Epidemiologie,
Klinik und mikrobiologische Diagnostik der Pest |
J. Heesemann, A. Rakin
Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie,
Lehrstuhl Bakteriologie, München
(Vorstand: Prof. DDr. J. Heesemann)
|
Schlüsselwörter:
Rattenfloh, Beulenpest, Pestherde, Wayson-Färbung,
Virulenzplasmid, Multiresistenz |
Zusammenfassung
Die Pest gehört nicht
zu den ausgestorbenen Seuchen. In den Ländern Tansania,
Zaire, Vietnam, Peru, Birma (Myanmar) und Madagaskar erreicht sie
beachtenswerte Infektionshäufigkeiten. Nach dem 11. September
2001 wurde der Pesterreger als potentielle bioterroristische Waffe
erneut in der Öffentlichkeit diskutiert. Das Jahr 2001 hat durch
die Veröffentlichung der Genomsequenz von Yersinia pestis
auch einen großen Erkenntnisgewinn für die Pestforschung
erbracht.
Es gibt drei typische Krankheitsbilder der Pest: Beulenpest, Pestsepsis
und Pestpneumonie. Die schnelle Diagnose und eine adäquate Antibiotikatherapie
sind lebensrettend. Das therapeutische Mittel der ersten Wahl ist
Streptomycin. Prophylaktisch können Tetracycline oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol
gegeben werden. Eine Antibiotikatestung ist dringend erforderlich,
seitdem in Madagaskar multiresistente Pesterreger isoliert wurden. |
Key-words:
Rat flea, bubonic plague, plague foci, Wayson-stain,
virulence plasmid, multidrug resistance |
Summary
Plague has not disappeared.
It still belongs to a dangerous infectious disease in Tanzania, Zaire,
Vietnam, Peru, Birma (Myanmar) and Madagascar. After September 11th,
2001 the causative agent of plague was again discussed as a potential
bioterroristic weapon. In 2001 the total genome sequence of Yersinia
pestis has been published and thus will stimulate Y. pestis
research.
The principle forms of plague are bubonic, septicemic and pneumonic.
A rapid diagnosis and initiation of suitable antibiotic treatment
are required to reduce lethality of this disease. Streptomycin is
the drug of the first choice. Tetracycline and trimethoprim-sulfamethoxazole
are recommended for prophylaxis. In vitro testing of antibiotic
resistance of Y. pestis is required since multidrug resistant
strains have been reported in 1997. |
Einleitung
Die Pest gehört zu den gefürchtetsten
Infektionskrankheiten, die wir kennen [1]. Die Geschichte belegt
wenigstens drei Pandemien, denen mehr als 100 Millionen Menschen
zum Opfer fielen (Justinianische Pest: 6. Jahrhundert n. Chr., Schwarzer
Tod: Mitte des 14. Jahrhunderts, Hongkong-Pest: Ende des 19.
Jahrhunderts). Der Erreger, Yersinia pestis, wurde von Alexandre
Yersin 1894 in Hongkong entdeckt. Einige Jahre später zeigten
Ogata und Simond, dass der Pesterreger durch Rattenflöhe übertragen
wird. Die Hongkong-Pest führte zu einer weltweiten Verbreitung
des Pesterregers erstmalig gelangte der Pesterreger an die
Westküste Amerikas und nach Australien. Die Pest hat heute
ihren Schrecken verloren. In Westeuropa gibt es keine Pestherde.
Eine rechtzeitig erkannte Pesterkrankung kann mit Antibiotika effektiv
therapiert werden. Dieser Zustand sollte uns aber nicht glauben
lassen, dass die Pest besiegt sei.
Auch heute noch gibt es auf allen Kontinenten Wildpestherde und
entsprechend sporadische Pestfälle bis hin zu kleinen Pestepidemien
[2]. Besonders Besorgnis erregend ist aber der kürzlich von
einem Pestkranken auf Madagaskar isolierte Y. pestis-Stamm,
der ein übertragbares Multiresistenzplasmid trägt [3].
Darüber hinaus haben die Milzbrandanschläge in den USA
im letzten Quartal des Jahres 2001 gezeigt, dass bioterroristische
Anschläge keine Fiktion sind. Der Pesterreger gehört auch
in die Kategorie der Biowaffen. Dieser Beitrag soll altbekanntes
Wissen zur Pest auffrischen, auf neue Erkenntnisse über den
Pesterreger hinweisen und die Diagnose und Therapie der Pest verbessern.
