Die Antibiotika-Resistenzkrise

Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch
4. Med. Abteilung mit Infektions- u. Tropenmedizin am SMZ-Süd, Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien


Zusammenfassung des Vortrages von Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch, Vorstand der 4. Med. Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin am SMZ-Süd, Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien, mit dem Titel „Die Resistenzkrise” sowie der anschließenden Diskussion.


 

Einleitung

Die Antibiotika-Resistenzproblematik in Österreich ist nicht im Zunehmen begriffen – mit Ausnahme von ESBL(Extended-Spectrum Beta-Lactamase) –, sondern stagniert seit einigen Jahren. Dennoch ist sie ernst zu nehmen.

Bakterien können vier verschiedene prinzipielle Arten von Resistenzen selbst generieren oder akquirieren:

1. Es gibt eine Zielstruktur am Rezeptor und dieser Rezeptor kann sich verändern, sodass das Antibiotikum nicht mehr wirken kann.

2. Die Zielzelle kann ein Enzym produzieren, das das Antibiotikum extrazellulär verdaut, das heißt, das Antibiotikum kommt gar nicht in die Nähe der Zielzelle.

3. Die Dicke der Membran nimmt beständig zu, sodass das Antibiotikum nicht zum Zielort gelangen kann, das heißt, die bakterielle Zelle schirmt sich vor dem Wirkeintritt des Antibiotikums ab.

4. Die bakterielle Zelle produziert eine Pumpe in der Zellmembran, das heißt, das Antibiotikum kommt zwar an den Zielort, wird von dort aber sofort wieder hinausgepumpt und kann daher keine Wirkung entfalten.

All diese Mechanismen kommen sowohl einzeln als auch in Kombination vor.

 

Die Fitness der Bakterien

Wenn Bakterien resistent werden, dann betrifft das eine ganze Population. Die Frage ist: Wie reagieren sie, wenn sie resistent werden, denn das biologische Verhalten der bakteriellen Zelle determiniert die klinische Problematik. Die biologische Wirkung einer bakteriellen Population kann man auch als „Fitness“ bezeichnen (nach Patrice Courvalin). Wenn sich bakterielle Zellen teilen, werden Mutationen entstehen (mit einer Frequenz abhängig von der Bakterienart von 106 bis 109 Zellteilungen) und es wird intrinsisch aus der Population eine neue bakterielle Mutante entstehen. Diese Mutationen können für die Bakterien Folgen haben, beispielsweise dass die Bakterien zwar resistent werden, aber weniger fit sind. So können sie weniger krank machen, weil beispielsweise die Effluxpumpe, die das Antibiotikum wieder hinauspumt, weniger aktiv ist. Ein möglicher Effekt dieser geringeren Fitness ist, dass die Zelle für das menschliche Immunsystem leichter angreifbar wird.

Bei Patienten, die immunologisch schwach sind, reicht ein nicht fittes Bakterium aus, um sie krank zu machen oder sogar ad exitum zu führen.

 

Chinolon-Resistenz

Die Resistenz von Escherichia coli gegenüber Chinolonen in Blutkulturen nahm seit dem Jahr 2000 kontinuierlich zu, die Klimax gab es 2007. Der zunehmende Einsatz von Chinolonen wurde damit in Assoziation gebracht. 2008 nahm die Resistenz ein wenig ab, im 1. Quartal 2009 lag sie bei 27%. Die weitere Entwicklung lässt sich nicht voraussagen. Möglicherweise pendelt sich die Resistenzrate jetzt zwischen 20% und 25 % ein.

Es wurde auch gezeigt, dass das Gen für die Methicillin-Resistenz – das mecA-Gen – in Staphylococcus aureus (S. aureus) von Chinolonen eingeschaltet werden kann. Dies hängt von der Verwendung von Chinolonen im Spital ab. Je mehr Chinolone man in einem Krankenhaus einsetzt, desto höher steigt die MRSA (Methicillinresistente Staphylococcus aureus)-Rate. Das hat aber keinen Selektionsdruck auf Fluorchinolon-resistente E. coli im Krankenhaus.

 

Krankenhausinfektion ESBL

Die ESBL („Extended-Spectrum Beta-Lactamasen“)-Rate in Österreich hat sich in den letzten Jahren verschlechtert; Österreich ist hier vom grünen Bereich in den gelben abgerutscht, das bedeutet eine ESBL-Rate von 5 bis 10%. Als eine Ursache dafür gilt die Tatsache, dass die dritte Generation Cephalosporine in Österreich häufig verschrieben werden, besonders im niedergelassenen Bereich: Die schlechte Resorption bedingt eine hohe Konzentration im Intestinum, das das Habitat von E. coli ist. Aber auch Cephalosporine und Chinolone steigern die ESBL-Rate.

