Epidemiologie,
Kosten und Prognose des diabetischen Fußes |
Th. Kästenbauer1, G.
Sokol2, K. Irsigler2
1 Ludwig-Boltzmann-Institut für Stoffwechselerkrankungen und Ernährung,
Krankenhaus Lainz, Wien
(Leiter: Univ.-Prof. Dr. K. Irsigler)
2 3. Medizinische Abteilung mit Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie,
Krankenhaus Lainz, Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. R. Prager) |
Der diabetische Fuß
muss als extremitäten- oder lebensbedrohende Komplikation bei Diabetikern
ernst genommen werden. Rund 50% aller Amputationen der unteren Extremitäten
werden an Diabetikern vorgenommen, wobei nur ca. 5% der Gesamtbevölkerung
Diabetiker sind. |
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann eine Primärprävention
des diabetischen Fußes durch eine nahe normoglykämische Stoffwechselkontrolle
(Neuropathie), durch Normotonie und Nichtrauchen (Durchblutung)
und durch spezielle Schulung der Patienten erfolgen. Eine Sekundärprävention
wird erst durch regelmäßige, jährliche Untersuchungen der Neuropathie
und peripheren Durchblutungsstörungen möglich, damit drohende Ulzerationen
oder Amputationen rechtzeitig mittels geeignetem Schuhwerk oder
durch vaskuläre Rekonstruktion verhindert werden können.
|
Einleitung
Periphere Neuropathie, periphere Durchblutungsstörungen
und Infektionen können als wichtigste Risikofaktoren angeführt werden,
wobei ca. 2/3 aller Amputationen ein diabetisches Fußulkus vorangeht.
Größere Amputationen oberhalb des Knöchels sind mit einer erhöhten
Morbidität, mit einem hohen Re-Amputationsrisiko und einer 30- bis
50%igen Mortalität innerhalb von 3 Jahren assoziiert. Die direkten
Kosten für eine Amputation belaufen sich auf fünfstellige Dollarbeträge.
Durch einen aggressiven Therapiezugang kann die Amputationsrate
bei Diabetikern deutlich gesenkt werden. In diesem Zusammenhang
hat sich, neben Verbesserungen der Ulkustherapie, vor allem die
vaskuläre Rekonstruktionschirurgie als erfolgreich erwiesen.
Bekanntes unbekannt
Das Syndrom des diabetischen
Fußes ist schon lange bekannt, und doch gibt es bei den Betroffenen
zum Teil große Unwissenheit über Entstehung, Verlauf und Prognose.
Auf ärztlicher Seite muss beachtet werden, dass nicht nur ältere
Patienten mit einer langen Diabetesdauer ein Risiko für einen diabetischen
Fuß haben. Generell ist zwar eine längere Diabetesdauer mit einer
höheren Komplikationsrate assoziiert, aber es können auch schon
bei kurzer Erkrankungsdauer entsprechende Läsionen auftreten. In
einer englischen Populations-basierten Studie hatte 1/5 aller amputierten
Diabetiker eine Diabetesdauer von unter einem Jahr (New, Diabetic
Medicine 1998).
Epidemiologie und
Risikofaktoren
Die Angaben zur Prävalenz diabetischer Fußulzera erstrecken sich
von ca. 2-7% und die zur Inzidenz von ca. 1,5-8%. Unter 1.004 untersuchten
Diabetikern aus England hatten 74 ein aktives Ulkus oder eine Ulkusanamnese
(Walters, Diabetic Medicine 1992). Diese hohe Prävalenz von 7,4%
wird von einer weiteren britischen Untersuchung bestätigt (Neil,
Diabetic Medicine 1989).
„Nicht
nur ältere Patienten mit langer Diabetesdauer haben das Risiko
für einen diabetischen Fuß.“
|
Geringere Prävalenzen liegen aus Schweden
für Patienten unter 50 Jahren mit 3% (Borssen, Diabetic Medicine
1990) und aus den Niederlanden mit 1,8% (de Sonnaville, Diabetes
Research and Clinical Practice 1997) vor. Ähnliche geografische
Unterschiede bestehen auch bezüglich der Inzidenz, die mit ca. 7-8%
in England (Young, Abbott) im Vergleich zu 2-3% für die USA (Ramsey,
Diabetes Care 1999, Boyko, Diabetes Care 1999) und < 2% für Österreich
(Kästenbauer, in press: J. Am. Podiatr. Med. Assoc.) relativ hoch
liegen.
