Der diabetische
Fuß: Revaskularisation – Amputation |
Th. Hölzenbein
Univ.-Klinik für Chirurgie, Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. F. Mühlbacher) |
Nachdem Diabetes eine häufige
„Zivilisationskrankheit“ geworden ist und die Kosten für Therapie
und Spätkomplikationen an die Grenze der Finanzierbarkeit stoßen,
ist die Prävention von diabetischen Fußproblemen und der assoziierten
Amputation vorrangig zu betrachten.
Zusammenfassung
Ziel der Therapie
Ziel der Bemühungen ist es, die Amputation
zu verhindern und ein belastungsfähiges Bein zu erzielen. Das kosmetische
Ergebnis ist dabei weniger wichtig als das funktionelle. Es ist
oft besser, eine transmetatarsale Amputation durchzuführen, die
auf längere Sicht gut mit geeignetem Schuhwerk zu versorgen ist,
als einzelne lädierte Zehen zu erhalten, die nur Ausgangspunkt für
spätere Infektionen an den Füßen und einen neuerlichen Spitalsaufenthalt
sein werden.
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Einleitung
Die Zahl der Diabetiker nimmt ständig
zu. Einerseits durch die erhöhte Inzidenz der Erkrankung, andererseits
durch das längere Überleben der Patienten aufgrund immer besserer
Langzeittherapien. Diabetiker haben ein etwa 45-fach höheres Risiko
eine Amputation zu erleiden als Nicht-Diabetiker. In den westlichen
Industrieländern wird die häufigste Indikation zu einer Amputation
bei diabetischen Fußproblemen gestellt – entsprechend hoch ist ihr
Stellenwert. Ca. 50% aller stationären Aufnahmen bei Diabetes mellitus
werden zur Behandlung der Spätkomplikationen benötigt.
Differenzialdiagnose
des diabetischen Fußes
Sobald ein Diabetiker eine Fußproblematik
aufweist, soll eine eingehende Untersuchung erfolgen, um ein Voranschreiten
und Wiederauftreten der Problematik zu verlangsamen. Hilfreich ist
ein einfaches Schema (siehe Abbildung 1), welches erlaubt, die Läsion
grob in eine prädominant „neuropathische“ oder „angiopathische“
zu klassifizieren. Angiopathische Läsionen weisen fast immer auch
eine neuropathische Komponente auf, diese tritt jedoch in der Ischämie
in den Hintergrund. Die Neuropathie hingegen kann ohne Angiopathie
vorkommen. Neuropathische Läsionen sind meist gänzlich schmerzlos
und bestehen oft Wochen oder Monate. Ischämische Läsionen treten
in der Regel sehr kurzfristig auf und zeigen die Tendenz zu einer
raschen Progression. Sind die Fußpulse vorhanden, kann meist eine
angiopathische Ursache für die Fußläsion ausgeschlossen werden.
Ein Fehlen der Fußpulse bei vorhandenen Poplitea-Pulsen ist ein
Hinweis für eine Makroangiopathie und darf nicht a priori als „diabetische
Mikroangiopathie“ abgetan werden.
Abbildung 1:
Einfaches Schema zur Unterscheidung prädominant „Neuropathie“
oder „Angiopathie“
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Abklärung der Angiopathie
Nach Abklärung der Angiopathie mittels
Doppler-Ultraschall und Rheographie kann ein Anhaltspunkt über den
ungefähren Grad der Ischämie und die Lokalisation des Verschlusses
gegeben werden. Ist der Doppler-Index unter 0,6, liegt mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Minderdurchblutung vor, ebenso bei Werten
von >= 1 und nicht tastbaren Fußpulsen, da hier die Kollateralzirkulation
aufgrund der starken Wandverkalkung nicht mehr komprimiert werden
kann. Kann die A. poplitea nicht getastet werden, ist eine Duplexsonographie
der A. femoralis superficialis das einfachste bildgebende Verfahren,
das einen Aufschluss über die Morphologie des Gefäßverschlusses
in diesem Bereich liefert. Genaue Information über den Gefäßstatus
liefert jedoch nur die Angiographie.
Angiographie –
mit Grund, nicht grundsätzlich
Die Angiographie
bei diabetischen Fußläsionen ist nur dann indiziert, wenn begründeter
Verdacht auf eine Angiopathie besteht. Nicht jeder Diabetiker
mit einer Wunde am Fuß benötigt eine Angiographie! Die Angiographie
sollte als intraarterielle Angiographie in digitaler Subtraktionstechnik
durchgeführt werden. Diese Technik erlaubt die sparsame Verwendung
von Kontrastmittel (diabetische Nephropathie!) und ist in der
Lage, auch kleine Gefäße im Fußbereich darzustellen. Bei sehr
schlechter Kollateralisation im distalen Unterschenkelbereich
empfiehlt sich zusätzlich die intraarterielle Verwendung von
vasoaktiven Substanzen (z.B. Priscol®), um eine bessere Darstellung
zu erreichen. Die Darstellung des Fußes im seitlichen Strahlengang
ist dann wesentlich, wenn Gefäßrekonstruktionen in diesem Bereich
durchgeführt werden sollen (siehe Abbildung 2). Modernere bildgebende
Verfahren wie die Magnetresonanz-Angiographie oder die CT-Angiographie
sind aufgrund technischer Limitationen noch nicht in der Lage
im Routinebetrieb verlässlich die Morphologie der inframalleolären
Arterien darzustellen. |
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Abbildung 2: Intraoperative
Angiographie eines Bypass auf die A. dors. pedis nach transmetatarsaler
Amputation
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Therapie der angiopathisch
dominierten Läsion
Bei vorwiegend angiopathischen Läsionen
ist zuvorderst eine Kontrolle über die Infektion anzustreben (Inzision
von Phlegmonen, Abszessen). Dabei ist gegenüber der rein neuropathischen
Läsion zu beachten, dass die Inzisionen möglichst weit entfernt
von den Zugangswegen zu den Arterien angelegt werden, um eine Revaskularisation
nicht unmöglich zu machen. In weiterer Folge sollte so rasch wie
möglich die arterielle Evaluation erfolgen. Die Zeit bis zur Revaskularisation
(PTA, Bypass) kann durch die Therapie mit vasoaktiven Substanzen
(z.B. Prostanoide) etwas verlängert werden. Liegt nur ein umschriebener,
kurzstreckiger Gefäßverschluss vor, so ist eine PTA sinnvoll. Diese
kann zugleich mit der diagnostischen Angiographie durchgeführt werden.
