Aktivität von Telithromycin, Erythromycin und Penicillin bei Erregern von Infektionen des Respirationstraktes

A. Buxbaum, W. Graninger, A. Georgopoulos
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Chemotherapie, AKH Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. DDr. W. Graninger)



Schlüsselwörter:
Telithromycin, Resistenz, Respirationstraktinfektionen


Zusammenfassung
In dieser Studie wurde die Aktivität von Telithromycin gegenüber Erregern von Infektionen des Respirationstraktes im Vergleich zu Penicillin und Erythromycin untersucht. Insgesamt wurden 832 Bakterienstämme getestet: S. pneumoniae (n = 542), S. pyogenes (n = 223) und H. influenzae (n = 67). Sämtliche Bakterienstämme wurden aus dem oberen und unteren Respirationstrakt, Blut und Liquor isoliert. Für die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) wurde die Mikrodilutionsmethode in Mueller-Hinton-Bouillon nach NCCLS (National Committee for Clinical Laboratory Standards) verwendet. Die niedrigste Antibiotika-Konzentration, bei der kein bakterielles Wachstum sichtbar war, wurde als MHK definiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass Telithromycin eine ausgezeichnete Aktivität gegenüber den getesteten Bakterienspezies besitzt. Die MHK90-Werte von Telithromycin lagen zwischen 0,03 mg/l (S. pneumoniae) und 4 mg/l (H. influenzae). Diese Wirkung von Telithromycin blieb auch bei gegenüber Standard-Antibiotika-resistenten Keimen erhalten. Gegenüber Penicillin als Vergleichssubstanz waren 9,9% der Pneumokokken intermediär resistent oder resistent, sämtliche S. pyogenes-Stämme waren Penicillin-empfindlich. Somit stellt Telithromycin eine wertvolle Substanz bei der Behandlung von Atemwegsinfektionen dar.


Key-words:
Telithromycin, resistance, respiratory tract infections


Summary
The aim of this study was the evaluation of the activity of telithromycin against agents of respiratory tract infections, in comparison to penicillin and erythromycin. Overall, a total of 832 strains was tested: S. pneumoniae (n = 542), S. pyogenes (n = 223) and H. influenzae (n = 67). Strains were isolated from the upper and lower respiratory tract, blood and CSF. Determination of minimal inhibitory concentrations (MIC) was done using the microdilution method with Mueller-Hinton broth, according to the NCCLS criteria (National Committee for Clinical Laboratory Standards). The lowest concentration of antibiotic where no bacterial growth was visible, was defined as the MIC.

The results show that telithromycin has excellent activity against the tested bacterial species. MIC90 values of telithromycin ranged between 0.03 mg/l (S. pneumoniae) and 4 mg/l (H. influenzae). This activity of telithromycin was also observed against strains that were resistant against standard antibiotics. Against penicillin as the golden standard, 9.9% of pneumococci were intermediately-resistant or resistant, all S. pyogenes strains were sensitive. It can be concluded, that telithromycin represents a valuable substance for the treatment of infections of the upper and lower respiratory tract.



Einleitung

Bei Infektionen des Respirationstraktes wie der ambulant erworbenen Pneumonie, der akuten Exazerbation einer chronischen Bronchitis, der Sinusitis und der Otitis media stellen Streptococcus pneumoniae, Streptococcus pyogenes und Haemophilus influenzae die häufigsten Erreger dar [1]. In den letzten zehn Jahren wurde von großen multinationalen Überwachungs-Arbeitsgruppen die Resistenzsituation dieser Erreger gegenüber einer Vielzahl von im Handel befindlichen Antibiotika untersucht. In diesen sowohl nationalen, als auch multinationalen Studien konnte eindeutig gezeigt werden, dass gerade bei Atemwegsinfektionen dominierende Keime eine steigende Prävalenz der Resistenz aufweisen [2]. Dieser Trend kann weltweit bei einer Vielzahl von Bakterienspezies beobachtet werden. Vor allem grampositive Bakterien haben die unterschiedlichsten Resistenzmechanismen entwickelt, die einen Großteil der heute in Anwendung befindlichen Antibiotika betreffen. Deshalb stellen Infektionen mit resistenten Keimen wie Pneumokokken, ß-hämolysierenden Streptokokken und Staphylokokken ein immer größer werdendes therapeutisches Problem dar. Zusätzlich sollte die Zunahme der ß-Laktamase-bildenden Stämme von Streptokokken, H. influenzae und Moraxella catarrhalis berücksichtigt werden. Es ist daher die ständige Überwachung der Empfindlichkeit einzelner Isolate auf nationaler Ebene zur Erstellung von Therapieschemata eine absolute Notwendigkeit. Neue Antibiotika mit neuen Wirkmechanismen an Bakterien sind erforderlich, um bestehende therapeutische Probleme zu überwinden [3].

