Behandlungskonzepte
der Osteomyelitis |
Ass.-Prof. Dr. Michael
Schintler
Klinische Abteilung für Plastische Chirurgie, Medizinische
Universität Graz |
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Bei
der Osteomyelitis handelt es sich um eine bakterielle Entzündung
des Knochens. Durch die Einführung systemischer Antibiotika-Therapien
haben die Knocheninfektionen zwar an Schrecken verloren, jedoch
muss eine Chronifizierung des Infekts mit Sequestrierung und
rezidivierender Fistelung unbedingt verhindert werden, unterstrich
OA Dr. Michael Schintler von der Klinischen Abteilung für
Plastische Chirurgie der Medizinischen Universität Graz
in seinem Vortrag.
Der Begriff Osteomyelitis bezeichnet eine Infektion des Knochens,
wird aber meistens sowohl für Infektionen der Corticalis
(Osteitis) als auch bei Infektion des Markraums (Osteomyelitis)
verwendet. Bei Infektionsverschleppung (per continuitatem) im
Fall von chronischen Wunden (Weichteildefekt, diabetisches Ulcus,
Decubitus; arterielles, venöses Ulcus) kommt es zuerst
zu einer Beteiligung des Knochencortex und erst bei Fortschreiten
zu einer Beteiligung des Knochenmarkraums. Eine Infektion kann
jedoch auch hämatogen (vorwiegend im Wachstumsalter) und
vor allem posttraumatisch (exponierter Knochen bei Décollement,
Weichteilnekrose, offene Frakturen) oder postoperativ (nach
Osteosynthesen, Gelenksprothetik, sekundär hämatogen)
entstehen. Der Charcotfuß, eine schwere Komplikation des
Diabetes mellitus, stellt eine weitere Ursache dar. Diabetes,
Mangelernährung, Kortisontherapie und Rheuma sind Faktoren,
die eine Infektion am Knochen begünstigen.
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Ungleichgewicht
der Keim-Wirt-Beziehung
Infektionen sind Ausdruck eines Ungleichgewichts der Keim-Wirt-Beziehung.
Postoperative Infektionen an Knochen und Weichteilen sind damit
Folge des verletzungsbedingten Schadens der wirtseigenen Infektionsresistenz
und der Inokulation von Mikroorganismen andererseits. Die initiale
Antwort des Wirtsorganismus auf inokulierte Keime ist die akute
Inflammation. Therapeutisches Ziel ist daher die Elimination
der Bakterien. Jedoch können proteolytische Enzyme aus
Phagozyten das umgebende Gewebe schädigen. Es kommt durch
Einwandern von Entzündungszellen und Flüssigkeitseinstrom
zur Druckerhöhung im Knochen, zum Knochenmarksödem
und sogar zum -infarkt. Die hämatopoetischen Zellen können
zerstört werden und Knochentrabekel gehen zugrunde. Lokal
entstehen Abszesse, die sich entlang der Haver’schen Systeme
und Volkmann-Kanäle ausbreiten können und schließlich
an die Oberfläche durchbrechen. Die Periostabhebung unterbricht
die Blutversorgung der Corticalis, wodurch der Knochen nekrotisch
wird und sich Sequester ausbilden. Durchbricht der Prozess das
Periost, entstehen Weichteilabszesse und Fisteln.
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Diagnostik
und Verlaufsformen
Die
Diagnostik erfolgt klinisch, mikrobiell und histologisch. Klinische
Zeichen sind lokale oder systemische Entzündungszeichen
(Fieberschübe, Schüttelfrost, Kältegefühl),
chronische Fistelbildungen, rezidivierende Abszedierungen, persistierende
Sekretion, nicht heilende chronische Wunden, abnorme Beweglichkeit,
Crepitation oder rezidivierende Infektion bei liegenden Implantaten.
Der histologische Infektnachweis und die mikrobiologische Keimidentifikation
durch Knochenbiopsie oder intraoperative Probengewinnung gelten
als Goldstandard der Osteomyelitisdiagnostik. Als bildgebende
Verfahren werden konventionelles Röntgen, Knochenszintigrafie,
Computertomografie und die MRT-Untersuchung eingesetzt. Problematisch
ist die Bildgebung jedoch bei liegenden Implantaten.
Die
Klassifikation der Osteomyelitis erfolgt nach verschiedenen
Gesichtspunkten. Berücksichtigt werden Dauer (akut-subakut-chronisch),
Histologie (akut-chronisch-sequestrierend), Pathogenese (per
continuitatem von außen, von innen, hämatogen, OM
bei PAVK), Lokalisation, Ausdehnung und Begleitumstände,
wie Vorliegen von Implantaten oder Grundleiden. Es gibt jedoch
keine ideale Klassifikation, Cierny-Mader 1985 haben zumindest
auch die Beleitumstände berücksichtigt. |
Chirurgische
Aspekte Bei
akuten Infektionen steht die Vermeidung einer Chronifizierung
im Vordergrund. Hier besteht das Problem der Abgrenzung von
Kontamination und Kolonisation bis zur Infektion. Nach chirurgischen
Eingriffen, nach einer Osteosynthese, muss bei einer Antibiotika-Therapie
jedoch beachtet werden, ob diese ausreichend ist und nicht auch
eine Revision notwendig
ist. Frührevision bedeutet radikales Ausschneiden der Wundränder,
allschichtige Revision und Débridement. Bei Vorliegen
von Implantaten stellt sich die Frage nach deren Entfernung,
wobei die Stabilität einer Fraktur eine Vorraussetzung
jeder Infekttherapie darstellt.