Welcher Patient ein ESBL-Antibiotikum bekommt, ist abhängig von der Schwere der Grunderkrankung, der Dauer des Krankenhausaufenthalts und Faktoren, wie Intensivstation, Beatmung, Katheter invasiv und – wichtig! – der Antibiotika-Anamnese. Je mehr Antibiotika der Patient bekommen hat, umso höher ist das Risiko, dass er ESBL-besiedelt oder auch -infiziert ist. Wenn keine adäquate Behandlung vorgenommen wird, ist die Sterblichkeit höher! Das heißt, der Arzt muss an die ESBL-Rate von 10% in Österreich denken und die Risikofaktoren des Patienten einkalkulieren.

 

MRSA & die klinischen Auswirkungen

Der MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus)-Anteil in österreichischen Blutkulturen geht seit 2000 kontinuierlich zurück: höchste Rate 2000: 18%, 2003: 15%, 2008: 7%, 1. Halbjahr 2009: 3,7%. Dieser Umstand lässt sich auf Verbesserungen in der Krankenhaushygiene zurückführen; mittlerweile ist die MRSA-Rate ein Qualitätskriterium für Spitäler.

Doch das Resistenzproblem bei MRSA ist ernst zu nehmen. So ist zum Beispiel die MRSA-Sterblichkeit in den USA doppelt so hoch wie bei MSSA (Methicillin-sensible S. aureus) und verursacht längere Spitalsaufenthalte, mehr Aufwand in der Betreuung, mehr Kosten etc.

Studien haben gezeigt, dass, wenn der Patient kohortiert ist, mehr vermeidbare Komplikationen auftreten, die Vitalfunktionen nicht dokumentiert werden und Ärzte bei MRSA-Patienten weniger Verlaufskontrollen durchführen. Das heißt, das MRSA-Stigmatisieren eines Patienten hat für die klassische Betreuung und Pflege negative Konsequenzen.

 

Pseudomonas-Resistenz

In österreichischen Blutkulturen sind 10% der Pseudomonaden resistent gegen eines der gegen Pseudomonas wirksamen Medikamente, zum Beispiel Aminoglykosid-Resistenz: 10%, Chinolon-Resistenz: 10%, Ceftazidim- Resistenz: 10 %, Piperacillin-Resistenz: 10%.

Die Pseudomonas-Resistenz wird ebenfalls durch die Fluorchinolone angetrieben. Nicht nur, dass durch die Gabe von Fluorchinolone die Pseudomonas resistent gegen Chinolone werden, sondern Pseudomonas werden durch Fluorchinolone auch resistent gegen Piperacilline u.a.

 

Weitere Resistenzdaten
  • Enterokokken-Resistenz gibt es in Österreich nicht.
  • Pneumokokken-Resistenz gegenüber Penicillinen (2008: 0,8%) gibt es nicht.
  • Erythromycin-Resistenz liegt bei 10%. Das heißt, eine schwere Pneumokokken-Infektion, zum Beispiel eine Meningitis, wird aufgrund der Resistenz niemals mit einem Erythromycin behandelt.

 

Resümee

Die Wahl des Antibiotikums resultiert immer aus folgenden Faktoren: Berücksichtigung von Krankengeschichte, Komorbidität, Co-Verschreibung von Antibiotika und lokale Resistenzzahlen. Wichtig ist es, bei der Wahl auch den klinischen Kontext in die Überlegungen miteinzubeziehen.

Mit der Frage, wie man der Resistenzkrise Herr werden kann, beschäftigen sich so genannte Antibiotikaprogramme
(zum Beispiel ABS =Antibiotic-Stewardship-Aktivitäten). Primäre Ziele von Antibiotikaprogrammen sind der sinnvolle Gebrauch von Antibiotika und damit eine verbesserte Patientenbetreuung sowie die Prävention der Resistenzentwicklung.

 

Anschrift des Referenten:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch
4. Med. Abteilung mit Infektions- u. Tropenmedizin
SMZ-Süd Kaiser-Franz-Josef-Spital der
Stadt Wien
1100 Wien, Kundratstraße 3
Email: christoph.wenisch@wienkav.at


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