Telithromycin, eine Substanz aus der Gruppe der Ketolide, zeigt eine hervorragende Wirksamkeit gegenüber grampositiven Bakterien, auch bei multiresistenten Keimen aus dem Respirationstrakt. Es unterscheidet sich von bereits vorhandenen Antibiotika vor allem durch unterschiedliche Angriffspunkte bei den Bakterien [4, 5, 6].

In diesen Untersuchungen wurden aktuelle Bakterien-Isolate von ambulanten Spitalspatienten und Patienten aus dem niedergelassenen Bereich auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Telithromycin im Vergleich zu Erythromycin, Penicillin G und Ampicillin untersucht.

 

Material und Methode

Insgesamt wurden 832 Bakterienstämme getestet: S. pneumoniae (n = 542), S. pyogenes (n = 223) und H. influenzae (n = 67). Es wurde jeweils ein Isolat pro Patient inkludiert. Die getesteten Bakterienstämme wurden aus dem oberen und unteren Respirationstrakt, Blut, Liquor und anderen biologischen Materialien isoliert. Die Kultivierung und Identifikation der Bakterienstämme erfolgte nach aktuellen Labormethoden wie Optochintest, Faktorenabhängigkeit, biochemische Substratverwendung und serologische Gruppenbestimmung.

Die zur Prüfung verwendeten Antibiotika wurden nach den jeweiligen Vorschriften des Herstellers gelöst und als Stammlösung zu je 1 ml bei
-196°C im flüssigem Stickstoff aufbewahrt. Aufgetaute Antibiotika wurden noch am selben Tag verwendet.

Für die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) wurde die Mikrodilutionsmethode in Mueller-Hinton-Bouillon nach NCCLS (National Committee for Clinical Laboratory Standards) aus dem Jahre 2000 verwendet. Bei S. pneumoniae und S. pyogenes wurde 5% lysiertes Pferdeblut zugesetzt, bei der Testung von H. influenzae wurde mit Iso-Vitalex 1%, NAD 15 mg/l, Hämin 30 mg/l, Pferdeserum 50 mg/l sowie Kalziumchlorid 20 mg/l und Magnesiumsulfat 7 mg/l supplementiert. Das bakterielle Inoculum betrug 1 x 105 KBE/ml, die Bebrütung der Platten wurde für 16 bis 20 Stunden bei 36,5°C / ambient air durchgeführt. Für Penicillin G wurden Konzentrationen von 0,003 bis 256 mg/l verwendet, für alle anderen getesteten Antibiotika 0,01 bis 256 mg/l. Die niedrigste Antibiotika-Konzentration, bei der kein bakterielles Wachstum sichtbar war, wurde als MHK definiert. Bei jedem Testansatz wurden als Qualitätskon-trolle ATCC-Stämme (S. pneumoniae, S. pyogenes und H. influenzae) mit bekannten MHKs mitgeführt. Zur Ermittlung der Resistenz wurden die breakpoints der NCCLS aus dem Jahre 2000 verwendet.

