Pneumonie beim
älteren Patienten |
H. Feist
1. Abteilung des Geriatrischen Zentrums, Otto Wagner Spital
mit Pflegezentrum, Wien
(Vorstand: Prim. Dr. H. Feist) |
Schlüsselwörter:
Pneumonie, Alter, Risikoeinschätzung,
Morbidität, Mortalität, Diagnostik, Compliance, Therapie,
Prävention |
Zusammenfassung
Die Pneumonie
im Alter ist durch eine erhöhte Morbidität und Mortalität
gekennzeichnet. Die Diagnosestellung ist oft durch eine atypische
Klinik erschwert.
Die Therapie ist durch geänderte Pharmakokinetik, Multimorbidität,
häufigere Nebenwirkungen und mangelnde Compliance gekennzeichnet.
Präventive Maßnahmen wie Impfungen sind daher empfehlenswert.
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Key-words:
Pneumonia,
elderly, risk judgement, morbidity, mortality, diagnosis, compliance,
therapy, prevention |
Summary
Pneumonias in the
elderly are characterized by high morbidity and mortality. Diagnosis
is often difficult due to atypical symptoms.
Therapy is marked by changes of pharmacokinetics, comorbid illness,
more side effects and lower compliance. Preventive measures
including vaccinations are highly recommended.
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Einleitung
Die Pneumonie
im Alter ist durch eine erhöhte Morbidität und erhöhte
Mortalität gekennzeichnet, über 65-Jährige erkranken
4x häufiger als jüngere, die Mortalität ist bis
zu 3x höher als bei unter 65-Jährigen. Bei Patienten
in geriatrischen Institutionen ist die Pneumonie die zweithäufigste
Infektionserkrankung und die vierthäufigste Todesursache.
Sir William
Osler hat daher die Pneumonie beim alten Menschen zuerst als
„a special enemy of old age“ und später als
„the friend of the aged“ bezeichnet.
Prävention,
rechtzeitige Diagnose und adäquate Therapie sind von entscheidender
Bedeutung.
Die Ursachen
der erhöhten Morbidität sind vielfältig (siehe
Tabelle 1 und Tabelle 2).
Die Abnahme
der mucociliären Clearance und des Hustenreflexes begünstigen
die Aspiration von pathogenen Krankheitserregen in die tiefen
Atemwege. Die Abnahme des Hustenreflexes kann auch durch neurologische
Erkrankungen und sedierende Medikamente bedingt sein.
Beherdete
Zähne, chronische Entzündungen der oberen Atemwege
wie Tonsillitis, Pharyngitis oder Sinusitis fördern die
Aspiration von Keimen in die unteren Atemwege.
Auch das
Immunsystem unterliegt einem Alterungsprozess (siehe Tabelle
2), wobei vor allem die Abnahme von spezifischen Abwehrmechanismen
wie T-Zellfunktion und spezifischer AK-Bildung eine wesentliche
Rolle spielt.
Die erhöhte
Mortalität ist vor allem bedingt durch Begleiterkrankungen,
Komplikationen, späte Diagnosestellung aufgrund der oft
atypischen Symptomatik und langsameres Ansprechen auf die antibiotische
Therapie bzw. höhere Nebenwirkungsrate auf die medikamentöse
Therapie.
