Infektionen
des Zentralen Nervensystems |
Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian
Brenneis
Neurologische Abteilung, Landesklinikum St. Pölten |
|
|
Prinzipiell
kann jeder bakterielle oder virale Erreger das zentrale Nervensystem
befallen. Primar Univ.-Doz. Dr. Christian Brenneis vom Landesklinikum
St. Pölten, Neurologische Abteilung, fokussierte in seinem
Vortag einige virale Infektionen, da sowohl die Anzahl der Risikogruppen
dafür steigt, als auch diese Erreger durch Fernreisen zunehmende
Verbreitung finden. |
Progressive
multifokale Leukenzephalopathie (PML)
Diese Erkrankung des zentralen Nervensystems wird durch das
zur Gattung der Polyomaviren gehörende JC-Virus verursacht.
JC leitet sich von den Initialen des ersten Patienten ab, bei
dem das Virus erstmals isoliert wurde. Es handelt sich dabei
um eine Reinfektion durch Reaktivierung des JC-Virus. Die Erst-
oder Primärinfektion verläuft fast immer asymptomatisch,
wobei diese bereits im Kindes- und Jugendalter erfolgt. Bei
Erwachsenen liegt die Durchseuchungsrate bei über 80%.
Bei neuroinvasiven Formen der PML scheint es zu einer Viruspersistenz
in zirkulierenden B-Lymphozyten und Prä-B-Lymphozyten zu
kommen. Bei der aktiven Infektion gelangt das Virusgenom über
Leukozyten in die Oligodendrozyten der Myelinscheiden, die Folge
sind demyelinisierende Läsionen.
|
Risikogruppen
Risikogruppen
sind Patienten mit HIV-Infektionen (derzeit etwa 80% der neuroinvasiven
Fälle), Patienten unter immunsuppressiver Therapie (z.
B. nach Organtransplantation), die mit Fludarabin, Cyclophosphamid,
Methotrexat, Mycophenolat behandelt werden, aber auch jene unter
Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Hierzu zählen
beispielsweise Patienten mit multipler Sklerose (Natalizumab),
mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis (Rituximab)
oder Patienten mit chronischer Plaque-Typ Psoriasis (Efalizumab).
Ebenfalls zur Risikogruppe zählen Patienten mit chronisch
lymphatischer Leukämie (Hodgkin-Lymphome).
|
Diagnose
der PML Klinisch
manifestiert sich die Erkrankung durch langsam progredienten
Verlauf (Verlauf über Wochen und Monate) mit Vigilanzstörung,
kognitiven Defiziten, Sprach-, Sprechstörung sowie anderen
fokal neurologischen Symptomen, z. B. Paresen je nach Lokalisation
der Läsionen. Bei klinischem Verdacht sollte eine Lumbalpunktion
mit qualitativer oder quantitativer PCR durchgeführt werden,
der Nachweis von Virus-DNA ist eventuell nur in Hirnbiopsaten
möglich.
Differenzialdiagnostisch ist die postinfektiöse Enzephalitis
zu beachten, eine meist monophasische autoimmunmediierte ZNS-Erkrankung.
Therapeutisch steht hier aber die Immunsuppression mit Kortisonhochdosistherapie,
Plasmapherese, Hypothermie, Immunglobuline oder Endoxan im Vordergrund. |
Therapie
der PML Die
effektivste Behandlung der PML ist eine Rekonstitution des Immunsystems.
Bei HIV-Patienten kann durch hochdosierte antiretrovirale Therapie
(HAART) die Schwere der Erkrankung reduziert werden. Bei Patienten
mit immunsuppressiver Therapie soll diese reduziert oder abgesetzt
werden. Medikamentöse Optionen sind eventuell Cytarabin
oder Mefloquin. |
West-Nil-Virus
Dieses
sich ausbreitende Virus wurde 1937 ursprünglich in Uganda,
Westnilprovinz, isoliert. Die Übertragung erfolgt durch
Moskitos, die Ausbreitung eventuell über Vögel. 2002
und 2003 wurden in den USA etwa 3.000 Fälle pro Jahr mit
neuroinvasiver Beteiligung registriert. 20% dieser Patienten
zeigten eine grippeähnliche Symptomatik, 5 bis 10% eine
neurologische wie Meningitis, Enzephalitis oder Poliomyelitis-ähnliche
Symptome. Die Meningitis war häufig mit Hirnnervenbeteiligung,
mäßiger Pleozytose und EW-Erhöhung verbunden,
Enzephalitis eher mit extrapyramidalen Symptomen wie Myoklonien,
Tremor, Rigor, Ataxie, etc. Etwa 45% der Patienten leiden an
respiratorischer Insuffizienz. Im MR zeigt sich, dass vor allem
tiefe Strukturen wie Thalamus, Basalganglien oder Hirnstamm
betroffen sind. Serologisch lässt sich die Infektion durch
IgM-Nachweis im Liquor feststellen, auch die PCR ist insensitiv
für neuroinvasive Beteiligung. Eine therapeutische Intervention
ist derzeit nicht möglich, klinische Studien mit Immunglobulinen
und Impfung laufen aber. |
Toskana-Virus
Dieses
Arbovirus, erstmals isoliert 1971, ist die häufigste Ursache
einer viralen Meningitis in Italien während der Sommerzeit
und wird über die Sandfliege übertragen. Die meisten
Infektionen verlaufen mild und selbst limitierend, neurologische
Beteiligungen finden sich in Form einer Meningitis, meist mit
guter Prognose, und nur gelegentlich in Form einer Encephalitis.
Die Diagnose erfolgt serologisch. |
Japanische
Encephalitis
Das
Japanische Encephalitis-Virus gehört zu den Flaviviren
und wurde erstmals 1870 isoliert. Die Übertragung erfolgt
durch Moskitos, Reservoir sind Vögel und Schweine. Sein
Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Südostasien
und Australien. Jährlich werden zwischen 30.000 und 50.000
Fälle bekannt, etwa 15.000 sterben an den Folgen einer
Meningoenzephalitis. Neurologische Symptome sind Vigilanzminderung,
Anfälle und sensomotorische Paresen. Therapie steht derzeit
keine zur Verfügung, eine aktive Immunisierung ist aber
möglich. |
Enterovirus
71
Das
Humane Enterovirus 71 gehört zur Gattung Enterovirus aus
der Familie der Picornaviridae, die Infektion kann asymptomatisch
verlaufen, aber auch die so genannte Hand-Fuß-Mund-Krankheit
auslösen. Dieses Virus wurde erstmals 1969 isoliert und
betrifft vorwiegend Kinder. Seit 1997 wurden einige Ausbrüche
in Südostasien und der Pazifikregion registriert. Die neurologische
Beteiligung (30%) äußert sich in Form von Meningitis,
Enzephalitis und Poliomyelitis-ähnlichen Symptomen sowie
Cerebellitis, Opsoklonus-Myoklonussyndrom und Guillain-Barré-Syndrom. |
Anschrift
des Referenten:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Brenneis
Neurologie
Landesklinikum St. Pölten
3100 St. Pölten, Propst-Führer-Straße 4
Email: neurologie@stpoelten.lknoe.at
|
|
|