 

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in Abbildung 1 bis 3 zusammengefasst dargestellt. Die Ergebnisse der MHK-Bestimmung von Telithromycin als neue Substanz im Vergleich zu den mitgetesteten Standard-Antibiotika erbrachte eine ausgezeichnete Aktivität. Die MHK90-Werte von Telithromycin gegenüber allen grampositiven Bakterien (S. pneumoniae, S. pyogenes) betrugen 0,03, 0,06, bei H. influenzae war die MHK90 4 mg/l. Die Wirkung von Telithromycin ist, wie in den Abbildungen ersichtlich, auch bei gegenüber Standard-Antibiotika-resistenten Keimen erhalten. Bei den Pneumokokken ergaben alle hier getesteten Antibiotika (Penicillin und Makrolide) sehr günstige Resistenzraten von 2,2 bis 10,2%, während lediglich 0,2% dieser Stämme einen erhöhten MHK-Wert bei Telithromycin zeigten. Alle getesteten H. influenzae-Stämme waren gegenüber Telithromycin empfindlich.

 
Abbildung 1: Empfindlichkeit von S. pneumoniae gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 542, % der Isolate)
Abbildung 1: Empfindlichkeit von S. pneumoniae gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 542, % der Isolate)
Abbildung 1: Empfindlichkeit von S. pneumoniae gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 542, % der Isolate)
Abbildung 1: Empfindlichkeit von S. pneumoniae gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 542, % der Isolate)

 

Abbildung 2: Empfindlichkeit von S. pyogenes gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 223, % der Isolate)
Abbildung 2: Empfindlichkeit von S. pyogenes gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 223, % der Isolate)
Abbildung 2: Empfindlichkeit von S. pyogenes gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 223, % der Isolate)
Abbildung 2: Empfindlichkeit von S. pyogenes gegenüber Telithromycin, Penicillin und Erythromycin, (n = 223, % der Isolate)

 

Abbildung 3: Empfindlichkeit von H. influenzae gegenüber Telithromycin, Ampicillin und Erythromycin, (n = 67, % der Isolate)
Abbildung 3: Empfindlichkeit von H. influenzae gegenüber Telithromycin, Ampicillin und Erythromycin, (n = 67, % der Isolate)
Abbildung 3: Empfindlichkeit von H. influenzae gegenüber Telithromycin, Ampicillin und Erythromycin, (n = 67, % der Isolate)
Abbildung 3: Empfindlichkeit von H. influenzae gegenüber Telithromycin, Ampicillin und Erythromycin, (n = 67, % der Isolate)

 

Diskussion

Bei Atemwegsinfektionen, insbesondere im niedergelassenen Bereich, gelingt nur selten ein Erregernachweis [7]. Daher ist die Wahl des Antibiotikums bei der Behandlung meistens empirisch. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Resistenzsituation und lokale und internationale Resistenzdaten zu kennen. Weiters sind bei Atemwegsinfektionen oft atypische Erreger wie Mykoplasmen und Chlamydien, oder ß-Laktamase-bildende Stämme von Staphylokokken, H. influenzae und Moraxella catarrhalis beteiligt. Aus diesem Grund sind bei Infektionen der Atemwege und des HNO-Traktes die Makrolide die am häufigsten eingesetzten Antibiotika. Durch die oft nicht sachgemäße Anwendung dieser Antibiotika-Klasse wurden weltweit besonders Pneumokokken, ß-hämolysierende Streptokokken, Staphylokokken und H. influenzae gegenüber Makroliden resistent [8, 9]. Auch in Österreich zeigte sich in den letzten Jahren ein derartiger Trend. Die in Österreich isolierten Pneumokokken zeigten vor 5 bis 6 Jahren eine Resistenzrate gegenüber Penicillin von unter 2% und gegenüber Makroliden unter 1%. Derzeit ist jedoch diese Rate deutlich im Steigen begriffen: Bei Pneumokokken stieg die Resistenzrate auf bis zu 10% in Österreich an [10, 11]. Dieser Anstieg konnte auch bei den ß-hämolysierenden Streptokokken und bei H. influenzae beobachtet werden.

In der vorliegenden Studie konnte eindeutig gezeigt werden, dass die neue Substanz Telithromycin bei Erregern, die Infektionen des oberen und unteren Respirationstraktes verursachen, eine ausgezeichnete Wirksamkeit besitzt. Auch gegenüber Penicillin- und Makrolid-resistenten Bakterienstämmen zeigt Telithromycin aufgrund des unterschiedlichen Wirkungsmechanismus (Doppelangriffspunkt am Ribosom) eine überzeugende Aktivität. Wie auch aus der Literatur bekannt, werden atypische Erreger wie M. pneumoniae und C. pneumoniae von Telithromycin gut erfasst [12, 13, 14].