Tabelle
1:
Ursachen
der erhöhten
Infektanfälligkeit im Alter |
>
Mangelernährung, Schluckstörungen |
>
Dehydration |
>
Abnehmende Schutzfunktion der Schleimhäute (SH-Atrophie) |
>
Mangelnder Hustenreflex |
>
Immobilität |
>
Begleiterkrankungen (Diabetes, Arteriosklerose, Malignom) |
>
Alterung des Immunsystems |
>
Medikamentöse Therapie (Sedativa, H2-Blocker
...) |
|
Tabelle
2:
Änderung
der Immunabwehr im Alter |
>
Lokale Abwehr: Hustenreflex
Mucociliäre
Clearance |
>
Unspezifische Abwehrmechanismen wie Phagozytose,
Komplementsystem:
wenig Änderungen |
>
Spezifische Abwehrmechanismen:
a)
zellulär: T-Ly, B-Ly, Makro, Mono
b)
humoral: spezifische AK |
|
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Diagnosestellung
Anamnese
und klinische Untersuchung
Die Symptomatik der Pneumonie beim älteren Patienten ist
oft atypisch, bei einem Teil der Patienten fehlen typische Symptome
wie hohes Fieber, Husten und Thoraxschmerzen oder sie werden
falsch gedeutet. Allgemeinsymptome wie Schwäche, Verwirrtheit
oder Sturzneigung stehen oft im Vordergrund (Tabelle 3).
Tabelle
3:
Atypische
Symptomatik der
Pneumonie im Alter |
>
Fehlendes Fieber: bei 20 - 50% ("the
older, the colder") |
>
Allgemeine Schwäche |
>
Fallneigung |
>
Unruhe, Verwirrtheit |
>
Gastrointestinale Beschwerden |
>
Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme |
10% haben überhaupt keine Symptome! |
|
Bei jedem
geriatrischen Patienten, bei dem sich der körperliche oder
geistige Zustand ändert, muss daher auch an eine Pneumonie
gedacht werden.
Der amerikanische
Geriater Prof. Weinstein prägte für die oft mangelnde
Fieberreaktion im Alter den Begriff „the older, the colder“.
Die Ursachen liegen in einer verminderten Interleukin-1-Produktion,
in einem geringeren Effekt der Interleukine auf die Thermogenese
und in einer oft erhöhten Differenz zwischen axillärer
und rektaler Temperatur, sodass die axilläre Temperaturmessung
das Fieber oft unterschätzt.
Röntgen
Der Röntgenbefund unterscheidet sich nicht wesentlich zwischen
jüngeren und älteren Patienten, kann aber in der Anfangsphase
noch negativ sein.
Laborbefunde
Eine erhöhte Senkung ist ein im Alter häufig erhobener
Befund, der durch verschiedene Grunderkrankungen bedingt sein
kann und daher als Messinstrument für eine Infektion nicht
geeignet ist. Aussagekräftiger sind ein erhöhtes CRP
und eine Leukozytose mit Linksverschiebung. Sichere Informationen
über die Genese bzw. über die verursachenden Erreger
geben aber weder die Laborbefunde noch das Röntgenbild.
Patienten mit einem erhöhten BUN haben ein erhöhtes
Komplikationsrisiko und sollten unbedingt stationär behandelt
werden.
Bakteriologie
Das Erregerspektrum und die Resistenzsituation zeigen relativ
große regionale Unterschiede, die häufigsten Erreger
sind Pneumokokken, Hämophilus influenzae, Viren
(Influenza), Mykoplasmen, Staphylococcus aureus und
Gram-negative Enterobakterien einschließlich Pseudomonas
aeruginosa. Infektionen mit Chlamydien und Legionellen
werden seltener gefunden.
Der Anteil
der Penicillin-resistenten Pneumokokken ist innerhalb Europas
sehr unterschiedlich und liegt zwischen wenigen Prozentpunkten
wie in Österreich und bis zu 60% wie z.B. in Ungarn oder
Spanien.
Der Keimnachweis
ist oft sehr schwierig und gelingt auch unter Studienbedingungen
nur bei circa 40% der Patienten. Bei ambulant betreuten Patienten
ist daher eine bakteriologische Diagnostik nicht zielführend,
bei stationär behandelten, schwer kranken Patienten ist
die Anfertigung von Blutkulturen sinnvoll. Der Nasenabstrich
hat sich vor allem zur Diagnose oder zum Ausschluss einer Influenzainfektion
bewährt. Serologische Testverfahren haben meist keinen
Einfluss auf die Therapieentscheidung, da ihre Ergebnisse zu
lange dauern.