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Mikrobiologie
des Pesterregers
Seit 1964 wird der Pesterreger als
Yersinia pestis bezeichnet (früher Pasteurella pestis).
Zum Genus Yersinia gehören inzwischen 11 Arten, wobei
neben Y. pestis noch Y. pseudotuberculosis und Y.
enterocolitica von humanmedizinischer Bedeutung sind [1].
Die zwei letzteren Arten werden durch kontaminierte Lebensmittel
aufgenommen und sind enteropathogen. Die Yersinien gehören
wie Salmonellen und Escherichia coli zur Familie der Enterobacteriaceae.
Der Vergleich der 16S rDNA-Sequenzen zeigt, dass Y. pestis und
Y. pseudotuberculosis eigentlich einer Art angehören
sollten, wogegen Y. enterocolitica phylogenetisch deutlich
abgegrenzt werden kann [4].
Alle drei Arten wachsen fakultativ anaerob mit Temperaturoptimum
bei 28° C auf Blutagar und weniger gut auf Mac-Conkey-Agar.
Das Wachstum erfolgt langsam (deutliche Kolonien nach 48 Stunden).
Y. pestis zeigt eine Dissoziation in 2 Kolonietypen: 1. runde,
glatte Kolonien mit scharfem Rand und 2. größere, granulierte,
flache Kolonien mit fransenartigem Randsaum. Auf Blutagar wachsen
Yersinien ohne Hämolyse. In Flüssigkeitsmedien bildet
Y. pestis einen Bodensatz ohne deutliche Trübung des
Mediums. Y. pestis kann nach Gram, Giemsa und Wayson (modifizierte
Methylenblau-Färbung) angefärbt werden. Mikroskopisch
stellen sie sich als pleomorphe, vorwiegend kokkoide Stäbchen
dar. Nach Wayson- oder Methylenblau-Färbung wird die typische
bipolare Anfärbung der ovalen Stäbchen (Sicherheitsnadelform)
von Y. pestis deutlich (Abb. 1).
Abbildung 1: Ausstrich
von Bubonen-Aspirat, bipolare Färbung der Stäbchen
(Sicherheitsnadelform), Methylenblau-Färbung
|
Zur Absicherung der Identifizierung
von Y. pestis kann das in Tabelle 1 dargestellte biochemische
Differenzierungsschema dienen. Die signifikantesten Merkmale sind
das Fehlen der Motilität und der Hydrolyse von Harnstoff [1].
Von epidemiologischem Interesse ist die Biotypisierung (eine Serotypisierung
ist aufgrund des kurzkettigen O-Antigens nicht möglich). Man
unterscheidet die Biotypen antiqua, mediaevalis und orientalis (Tab.
2). Zu ähnlichen Ergebnissen führen auch genomische Restriktionsmuster
von Y. pestis [5].
Tabelle 1: Biochemische
Differenzierung von Y. pestis zur Abgrenzung von enteropathogenen
Yersinien
Reaktion |
Y.
pestis
|
Y.
pseudotuberculosis
|
Y.
enterocolitica
(Biotypen I B, II - IV)
|
|
Beweglichkeit
Harnstoff
Aesculin
Saccharose
Melibiose |
|
-
-
-/+
-
-
|
+
+
+
+
+
|
+
+
-
+
-
|
|
|
Tabelle 2: Biovarietäten
von Y. pestis
Biovar |
NO3-Reduktion
|
Glycerin
|
Vorkommen
|
|
Antiqua
Mediaevalis
Orientalis |
|
+
-
+
|
+
+
-
|
Zentralasien,
Afrika
Vorderer Orient, Kasachstan
Amerika, Afrika, Asien
|
|
|
Y. pestis wird schnell abgetötet
durch Erwärmen auf 56° C für 15 min und durch Sonnenlichtexposition
(3-4 h). In getrockneten Sekreten oder Blut und im Flohfäzes
ist der Erreger über 3 Wochen lebensfähig. In Erdhöhlen
von Nagetieren und im Rattenfloh kann Y. pestis über
ein Jahr überleben. Da frische Y. pestis-Isolate in
der Regel hoch virulent sind, dürfen die Erreger oder Pest-verdächtige
Proben nur in einem L3-Sicherheitslabor bearbeitet werden.
