Interstitieller
Konzentrationsverlauf von Fosfomycin bei Patienten mit schwerer Weichteilinfektion - erste
Mikrodialyse-Ergebnisse |
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A. Maier1, F. Legat2,
P. Dittrich3, M. Schintler4, F. Tomaselli1, H. Koch4,
M. Müller5, F.M. Smolle-Jüttner1
1 Univ.-Klinik für Chirurgie, Klin. Abt. für Thorax- und Hyperbare Chirurgie,
Graz
(Stellv. Abt.-Leiter: Univ.-Prof. Dr. F.M. Smolle-Jüttner)
2 Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Graz
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. H. Kerl)
3 Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Graz
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. B. Mayer)
4 Univ.-Klinik für Chirurgie, Klin. Abt. für Plastische und
Wiederherstellende Chirurgie, Graz
(Abt.-Leiter: Univ.-Prof. Dr. E. Scharnagl)
5 Univ.-Klinik für Klinische Pharmakologie, Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. H.G. Eichler) |
Zusammenfassung Schwere Weichteilinfektionen sind trotz Einführung hochpotenter Antibiotika
mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Zur Therapieoptimierung ist die
Kenntnis der pharmakokinetischen Eigenschaften der verwendeten Antibiotika am Wirkungsort
unerläßlich. Mit Hilfe der Mikrodialyse ist es nunmehr möglich, den
Konzentrationsverlauf im infizierten Gewebe zu messen. Anhand von zwei Fallberichten
stellen wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen für Fosfomycin vor. Über das gesamte
Dosierungsintervall (8 Stunden) konnten im infizierten und gesunden Gewebe (Muskel und
Subkutis) Wirkspiegel nachgewiesen werden, die die erforderlichen Konzentrationen für S.
aureus und MRSA um ein Vielfaches übertreffen. |
Key-words:
Soft-tissue infection, fosfomycin-microdialysis |
Summary Notwithstanding the introduction of highly potent antibiotics, severe
soft-tissue infections are associated with high morbidity and mortality. Optimal treatment
requires knowledge of the pharmacokinetic properties of the antibiotics used at the target
site. Microdialysis makes it possible to measure the concentration curve in infected
tissue. Two case reports serve to illustrate the results of our studies with fosfomycin.
The required concentrations for S. aureus and MRSA were greatly exceeded over the
entire observation period (8 hours) in infected and healthy tissue (muscle and
subcutaneous tissue ). |
EinleitungAn
unserer Klinik versuchen wir seit Jahren die Therapie schwerer Weichteilinfektionen durch
ein multimodales Therapiekonzept zu optimieren, das im wesentlichen auf 3 Säulen ruht:
chirurgisches Debridement, hyperbare Oxygenierung und adäquate antimikrobielle Therapie.
Besondere Beachtung findet bei der Antibiotikatherapie - neben anderen Parametern - die
Pharmakokinetik der verwendeten Antibiotika in vivo, im infizierten Gewebe. Wir
verwenden dabei die Mikrodialyse, eine innovative Technik für klinische,
pharmakokinetische Untersuchungen. |
Prinzip
der Mikrodialyse Bei der Mikrodialyse [1,
2, 3, 4, 5, 6] wird ein Dialysat aus dem Interstitium durch eine semipermeable Membran an
der Spitze einer Sonde gewonnen. Die Sonde wird in das gewünschte Gewebekompartement
implantiert und permanent mit einer physiologischen Lösung perfundiert. Stoffe in der
interstitiellen Flüssigkeit sind in der Konzentration CGewebe enthalten und
diffundieren durch die semipermeable Membran, wobei sich diese mit der Konzentration CDialysat
im Perfusionsmedium wiederfinden. Die Äquilibration zwischen der interstitiellen
Flüssigkeit und dem Perfusionsmedium ist jedoch inkomplett, wobei die Konzentration im
Gewebe größer ist als im Dialysat. Um den Faktor, durch welchen diese Konzentrationen in
Beziehung stehen, zu ermitteln, wird eine in vivo-Kalibrierung der Sonde
(Retrodialyse) durchgeführt. Die Diffusion durch die semipermeable Membran ist
quantitativ in beide Richtungen gleich. Es wird daher die gesuchte Substanz dem Perfusat
in einer genau definierten Konzentration beigemengt, und die Diffusionsrate durch die
Membran in vivo bestimmt. Mit dieser in vivo-Kalibrierung (Retrodialyse)
ist es möglich, den Konzentrationsunterschied zwischen CGewebe und CDialysat
(recovery-rate) rechnerisch zu ermitteln.
Das zu untersuchende Antibiotikum wird dem Patienten in der als
optimal erachteten, an Körpergewicht und Organfunktionen angepaßten Dosierung i. v.
verabreicht. Die Messung erfolgt im infizierten und korrespondierenden gesunden Areal. Die
Proben werden alle 20 Minuten gesammelt. Zusätzlich werden zeitsynchron Serumproben
entnommen, um die Berechnung des Konzentrationsverhältnisses Gewebe zu Serum zu
ermöglichen.