BGA
Die Anfertigung einer Blutgasanalyse oder Pulsoxymetrie ist
für die Einschätzung des Schweregrades wichtig, die
Prognose einer Pneumonie hängt auch von dem rechtzeitigen
Erkennen und Behandeln einer Gasaustauschstörung ab.
|
Therapie
Die wichtigste
Therapieentscheidung ist, ob der Patient zu Hause oder im Spital
behandelt werden soll: Entscheidungshilfen sind der klinische
Zustand (RR, Puls, Atemfrequenz …), das Vorhandensein
von Begleiterkrankungen und die Laborbefunde. Bei älteren
Patienten sollte nur dann ambulant behandelt werden, wenn keine
schweren Begleiterkrankungen vorliegen, der klinische Gesamtzustand
nicht wesentlich beeinträchtigt ist und die Leber- und
Nierenwerte im Normbereich liegen.
Eine etwas
aufwändige Risikobeurteilung wurde von Fine und Mitarbeitern
entwickelt (siehe Tabelle 4).
Tabelle
4:
Risikoeinschätzung
der Pneumonie
(Fine et al.) |
|
Die medikamentöse
Therapie beim geriatrischen Patienten ist gekennzeichnet durch
eine erhöhte Nebenwirkungsrate auf Grund pharmakokinetischer
Änderungen, bestehender Multimorbidität und damit
verbundener Polypragmasie.
Die antibiotische
Therapie ist vom Schweregrad abhängig (siehe Tabelle
5), wobei es sich bewährt hat, sehr rasch mit einer Therapie
zu beginnen, und zwar mit einem Präparat mit möglichst
großer therapeutischer Breite, und dieses hoch genug dosiert
und nicht zu lange zu geben (7 bis maximal 10 Tage). Der sonst
gültige geriatrische Grundsatz in der Pharmakologie „start
low, go slow“ gilt hier nicht!
Ein häufiges
Problem einer ambulanten antibiotischen Therapie liegt in der
mangelnden Compliance der betagten Patienten, für die es
eine Reihe von Gründen gibt (Tabelle 6). Wichtig sind daher
einfache Einnahmeschemata und engmaschige Kontrollen des Therapieerfolges
bzw. Reduktion auf die lebenswichtigen Medikamente (Tabelle
7).
Ganz wesentlich
ist die supportive Therapie (siehe Tabelle
8), wobei besonders auf das rechtzeitige Erkennen und die sofortige
Therapie der Gasaustauschstörung, der Begleit-erkrankungen
und Komplikationen zu achten ist. Rezente Untersuchungen haben
gezeigt, dass fast die Hälfte aller Todesfälle auf
eine Verschlechterung von Begleiterkrankungen und auf Komplikationen
zurückzuführen ist.
Bei therapieresistenen
Verläufen muss differentialdiagnostisch
vor allem auch an eine Tuberkulose, ein Bronchuscarcinom oder
eine interstitielle Lungenerkrankung gedacht werden!
Sputumuntersuchung,
serologische Tests und bronchologische Abklärung sind dann
notwendig.