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Molekularbiologie
der Pathogenität von Y. pestis
Schon früh war Mikrobiologen aufgefallen,
dass frische Pestisolate auf festen Nährböden bei 37°
C viel langsamer wachsen als bei 28° C, dass wenigstens zwei
Kolonietypen mit dem Auge erkennbar sind sowie dass die größeren
flachen Kolonien für Nagetiere viel weniger virulent sind als
die runden Formen mit dem glatten Rand. Darüber hinaus konnte
auch beobachtet werden, dass die virulenten Formen Hämin oder
Kongorot (Kongorot-Agar) speichern, was zur Bezeichnung des Phänotyps
Pigmentation (Pgm) führte (Abb. 2).
Abbildung 2: Y. pestis
aus einer Stammsammlung wurde auf Kongorot-Agar ausgestrichen
und 3 Tage bei 28° C inkubiert. Die rot pigmentierten
Kolonien sind Pgm-positiv und können Hämin speichern.
Die blassen Kolonien haben den pgm-Iocus deletiert.
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Virulente Y. pestis zeigen ein
kalziumabhängiges Wachstum bei 37° C. Wird durch Zugabe
von Magnesiumchlorid/Natriumoxalat (10 mM/10 mM) dem Nähragar
Kalzium entzogen (MOX-Agar, Präzipitation von Ca-Oxalat), wachsen
die avirulenten Y. pestis bei 37° C nach 24 Std. zu sichtbaren
Kolonien heran, während die virulenten Yersinien nur mikroskopisch
zu erkennen sind [1]. Bei 28° C wachsen beide Formen auf MOX-Agar
gleich gut. Dieses Phänomen wird auch bei virulenten Y.
pseudotuberculosis und Y. enterocolitica beobachtet.
Verantwortlich für diesen Phänotyp ist das 70 Kilobasen
große Virulenzplasmid pYV, das bei allen drei Yersinia-Arten
vorkommt. Dieses Virulenzplasmid kodiert für ein Protein-Typ
III-Sekretionssystem, das die Yersinien befähigt, Pathogenitätsfaktoren
(die sog. Yersinia outer proteins, Yops) an der Erreger-Wirtzell-Kontaktzone
in das Zytoplasma zu translozieren [1]. Einige dieser Yops und ihre
zellulären Funktionen sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Schematische
Darstellung von Y. pestis mit den drei Virulenzplasmiden
und der kontaktinduzierten Yop-Translokation (Proteinsekretion-Typ
III)
|
Bisherige Ergebnisse weisen darauf
hin, dass die Yops die Signaltransduktionskaskade, die normalerweise
nach Kontakt mit Bakterien zur Aktivierung der Zelle führt
(z.B. Phagozytose, Sauerstoffradikalbildung, TNF-alpha-Produktion),
hemmen und Makrophagen durch Apoptoseinduktion abtöten [6].
Darüber hinaus induziert das lange bekannte V-Antigen von Y.
pestis IL-10 in Makrophagen, was zur Immunsuppression führt
[7]. Y. pestis trägt noch zwei weitere Plasmide: pTOX
ist ein 100 Kb großes Plasmid, das für ein mausspezifisches
Toxin (Mtx, Lipase D) und ein Kapselprotein (Fraktion 1, Fra 1)
kodiert. Die Lipase D benötigen die Pestbakterien zum Überleben
und Vermehren im Flohmagen. pCPC ist 10 Kb groß und kodiert
für eine temperaturabhängige Protease, die Plasminogen
bei 37° C aktiviert und Fibrinbildung bei 28° C induziert.
Der Proteaseaktivität wird eine pathogenetische Bedeutung bei
der subkutanen Disseminierung zugeschrieben. Auf pCPC ist auch das
Gen, für das Bacteriocin Pestizin lokalisiert, das auf Yersinia
pseudotuberculosis Serotyp I, Y. enterocolitica Biotyp
I B sowie bestimmte E. coli-Stämme bakterizid wirkt
[8].
In der Natur kommen Y. pestis-Stämme mit allen möglichen
Plasmidkombinationen vor. Im Labor erweisen sich besonders die zwei
großen Plasmide bei 37° C Anzuchttemperatur als instabil
(spontane Konversion zu avirulenten Stämmen). Eine weitere
genetische Instabilität ist auf dem Chromosom lokalisiert,
die im Zusammenhang mit Verlust der Virulenz, der Pestizinempfindlichkeit
und des Pigmentationsphänotyps steht [1, 8, 9]. Auf einem etwa
100 Kb großen Bereich auf dem Chromosom befinden sich Gencluster,
die für Häminspeicherung (hms-locus) und für Siderophorbiosynthese
(Yersiniabaktin) und Aufnahme sowie Pestizinempfindlichkeit (irp/fyuA-locus)
kodieren. Dieser Bereich trägt zahlreiche IS-Elemente, die
wahrscheinlich für spontane Deletionen und damit für Verlust
der genannten Phänotypen sorgen. Der infektionsbiologische
oder mikroökologische Sinn der genetischen Instabilitäten
der Virulenzgene bei Y. pestis ist unklar.
