Richtig dosiert
ist halb gewonnen |
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.
Peter Dittrich
Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, Karl-Franzens-Universität
Graz |
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Zusammenfassung
des Vortrages von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Dittrich, Institut
für Pharmazeutische Wissenschaften, Karl-Franzens-Universität
Graz, mit dem Titel „Auswirkungen der Pharmakokinetik auf den
klinischen Alltag“.
Einleitung
Die Pharmakokinetik beschreibt den zeitlichen Verlauf von Arzneistoffkonzentrationen
im Organismus, um daraus optimale Dosierungsvorschläge
zu entwickeln. Trotzdem ist ihre Relevanz im klinischen Alltag
oft noch gering.
Pharmakokinetik beschäftigt sich mit der quantitativen
Auseinandersetzung zwischen Organismus und einverleibtem
Pharmakon. Unterschiede in der Pharmakokinetik eines Arzneimittels
führen zu unterschiedlichen Konzentrationen von Arzneistoffen
und deren Metaboliten im Blut und in den Zielgeweben. Die Beschreibung
des zeitlichen Verlaufs von Arzneistoffkonzentrationen im Organismus
dient dazu, Dosierungsvorschläge zu entwickeln und idealerweise
die Dosierung an den individuellen Bedarf eines Patienten anzupassen.
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Mathematische
Modelle zwischen Theorie und Praxis Schwere
und tödliche, unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind
auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht selten
(Lazarou, J., JAMA 1998, 279, 1200-5).
Die Autoren haben die Zahl der Fälle mit schweren, unerwünschten
Arzneimittelwirkungen während eines Spitalsaufenthaltes
oder von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die zu einem
Spitalsaufenthalt geführt haben, in den USA im Jahr 1994
mit rund 2,2 Millionen beziffert, mehr als 100.000 davon endeten
tödlich. Dies unterstreicht eindrücklich die Notwendigkeit,
vermehrtes Augenmerk auf eine optimal angepasste, individuelle
Dosierung zu richten.
Bei einer pharmakokinetischen Studie wird der Blutspiegel zu
unterschiedlichen Zeiten nach der Applikation gemessen und die
Ergebnisse erlauben Aussagen über das pharmakokinetische
Verhalten einer Substanz bei Patienten. Die Vorgänge, denen
ein Arzneistoff im Körper unterliegt – nach den jeweiligen
Anfangsbuchstaben als LADME abgekürzt – sind:
-
Liberation, die Freigabe und Auflösung (Dosis, Löslichkeit,
Teilchengröße, Modifikation und Salzform),
-
Absorption (polare Oberfläche, Größe, Stabilität,
H-Brückenbindung und log P/D),
-
Distribution im Gewebe (polare Oberfläche, Größe,
Stabilität, Transporter, H-Brückenbindung und log
P/D),
Um den für ein Arzneimittel typischen Verlauf zu beschreiben,
werden die Daten mit verschiedenen mathematischen Modellen bzw.
Methoden zusammengefasst und verdichtet. Üblicherweise
wird aber lediglich die Konzentration des Wirkstoffes im Blut
über einen bestimmten Zeitraum gemessen. Dies ist für
eine praktische, klinische Interpretation unter Umständen
problematisch, denn der Transport in erkranktes Gewebe (ZNS,
Auge, Prostata, Ohr, Plazenta oder Tumore) wird auf diesem Weg
nicht erfasst. |
Grenzen
exakt ausloten Aus
diesem Grund werden Methoden verwendet, die klinisch besser
anwendbar sind. Einige davon berücksichtigen beispielsweise
direkte Auswirkungen auf den individuellen Patienten und loten
als „therapy drug monitoring“ (TDM) die oft sehr
enge Grenze zwischen erwünschten und unerwünschten
Wirkungen aus. Auf diese Weise kann etwa auch das Ausbleiben
einer Wirkung bei Nichteinnahme und damit die Compliance des
Patienten überwacht werden. Derzeit noch eher Wunsch als
Wirklichkeit ist die Messung von Prüfgrößen
pro Patient, die als Grundlage für die Auswahl eines bestimmten
Therapeutikums und im Anschluss an die individuelle Dosierung
herangezogen werden.
Eine indirekte Anwendung ist die Modellierung von Pharmakogenetik
bzw. -dynamik. Hier werden auf Basis mathematischer Zielformulierungen
Simulationen durchgeführt, die mögliche Wirkungen
im Körper berechnen, wenn etwa Dosierungen oder Dosierungsintervalle
verändert werden. In der Populationspharmakokinetik fließen
in diese mathematischen Modelle noch zusätzlich repräsentative
Daten der Population ein, wie etwa pathophysiologische oder
demografische Parameter. Soll nun die optimale Dosierung für
einen neuen Patienten erfolgen, werden seine Parameter in die
Modelle eingefügt und das Ergebnis ist eine individuelle
Dosisoptimierung.
Eine wichtige klinische Anwendung der Kenntnisse der Metabolisierung
ist die Vermeidung unerwünschter Wirkungen von Arzneimitteln
aufgrund von Interaktionen unterschiedlicher verabreichter Substanzen.
Experten schätzen, dass Drug-Drug-Interaktionen für
rund 0,6% aller Spitalseinweisungen und etwa 0,1% der Wiedereinweisungen
verantwortlich sind. In Frage kommende Wirkstoffe sind NSAIDs,
Herz-Kreislaufpharmaka oder Diuretika. Typische Symptome sind
Blutungen im Gastrointestinaltrakt sowie Hyper- und Hypotonie
und Rhythmusstörungen.
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Pharmakogenetik
versus Pharmakogenomik
Obwohl
gelegentlich die Begriffe gleichbedeutend verwendet werden,
unterscheidet man zwischen der Pharmakogenomik als Anwendung
einer DNA-basierten Genotypisierung mit dem Ziel, pharmazeutische
Substanzen gezielt für spezifische Populationen zu entwickeln,
und der Pharmakogenetik als dem Studium der genetischen Variationen,
die zu einem unterschiedlichen Ansprechen von Individuen auf
Arzneimittel führen. Warfarin, Trastuzumab oder Tetrabenazin
sind beispielsweise Wirkstoffe, bei denen heute bereits in der
Fachinformation auf genetische Variationen hingewiesen wird.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Pharmakokinetik im
klinischen Alltag längst nicht den Beitrag leistet, den
sie leisten könnte. |
Anschrift
des Referenten:
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Dittrich
IPW Pharmakologie u. Toxikologie
KFU Graz
8010 Graz, Universitätsplatz 2
Email: peter.dittrich@uni-graz.at
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