APAT - ein
Weg aus der ökonomischen Krise des Gesundheitssystems |
T. Schröck
Donau-Universität Krems |
Zusammenfassung
Oft beschworen,
bis jetzt nicht verwirklicht: Die Auslagerung von Behandlungen
aus dem stationären in den ambulanten Sektor. Wie groß
die Einsparungsmöglichkeiten wären, zeigt das Beispiel
der ambulanten parenteralen Antibiotikatherapie. Ohne einheitliche
Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens wird
dieses Potenzial aber nur schwer auszuschöpfen sein.
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Einleitung
Steigende
Gesundheitskosten sind schon jetzt ein innenpolitischer Dauerbrenner.
Das Problem wird sich allerdings in Zukunft durch die zunehmende
Überalterung der Bevölkerung noch verschärfen.
„Nach konservativen Schätzungen wird die österreichische
Bevölkerung bis 2050 bei einer gleichzeitigen Umstrukturierung
der Alterspyramide insgesamt um 1% zunehmen. Und gerade der
Anteil der über 65-Jährigen ist einer der Faktoren,
die ein starkes Wachstum der Gesundheitsausgaben nach sich ziehen“,
erklärte der Gesundheitsökonom Dr. Thomas Schröck,
Krems. Rund 46% der Gesamtkosten oder 9,9 Mrd. Euro entfielen
1999 laut einer Studie von Univ.-Prof. DDr. Christian Köck
auf den stationären Sektor. „Diese Zahlen verdeutlichen,
wie wichtig eine Entlastung dieses Bereichs wäre“,
meinte Schröck als Einleitung zu seiner Grobschätzung
möglicher Einsparungspotenziale durch eine ambulante parenterale
Antibiotikatherapie (APAT) anlässlich einer Veranstaltung
in der Gesellschaft für Ärzte.
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Ein
Fünftel mit APAT behandelbar
Schröck ging in seiner Analyse von der Hypothese aus, dass
jetzt schon rund 20% der Hauptdiagnosen Borreliose, Endokarditis,
diabetischer Fuß und Osteomyelitis mit infektiösem
Hintergrund durch APAT behandel-bar sind. Pro Jahr wären
das ca. 1.000 Patienten, eine Zahl, die tatsächlich höher
sein dürfte: „Die ICD-Codes sind bestenfalls ein
Indikator, denn es gibt keine Meldepflicht, welche Krankheiten
der Patient hat, und Nebenindikationen scheinen überhaupt
nicht auf“, verwies der Experte auf eines der Probleme
bei den Berechnungen.
Generell
sei die gesundheitsökonomische Datenlage in Österreich
sehr lückenhaft. „Die Daten von Ländern, Gemeinden,
Sozialversicherungen, Krankenhäusern etc. sind nicht vergleichbar,
weil sie nicht übereinstimmen. Dasselbe gilt für Behandlungskosten.
Die gibt es nur nach LKF-Indikationen zu Vollkosten auf Landesebene,
gegliedert nach Abteilungen. Wenn beispielsweise in niederösterreichischen
Krankenhäusern onkologische Patienten auf anderen Abteilungen
liegen, dann gibt es keine Onkologie-Daten.“ Weitere Schwierigkeiten:
Die Entlohnung nach dem LKF-System ist von Bundesland zu Bundesland
unterschiedlich. Außerdem gäbe es kaum Ansätze
zu ernsthafter Grenzkostenrechnung der Krankenanstalten und
wenn doch, dann seien sie unveröffentlicht. Über die
Patientenstruktur in den Ambulanzen gäbe es überhaupt
kaum Daten.
