Katzenkratzkrankheit, Tuberkulose, Lymphom eine diagnostische Odyssee

K. Zedtwitz-Liebenstein1, A. Chott2
1 Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie, AKH Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. DDr. W. Graninger)
2 Institut für klinische Pathologie, Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. D. Kerjaschki)


Schlüsselwörter:
Zervikale Lymphadenopathie, Bartonellose, Tuberkulose, Lymphom

Zusammenfassung
Bei einer türkischen Patientin mit zervikaler Lymphadenopathie wurde serologisch und histologisch zunächst die Diagnose einer Bartonellose gestellt. Trotz Therapie mit Ciprofloxacin kam es zu keiner Besserung. Anläßlich einer erneuten Lymphknotenextirpation wurde auf Grund einer positiven PCR eine Mykobakteriose diagnostiziert und behandelt. Letztlich wurde bei einer erneuten Biopsie ein hochmalignes B-Zell-Lymphom diagnostiziert.

Key-words:
Hilar lymph node enlargement, bartonellosis, tuberculosis, lymphoma

Summary
The serology and histopathology showed an infection with Bartonella henselae in a Turkish woman with hilar lymph node enlargement. Therapy with ciprofloxacin was unsuccessful. Lymph node biopsy was teneated and the PCR was positive for Mycobacterium tuberculosis. Antituberculostatic therapy was started. The third biopsy revealed a large B-cell-lymphoma.


Einleitung

Lymphknoten sind bei fast allen infektiösen Prozessen beteiligt.

Bei zervikalen Lymphknotenvergrößerungen stellt sich hauptsächlich die Frage: infektiöse Ursache oder Neoplasie. Differentialdiagnostisch kommen bei lokalisierter Lymphadenopathie zunächst bakterielle Infekte des Mund-Rachen-Raumes durch Streptokokken der Gruppe A, Diphtherie, (Fusobakterien) oder des Zahnapparates in Frage. Virale Infekte wie Epstein-Barr-Virus (EBV), Cytomegalie-Virus (CMV), Adenoviren, Röteln, Masern sind mit generalisierten Lymphknotenschwellungen vergesellschaftet.

Im Rahmen der Differentialdiagnose der nichtinfektiösen Ursachen der lokalisierten und generalisierten Lymphknotenschwellungen kommen in erster Linie Neoplasmen des lymphoretikulären Systemes bzw. metastatische Absiedelungen des Pharynx-, Larynx- oder Thyreoidea-Karzinoms in Frage, gefolgt von Kollagenosen.

Im vorliegenden Fall wird die oft verzweifelte Diagnosefindung an einer türkischen Patientin dargestellt.

 

Kasuistik

Eine 49jährige türkische Patientin suchte unsere Ambulanz wegen seit 4 Monaten bestehender schmerzhafter Lymphknotenvergrößerungen auf. Eine frühere Lymphknotenbiopsie zeigte histologisch ausgedehnte Gewebsnekrosen mit Organisation und Histiozytensaum ohne Hinweis auf Malignität.

Da eine empirische antimikrobielle Therapie mit Clarithromycin keinen Erfolg zeigte und die Lymphknoten neuerlich an Größe zunahmen, wurde die Patientin zur weiteren Abklärung stationär aufgenommen. Anamnestisch war zu erheben, daß die Patientin 15 Jahre zuvor eine Billroth-lI-Operation wegen eines Ulcus duodeni gehabt hatte, vor 6 Jahren Appendektomie und vor 3 Jahren eine Cholezystektomie. Sie hatte zum Zeitpunkt der Vorstellung kein Fieber, gelegentlich etwas Nachtschweiß und keine Gewichtsabnahme bei einem Body Mass Index (BMI) von 34. Bei der physikalischen Untersuchung fanden sich beiderseits, aber vor allem linksmandibulär fluktuierende kirschgroße Lymphknoten, der übrige Status war unauffällig.

