Ein harmloser Katzenbiß? -
Endokarditis durch Pasteurella multocida |
K. Zedtwitz-Liebenstein, A. Georgopoulos,
W. Graninger
Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie,
AKH Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. DDr. W. Graninger) |
Schlüsselwörter:
Katzenbiß, Katzenkratzer, Wundinfektion, Pasteurella multocida,
Endokarditis |
Zusammenfassung
65% aller P. multocida-assoziierten
Bisse sind durch Katzenbiß oder -kratzer verursacht, 35% durch Hunde. Es wird von einer
57jährigen Patientin mit Endokarditis nach Katzenbiß berichtet. |
Key-words:
Cat bites, cat scratches, local wound infection, Pasteurella multocida,
endocarditis |
Summary
65 percent of bite-associated Pasteurella
infections are caused by cat bites or scratches; dog bites account for the remaining 35
percent. This case shows that harmless cat bites can cause severe infections. |
EinleitungPasteurella multocida zu Ehren Louis Pasteur (1822-1895)
benannt, ist eine für viele Tiere, vor allem aber Mäuse und Kaninchen, tödliche
Erkrankung. Es ist ein Kommensale im Nasen-Rachen-Raum von Säugetieren und Vögeln und
wird durch Tierbisse, häufig von Katzen oder Hunden, auf den Menschen übertragen. |
Taxonomie Pasteurella gehört gemeinsam mit Haemophilus
und Actinobacillus in die Familie der Pasteurellaceae.
Aufgrund genetischer Kriterien unterscheiden wir 11 Spezies. Das sind P. multocida
mit den Subspezies multocida, septica und gallicida, P.
dagmatis, P. canis, P. stomatis, P. volantium, Pasteurella Spezies A, P.
gallinarum, P. avium, P. langaa, P. anatis und Pasteurella Spezies B. |
Mikrobiologie P. multocida ist die einzige
Spezies dieser Gattung, die eine humanpathogene Wirkung zeigt. Mikrobiologisch ist es ein
unbewegliches, fakultativ anaerobes Gram negatives kokoides Stäbchen. Es ist Katalase-
und Oxidase-positiv und reduziert Nitrate zu Nitriten.
Wie bei anderen Gram negativen Bakterien
wirken die Lipopolysaccharide der Pasteurella-Zellwand als Endotoxin. Auf Blutagar
vermehrt sich P. multocida bei 37°C innerhalb von 18 - 24 Stunden. Eine erhöhte
C02-Spannung erleichtert die Anzucht.
Infektionen beim Menschen:
Die Infektion kann in drei verschiedenen
Formen auftreten:
lokalisierte Weichteilinfektion nach
Tierbiß
chronische Lungeninfektion
Bakteriämie +/- metastatische Läsionen
Bei Infektionen nach Tierbiß beginnt die
Erkrankung akut (innerhalb von Stunden bis Tagen) mit einem Erythem, Schmerzen und
Schwellung. Lokal kann es zu Lymphknotenvergrößerungen kommen (30 - 40%) und zu Fieber.
Komplikationen infizierter Bisse können Sehnenscheidenentzündung, Periostitis,
Osteomyelitis und Arthritis sein.
Bei Patienten mit verminderter Immunität
konnten schwerere Infektionen wie Peritonitis, Meningitis und Sepsis, aber auch in
seltenen Fällen eine Endokarditis beobachtet werden. |
Kasuistik Eine 57jährige Patientin suchte ihren
Hausarzt wegen Diarrhoe und Fieber bis 39°C auf. Bei der physikalischen Untersuchung fand
sich ein normaler Status bis auf eine kleine Bißwunde im Bereich der rechten
Archillessehne. Anamnestisch war zu erheben, daß die Patientin 2 Wochen zuvor von ihrer
Katze, die sie schon mehr als 6 Jahre hatte, gebissen worden war. Sie erhielt eine
Therapie mit Cotrimoxazol, woraufhin die Diarrhoe innerhalb der nächsten Tage sistierte,
die Fieberschübe aber weiterhin vorhanden waren.
Zur weiteren Abklärung des Fiebers wurde
die Patientin hospitalisiert. Im Rahmen der weiterführenden Untersuchung fand sich in der
Herzsonographie eine Mitralstenose mit Vegetationen. In einer Blutkultur war schließlich Pasteurella
multocida nachweisbar. In vitro zeigte der Pasteurella multocida-Stamm
eine Resistenz gegen Cefazolin, Gentamicin, Amikacin und Cotrimoxazol. In vitro
war P. multicida empfindlich gegen Ampicillin, Cefomandol, Cefotaxim,
Ciprofloxacin und mäßig empfindlich gegen Vancomycin. Die Patientin erhielt
Amoxicillin/Clavulansäure 2 x 4,4 g in Kombination mit Netilmicin 1 x 300 mg intravenös,
woraufhin sie auch prompt abfieberte. Nach einer 4wöchigen Therapie kam es zu einer
subjektiven Verschlechterung. Die Patientin wurde meningeal und zunehmend agitiert. Es
erhob sich der Verdacht auf eine cerebrale Embolie im Rahmen der Endokarditis. In der
Vorstellung, daß Pasteurella multocida nicht der alleinige Erreger der
Endokarditis wäre, wurde die Therapie auf Ceftriaxon 1 x 4 g und Teicoplanin 1 x 800 mg
umgestellt. Mittels Computertomographie fand sich kein Hinweis auf eine septisch
embolische Encephalopathie. Als Zufallsbefund zeigte sich jedoch mittels
Abdomensonographie ein Milzinfarkt.