„Eine kritische
Triade aus Neuropathie, kleineren Fußläsionen und Fußdeformitäten
ist an 2/3 aller Ulzerationen beteiligt.“
|
Allerdings liegen aus den USA mit
ca. 11% auch die höchsten Angaben vor (Pham, Diabetes Care 2000).
Diese unterschiedlichen Resultate lassen sich teilweise auch durch
nicht vergleichbare Studienpopulationen erklären.
Die
Amputationsrate von kaukasischen Diabetikern aus Industrienationen
liegt zumeist bei ca. 2,5-6 pro 1.000 Patientenjahren (New, Diabetic
Medicine 1998, Most, Diabetes Care 1983, Morris, Diabetes Care 1998).
Andere Ethnien, insbesondere nordamerikanische Indianervölker, übertreffen
diese Inzidenzen bei weitem. Die amputationsbezogene Auswertung
der Wisconsin-Studie ergab nach 14 Jahren Beobachtung eine erschreckend
hohe kumulative Inzidenz von 7,2% bei jugendlich manifestierten
Diabetikern; die Rate war, wie zu erwarten, bei Patienten, die erst
nach ihrem 30. Lebensjahr einen Diabetes entwickelten, mit 9,9%
noch höher (Moss, Diabetes Care 1999). Allerdings dürfte gegenwärtig
die Amputationsrate in den entwickelten Ländern zurückgehen, was
auf aggressiver und frühzeitiger Therapie beruht (s.u.).
Diabetiker vs.
Nichtdiabetiker
Im Vergleich zu Nichtdiabetikern haben Diabetiker ein ca. 8- bis
15-mal größeres Risiko, eine Amputation zu erleiden (Van Gils, Diabetes
Care 1999, Most, Diabetes Care 1983). In Schweden werden 48% aller
Bein- oder Fußamputationen an Diabetikern vorgenommen, obwohl deren
Anteil in der untersuchten Bevölkerung nur 2,4% beträgt (Larsson,
Diabetic Medicine 1995). Diese Daten zeigen eindrücklich, dass Diabetiker
häufiger als andere Kranke dieses Schicksal erleiden und dass allein
50% der Leistungen für nur wenige Prozent der Bevölkerung erbracht
werden müssen.
Kausalanalysen
der Ulkus- bzw. Amputationsgenese
Aus Analysen zur Ulkus- und Amputationsgenese gehen signifikante
Risikofaktoren hervor, die durch prospektive Studien untermauert
wurden. Eine kritische Triade, bestehend aus Neuropathie, kleineren
Fußläsionen und Fußdeformitäten, ist an 2/3 aller Ulzerationen beteiligt
(Reiber, Diabetes Care 1999). Von multivariaten Analysen prospektiver
Studien weiß man, dass vor allem ein Verlust der peripheren Sensibilität
bzw. eine klinisch manifeste und/oder symptomatische Neuropathie
sowie eine hohe mechanische Belastung unabhängige Prädiktoren für
die Entstehung diabetischer Ulzera sind (Pham, Diabetes Care 2000,
Young, Diabetes Care 1994, Abbott, Diabetes Care 1988, Boyko, Diabetes
Care 1999, Veves, Diabetologie 1992). Aus eigenen Untersuchungen
wissen wir, dass eine pathologisch erhöhte Vibrationsschwelle, ein
erhöhter plantarer Druck und der tägliche Konsum von Alkohol das
Ulzerationsrisiko um ein Vielfaches erhöhen (Kästenbauer, in press).
Periphere Durchblutungsstörungen
Als Hauptursache für Amputationen bei Diabetikern sind Fußulzerationen
anzusehen, die sich sekundär infizieren und/oder aufgrund einer
Gangrän nekrotisieren (Larsson, Acta Orthop. Scand. 1995). Als Risikofaktoren
für periphere Durchblutungsstörungen bei Diabetikern wie Nichtdiabetikern
werden Rauchen, Bluthochdruck und erhöhte Blut-Cholesterinwerte
angeführt (Bild, Diabetes Care 1989), wobei gezeigt werden konnte,
dass sowohl Rauchen als auch Bluthochdruck unabhängig mit der Progression
vaskulärer Schäden bei Diabetikern assoziiert sind (Palumbo, Archives
of Internal Medicine 1991). Die Assoziation peripherer Durchblutungsstörungen
mit der Diabetesdauer zeigt Melton (Diabetes Care 1980), wobei 20
Jahre nach der Diabetesdiagnose 45% der Patienten betroffen waren.