Somit zeigen diese Untersuchungsdaten, dass Telithromycin eine hervorragende Alternative bei der Behandlung von Infektionen des oberen und unteren Respirationstraktes darstellt.

 

Literatur:

1. Felmingham D., Zhanel G., Hoban D.: „Activity of the ketolide antibacterial telithromycin against typical community-acquired respiratory pathogens.“ J. Antimicrob. Chemother. 48 (2001) 33-42.
2. Felmingham D., Reinert R.R., Hirakata Y., Rodloff A.: „Increasing prevalence of antimicrobial resistance among isolates of Streptococcus pneumoniae from the PROTEKT surveillance study, and comparative in vitro activity of the ketolide, telithromycin.“ J. Antimicrob. Chemother. 50 Suppl. S1 (2002) 25-37.
3. Leclercq R.: „Safeguarding future antimicrobial options: strategies to minimize resistance.“ Clin. Microbiol. Infec. Dis. 7 Suppl. 3 (2001)
18-23.
4. Douthwaite S.: „Structure-activity relationships of ketolides vs. macrolides.“ Clin. Microbiol. Infec. Dis. 7 Suppl. 3 (2001) 11-17.
5. Leclercq R.: „Overcoming antimicrobial resistance: profile of a new ketolide antibacterial, telithromycin.“ J. Antimicrob. Chemother. 48 (2001) 9-23.
6. Zhanel G.G., Walters M., Noreddin A., Vercaigne L.M., Wierzbowski A., Embil J.M., Gin A.S., Douthwaite S., Hoban D.J.: „The ketolides. A critical review.“ Drugs 62 (12) (2002) 1771-1804.
7. Finch R.: „Community-acquired pneumonia: the evolving challenge.“ Clin. Microbiol. Infec. Dis. 7 Suppl. 3 (2001) 30-38.
8. Felmingham D., Washington J.: „Trends in the antimicrobial susceptibility of bacterial respiratory tract pathogens – findings of the Alexander Project 1992-1996.“ J. Antimicrob. Chemother. 11 Suppl. 1 (1999) 5-21.
9. Felmingham D., Grüneberg R.N.: „The Alexander Project 1996-1997: latest susceptibility data from this international study of bacterial pathogens from community-aquired lower respiratory tract infections.“ J. Antimicrob. Chemother. 45 (2000) 191-203.
10. Georgopoulos A., Buxbaum A., Straschil U., The Austrian Bacterial Surveillance Network, Graninger W.: „Austrian national survey of prevalence of antimicrobial resistance among clinical isolates of Streptococcus pneumoniae 1994-96.“ Scand. J. Infec. Dis. 30 (1998) 345-349.
11. Buxbaum A., Straschil U., Moser C., Graninger W., Georgopoulos A., The Austrian Bacterial Surveillance Network: „Comparative susceptibility to penicillin and quinolones of 1385 Streptococcus pneumoniae isolates.“ J. Antimicrob. Chemother. 43 Suppl. B (1999) 13-18.
12. Hammerschlag M.R., Roblin P.M., Bebear C.M.: „Activity of telithromycin, a new ketolide antibacterial, against atypical and intracellular respiratory tract pathogens.“ J. Antimicrob. Chemother. 48 (2001) 25-31.
13. Drusano G.: „Pharmacodynamic and pharmacokinetic considerations in antimicrobial selection: focus on telithromycin.“ Clin. Microbiol. Infec. Dis. 7 Suppl. 3 (2001) 24-29.
14. Felmingham D.: „Microbiological profile of telithromycin, the first ketolide antimicrobial.“ Clin. Microbiol. Infec. Dis. 7 Suppl. 3 (2001) 2-10.

 

Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. DDr. Apostolos Georgopoulos
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klin. Abt. für Infektionen und Chemotherapie
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
E-Mail: apostolos.georgopoulos@akh-wien.ac.at

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