Gensequenzvergleiche zwischen den humanpathogenen Yersinia-Arten
haben nicht nur deutlich gemacht, dass Y. pestis und Y.
pseudotuberculosis phylogenetisch zu einer Bakterienart gehören,
sondern auch, dass Y. pestis vor 1.500 bis 30.000 Jahren
aus
Y. pseudotuberculosis, Serotyp 01, entstanden ist [10]. Die
Genomsequenz von Y. pestis hat diesen evolutionären
Zusammenhang bestätigt und darüber hinaus gezeigt, dass
über 149 Gene, die in Y. pseudotuberculosis aktiv sind,
in Y. pestis durch Insertionselemente oder Punktmutationen
inaktiviert sind [11].
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Ökologie
und Epidemiologie
Bei der Pest handelt es sich um eine
Zoonose von Nagetieren, die durch Flöhe übertragen wird.
Der Rattenfloh (Xenopsylla cheopsis) infiziert sich durch
Blut von septikämischen Ratten. Y. pestis kann im Vormagen
des Flohs überleben und das Blut koagulieren. Wahrscheinlich
führt dieser Zustand den Floh zu erneuter Blutmahlzeit. Nach
dem Stich wird der infektiöse Mageninhalt herausgewürgt.
Auf diese Weise wird der Pesterreger auf andere Wirte (Nagetiere,
Haustiere, Menschen u. a.) übertragen. Je nach Widerstandsfähigkeit
des Wirtes können Flöhe den Pesterreger dann weiter verbreiten.
Zu den typischen Nagetieren in Wildpestgebieten
gehören Ratten, Feldmäuse, Ziesel, Erdhörnchen u.
a. Pestepidemien treten in der Regel dann auf, wenn der Pesterreger
in urbane Rattenpopulationen einbricht und eine Epizootie auslöst.
Die infizierten Rattenflöhe können dann Haustiere und
Menschen befallen. Von der Stichstelle aus gelangt der Pesterreger
in die nächstgelegenen Lymphknoten (z.B. untere Extremität,
Inguinallymphknoten). Innerhalb von 2 bis 6 Tagen entwickelt sich
eine schmerzhafte Lymphadenitis (Bubo) mit starker Schwellung und
schwerem Krankheitsgefühl. Die WHO hat die bekannten Wildpestherde
und die gemeldeten Pestfälle weltweit registriert [2].
Wie in Tabelle 3 dargestellt, kommen die häufigsten Pestfälle
in Tansania, Vietnam, Zaire, Peru, Madagaskar und Birma (Myanmar)
vor. Aber auch in den Südweststaaten der USA (New Mexico, Arizona,
Colorado, Kalifornien) werden ca. 10 bis 20 Pestfälle pro Jahr
registriert. (In Tab. 3 sind nur diese Länder aufgeführt.)
Besonders häufig werden Pestfälle in den warmen Sommermonaten
während des Vermehrungsmaximums der Flöhe und der Wurfzeit
der Nagetierpopulation im Pestherd gemeldet.
Die Beulenpest beim Menschen muss nicht ansteckend sein, solange
der Patient keine Pestseptikämie mit nachfolgender Pestpneumonie
entwickelt. Pestpneumonien sind hoch infektiös, der Erreger
kann dann durch Tröpfchen übertragen werden. Wahrscheinlich
liegt die Infektionsdosis bei 1 - 10 Erregern. Eine Pestpneumonie
kann in 2 Tagen zum Tode führen. Bei den 390 Pestfällen
in den USA im Zeitraum 1947 bis 1996 handelte es sich in 83,9% um
Beulenpest (Letalität: 13,5%), 12,6% um primäre Pestseptikämien
(Letalität: 22,4%) und um 1,8% Lungenpest (Letalität:
57%) [12].
Besonders erwähnenswert ist eine Zunahme der Pestfälle
in den letzten Jahren und das Auftreten von multiresistenten Erregern.
