Pneumonie des Intensivpatienten:
Frühzeitig therapieren, hoch dosieren

Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Madl
4. Medizinische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien


Der beatmungsassoziierten Pneumonie oder ventilatorassoziierten Pneumonie, kurz VAP, kommt eine große Bedeutung zu, ist sie doch die häufigste Komplikation auf der Intensivstation.

Bis zu 27% aller Patienten, die beatmet werden, entwickeln eine beatmungsassoziierte Pneumonie. Das Risiko steigt um 1 bis 3% pro Behandlungstag, der Häufigkeitsgipfel liegt am fünften Tage nach Intubation. VAP erhöht die Mortalität der zugrunde liegenden intensivmedizinischen Erkrankung um rund 30%.

 

Kein international akzeptierter Goldstandard

Für die Diagnose der beatmungsassoziierten Pneumonie gibt es keinen Goldstandard, am besten bewährt hat sich der Clinical Pulmonary Infection Score (CPIS), der jedoch im klinischen Alltag nicht immer zur Anwendung kommt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass stattdessen bei der Visite folgende Aspekte geprüft werden: Wie ist das Trachealsekret, nimmt es zu, ist es purulent, wie schaut das Lungenröntgen aus, wie sind die Infektparameter und vor allem: kommt es zu einer respiratorischen Verschlechterung, liegt ein erhöhter Beatmungsaufwand vor? In weiter
Folge wird auch die Mikrobiologie miteinbezogen.

Wenn bei der Visite festgestellt wird, dass vermehrt Trachealsekret vorhanden ist, dass neu aufgetretenes Infiltrat im Lungenröntgen sichtbar ist, dass der Patient fiebert, dass der Patient eine Leukozitose entwickelt und sich der Zustand respiratorisch verschlechtert, dann besteht klinisch der hochgradige Verdacht, dass der Patient eine beatmungsassoziierte Pneumonie entwickelt.

 

Diagnoseempfehlungen

Dennoch sind bei der Diagnostik der VAP sowohl die Klinik als auch das Lungenröntgen häufig unspezifisch. Daher ist es sinnvoll, Klinik und Lungenröntgen in Zusammenschau mit quantitativen bakteriellen Kulturen zu kombinieren und damit zu einer Diagnose der beatmungsassoziierten Pneumonie zu kommen.

Dabei ist es wichtig, die Grenzwerte zur Diagnose der VAP genau zu beachten.

  • Bronchoalveoläre Lavage (BAL)
    ≥104 cfu/ml
  • Protected specimen brush (PSB)
    ≥ 103 cfu/ml
  • Tracheobronchial-Aspirat
    ≥ 106 cfu/ml

Bisher konnte für keines dieser diagnostischen Verfahren ein signifikanter Vorteil bewiesen werden. Im Vergleich zur Klinik erhöhen jedoch bakteriologische Daten nicht die Zuverlässigkeit der VAP-Diagnostik. Bei Verdacht auf VAP können Zytologie und Gram-Färbung die initiale Therapieentscheidung erleichtern.

 

Maßnahmen zur Prophylaxe

Risikofaktoren für die Entstehung einer beatmungsassoziierten Pneumonie sind unter anderem die Dauer der Beatmung, COPD, ARDS, Sepsis, Trauma oder neurologische Grunderkrankungen.

Risikofaktoren für das Vorhandensein von multiresistenten Erregern sind:

  • AB-Therapie innerhalb der letzten 3 Monate
  • Stationäre Behandlung = 5 Tage
  • Hohe Frequenz an AB-resistenten Keimen an der Abteilung
  • Immunsuppressive Erkrankung oder Therapie

Viele in der Literatur bestätigten Maßnahmen zur Vermeidung einer beatmungsassoziierten Pneumonie werden klinisch nicht durchgeführt, weil sie zu teuer oder im Klinikalltag nicht praktikabel sind. Folgende Maßnahmen wurden in der Workshop-Diskussion als sinnvoll und klinisch durchführbar eingestuft:

  • Oberkörperhochlagerung um 30 Grad (wird regelmäßig durchgeführt)
  • Geschlossene endotracheale Absaugsysteme (wird überwiegend durchgeführt)
  • Aufrechterhaltung eines hohen Cuff-Druckes im oberen Normbereich mit regelmäßiger Überwachung über das Cuff-Manometer
  • Tägliche Unterbrechung der Sedierung (so kann die Beatmungsdauer reduziert werden, die Spontanatmung und auch die Sekretmobilisierung werden verbessert)
  • Chlorhexidin oral bzw. generell Mundpflege mit Antiseptica (Studien zeigen, dass Mundpflege mit Antiseptica die Kontamination verhindern kann)
  • Orale SDD (wird in Österreich nicht angewandt, weil hier die Meinung vorherrscht, dass damit Resistenzen gezüchtet werden, daher wurde der Benefit dieser Methode von den Workshop-Teilnehmern als nicht sehr hoch eingestuft)
  • Postpylorische enterale Ernährung
  • Silber-beschichteter Endotracheal-Tubus
  • Nicht-invasive Beatmung
  • Kontinuierliche subglottische Absaugung

 

Therapieempfehlung:
Hit hard and early!

Von den Workshop-Teilnehmern wurden folgende Therapieempfehlungen im Falle einer VAP ausgesprochen:

  • Gabe eines initialen Breitspektrum-Antibiotikums, entsprechend der Empfehlung, dann Deeskalation nach Antibiogramm, sobald eine positive Kultur vorliegt.
  • Primär Monotherapie anwenden. Kombinationstherapie hat kaum einen Vorteil gegenüber Monotherapie, ist daher nur selten notwendig. Nur dann Kombinationstherapie einsetzen, wenn wirklich Multiresistenzen zu erwarten sind bzw. bei Legionellen.
  • Die initiale Therapie sollte danach ausgerichtet werden, wie die lokalen Krankenhausresistenzen ausschauen,
    d. h. Kontakt mit der Mikrobiologie im Krankenhaus aufnehmen.
  • Unbedingt Re-Evaluation spätestens am Tag 3, am besten am Tag 2 oder noch früher, wenn die ersten Ergebnisse vorliegen, um zu überprüfen, ob die antibiotische Therapie noch notwendig ist oder ob sie eventuell
    gar nicht notwendig war, weil es sich hier nicht um eine VAP gehandelt hat. Dann Antibiotikatherapie frühzeitig
    absetzen.
  • Bei Risikopatienten (Patienten, die schon länger im Spital liegen, die mehrere antibiotische Therapien in letzter Zeit bekommen haben, immunsuprimierte Patienten) Multiresistenzen und Pseudomonas berücksichtigen!
  • Dauer der Therapie: keine lange Therapie mehr mit 10 bis 14 Tagen, die Therapien werden immer kürzer:
    5 bis 7 Tage bei Pneumonie.
  • „Hit hard and early“: bei der Antibiotikatherapie nicht unterdosieren, sondern an bzw. sogar über der oberen
    Grenze therapieren. Frühzeitig mit der Therapie beginnen! Die Diagnostik darf keinesfalls eine frühzeitige Therapie verzögern. Bei einem septischen Schock kann eine Antibiotikatherapie, wenn sie um eine Stunde verzögert wird, die Mortalität um 7,6% ansteigen lassen und das geht stündlich so weiter!

 

Bronchoalveoläre Lavage bei VAP
  • Die mikrobiologische Sekretgewinnung sollte vor Beginn einer Antibiotikatherapie bzw. vor einer Antibiotika-
    Umstellung durchgeführt werden.
  • Eine Antibiotika-Pause ist nicht erforderlich (ACHTUNG: Ein verspäteter Beginn einer adäquaten Therapie
    erhöht die Mortalität!!).
  • BAL bzw. Aspirat können bis zum Transport an die Mikrobiologie im Kühlschrank gelagert werden.

 

Anschrift des Referenten:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Madl
4. Medizinische Abteilung mit Gastroenterologie und Hepatologie
Krankenanstalt Rudolfstiftung
1030 Wien, Juchgasse 25
Email: christian.madl@wienkav.at


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