Trotz dieser
Vorbehalte versuchte Schröck anhand einer größeren
oberösterreichischen Krankenanstalt zu verdeutlichen, welches
Potenzial in einer Verlagerung der Behandlung in den ambulanten
Bereich liegt. „Bei einer Aufenthaltsdauer von durchschnittlich
7,05 Tagen für die Hauptindikation Borreliose bekommt das
Spital aufgrund der Landesfondspunkte pro Fall 1.237 Euro. Diese
Summe kann jedoch nicht kostendeckend sein. Das LKF-System –
ursprünglich geschaffen, um den Spitalsbereich zu finanzieren
– deckt heute nur mehr weniger als die Hälfte der
Finanzierung. Der Rest kommt von den verschiedenen Trägern,
Ländern und Sozialversicherungen.“ Tatsächlich
ist der Deckungsgrad durch die LKF-Entlohnung noch niedriger,
wie die Berechnung unter Einbeziehung der Vollkosten zeigt.
„Bei einer Deckung von nur 29% müsste man in der
Privatwirtschaft Konkurs anmelden. Dabei sind die Vollkosten
mit 436 Euro pro Tag meiner Ansicht nach zu niedrig angesetzt.“
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Einsparungen
von 3,6 Mio. Euro
Insgesamt kommt Schröck bei seiner Analyse auf derzeit
mögliche Einsparungen in der Höhe von 3,6 Mio. Euro
durch APAT. Eine sehr vorsichtige Schätzung, wie er betont,
sowohl was die Kosten von 400 Euro pro Spitalstag als auch die
Anzahl von 10 Tagen betrifft. Nicht berücksichtigt habe
er:
- weitere
Einsparungspotenziale aufgrund der APAT-Behandlung wie Folgekosten
z.B. bei Amputationen,
- mögliche frühere Arbeitsfähigkeit des Patienten,
- Erhöhung der Patientenzufriedenheit,
- Reduzierung des „Drehtüreffekts“,
- positive Auswirkungen auf die große Differenz zwischen
Entlohnung nach dem LKF und den tatsächlichen Kosten,
- Kosten der APAT-Therapie im ambulanten Sektor, da hier die
Vergütung gegenwärtig inadäquat sei.
Vergleichszahlen
aus den USA zeigen, welche Summen für APAT aufzuwenden
wären. Dort kalkuliere man für die tägliche ambulante
Behandlung eines APAT-Patienten 120 bis 130 US$. Gehe man davon
aus, dass die tatsächlichen Kosten für einen Spitalstag
höher liegen als 400 Euro (in den USA rechnet man 700 US$
pro Tag und Patient nur für die Behandlung), dann sei das
Potenzial noch größer.
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Einheitliche
Finanzierung notwendig
Um wirklich aussagekräftige Daten zu bekommen, sollte eine
konkrete Fallstudie mit einer interessierten Krankenanstalt
mit genauer Dokumentation aller Kosten – auch der ambulanten
APAT-Behandlung – durchgeführt werden, regte der
Gesundheitsökonom an. Vor allem Wien würde sich dafür
anbieten: „Das Land Wien müsste interessiert sein,
Einsparungspotenziale auszuloten. Wien zahlt alle Defizite,
das der Landes-Krankenanstalten, das der Fonds-Krankenanstalten,
das der Krankenversicherung. Allein der Zuschuss, den die Stadt
Wien an das AKH zahlt, beträgt geschätzte 48% des
Gesamtbudgets des AKH.“ Die Sozialversicherungen dagegen
hätten naturgemäß keinen Grund, den Status quo
zu verändern: „Solange es keine einheitliche Finanzierung
des Gesundheitssystems gibt, ist es für die Krankenkassen
billiger, die Patienten stationär behandeln zu lassen,
auch wenn es volkswirtschaftlich ein völliger Unsinn ist.“
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Anschrift
des Referenten:
Dr. Thomas Schröck
Donau-Universität Krems
A-3500 Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
E-Mail: ts@netway.at
Zusammenfassung:
Maria Uhl
Quelle: Wissenschaftliche Sitzung, 7. April 2004, Billrothhaus
Wien
Mit freundlicher Genehmigung – Universimed Verlag Wien,
Top Medizin, Sonderpublikation 6/04
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