Eine neuerliche Lymphknotenbiopsie zeigte ein dichtes Infiltrat bestehend aus Schaumzellen, gelegentlich mehrkernig mit einer Kerneinordnung passend zu Fremdkörperriesenzellen mit reichlich Lymphozyten und Plasmazellen und somit der Morphologie nach mit einer Katzenkrankheit oder Tuberkulose vereinbart. Eine weiterführende Aufarbeitung des Biopsiematerials erbrachte keinen Nachweis auf säurefeste Stäbchen und eine negative Polymerase chain reaction (PCR) auf Mycobacterium tuberculosis complex. Die bakteriologische Untersuchung des Lymphknotens zeigte das Wachstum von koagulasenegativen Staphylokokken. Ein Mendel Mantoux Test (Chiron-Behring) mit 5 IE war hoch positiv, wobei die serologische Untersuchung auf Anti A60-IgG Antikörper gegen Mykobakterien (Immunozym® Mycobacterium: enzyme immuno assay - Immuno AG) negativ ausfiel.

Antikörper gegen Toxoplasmose, Brucellose, HIV und Listeriose waren nicht nachweisbar. Die Patientin wies jedoch Antikörper gegen Bartonella henselae (1:32) auf, und gemeinsam mit der positiven Histologie konnte die Diagnose einer Katzenkratzkrankheit gestellt werden. Sie erhielt eine Therapie mit Ciprofloxacin 2 x 750 mg für einige Wochen verordnet.

Drei Wochen später waren die Antikörper gegen B. henselae nicht mehr nachweisbar, aber die Symptome hatten sich in keiner Weise gebessert. Die Lymphknoten nahmen neuerlich an Größe zu, und zusätzlich traten heftige Schinerzen in der linken Schulter auf. Die Patientin wurde erneut stationär aufgenommen. Wieder konnte nur die Diagnose einer Lymphadenopathie unbekannter Genese gestellt werden.

Nach weiteren 3 Monaten bildeten sich im Bereich der linken Halsseite zwei Abszesse aus, die exzidiert wurden. Die histologische Aufarbeitung zeigte eine rupturierte epidermale Zyste mit massiver Begleitentzündung und Fremdkörperreaktion. Säurefeste Stäbchen fanden sich nicht. Auch eine neuerliche serologische Untersuchung auf Listeriose, Brucellose, Ornithose, Q-Fieber, CMV und EBV war negativ. Eine aus dem Punktat durchgeführte PCR auf Mycobacterium tuberculosis complex war schließlich positiv. Somit wurde unter der Verdachtsdiagnose einer Lymphknotentuberkulose eine Therapie mit Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol eingeleitet. Unter dieser Therapie kam es rasch zu einer deutlichen subjektiven Verbesserung und Verkleinerung der Lymphknoten.

1 Monat später berichtete die Patientin über starke Schmerzen im Bereich der linken Halsseite, wobei sich deutlich vergrößerte zervikale Lymphknoten darstellten. Links zervikal und submandibulär fand sich ein relativ solider exulcerierter tumoröser Knoten und infraklavikulär eine 5 cm im DM haltende Narbenplatte mit teilweiser Infiltration der linken Brust.

Blutbild, Nieren und Leberfunktionsparameter befanden sich im Normbereich. Das Serum ß-2-Microglobulin war bei normalem Kreatinin erhöht (2,66 mg/l).

Obwohl der Verdacht einer Lymphknotentuberkulose bestand, wurde hinsichtlich der neuerlichen Progression eine Lymphknotenbiopsie durchgeführt. Hierbei fand sich ein hochmalignes B-Zell-Lymphom (REAL-Klassifikation: diffuses, großzelliges B-Zell-Lymphom, KIEL-Klassifikation: polymorphes zentroblastisches Lymphom). Zum weiteren Staging wurde eine Computertomographie des Thorax durchgeführt, bei der die Ausbildung mediastinaler und linkshilärer Lymphknotenpakete und auch zusätzlicher Lymphknotenvergrößerungen bds. axillär nachweisbar waren. Eine Computertomographie des Abdomens zeigte deutlich inhomogen fleckige Parenchymperfusionsmuster der Leber mit einem ca. 7 mm großen Herd zentral im Segment VIII und mehrere grenzwertig große Lymphknoten retroperitoneal.

Aufgrund der Infiltration und der starken Schmerzen im Bereich der linken Mamma wurde eine Mammographie durchgeführt. Hierbei zeigte sich eine umschriebene echoarme Strukturalteration im Bereich des Musculus pectoralis mit einer muskulären Infiltration. Aufgrund dieses Befundes wurde eine Stanze aus dem linken lateralen Quadranten entnommen und histologisch untersucht. Hierbei zeigte sich ein fibrosiertes Mammaparenchym ohne Hinweis auf einen neoplastischen Prozeß. Zum Ausschluß einer Knochenmarksinfiltration wurde eine Beckenkammstanze durchgeführt, in der sich ein geringgradig hyperzelluläres Knochenmark mit ausreifender Hämatopoese ohne Hinweis für eine Lymphominfiltration zeigte.