Die Analyse der Proben erfolgt mittels Gaschromatographie, wobei
Konzentrationen bis zu 1 µg/ml nachweisbar sind. |
Multimodales
Therapiekonzept Unser multimodales
Therapiekonzept bei schweren Weichteilinfektionen basiert auf:
1. Das chirurgische Debridement mit täglichem
Verbandswechsel und mechanischer Wundreinigung ist Basis der Therapie jeder schweren
Weichteilinfektion.
Zur Förderung der Granulationstätigkeit wird, wenn es die
Lokalisation erlaubt, ein VAC-System (Vakuumverband mit simultaner Absaugung des
Wundsekretes) für einige Tage angelegt. Bei entsprechend guter Granulationstätigkeit
wird der Defekt mit einem Spalthauttransplantat und/oder myokutaner Lappenplastik gedeckt.
2. Die hyperbare Oxygenation als additive Maßnahme
unterstützt die Wundheilung durch Aktivierung der Makrophagenaktivität, der
Fibroblastenproliferation und Kollagensynthese sowie der Neovaskularisierung [7, 8].
Täglich erfolgt eine HBO-Sitzung unter 2,2 absoluten Atmosphären über 60 Minuten. Die
Anzahl der HBO-Sitzungen wird individuell an den Fortschritt der Wundheilung angepaßt.
Bei clostridialen Myonekrosen wird die hyperbare Oxygenation zyklisch mit 3 absoluten
Atmosphären (O2-Toxizitätsgrenze) durchgeführt, um den Teilungszyklus der
Clostridien zu unterbrechen, die Toxinproduktion zu hemmen und die Phagozytosefähigkeit
der Leukozyten wieder herzustellen [9, 10].
3. Die Antibiotikatherapie
Da es sich meist um lebensbedrohliche Erkrankungen handelt, beginnen wir empirisch mit der
Antibiotikakombination: Fosfomycin plus Meropenem.
Fosfomycin in einer Dosierung von 200 mg/kg
aufgeteilt auf 3 Einzeldosen, wegen seiner ausgeprägten Wirksamkeit gegen Staphylokokken,
einschließlich MRSA, seiner gesteigerten Wirksamkeit in Arealen mit vermindertem O2-Partialdruck
und seiner Wirkungsstabilität im sauren Milieu.
Meropenem in der Dosierung 3 x 1 g wegen seines
breiten Wirkungsspektrums - insbesondere auch im anaeroben Bereich.
Fallbericht 1 21jähriger männlicher Patient mit einer nekrotisierenden Fasziitis im
Bereich des rechten Beines als Folge eines Minimaltraumas (Prellung am rechten
Oberschenkel ohne sichtbare Hautverletzung).
Die Erstoperation, eine Spaltung im Bereich des Oberschenkels,
erfolgte in einem peripheren Krankenhaus, wobei sich der Allgemeinzustand des Patienten
kontinuierlich verschlechterte. Als Antibiotikatherapie erhielt
der Patient Cefuroxim 3 x 1,5 g.
Die Aufnahme des Patienten erfolgte in der
Phase des hypodynamen septischen Schocks mit massiver Myoglobinurie und beginnendem
Nierenversagen. Initial wurden entsprechende intensivmedizinische Maßnahmen eingeleitet,
und die Antibiotikatherapie auf Fosfomycin plus Meropenem
umgestellt. Im Wundabstrich wurden Streptokokken, S. aureus und Bacteroides
fragilis nachgewiesen. Sämtliche Nekrosen wurden chirurgisch entfernt (Abb. 1). |
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In weiterer Folge wurden tägliche Verbandwechsel mit einer
mechanischen Wundreinigung sowie hyperbare Oxygenation (2,2 absolute Atmosphären über 60
Minuten) durchgeführt. Das septische Zustandsbild des Patienten besserte sich sowohl
klinisch als auch laborchemisch innerhalb weniger Tage. Korrespondierend dazu zeigte die
Mikrodialyse-Untersuchung im infizierten Gewebe, daß im gesamten Dosisintervall die
Fosfomycinkonzentration immer über den erforderlichen Konzentrationen für Staphylokokken
lag (Abb. 2).
Abbildung 2
bitte hier klicken...
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Dank der raschen Granulation konnte nach nur 10 Tagen
die gesamte Wundfläche mit einer Spalthaut gedeckt werden. Die hyperbare Oxygenation
wurde bis zum Einheilen des Spalthauttransplantates (1 Woche) fortgeführt (Abb. 3). Der
Patient konnte drei Wochen nach Aufnahme in zufriedenstellendem Allgemeinzustand und mit
komplett eingeheiltem Spalthauttransplantat in ein Rehabilitationszentrum überstellt
werden. |
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Fallbericht 2
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63jähriger Patient mit einem diabetischen
Gangrän 2. - 4. Zehe rechts, Vorfußphlegmone mit Lymphangitis bis in die rechte Leiste
(Abb. 4).