In den Jahren 1980 - 1989 wurden im Jahresdurchschnitt 861 Pestfälle
registriert, während in den Jahren 1990 - 1994 der Jahresdurchschnitt
bei 2.025 Fällen lag [2].
Tabelle 3: Gemeldete Fälle
an Pestkranken und -toten 1980 - 1994 (WHO, 1996)
Kontinent
|
|
Afrika
Madagaskar
Tansania
Zaire
Amerika
Brasilien
Peru
USA
Asien
Indien
Myanmar
Vietnam
|
|
10.155
1.390
4.964
2.242
2.923
700
1.722
229
5.661
876
1.160
3.304
|
1.344
302
419
531
184
9
112
33
325
54
14
158
|
|
Total
|
|
|
1995 wurde in Madagaskar bei einem
Jugendlichen mit Beulenpest ein multiresistenter Y. pestis,
Biovar orientalis isoliert, der ein konjugatives Plasmid
der Inc6-C-Gruppe mit Resistenzgenen gegen Betalaktam-Antibiotika,
Chloramphenicol, Tetracyclin, Kanamycin, Streptomycin, Spectinomycin
und Sulfonamide trägt. Dieser Stamm erwies sich in vitro
noch empfindlich für Cephalosporine, Gentamicin, Chinolone
und Trimethoprim. Der Patient überlebte nach Therapie mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol.
|
Klinik
Die Pest manifestiert sich in drei
unterschiedlichen Krankheitsbildern.
1. Beulenpest:
Ausgehend vom Ort des Flohstiches entwickelt sich eine schmerzhafte
Lymphknotenschwellung inguinal, axillar oder cervikal innerhalb
von 2 bis 6 Tagen, verbunden mit schwerem Krankheitsgefühl
(hohes Fieber, Durchfall, Erbrechen, Verwirrtheit, Kopfschmerzen,
Schüttelfrost). Erreger sind häufig in Blutkulturen und
Bubo-Aspirat nachweisbar (10-107 Erreger pro ml Blut).
2. Primäre Pestsepsis:
Bei etwa 10% der Pestinfizierten entwickeln sich keine Bubonen,
sondern die Infektion führt primär zu einem septischen
Krankheitsbild (im Unterschied zur sekundären Sepsis bei Beulenpest)
mit schweren gastrointestinalen Beschwerden.
3. Lungenpest:
Die Lungenpest kann sich sekundär aus der Pestbakteriämie
z.B. nach Beulenpest oder Pestsepsis entwickeln oder primär
durch Aufnahme des Erregers über die Atemluft (Tröpfcheninfektion,
Y. pestis-kontaminierter Staub von infizierten Tieren). Nach
einer sehr kurzen Inkubationszeit von 1 bis 3 Tagen entwickelt sich
ein schweres Krankheitsbild mit blutigem Sputum, Pneumonie und septischen
Temperaturen. Wenn nicht innerhalb von 12 bis 18 Stunden eine adäquate
Antibiotika-Therapie eingeleitet wird, endet die Pestpneumonie in
der Regel tödlich. Im Gegensatz zur Beulenpest sind die Pneumoniepatienten
hoch infektiös. Kontaktpersonen sollten Mundschutz, Schutzbrille,
Haube, Schutzkittel und Handschuhe tragen und prophylaktisch Antibiotika
(z.B. Minocyclin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol) einnehmen.
|
Diagnostik
Eine Infektion mit Yersinia pestis
setzt in der Regel einen Aufenthalt in einem Pestenzootiegebiet
voraus. Dies ist bei der Anamneseerhebung zu berücksichtigen.
Differentialdiagnostisch kommen bei fehlendem Bubo z.B. Malaria,
Q-Fieber, Typhus, Fleckfieber, Brucellose und bei Lymphknotenschwellung
oder Ulzeration z.B. Diphtherie und Tularämie in Frage.
Bei Verdacht auf Pest sollten Kulturen
von Bubonen-Aspirat, Blut (2 bis 3 Blutkulturen innerhalb von 60
min) und ggf. Sputum oder Liquor angesetzt werden (Blutagar, BHI-Agar,
Mac-Conkey-Agar, Inkubation bei 28° C bis 48 Stunden). Obligat
ist die Anfärbung von Patientenmaterial nach Gram und Wayson
(oder Methylenblau), um die typischen sicherheitsnadelförmigen
Pestbakterien mikroskopisch zu identifizieren. Da die meisten Pesterreger
das F1-Kapselprotein produzieren, können die Erreger mittels
Anti-F1-Serum in der Immunfluoreszenz spezifisch dargestellt werden.