Bei längerstreckigen Verschlüssen
oder bei Verschlüssen im knöchelgelenknahen Bereich ist die PTA
nicht indiziert. In diesem Fall muss ein Bypass angelegt werden.
Da die diabetische Angiopathie meist Rekonstruktionen in den Unterschenkel-
oder Fußbereich notwendig machen und die Anastomosen oft sehr nahe
an Infektbezirke angelegt werden, muss für derartige Rekonstruktionen
körpereigenes Bypassmaterial verwendet werden (siehe Abbildungen
3 und 4). In der Mehrzahl der Fälle ist dies die V. saphena magna.
Für den Fall, dass sie nicht mehr zur Verfügung steht (ca. 20% der
Fälle), müssen alternative Venenressourcen verwendet werden (Armvenen,
V. saphena parva). Die Bypassoperation wird unter Lupenvergrößerung
oder mit dem Operationsmikroskop bei sehr distalen Rekonstruktionen
durchgeführt (siehe Abbildungen 4 und 5).
Abbildung 3: Präoperativer
Situs zur Planung eines cruro-pedalen Venenbypass
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Abbildung 4: Übersicht:
intraoperative Ansicht nach Anlage der distalen Anastomose
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Abbildung 5: Detail: distale
Anastomose mit Seitenarm für den Anschluss des freien Lappentransplantates
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Abbildung: 6: Postoperativ:
Zustand bei Entlassung des Patienten mit abgeheilten Wunden
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Nach erfolgreicher Revaskularisation
müssen die Wunden am Fuß noch einige Zeit konservativ behandelt
werden, bis die Revaskularisation stabil eingeheilt ist (siehe Abbildung
6) und der Patient sich von dem oft langen Eingriff ausreichend
erholt hat. Die Abheilung kann in Einzelfällen auch Monate in Anspruch
nehmen. Es ist auch sinnvoll, die Therapie mit vasoaktiven Substanzen
noch einige Zeit fortzuführen, um ein rascheres Abheilen der Wunden
zu erreichen. Dies gilt vor allem für die langen Wunden am Bein,
wo die Venen für die Gefäßrekonstruktion entnommen wurden. Da die
ischämischen Läsionen am Fuß meist ausgedehnter sind als neuropathische
Läsionen, ist die Notwendigkeit für nachfolgende Eingriffe wie Zehenamputationen
oder lokale Lappenplastiken größer als bei der Neuropathie. Ziel
ist es auch hier, den Fuß in einen Zustand zu versetzen, den der
Patient oder eine Heimhilfe unter ambulanter Aufsicht selbst versorgen
kann, da die Abheilung oft Monate in Anspruch nimmt. Um die Bypassfunktion
möglichst lange zu garantieren, erhält der Patient gerinnungsaktive
Substanzen in Mono- oder Kombinationstherapie (orale Antikoagulation:
Kumarin-Derivate; Antiaggregation: ASS, Tiklid, Clopidogrel; andere:
niedermolekulares Heparin, Hirudin u.Ä.). Der kumulative Beinerhalt
nach pedaler Gefäßrekonstruktion liegt bei 65% 3 Jahre postoperativ.
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Amputation
Die primäre Amputation bei
diabetischer Gangrän ist heutzutage nur mehr sehr selten indiziert
und beschränkt sich auf den Patienten mit foudroyant verlaufender,
nicht beherrschbarer Infektion (meist mit gasbildenden Keimen, siehe
Abbildungen 7a und 7b) oder auf Patienten, bei denen eine Revaskularisation
nicht sinnhaft erscheint (bettlägriger Patient, massive Bewegungseinschränkung
durch neurologische Problematik). Eine sekundäre Amputation
kann bei Fehlschlagen einer Revaskularisation oder bei technischer
Inoperabilität nach mehrfachen Gefäßeingriffen gegeben sein. Anders
als bei der Revaskularisation tritt hier das Bestreben, einen belastungsfähigen
Stumpf zu erzeugen, eher in den Hintergrund, da nur ca. 50% der
Patienten mit einer prothetischen Versorgung zurecht kommen. Viele
der Patienten bleiben nach der Amputation an den Rollstuhl gefesselt
und lernen das Gehen auch mit einem gut abgeheilten Unterschenkelstumpf
nicht. Die Mortalität der Amputation ist nicht zu unterschätzen:
Sie liegt bei der Unterschenkelamputation in Höhe der Revaskularisation
(1-2% nach 30 Tagen), die der Oberschenkelamputation ist bedeutend
höher (ca. 30% nach 30 Tagen).
Abbildung 7a: Infektion
mit gasbildenden Keimen – Indikation zur primären Amputation
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Abbildung 7b: Im Röntgenbild
sind die Gasbläschen im Vorfuß gut zu erkennen
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Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hölzenbein
Univ.-Klinik für Chirurgie
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20 |
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