut werden als residente Flora bezeichnet.
Es handelt sich dabei um
-
Koagulase-negative Staphylokokken (S. epidermidis, S.
saprophyticus, S. hominis, S. xylosus, S. warneri, S. haemolyticus,
S. saccharolyticus, S. conii, S. auricularis) besiedeln
bevorzugt feuchte und talgarme Hautregionen, wie intertriginöse
Bereiche, Hände und Füße.
-
Corynebakterien (C. minutissimum, C. jeikeium, C. xerosis,
C. pseudotuberculosis, C. goutcheri, C. pseudodiphteriticum,
C. bovis)
- Propionibacterium
(P. acnes, P. granulosum, P. avidum)
- Malassezia furfur
(früher Pityrosporum ovale, P. orbiculare) ist
ein dimorpher Sprosspilz und kommt vor allem an Gesicht, Brust
und Rücken vor.
- Mikrokokken (M.
luteus, M. flavus) sind besonders bei Kindern nachweisbar.
- Brevibakterien
sind für den spezifischen Körpergeruch verantwortlich.
Weiters können fallweise apathogene Mykobakterien, Sarcinia
spp. isoliert werden.
Demgegenüber
steht die transiente Hautflora, die ebenso weitgehend apathogene
oder fakultativ pathogene Mikroorganismen beinhaltet, aber auch
pathogene Keime umfassen kann, die sich aber nur kurze Zeit
an der Körperoberfläche halten können.
Dabei
handelt es sich um
-
Koagulase-positive Staphylokokken
-
Fakultativ pathogene Streptokokken der Viridans-Gruppe, aber
auch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A,
B, C, G
-
Gram-negative Enterobakterien (Klebsiella, Pseudomonas
aeruginosa)
Unter
besonderen Umständen, z. B. bei Bisswunden, Schnittwunden
mit einem Fleischmesser und den entsprechenden Weichteilinfektionen,
evtl. mit zusätzlicher Gewebsquetschung, kommen eine Vielzahl
unterschiedlicher Mikroorganismen in Betracht. Nicht zuletzt
werden auch Tollwut oder Tetanus durch Bissverletzungen übertragen.
Infektionen
der Haut sind prinzipiell bei der Betrachtung der Infektionsmöglichkeiten
selten, da die Haut über ein wirksames Schutzsystem verfügt.
Das Schutzsystem besteht in
1.
der mechanischen Barriere der Hornschicht und deren relativen
Trockenheit. Abgesehen von denjenigen Mikroorganismen, die sich
auf den Abbau des Keratins spezialisiert haben (Dermatophyten,
Trichophyten), ist das Nährstoffangebot der Hautoberfläche
eingeschränkt. Trotz der Schweißdrüsen und transdermaler
Flüssigkeitsabsonderung (Perspiratio insensibilis) bietet
die Epidermis ein sehr trockenes Milieu und stellt einen schlechten
Nährboden dar. Dem entsprechen die deutlich höheren
Keimdichten in feuchten Hautbereichen (Intertrigines, Achselhöhlen,
Finger- und Zehenzwischenräume, Leistenbeuge, Analfalte)
wie vorher angeführt;
2. dem niedrigen Oberflächen pH-Wert (ca. 5,5), der auf
das Vorhandensein von freien Fettsäuren beruht. Freie Fettsäuren
werden teilweise erst durch bakteriellen Metabolismus lipophiler
Keime z.B. von Corynebakterien gebildet. Sie spalten die von
den Talgdrüsen der Haut gebildeten Fette zu Fettsäuren,
die für das saure Milieu auf der Haut mitverantwortlich
sind. Sie wirken auf viele Bakterienarten bakterizid und führen
damit ihrerseits wieder zu einer Hemmung des Keimwachstums.
3. Intertriginöse Hautbereiche und die Achselhöhlen
haben höhere pH-Werte, die im alkalischen Bereich liegen.
Ein pH-Anstieg an der Stirn führt zu einer deutlichen Zunahme
der Propionibakterien (Faktor 100 – 1000).
4. In der Haut befinden sich Bestandteile der adaptiven Abwehr
wie die Sekretions-IgA-Antikörper, die von B-Lymphozyten
in Schweiß und Talgdrüsen gebildet werden. Zusätzlich
finden sich auch weitere immunkompetente Zellen im Stratum spinosum
der Haut wie T-Lymphozyten und die Langerhans-Zellen, die Makrophagenfunktion
besitzen. Zudem spielen diese dendritischen Zellen einen wesentlichen
Beitrag in der Antigenerkennung sowie der Antigenpräsentation.