Neuerdings können auch molekularbiologische Methoden wie PCR
und In-situ-Hybridisierung mit fluoreszierenden r-RNA-spezifischen
Proben (FISH-Technik) zum Direktnachweis von Pestbakterien herangezogen
werden [13]. Auch der Nachweis von F1-Antigen im Blut mittels ELISA
gehört zur Schnelldiagnostik der Pest, wogegen die serologische
Diagnostik (z.B. Nachweis von Serumantikörpern gegen F1-Antigen)
mehr von retrospektiver und epidemiologischer Bedeutung ist [1].
Hier sollte erwähnt werden, dass Y. pestis-Isolate nicht
selten als Y. pseudotuberculosis falsch identifiziert wurden
[1, 12].
Der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Pest sind
meldepflichtig.
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Therapie
und Prophylaxe
Für das Überleben des Pestpatienten
sind eine schnelle Diagnose und eine sofortige Antibiotikatherapie
entscheidend. Penicilline und Cephalosporine haben sich für
die Therapie der Pest als ineffizient erwiesen. Das wirksamste Antibiotikum
ist bis heute Streptomycin geblieben. Bei Pestmeningitis oder Streptomycin-Kontraindikation
ist eine Chloramphenicol-Therapie angezeigt. Auch Doxycyclin hat
sich als wirksam erwiesen. In Tabelle 4 sind die anerkannten Therapieprotokolle
angegeben. Patienten mit Verdacht auf Pestpneumonie müssen
nach Beginn der Antibiotikatherapie mindestens weitere 48 Stunden
isoliert werden.
Tabelle 4: Empfehlungen
für Therapie und Prophylaxe
|
Tagesdosis
|
Applikation
|
Dosierungsintervall
(h)
|
|
Streptomycin
Gentamicin
Erwachsene
Kinder
Tetracyclin
(Erwachsene)
Doxycyclin
Chloramphenicol
Prophylaxe
(7 Tage)
Doxycyclin
Trimethoprim-
Sulfamethoxazol
|
|
30 mg/kg/KG
3 - 5 mg/kg/KG
6 - 7 mg/kg/KG
2 g
200 mg (initial)
100 mg
25 mg/kg/KG (initial)
50 mg/kg/KG
100 - 200
mg
1,6 - 3,2 g
|
i
. m.
i. v. / i. m.
i. v. / i. m.
p. o.
p. o.
p. o.
i. v.
p. o.
p. o.
|
8
- 12
8
8
6
12
12
6
12
12
|
|
|
Medizinisches Personal und andere Personen,
die Kontakt mit Pestpatienten haben, sollen prophylaktisch Tetracyclin/Doxycyclin
oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol für 7 Tage einnehmen.
Eine Impfung mit Totvakzinen ist nicht empfehlenswert. Bei Aufenthalt
in Wildpestherden sind Schutzmaßnahmen gegen Flohstiche (entsprechende
Beinkleidung, Flohrepellent u. a.) und ggf. eine Antibiotikaprophylaxe
empfehlenswert. Trotz aller neuen Erkenntnisse zur Pest und Pesttherapie
gilt auch weiterhin das Camus-Zitat (aus Die Pest):
"Denn
er wusste, was dieser frohen Menge unbekannt war und was in
den Büchern zu lesen steht: dass der Pestbazillus niemals
ausstirbt oder verschwindet ..."
|
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Gewinnung des
Bubonen-Aspirats und Färbung nach Wayson
1. 1 ml Spritze mit 1 ml Kochsalzlösung
(steril)
2. Einstich in Bubo und Aspiration von blutiger Spülflüssigkeit
(häufig kein flüssiger Eiter vorhanden).
3. Aspirattropfen auf Objektträger ausstreichen, lufttrocknen
und mit absolutem Alkohol fixieren.
4. Wayson-Färbung (0,2 g basisches Fuchsin plus 0,75
g Methylenblau) in 20 ml Äthylalkohol (95%) lösen und
langsam in 200 ml einer 5%igen Phenollösung einrühren
und filtrieren.
5. Wayson-Färbelösung 10 - 20 Sekunden auf fixierten
Ausstrich einwirken lassen, mit Wasser waschen und trocknen.
|
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