Aufgrund dieses Befundes wurde mit einer Therapie nach dem CHOP-Schema begonnen (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Oncovin und Aprednisolon). Die antituberkulostatische Therapie wurde mit Pyrazinamid 1 x 1500 mg und Isoniazid 1 x 600 mg weitergeführt.

Als Nebenbefund zeigte sich in der Gastroskopie eine Helicobacter-assoziierte Anastomositis und Gastritis, weshalb zusätzlich eine Therapie mit Amoxicillin 3 x 1 g, Clarithromycin 2 x 500 mg und Omeprazol 2 x 20 mg durchgeführt wurde.

 

Diskussion

Der vorliegende Fallbericht zeigt die diagnostische und therapeutische Odyssee bei einer Patientin mit zervikaler Lymphadenopathie.

Die Katzenkratzkrankheit ist eine durch Bartonella henselae verursachte Erkrankung, die über Katzenkontakt (Biß oder Kratzen) übertragen wird. Klinisch steht die chronische Lymphadenopathie im Vordergrund. Die Lymphadenopathie besteht für viele Wochen, heilt aber spontan auch ohne antibiotische Therapie aus. Die Diagnose wird durch Erregernachweis, Histologie und Antikörpernachweis gestellt. Im vorliegenden Fall konnte der Erreger nicht isoliert werden, lediglich die Histologie und der positive Antikörper-Nachweis führte hier zur Vermutungsdiagnose Bartonellose. Bis jetzt gibt es nur einige Arbeiten über die Wirksamkeit einer antimikrobiellen Therapie. Demnach scheinen Rifampicin, Cotrimoxazol, Ciprofloxacin und Gentamicin eine gute Wirksamkeit zu haben [1].

Eine Tuberkulose wurde im vorliegenden Fall auf Grund der Histologie, des positiven Hauttestes und der positiven PCR auf Mycobacterium tuberculosis complex gestellt. Bestärkt wird die Diagnose durch das initiale Ansprechen auf die tuberkulostatische Therapie. In der Literatur gibt es einige Fallberichte mit gemeinsamer Inzidenz von Tuberkulose und Lymphomen. Dies konnte vor allem bei Immunsupprimierten beobachtet werden. Wie heute bekannt ist, kommt es bei Lymphomen zu Veränderungen der Zellimmunität, vor allem vom verzögerten Typ [2]. Die Reaktivierung einer Tuberkulose tritt auf, wenn die Abwehr des Patienten herabgesetzt ist. Als Ursache einer Immunsuppression sind Mangelernährung, Alkoholismus, Zytostatika, Bestrahlungen, Diabetes mellitus [3] und virale Infektionen zu nennen. Aber auch Umweltfaktoren, wie Chemikalien und Silikate, können die Entstehung von Lymphomen fördern. Eine erhöhte Inzidenz von Lymphomen wurde ferner bei rheumatoider Arthritis [4], Sjögren-Larsson-Syndrom [5], Hashimoto Thyroiditis [6], systemischem Lupus Erythematosus [4] und bei der Zöliakie beschrieben.

 

Literatur:

1. Maurin M., Raoult D.: "Bartonella infections: diagnostic and management issues." Curr. Opin. Infect. Dis. 11 (1998) 189-193.

2. Murgoci G.: "Tuberculosis in Hodgkin's disease in a child." Pneumoftiziologia 42 (4) (1993) 49-51.

3. Stead W. W.: "Pathogenesis of a first episode of chronic pulmonary tuberculosis in man: recrudescence of residuals of the primary infection or exogenous reinfection?" Am. Rev. Respir. Dis. 95 (1967) 729-45.

4. Louie S., Schwanz R.S.: "Immunodeficiency and the pathogenesis of lymphoma and leukemia." Semin. Hematol. 15 (1978) 117.

5. Kassan S.S., Thomas T.L., Montsopoulos H.M. et al.: "Increased risk of lymphoma in sicca syndrome." Ann. Intern. Med. 87 (1978) 888.

6. Burke J.S., Butler J.J., Fuller L.M.: "Malignant lymphomas of the thyroid." Cancer 39 (1977) 1587.

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Konstantin Zedtwitz-Liebenstein
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie,
Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20

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