Infektionen der Haut und Weichteile

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg, Deutschland


Einleitung

Die Haut stellt mit 1,7 m2 beim Erwachsenen das Grenzorgan zur mikrobiologischen Umwelt dar. Deshalb sind die Haut und deren angrenzende Strukturen (Schweiß-, Talgdrüsen, Haarfollikel sowie das Unterhaut-Fettgewebe) bei einer Vielzahl infektiöser Erkrankungen betroffen. Gleichzeitig übernimmt die Haut wichtige Funktionen im Bereich des Stoffwechsels und der Immunologie und verfügt über vielfältige Anpassungsmechanismen. Eingebettet in die Epidermis und Dermis liegen dendritische Zellen, die die Aufgabe haben, pathogene Mikroorganismen zu erkennen und naiven T-Lymphozyten im Haupt-Histokompatibilitäts-Komplex (MHC) zu präsentieren. Dadurch kommt es zur Anbahnung sowohl der adaptiven Immunität als auch der Mukosaassoziierten Immunität.


Nicht zuletzt ist die Haut auch bei zahlreichen systemischen infektiösen und immunologischen Erkrankungen wie dem M. Still (juvenile rheumatoide Arthritis), Arzneimittelexanthem etc. beteiligt (Abbildung 1, 2, 3).

Die gesunde Haut ist dicht mit Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilzen, besiedelt, die als so genannte Kommensalen bzw. Mutualen einen natürlichen Bestandteil der Hautoberfläche darstellen und als Hautflora zusammengefasst werden. Sie stellen neben der mechanischen Barrierefunktion und der spezifischen und unspezifischen körpereigenen Abwehr die Voraussetzung dar, um die Haut selbst und den Organismus als Ganzen vor pathogenen Keimen zu schützen.

Je nach Hautregion, Alter, Geschlecht, genetischer Veranlagung und Umgebungsbedingungen können sowohl das Keimspektrum als auch die Keimzahlen der normalen Hautflora sehr unterschiedlich sein. Das Verhältnis von anaeroben zu aeroben Spezies ist mit 10:1 vergleichsweise ausgeglichen. Die Keimdichten liegen, je nach Region, zwischen 102 und 106 KBU pro cm2. Ungefähre Keimzahlen unterschiedlicher Hautregionen (Keimzahl pro cm2): Fingerkuppen 20 – 100, Rücken 3 x 102, Füße 102–103, Vorderarm 102–5 x 103, Hand 103, Stirn 2 x 105, Kopfhaut 106, Achselhöhle 2 x 106. Insgesamt leben rund 1010 Bakterien auf unserer Hautoberfläche. Die Haarfollikel beherbergen dabei den Großteil der Keime, was u. a. entscheidend für die Ausbildung von so häufigen Krankheiten wie der Akne oder einer Follikulitis ist.

Mikroorganismen der normalen Keimflora der Haut werden als residente Flora bezeichnet. Es handelt sich dabei um

  • Koagulase-negative Staphylokokken (S. epidermidis, S. saprophyticus, S. hominis, S. xylosus, S. warneri, S. haemolyticus, S. saccharolyticus, S. conii, S. auricularis) besiedeln bevorzugt feuchte und talgarme Hautregionen, wie intertriginöse Bereiche, Hände und Füße.
  • Corynebakterien (C. minutissimum, C. jeikeium, C. xerosis, C. pseudotuberculosis, C. goutcheri, C. pseudodiphteriticum, C. bovis)
  • Propionibacterium (P. acnes, P. granulosum, P. avidum)
  • Malassezia furfur (früher Pityrosporum ovale, P. orbiculare) ist ein dimorpher Sprosspilz und kommt vor allem an Gesicht, Brust und Rücken vor.
  • Mikrokokken (M. luteus, M. flavus) sind besonders bei Kindern nachweisbar.
  • Brevibakterien sind für den spezifischen Körpergeruch verantwortlich. Weiters können fallweise apathogene Mykobakterien, Sarcinia spp. isoliert werden.