Amputation – Risikofaktoren
und unabhängige Prädiktoren
Eine große Zahl Fall-kontrollierter Studien behandelt die Risikofaktoren
für Amputationen, wobei neben dem männlichen Geschlecht und der
Diabetesdauer v.a. die diabetische Polyneuropathie und makro- und
mikrovaskuläre Variablen im Vordergrund stehen. Zu bedenken ist,
dass bei Diabetikern auch eine schwere periphere Durchblutungsstörung
aufgrund der Neuropathie nicht unbedingt mit Ruheschmerzen oder
Claudicatio intermittens assoziiert sein muss (Apelqvist, J. Diab.
Compl. 1992).
Eine kürzlich publizierte prospektive
finnische Studie (Lehto, Diabetes Care 1996) an 1.044 Typ-2-Diabetikern,
die über 7 Jahre untersucht worden waren, ergab folgende unabhängige
Prädiktoren: erhöhter NBZ > 240 mg/dl (relatives Risiko RR = 2,5),
HbA1c > 10,7% (RR = 2,4), Diabetesdauer länger als 9 Jahre (RR =
2,2), beidseits fehlender Achillessehnenreflex (RR = 4,3), fehlender
Vibrationssinn (RR = 2,7), diabetische Retinopathie (RR = 3,6),
> 2 fehlende Fußpulse (RR = 4,3) und auskultative Femoralisgeräusche
(RR = 2,1). Die prospektive „Seattle Diabetic Foot Study“, in der
776 Diabetiker über im Mittel 3,3 Jahre verfolgt wurden, kam zu
vergleichbaren Ergebnissen. Weiters war das Amputationsrisiko für
jene Patienten um das 3,0- bis 3,4fache erhöht, die bereits vor
oder während der Studie eine Amputation erlitten hatten. In dieser
Studie kam auch sehr deutlich die Assoziation von Amputation und
vorgehendem Ulkus zu Tage; alle amputierten Patienten, aber nur
27% der nicht-amputierten Patienten hatten einmal ein diabetisches
Fußulkus. In einer Subanalyse von 20 Patienten mit unilateralen
Ulzerationen wurde diese Beziehung deutlich herausgearbeitet: 17
hatten eine ipsilaterale Amputation und nur 3 eine Amputation der
kontralateralen Extremität.
Hand in Hand –
hohe Mortalitätsrate, verringertes Langzeitüberleben
Die Mortalität ist bei Patienten mit diabetischen Ulzera deutlich
erhöht. Eine holländische Studie an Patienten, die wegen diabetischer
Fußulzerationen in stationärer Behandlung waren, ergab eine Spitalsmortalität
von 10%. Es bestand weiters eine positive Korrelation zum Schweregrad
der Ulzeration (Bouter, European J. Medicine, 1993). Prospektive
Daten liefert eine US-Studie aus Seattle; das relative Risiko für
die Kurzzeit-Mortalität war für Diabetiker, die Ulzerationen während
der Studie entwickelt hatten, 2,4-mal so hoch wie für Patienten,
die nicht ulzeriert hatten (Boyko, Diabetic Medicine 1996). Das
Langzeitüberleben ist bei Ulkus- und Amputationspatienten stark
verringert. Nach 1, 3 und 5 Jahren lebten nur mehr 92%, 73% und
58% der Ulkuspatienten bzw. 80%, 59% und 27% der amputierten Diabetiker
(Apelqvist, J. Internal Medicine 1993).
|
Tabelle 1: Epidemiologische
Studien zum diabetischen Fußulkus
|
Land
|
Studien-
zentren
|
Studien-
design
|
Diabetes
Typ
|
n
|
Ulkusanamnese
ausgeschlossen
|
Studien-
dauer (a)
|
Prävalenz
(%)
|
Inzidenz
(% jährlich)1
|
Kumar, 1994
* |
de Sonnaville,
1997 |
Borssen, 1990
*
|
Neil, 1989
*
|
Walters, 1992
|
|
|
|
community
based
|
community
based
|
population
based
|
population
survey
|
population
survey
|
|
2
*
|
2
*
|
1 + 2
*
|
1 + 2
*
|
?