Weitere 6 Wochen später konnte die
Patientin an die Herzthoraxchirurgie zu einem Mitralklappenersatz (Carpentier Edwards 27
mm) transferiert werden. |
Diskussion P. multocida kommt als Kommensale auf
den Schleimhäuten der oberen Atemwege zu 50 - 70% bei Katzen, 12 - 66% bei Hunden, 50%
bei Schweinen und 14% bei Ratten, aber auch bei vielen anderen Tieren vor. Sie verursacht
bei Rindern, Schweinen und Schafen eine Pneumonie bzw. hämorrhagische Septikämien. Bei
Hühnern, Truthähnen und Enten ist sie Ursache der sog. Geflügelcholera. Die Inzidenz
von Pasteurellosen wird auf 0,5 - 25 Erkrankungsfälle/1 Mio. Einwohner/Jahr geschätzt.
Bei 5 - 15% der P. multocida-Infektionen
ist Tierkontakt jedoch nicht nachzuweisen, wobei gesunde Keimträger in Berufsgruppen mit
intensivem Tierkontakt (Tierärzte, Tierhändler, Landwirte) in einer Häufigkeit von ca.
2% vorkommen.
Beim Menschen kommt es nach Tierbissen zu
lokalen Wundinfektionen. Dabei können sich die Erreger auf lymphogenem oder hämatogenem
Wege ausbreiten. Charakteristisch sind Schmerzen, Erythem, Schwellung und Zellulitis,
wobei systemische Entzündungszeichen fehlen können. Am häufigsten findet man
Infektionen nach einem Katzenbiß. Eine regionale Lymphadenitis entwickeln 30 - 40% der
Patienten, in manchen Fällen tritt auch Fieber auf.
Pasteurellosen des Respirationstraktes
entstehen in der Regel als opportunistische Infektionen auf dem Boden prädisponierender
Grunderkrankungen (chronische Bronchitis, Emphysem, Bronchiektasien, chronisch obstruktive
Lungenerkrankungen). Sie imponieren als akute bis subakute Bronchitis, Pneumonie und
Pleuraempyem oder als Kombination dieser Krankheitsbilder. Durch Aszension dieser Erreger
kann es zu Otitis, Sinusitis, Mastoiditis und Infektionen des ZNS (Meningitis, subdurales
Empyem und Gehirnabszeß) kommen.
Durch hämatogene Ausbreitung von P. multocida
kann es zu Osteomyelitis, Tendovaginitis, Periostitis und Arthritis, aber auch zu
Infektionen von Gelenksprothesen des Knies und der Hüfte kommen. Die P. multocida-Arthritis
ist häufig assoziiert mit vorbestehenden Gelenkserkrankungen, rheumatoider Arthritis und
Corticosteroidtherapie.
Bakteriämien sieht man häufig bei
Patienten mit Leberzirrhose, Neoplasien, hämatologischen Erkrankungen, systemischem Lupus
Erythematodes und HIV-Infektionen. Seltene Manifestationen der Infektion mit Pasteurella
multocida sind Endokarditis, eitrige Perikarditis und mykotische Aneurysmen.
In vitro ist P. multocida
gegen Penicillin, Ampicillin, Amoxycillin/Clavulansäure, Cefuroxim, Cefoxitin,
Tetrazykline, Cotrimoxazol empfindlich. Aminoglykoside, Oxacillin, orale Cephalosporine,
Erythromycin, Vancomycin und Clindamycin werden als nicht ausreichend sicher wirksam
beurteilt. Ciprofloxacin zeigt in vitro eine gute antibakterielle Aktivität, die
klinischen Erfahrungen in der Behandlung von Pasteurellosen sind jedoch gering.
Häufig isolierte Erreger nach Hunde- und Katzenbissen:
- P. multocida mit den Subspezies multocida,
septica und gallicida, P. dagmatis, P. canis, P. stomatis
- Capnocytophaga canimorsus, C. cynodegmi
- a + ß hämolysierende Streptokokken
- Enterokokken
- Staphylococcus aureus, S. intermedius, S. epidermidis
- Hämophilus felis, H. aphrophilus
- Corynebakterium spp.
- Micrococcus luteus
- Neisseria canis, Neisseria weaveri
- Acinetobacter spp.
- Actinobacillus actinomycetem comitans
- Eikenella corrodens
- Weeksella zoohelcum
- Peptostreptokokken
- Fusobakterium nucleatum, F. russii
- Prevotella melaninogenica, P. intermedia
- Porphyromonas salivosa, P. asaccharolytica
- Veillonella parvula
- Bacteroides heparinolyticus
- Leptotrichia buccalis
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Anschrift des Verfassers:
Dr. Konstantin Zedtwitz-Liebenstein
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen
und Chemotherapie,
Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20 |
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