Demgegenüber steht die transiente Hautflora, die ebenso weitgehend apathogene oder fakultativ pathogene Mikroorganismen beinhaltet, aber auch pathogene Keime umfassen kann, die sich aber nur kurze Zeit an der Körperoberfläche halten können.

Dabei handelt es sich um

  • Neisserien
  • Koagulase-positive Staphylokokken
  • Fakultativ pathogene Streptokokken der Viridans-Gruppe, aber auch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, B, C, G
  • Gram-negative Enterobakterien (Klebsiella, Pseudomonas aeruginosa)

Unter besonderen Umständen, z. B. bei Bisswunden, Schnittwunden mit einem Fleischmesser und den entsprechenden Weichteilinfektionen, evtl. mit zusätzlicher Gewebsquetschung, kommen eine Vielzahl unterschiedlicher Mikroorganismen in Betracht. Nicht zuletzt werden auch Tollwut oder Tetanus durch Bissverletzungen übertragen.

Infektionen der Haut sind prinzipiell bei der Betrachtung der Infektionsmöglichkeiten selten, da die Haut über ein wirksames Schutzsystem verfügt. Das Schutzsystem besteht in

1. der mechanischen Barriere der Hornschicht und deren relativen Trockenheit. Abgesehen von denjenigen Mikroorganismen, die sich auf den Abbau des Keratins spezialisiert haben (Dermatophyten, Trichophyten), ist das Nährstoffangebot der Hautoberfläche eingeschränkt. Trotz der Schweißdrüsen und transdermaler Flüssigkeitsabsonderung (Perspiratio insensibilis) bietet die Epidermis ein sehr trockenes Milieu und stellt einen schlechten Nährboden dar. Dem entsprechen die deutlich höheren Keimdichten in feuchten Hautbereichen (Intertrigines, Achselhöhlen, Finger- und Zehenzwischenräume, Leistenbeuge, Analfalte) wie vorher angeführt;

2. dem niedrigen Oberflächen pH-Wert (ca. 5,5), der auf das Vorhandensein von freien Fettsäuren beruht. Freie Fettsäuren werden teilweise erst durch bakteriellen Metabolismus lipophiler Keime z.B. von Corynebakterien gebildet. Sie spalten die von den Talgdrüsen der Haut gebildeten Fette zu Fettsäuren, die für das saure Milieu auf der Haut mitverantwortlich sind. Sie wirken auf viele Bakterienarten bakterizid und führen damit ihrerseits wieder zu einer Hemmung des Keimwachstums.

3. Intertriginöse Hautbereiche und die Achselhöhlen haben höhere pH-Werte, die im alkalischen Bereich liegen. Ein pH-Anstieg an der Stirn führt zu einer deutlichen Zunahme der Propionibakterien (Faktor 100 – 1000).

4. In der Haut befinden sich Bestandteile der adaptiven Abwehr wie die Sekretions-IgA-Antikörper, die von B-Lymphozyten in Schweiß und Talgdrüsen gebildet werden. Zusätzlich finden sich auch weitere immunkompetente Zellen im Stratum spinosum der Haut wie T-Lymphozyten und die Langerhans-Zellen, die Makrophagenfunktion besitzen. Zudem spielen diese dendritischen Zellen einen wesentlichen Beitrag in der Antigenerkennung sowie der Antigenpräsentation. Diese Zellen sind auch für Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I – IV verantwortlich und führen einerseits im Rahmen einer Infektion zur Keimabwehr, anderseits zu Überempfindlichkeitsreaktionen, die die Erkrankung verstärken. Somit stellt die Haut ein wesentliches immunologisches Organ dar.

5. Zuletzt sind auch antimikrobielle Substanzen in der Haut wie Oligopeptide, die β-Defensine, die einen wesentlichen Einfluss auf die Besiedelung der Haut haben und sowohl Keimart als auch Keimzahlen steuern. Defensine wie auch Lactoferrin und Lysozyn (möglicherweise synonym mit β-Defensin) besitzen sowohl antibakterielle als auch antivirale Eigenschaften und verhindern die Besiedelung der Haut mit der transienten fakultativ pathogenen oder pathogenen Flora.