*
|
|
811
*
|
609
*
|
380
*
|
193
|
1.077
*
|
|
nein
*
|
nein
*
|
nein
*
|
nein
*
|
nein
*
|
|
*
|
5,3
*
|
1,8
*
|
3 + 0
*
|
7
*
|
7,4
*
|
|
*
|
Coppini, 1998
Ramsey, 1999
|
UK
US
|
1
1
|
case-control
retrospektiv
|
1 + 2
1 + 2
|
405
8.905
|
ja
nein
|
12
3
|
*
|
0,2
1,9
|
Veves, 1992 |
Young, 1994 |
Abbott, 1998 2 |
Boyko, 1999 |
Pham, 2000 |
Kästenbauer,
2001 3
|
|
|
|
prospektiv
|
prospektiv
|
prospektiv
|
prospektiv
|
prospektiv
|
prospektiv
*
|
|
1 + 2
|
1 + 2
|
1 + 2
|
1 + 2
|
1 + 2
|
2
*
|
|
86
|
469
|
1.035
|
749
|
248
|
187
*
|
|
nein
|
ja
|
ja
|
nein
|
nein
|
ja
*
|
|
|
*
|
6,8
|
8,3
|
7,2
|
2,9
|
11,6
|
1,6
*
|
|
AM = Allgemeinmediziner
1 = Inzidenz teilweise aus kumulativen Angaben errechnet, 2
= nur neuropathische Patienten, 3 = in press |
|
Kosten des diabetischen
Fußes
Mittlerweile sind genügend Analysen
publiziert, die die hohen Behandlungskosten des diabetischen Fußes
dokumentieren. Daten einer prospektiven Studie an 314 diabetischen
Fußulkus-Patienten aus Schweden wurden retrospektiv bezüglich angefallener
Heilungskosten analysiert (Apelqvist, J. Internal Medicine 1994,
Apelqvist, Diabetic Medicine 1995). Die mit der Heilung eines Ulkus
verbundenen Kosten, wie auch die Heilungsdauer, waren direkt mit
dem Schweregrad der Läsion assoziiert (superfizielles Ulkus, tiefes
Ulkus, infiziertes Ulkus/Abszess, Gangrän). Die direkten Gesamtkosten
(stationäre/ambulante Betreuung und Medikamente) betrugen für superfizielle
Ulzerationen im Schnitt 3.000 Pfund Sterling, für tiefe Ulzera 9.600
Pfund, für infizierte Ulzera 15.600 Pfund und für Gangrän 35.100
Pfund. Die wöchentlichen Kosten betrugen je nach Art des Ulkus und
der entsprechenden Therapie zwischen 40 und 385 Pfund pro Patient.
Ganz deutlich wird, dass aber die meisten Kosten für das medizinische
Personal und für die Anreise zum Zentrum angefallen sind. Das bedeutet,
dass das größte Sparpotenzial in solchen Therapiestrategien liegt,
die einen möglichst seltenen Verbandwechsel in der Fußambulanz bedingen
(Apelqvist, Diabetic Medicine 1995).
„Das größte
Sparpotenzial liegt in Therapiestrategien, die einen möglichst
seltenen Verbandwechsel in der Fußambulanz bedingen.“
|
Weiters wurde das Outcome analysiert:
Die gesamten Kosten pro Patient beliefen sich für primär geheilte
Ulkuspatienten auf durchschnittlich 51.000 SEK und für sekundär
geheilte Patienten auf 344.000 SEK. Der Anteil der stationären Kosten
am Gesamtbetrag war mit 37% bei den primär geheilten Patienten deutlich
geringer als mit 82% bei den sekundär geheilten Diabetikern.
England
Die Kosten von Spitalseinweisungen anhand der primären ICD-Codes
für periphere Durchblutungsstörung, Infektion, Neuropathie oder
Ulzeration (Currie, Diabetes Care 1998) betrugen für einen 4-Jahres-Zeitraum
bei 4.245 Zuweisungen 1,2 Mill. Pfund. Bei einem Anteil von 15,4%
Diabetikern errechnet sich ein 87%iger Mehraufwand im Verhältnis
zum Anteil der Diabetiker an der Population.
Holland
1989 waren in Holland insgesamt 3.790 Patienten über im Mittel 38
Tage wegen diabetischer Ulzerationen in stationärer Betreuung. Die
kumulativen Kosten beliefen sich auf ca. 38 Mill. ECU (Bouter, European
J. Medicine, 1993). 1992 wurden in Holland 1.810 Amputationen unterer
Extremitäten an Diabetikern durchgeführt. Die mittlere Aufenthaltsdauer
war 42 Tage, und die anlaufenden Kosten beliefen sich auf 10.500
Pfund pro Patient (van Houtum, Diabetic Medicine, 1995).