Am Aufnahmetag wurde die antimikrobielle Therapie mit Fosfomycin plus Meropenem
eingeleitet und das chirurgische Debridement mit Amputation der 2. - 4. Zehe rechts mit
simultaner hyperbarer Oxygenation durchgeführt (Abb. 5). Im Wundabstrich wurden
Streptokokken und Staphylokokken gefunden. |
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Am 2. postoperativen Tag zeigte sich
bereits ein deutlicher Rückgang der klinischen und laborchemischen Entzündungsparameter.
Korrespondierend dazu wurde am 1. postoperativen Tag die Mikrodialyse-Untersuchung
durchgeführt, wobei die gemessenen Fosfomycin-Konzentrationen die erforderlichen
Hemmkonzentrationen um ein Vielfaches übertrafen (Abb. 6, 7). Abbildung 7
bitte hier klicken... |
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Infolge der günstigen Lokalisation am Vorfuß konnte zur weiteren
Steigerung der Granulationstendenz ein VAC-System (Abb. 8) angebracht werden. Die
Verbandswechsel wurden im zweitägigen Rhythmus durchgeführt. Am 9. postoperativen Tag
zeigte sich ein dunkelroter Granulationsrasen (Abb. 9), sodaß eine Lappenplastik mit
Spalthauttransplantation zur Defektdeckung durchgeführt werden konnte (Abb. 10). Die
hyperbare Oxygenation wurde bis zur Einheilung des Spalthauttransplantates und der
Myoplastik fortgesetzt. Der Patient konnte 3 Wochen nach Aufnahme in gutem
Allgemeinzustand, mit einem orthopädischen Schuh zur Druckentlastung, in häusliche
Pflege entlassen werden (Abb. 11 ).
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Seit 1997 konnten wir mit dem oben vorgestellten
multimodalen Therapiekonzept bei über 100 Patienten ausgezeichnete klinische Erfolge
erzielen. Die beiden vorgestellten Fälle bestätigen stellvertretend für das gesamte
Patientengut, daß die frühzeitige chirurgische Intervention in Kombination mit der HBO
und einer adäquaten antimikrobiellen Therapie zur Optimierung des Behandlungserfolges
beitragen können. Bei schweren Weichteilinfektionen wurde erstmalig mit der Mikrodialyse
für Fosfomycin der interstitielle Spiegelverlauf im infiziertem Gewebe nachgewiesen. Eine ausführliche Publikation der Ergebnisse ist in Vorbereitung. |
Literatur: 1. Lönnroth P., Jansson P.A., Smith U.: "A microdialysis method
allowing characterization of intercellular water space in humans." AM. J. Physiol.
253 (1987) 228-231.
2. Elmquist W.F., Sawchuk R.J.: "Application of microdialysis
in pharmacokinetic studies." Pharm. Res. 14 (1997) 267-288.
3. Davies M.I.: "A review of microdialysis sampling for
pharmacokinetic applications." Analytica Chimica Acta 379 (1999) 227-249.
4. Stenken J.A.: "Methods and issues inmicrodialysis
calibration." Analytica Chimica Acta 379 (1999) 337-358.
5. Müller M., Schmid R., Georgopoulos A., Buxbaum A., Wasicek C.,
Eichler H.G.: "Application of microdialysis to clinical pharmacokinetics in
humans." Clin. Pharmacol. Ther. 57 (1995) 371- 380.
6. Müller M., Brunner M., Hollenstein U., Joukhadar C., Schmid R.,
Minar E., Ehringer H., Eichler H.G.: "Penetration of Ciprofloxacin into the
Interstitial Space of lnflamed foot Lesions in Non-Insulin-Dependent Diabetes Mellitus
Patients." Antimicrobial Agents and Chemotherapy 43(8) (1999) 2056-2058.
7. Brakora M.J., Sheffield P.J.: "Hyperbaric oxygen therapy for
diabetic wounds." Clin. Pod. Med. Surg. 12 (1995) 105-117.
8. Gorman D.: "Oxygen therapy in the diabetic foot." In:
Frykberg R.G., editor. "The high risk foot in diabetes mellitus." New York:
Churchill Livingstone Inc. 441 (1991).
9. DeMello F.J., Haglin J.J., Hitchcock C.R.: "Comparative
study of experimental Clostridium perfringens infection in dogs treated with antibiotics,
surgery and hyperbaric oxygen." Surgery 73 (1973)936-941.
10. Kaplan L.J., Pameijer C., Blank-Reid C., Granick M.S.:
"Necrotising Fasciitis: An Uncommon Consequence of Pressure Ulceration." Adv.
Wound Care 11 (1998) 185-89. |
Anschrift des Verfassers:
Univ.-Ass. Dr. Alfred Maier
Univ.-Klinik für Chirurgie, Klin. Abt. für Thorax- und Hyperbare Chirurgie
A-8036 Graz, Auenbruggerplatz 29 |
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