Sofern die Haut als Grenzorgan zur Außenwelt intakt ist und damit ihrer Barrierefunktion nachkommen kann, stören diese Keime nicht, machen nicht krank und sind aus mehreren Gründen ausgesprochen nützlich. Erst bei Verletzung der Hornschicht bricht diese Abwehr zusammen.

  • Durch eine traumatische Inokulation von Mikroorganismen bei Stich-Schnittverletzungen, Bisswunden, Brandverletzungen können Mikroorganismen in tiefere Hautschichten eindringen und Infektionen verursachen.
  • Bei der atopischen Dermatitis (Neurodermitis) kommt es durch eine Antigen-IgE-Antikörper-Reaktion zu einer initialen Schädigung der oberflächlichen Hautschicht. Daraus folgt ein gestörtes Gleichgewicht der natürlichen Hautflora. Charakteristisch ist die um das 100 – 1000fach gesteigerte Besiedelung mit Staphylococcus aureus. Durch die daraus resultierende nässende Hautreaktion kommt es in einem sich selbst erhaltenden Prozess zu verbesserten Milieubedingungen mit weiterem Bakterienwachstum und damit zu einer zunehmenden Verschlechterung des Hautzustandes.
  • Die defekte Hautbarriere erleichtert auch Hefepilzen das Eindringen in die Haut. Hefepilze sind natürlicher Bestandteil der Hautflora. Gesunde haben meist IgG-Antikörper gegen Hefepilze gebildet. Untersuchungen zeigen, dass der lipophile Hefepilz Malassezia vermehrt die Haut von Patienten besiedelt. Bei 30 – 80% der Patienten sind malasseziaspezifische IgE-Antikörper nachgewiesen. Diese halten die Entzündung aufrecht.
  • In seltenen Fällen kann es im Zusammenhang mit dem Herpessimplex-Virus zu einer Superinfektion der Läsionen mit Staphylococcus aureus kommen. Das Ekzema herpeticatum bedarf in den meisten Fällen einer stationären Behandlung mit parenteraler Gabe von Aciclovir und einer entsprechend der Empfindlichkeitsprüfung gezielten Antibiotikabehandlung.
  • Eine starke Hydratation der Haut durch Okklusionsverbände führt ebenso zum Zusammenbruch der Barrierefunktion der Haut. Dem entsprechen
    die deutlich höheren Keimdichten in feuchten Hautbereichen (Intertrigines), an denen auch Gram-negative pathogene Mikroorganismen siedeln.
  • Windeldermatitis: Da es bei Säuglingen in den ersten Lebenswochen bis zu 20 Mal am Tag zu einer Blasenentleerung kommt, entsteht durch die Okklusionswirkung moderner Windeln schnell eine feuchte Kammer, die das Aufquellen der Hornhaut ermöglicht und damit deren Barrierefunktion beeinträchtigt (Abbildung 4).

Weitere Ursachen sind die Spaltung von Harnstoff und die Bildung von Ammoniak, eine Erhöhung des pH-Werts und eine Aktivierung von Verdauungsenzymen (Proteasen und Lipasen) mit nachfolgender Hautschädigung. Eine sekundäre Besiedlung mit verschiedenen Candida- Pilzen (meist Candida albicans) wird damit erleichtert, die sekundäre bakterielle Besiedlung (hier hauptsächlich Staphylococcus aureus) trägt zum klinischen Bild bei. Weder bestimmte Ernährungsformen des Säuglings noch der stillenden Mutter (z.B. Zitrusfrüchte oder Fruchtsäfte) zeigen einen nachweisbaren Zusammenhang. Allerdings wird argumentiert, dass die Darmflora von mit Kuhmilch ernährten Säuglingen mehr Urease-bildende Enterobakterien enthalte.


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