Die Diagnose einer chronischen Infektion ist einfacher zu stellen.
Ziel der Behandlung ist eine infektfreie und funktionstüchtige
Extremität, bei lang dauernden chronischen Infektionen
ist diese jedoch bei erforderlicher Radikalität häufig
nicht erreichbar. Oft werden die Rekonstruktionsmaßnahmen
durch erforderliche Resektionsausmaße überfordert
und es besteht das Risiko der Reinfektion. Außerdem müssen
Patienten der Gruppe C nach Cierny-Mader C (Behandlung fügt
dem Patienten mehr Schaden zu als Erkrankung) evaluiert werden.
Die Behandlungsprinzipien bei chronischer Osteomyelitis sind
radikales chirurgisches Débridement (Knochen und Weichteile),
Keimgewinnung und Isolierung sowie kulturgerechte systemische
Antibiotikatherapie, Weichteilrekonstruktion und Totraummanagement
durch gut vaskularisierte gestielte oder freie Lappenplastik,
eventuell eine Knochenrekonstruktion, die jedoch oft problematisch
und sehr aufwendig ist.
Beim infizierten Implantat ist beim Frühinfekt ein Implantaterhalt
möglich, beim Spätinfekt ein Implantatwechsel ein-
oder zweizeitig mit Spacer notwendig. Eine weitere Option ist
der Einsatz von Antibiotikaspacern (PMMA). |
Antibiotikatherapie
Das
Keimspektrum der Osteomyelitis ist abhängig von der Verlaufsform,
dem Alter des Patienten, der Dauer der Infektion, der Komorbidität,
der geografischen Epidemiologie und der mikrobiologischen Technik.
Die Wahl der geeigneten mikrobiellen Chemotherapie ist mitentscheidend
für den Ausgang der Erkrankung. Fragen dabei sind beispielsweise
die Applikationsform (i.v. oder peroral – in einer Cochrane
Studie konnte diesbezüglich kein Unterschied hinsichtlich
Remissionsraten festgestellt werden) oder die Dauer der Therapie.
Diese ist abhängig von der Art des Keimes, vom Vorhandensein
eines Implantats und ob ein chirurgischer Eingriff oder eine
Sequestromie durchgeführt worden ist.
Sehr gut geeignete Antibiotika in dieser Indikation sind:
-
Fosfomycin 2 x 8 g / 3 x 4 g – der „Knochenweltmeister“,
- Clindamycin
3 x 300 mg per os
3 x 600 mg i.v.,
- Linezolid
2 x 600 mg i.v./per os
(MRSA; MRSE, VRE),
- Betalaktame
(Cephalosporine, Peneme),
- Glykopeptide
(Teicoplanin, Vancomycin).
VAC-instill® (KCI, Kinetic Concepts Inc. St. Antonio TX)
ist eine Innovation und stellt ein wertvolles Instrument zur
Beherrschung von schwersten Weichteil- und (Knochen)-Infektionen
dar, speziell in anatomisch schwierigen Regionen. Bei multiresistenten
Keimen kann eine VAC-instill ®-Behandlung zur Eradikation
beitragen. |
Prophylaxe
Prophylaktische
Maßnahmen zur Verhinderung einer Osteomyelitis oder zumindest
einer Risikominimierung sind optimale Hygienemaßnahmen
im Operationssaal und Krankenhaus, atraumatische Operationstechniken,
minimal-invasive Implantate, spezielle Implantatoberflächen
und -beschichtungen, eine möglichst kurze Operationsdauer
und eine Antibiotikaprophylaxe.
Nutzen, Indikation, Dauer und Art der perioperativen Antibiotikaprophylaxe
in der Orthopädie werden kontrovers diskutiert. Faktoren,
die das Auftreten einer postoperativen Infektion beeinflussen,
sind die Operationsdauer, intrinsische Patientenfaktoren (>
ASA 3) und Operationen in kontaminiertem Gebiet.
Unkomplizierte aseptische Operationen ohne Einbringen von Fremdmaterial
weisen keine Evidenz für den Nutzen einer perioperativen
Antibiotikaprophylaxe auf.
Trotz Fehlens einer eindeutigen Evidenz ist wegen der potenziell
bedrohlichen und schwerwiegenden Folgen für das Operationsergebnis
eine generelle antibiotische perioperative Prophylaxe mit einem
Cephalosporin der 1. Generation bei primär aseptischen
orthopädischen Operationen, die das Einbringen von Fremdmaterial
beinhalten, indiziert. Hingegen besteht klare Evidenz für
eine perioperative Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporinen
der 1. oder 2. Generation in der Orthopädie bei primär
aseptischer Versorgung der Schenkelhalsfraktur und bei totalendoprothetischem
Gelenkersatz.
Glykopeptide sollen nur bei besonderen Indikationen (Betalaktam-Allergie,
hohes MRSA-/MRSE-Risiko) zum Einsatz kommen. Die perioperative
Antibiotikaprophylaxe bedeutet üblicherweise einen „single
shot“, 30 Minuten vor dem Hautschnitt bzw. spätestens
10 Minuten vor Anlegen der Blutsperre verabreicht. Operationen,
die länger als drei Stunden dauern, machen eine erneute
Applikation sinnvoll. Ein prophylaktischer Einsatz von Lokalantibiotika
im Knochenzement wird nicht empfohlen. |
Anschrift
des Referenten:
Ass.-Prof. Dr. Michael Schintler
Klin. Abteilung für plastische und rekonstruktive Chirurgie
Medizinische Universität Graz
8036 Graz, Auenbruggerplatz 29
Email: michael.schintler@medunigraz.at
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