Tabelle
5:
Antibiotische
Therapie der
Pneumonie im Alter |
Wie
bei jüngeren Patienten je nach Risikogruppe und
Schweregrad: |
> Milde Pneumonie:
oral: AminoPen, Cephalo II/III, Makrolide |
>
Mittelschwere Pneumonie: parenteral:
AminoPen mit Clav. +/- |
Makrolide,
Cephalo II/III +/- Makrolide, Chinolone III/IV |
>
Schwere Pneumonie: parenteral: AminoPen
mit Clav. +/- |
Makrolide,
Cephalo III + Makrolide, Chinolone III/IV |
Der geriatrische Grundsatz "start
low, go slow" gilt hier nicht |
|
Tabelle
6:
Ursachen
der mangelnden
Compliance im Alter |
>
Vergesslichkeit, Verwirrtheit |
>
eingeschränktes Sensorium |
>
zu viele Medikamente |
>
zu komplizierte Therapievorschriften |
>
zu komplizierte Handhabung der Medikamente |
>
30% der älteren Patienten kennen ihre eigenen
Medikamente nicht |
>
70% können Tropfflaschen nicht öffnen |
(kindersicher
= alterssicher) |
>
75% können Tabletten nicht brechen |
|
Tabelle
7:
Mangelnde
Compliance im Alter
Konsequenzen |
>
einfache Einnahmeschemata |
>
kein Tropfenzählen |
>
keine Halbierung von Tabletten |
>
so wenig Medikamente wie möglich |
>
Laborkontrollen |
>
Spiegelbestimmungen |
>
an NW denken |
|
Tabelle
8:
Supportive
Therapie der Pneumonie |
>
Thromboseprophylaxe |
>
Behandlung von Begleiterkrankungen |
>
Behandlung von Komplikationen |
>
Behandlung der Gasaustauschstörung |
>
Physiotherapie |
>
Analgetika, Antipyretika |
|
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Prävention
Präventive
Maßnahmen haben in der Geriatrie eine ganz entscheidende
Bedeutung, um Morbidität und Mortalität der Pneumonie
zu senken.
Wichtig
sind die Sanierung der Zähne, die Therapie einer chronischen
Tonsillitis oder Sinusitis bzw. die Behandlung von Schluckstörungen.
Vorsicht
ist bei der unkritischen Gabe von Säureblockern notwendig.
Durch Erhöhung des pH-Wertes fällt die Schutzwirkung
des bakterizid wirkenden Magensaftes weg und die Gefahr der
Aspiration von Bakterien aus dem Magen-Darm-Bereich steigt.
Allgemeinmaßnahmen
wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr und adäquate Ernährung
spielen ebenfalls eine große Rolle.
Immunmodulatoren
wie Bronchovaxom, Luivac oder Ribomunyl können das Infektrisiko
etwas senken.
Ganz entscheidend
ist die jährliche Schutzimpfung gegen
Influenza. Ohne Impfung erkranken jährlich circa 15/1000
der über 65-Jährigen an einer Influenza. Durch eine
Impfung können 2/3 dieser Erkrankungen und die damit verbundenen
Todesfälle vermieden werden. Wichtig ist auch die Influenza-Impfung
beim Personal von geriatrischen Institutionen, weil damit die
Infektionsrate bei den Pflegepatienten weiter gesenkt werden
kann.
Außerdem
sollte bei allen über 65-Jährigen trotz noch etwas
widersprüchlicher Studien alle 5 Jahre eine Pneumokokken-Impfung
durchgeführt werden.
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Zusammenfassung
Die Pneumonie
im Alter ist durch eine erhöhte Morbidität und Mortalität
gekennzeichnet.
Die Diagnosestellung
ist oft durch eine atypische Klinik erschwert.
Die Therapie
ist durch geänderte Pharmakokinetik, Multimorbidität,
häufigere Nebenwirkungen und mangelnde Compliance gekennzeichnet.
Präventive
Maßnahmen wie Impfungen sind daher empfehlenswert.
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Literatur:
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- 12 western states.“ 1995 Morbidity and Mortality
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12.
Saynajakangas P. et al.: „Hospital discharges for
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Jul) 269-73. |
13.
Schaberg T.: „Empfehlungen zur Therapie der ambulant
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Pneumologie.“ Pneumologie 52 ( 1998) 450-462. |
14.
Woodhead M.: „Pneumonia in the elderly.“ J.
Antimicrob. Chemother. (1994). |
Anschrift
des Verfassers:
Prim. Dr. Helfried Feist
1. Abteilung des Geriatrischen Zentrums,
Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum
A-1145 Wien, Sanatoriumstraße 2
E-Mail: helfried.feist@wienkav.at
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