Infektionen der Haut und Weichteile

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg, Deutschland


Das Syndrom der „verbrühten Haut“

Synonym: Morbus Ritter v. Rittershain, Staphylococcal-scalded-skin- Syndrome (SSSS)

Das „Syndrom der verbrühten Haut“ ist eine durch hämatogene Streuung des von Staphylokokken gebildeten Exfoliatoxins verursachte Hauttoxikose bei Säuglingen und Kleinkindern, die durch großflächige, verbrennungsartige Erytheme mit Blasenbildung und anschließender Hautablösung charakterisiert ist. Das Krankheitsbild wird durch toxische, hämatogene Fernwirkung verursacht, einer in der Regel extrakutanen Infektion mit Staphylococcus aureus der Lysophagengruppe II. Die erythemato-bullöse Hauteffloreszenz ist unmittelbare Folge einer massiven Exfoliatin-Ausschüttung in die Blutbahn. Die Infektionsquelle war früher meist eine Nabelinfektion des Neugeborenen mit Staphylokokken. Es handelt sich um eine potenziell schwerwiegende Erkrankung, die in unbehandelten Fällen häufig zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie hypovolämischer Schock, Pneumonie und Sepsis führen kann. Bei frühzeitiger und korrekter Behandlung sind schwere Krankheitsverläufe bei Kleinkindern jedoch die Ausnahme, und die Prognose für Kinder bis zum fünften Lebensjahr ist günstig (3%). Für ältere Patienten hingegen verläuft das SSS-Syndrom wegen der zugrunde liegenden Grunderkrankungen auch bei intensiv medizinischer Behandlung sehr häufig (40%) tödlich (Abbildung 11).

Die Staphylokokkentoxine Exfoliatin A (ETA), Exfoliatin B (ETB) und Exfoliatin D (ETD) wirken als Serinproteasen und führen aufgrund ihrer zielgerichteten molekularen Spezifität zu einer Aufspaltung des Haftproteins Desmoglein 1 innerhalb der Desmosomen. Die Zell-Zell-Kontakte des Stratum granulosum der Epidermis lösen sich auf, und es kommt zu einer nicht entzündlichen Auflockerung der Zellverbände mit Spaltbildung, die eine Ablösung der oberen verhornten Epidermisschichten bewirkt. In den generalisierten subkornealen Blasen sind daher in der Regel auch keine Erreger nachweisbar.

Der Krankheit können eitrige Staphylokokkeninfektionen des Nasen-Rachen-Raumes (Rhinitis, Tonsillitis), der Ohren (Otitis media) sowie der Augen (Konjunktivitis) um einige Tage vorausgehen. Vor dem eigentlichen Beginn der Erkrankung erscheint manchmal ein kleinfleckiges scharlachähnliches Exanthem, welches dann später in der Akutphase in die SSSS-typischen Hautläsionen übergeht. Typisch ist, dass sich die Blasen bei Druck auf die Haut und bei Scherkräften bilden (Nikolski-Phänomen).

Im Hinblick auf die Behandlung ist die Unterscheidung zwischen dem Staphylococcal-scalded-skin-syndrome, das früher auch staphylogenes Lyell-Syndrom genannt wurde, bis die genaue Pathogenese bekannt war, und der toxischen epidermalen Nekrolyse (medikamentös-induziertes Lyell-Syndrom), von großer differenzialdiagnostischer Bedeutung. Es handelt sich dabei um zwei unterschiedliche Erkrankungen, die erst seit 20 Jahren klar unterschieden werden. Beweisend für das SSSS sind neben der Spaltbildung im Stratum granulosum der Nachweis der Exfoliatine im Blut anhand eines Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA), Western-Blot oder einer Polymerasekettenreaktion. Ein einfacher Nachweis gelingt dadurch, dass man in der Blasenflüssigkeit die Akanthozyten, die sich von der basalen Epithelzelllage ablösen, nachweisen kann (Tzank-Test). Dadurch ergibt sich auch die Differenzialdiagnose mit dem klinisch sehr ähnlich imponierenden Lyell-Syndrom, bei dem sich die basale Epithelzelllage von der Basalmembran ablöst. Dieses Krankheitsbild wird üblicherweise durch eine Überempfindlichkeitsreaktion auf Medikamente (Valproinsäure), selten sogar auf Antibiotika (Sulfonamide), ausgelöst. Diagnostische Sicherheit ergibt aber erst eine Blasendeckelhistologie. Die histologische Untersuchung zeigt beim SSSS eine akantholytische Spaltbildung im Bereich des Stratum granulosum und die Bildung von subkornealen Blasen. Eine bakterielle Untersuchung sollte veranlasst werden, um Infektionsquellen aufzudecken. Bei der toxischen epidermalen Nekrolyse ist außerdem der bevorzugte Befall der Schleimhäute typisch, der beim Staphylococcal-scalded-skin-syndrome nicht oder nur sehr diskret in Erscheinung tritt.

Die Behandlung des SSSS besteht in der parenteralen Gabe von Antibiotika, die gegen Staphylococcus aureus wirksam sind, wie penicillinasefestes Penicillin (Flucloxacillin) oder Cefalosporine der Cefazolinoder Cefuroxim-Gruppe. Bei den Staphylokokken vom Phagentyp II handelt es sich nur selten um multiresistente Stämme. Bei ausgedehnten Hautläsionen muss gegebenenfalls der Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten ausgeglichen werden sowie eine adäquate Lokalbehandlung der betroffenen Areale durchgeführt werden. Wegen der Blasenbildung an Druckstellen müssen die Kinder auf Watte gelagert werden. Dabei ist besonders auf Infektionsschutz zu achten. Eine über diese medizinischen Maßnahmen hinausgehende intensivmedizinische Versorgung und Therapie wie bei Brandverletzungen ist überflüssig. Kortikoide sind natürlich kontraindiziert, weil sie wegen ihrer immunsupprimierenden Wirkung das Infektionsrisiko erhöhen.


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