Amerika
Für die USA gibt es etwas ältere Kostenschätzungen, die für 1984
die direkten Kosten einer Amputation mit 8.000-12.000 USD benennen,
was für die gesamte diabetische Population 500 Millionen USD per
Jahr bedeutet (Bild, Diabetes Care 1989). In diesen Berechnungen
sind aber noch nicht die Aufwendungen für Rehabilitation enthalten.
In einer anderen Studie werden die Behandlungskosten von 1984 denen
von 1990 gegenübergestellt (Gibbons, Arch. Surg. 1993). Sowohl bezüglich
der Amputation als auch bezüglich Bypass-Operationen wurde eine
Kostensenkung beobachtet, wobei die Kosten einer Bypass-Operation
signifikant von 19.800 USD auf 16.000 USD gefallen sind.
|
Prognose
Eine Reihe von Veröffentlichungen untersucht
die Wirksamkeit und Effizienz neu errichteter Fußambulanzen. Es
ist einleuchtend, dass die Betreuung in einem interdisziplinären
Team aus Diabetologen, Angiologen, Radiologen und (plastischen)
Chirurgen von höherer Qualität sein muss, wobei aber der Diabetologe
die Koordina-tion der Aktivitäten beibehalten sollte. Dieses Team
kann/muss von Schulungskräften, Fußpflegern und Orthopädietechnikern
ergänzt werden; im KH Lainz z.B. bewährt sich eine solche interdisziplinäre
Zusammenarbeit seit vielen Jahren. In den USA wird die zentrale
Rolle des Diabetologen oft von einem „Chiropodist“, einem speziell
für Fußprobleme ausgebildeten Arzt, übernommen.
Schon 1986 zeigte Edmonds et al. (Q.
J. Med. 1986), dass in einer neu errichteten Fußklinik, bestehend
aus Chiropodist, Schuhmacher, Krankenschwester, Internist und Chirurg,
die Heilungsraten von Ulzerationen besser waren und dass die Inzidenz
von Amputationen abnahm. Sechsundachtzig Prozent der neuropathischen
und 72% der ischämischen Ulzera konnten geheilt werden, wobei der
Wundversorgung, dem antibiotischen Regime und dem geeigneten Schuhwerk
eine essenzielle Rolle zukam. Durch die verbesserte Heilungsrate
wurden im Laufe von drei Jahren 40-60% der Amputationen im Vergleich
zu zwei Jahren vor Einführung der Fußklinik verhindert.
Revaskularisierung
Eine Studie aus Boston belegt eindrucksvoll, wie neue, aggressive
Revaskularisierungen Amputationen bei Patienten mit ischämischen
Ulzera reduzieren können (Gibbons, Arch. Surg. 1993). Die Gesamtzahl
von Amputationen nahm von 44% im Jahr 1984 auf 7,3% in 1990 ab.
Parallel dazu nahm die Anzahl durchgeführter Revaskularisierungen
von 56% auf 92,7% zu. Die Möglichkeit, einen pedalen Bypass zu legen,
die sich während der Studie eröffnete, wurde 1990 schon für den
Hauptanteil aller Bypässe genutzt. Ebenso konnte die durchschnittliche
Liegedauer von 38,5 auf 21,9 Tage signifikant gesenkt werden. Eine
erst im Juli dieses Jahres veröffentlichte populationsbasierte Studie
aus Dänemark belegt auch für Europa im Zeitraum von 1981 bis 1995
einen generellen Rückgang von großen Amputationen bei Diabetikern
(Holstein, Diabetologia 2000). Die Inzidenz nahm bei Typ-1-Diabetikern
um 59% von 10,0 auf 4,1 pro 1.000.000 Einwohner und beim Typ 2 um
84% von 17,2 auf 2,8 pro 1.000.000 Einwohner ab. Die Zahl der neuen
infrapoplitealen Bypässe nahm von 0 auf 13 pro 100.000 Einwohner
zu wie auch generell die gesamte Zahl von Revaskularisierungen von
2,6 auf 19,2.
Durch intensive Schulung konnte nach
einem Jahr in der Interventionsgruppe (Schulung + „Fußpflegevertrag“
mit telefonischen Rückfragen) das Risiko für Fußläsionen halbiert
werden (Litzelmann, Ann. Int. Med. 1993).
|
Anschrift des Verfassers:
Mag. Thomas Kästenbauer
Ludwig-Boltzmann-Institut für Stoffwechselerkrankungen und Ernährung,
KH Lainz
A-1130 Wien, Wolkersbergenstraße 1 |
zurück
zum Inhalt
|