Diese Zellen sind auch für Überempfindlichkeitsreaktionen
vom Typ I – IV verantwortlich und führen einerseits
im Rahmen einer Infektion zur Keimabwehr, anderseits zu Überempfindlichkeitsreaktionen,
die die Erkrankung verstärken. Somit stellt die Haut ein
wesentliches immunologisches Organ dar.
5. Zuletzt sind auch antimikrobielle Substanzen in der Haut
wie Oligopeptide, die β-Defensine, die einen wesentlichen
Einfluss auf die Besiedelung der Haut haben und sowohl Keimart
als auch Keimzahlen steuern. Defensine wie auch Lactoferrin
und Lysozyn (möglicherweise synonym mit β-Defensin)
besitzen sowohl antibakterielle als auch antivirale Eigenschaften
und verhindern die Besiedelung der Haut mit der transienten
fakultativ pathogenen oder pathogenen Flora.
Sofern die Haut als Grenzorgan zur Außenwelt intakt ist
und damit ihrer Barrierefunktion nachkommen kann, stören
diese Keime nicht, machen nicht krank und sind aus mehreren
Gründen ausgesprochen nützlich. Erst bei Verletzung
der Hornschicht bricht diese Abwehr zusammen.
-
Durch eine traumatische Inokulation von Mikroorganismen bei
Stich-Schnittverletzungen, Bisswunden, Brandverletzungen können
Mikroorganismen in tiefere Hautschichten eindringen und Infektionen
verursachen.
-
Bei der atopischen Dermatitis (Neurodermitis) kommt es durch
eine Antigen-IgE-Antikörper-Reaktion zu einer initialen
Schädigung der oberflächlichen Hautschicht. Daraus
folgt ein gestörtes Gleichgewicht der natürlichen
Hautflora. Charakteristisch ist die um das 100 – 1000fach
gesteigerte Besiedelung mit Staphylococcus aureus.
Durch die daraus resultierende nässende Hautreaktion
kommt es in einem sich selbst erhaltenden Prozess zu verbesserten
Milieubedingungen mit weiterem Bakterienwachstum und damit
zu einer zunehmenden Verschlechterung des Hautzustandes.
-
Die defekte Hautbarriere erleichtert auch Hefepilzen das Eindringen
in die Haut. Hefepilze sind natürlicher Bestandteil der
Hautflora. Gesunde haben meist IgG-Antikörper gegen Hefepilze
gebildet. Untersuchungen zeigen, dass der lipophile Hefepilz
Malassezia vermehrt die Haut von Patienten besiedelt. Bei
30 – 80% der Patienten sind malasseziaspezifische IgE-Antikörper
nachgewiesen. Diese halten die Entzündung aufrecht.
-
In seltenen Fällen kann es im Zusammenhang mit dem Herpessimplex-Virus
zu einer Superinfektion der Läsionen mit Staphylococcus
aureus kommen. Das Ekzema herpeticatum bedarf in den
meisten Fällen einer stationären Behandlung mit
parenteraler Gabe von Aciclovir und einer entsprechend der
Empfindlichkeitsprüfung gezielten Antibiotikabehandlung.
-
Eine starke Hydratation der Haut durch Okklusionsverbände
führt ebenso zum Zusammenbruch der Barrierefunktion der
Haut. Dem entsprechen
die deutlich höheren Keimdichten in feuchten Hautbereichen
(Intertrigines), an denen auch Gram-negative pathogene Mikroorganismen
siedeln.
-
Windeldermatitis: Da es bei Säuglingen in den ersten
Lebenswochen bis zu 20 Mal am Tag zu einer Blasenentleerung
kommt, entsteht durch die Okklusionswirkung moderner Windeln
schnell eine feuchte Kammer, die das Aufquellen der Hornhaut
ermöglicht und damit deren Barrierefunktion beeinträchtigt
(Abbildung 4).
Weitere Ursachen sind die Spaltung von Harnstoff und die Bildung
von Ammoniak, eine Erhöhung des pH-Werts und eine Aktivierung
von Verdauungsenzymen (Proteasen und Lipasen) mit nachfolgender
Hautschädigung. Eine sekundäre Besiedlung mit verschiedenen
Candida- Pilzen (meist Candida albicans) wird damit erleichtert,
die sekundäre bakterielle Besiedlung (hier hauptsächlich
Staphylococcus aureus) trägt zum klinischen Bild bei. Weder
bestimmte Ernährungsformen des Säuglings noch der
stillenden Mutter (z.B. Zitrusfrüchte oder Fruchtsäfte)
zeigen einen nachweisbaren Zusammenhang. Allerdings wird argumentiert,
dass die Darmflora von mit Kuhmilch ernährten Säuglingen
mehr Urease-bildende Enterobakterien enthalte.
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