Kasuistik Eine 49jährige türkische
Patientin suchte unsere Ambulanz wegen seit 4 Monaten bestehender schmerzhafter
Lymphknotenvergrößerungen auf. Eine frühere Lymphknotenbiopsie zeigte histologisch
ausgedehnte Gewebsnekrosen mit Organisation und Histiozytensaum ohne Hinweis auf
Malignität.
Da eine empirische
antimikrobielle Therapie mit Clarithromycin keinen Erfolg zeigte und die Lymphknoten
neuerlich an Größe zunahmen, wurde die Patientin zur weiteren Abklärung stationär
aufgenommen. Anamnestisch war zu erheben, daß die Patientin 15 Jahre zuvor eine
Billroth-lI-Operation wegen eines Ulcus duodeni gehabt hatte, vor 6 Jahren Appendektomie
und vor 3 Jahren eine Cholezystektomie. Sie hatte zum Zeitpunkt der Vorstellung kein
Fieber, gelegentlich etwas Nachtschweiß und keine Gewichtsabnahme bei einem Body Mass
Index (BMI) von 34. Bei der physikalischen Untersuchung fanden sich beiderseits, aber vor
allem linksmandibulär fluktuierende kirschgroße Lymphknoten, der übrige Status war
unauffällig.
Eine neuerliche
Lymphknotenbiopsie zeigte ein dichtes Infiltrat bestehend aus Schaumzellen, gelegentlich
mehrkernig mit einer Kerneinordnung passend zu Fremdkörperriesenzellen mit reichlich
Lymphozyten und Plasmazellen und somit der Morphologie nach mit einer Katzenkrankheit oder
Tuberkulose vereinbart. Eine weiterführende Aufarbeitung des Biopsiematerials erbrachte
keinen Nachweis auf säurefeste Stäbchen und eine negative Polymerase chain reaction
(PCR) auf Mycobacterium tuberculosis complex. Die bakteriologische Untersuchung des
Lymphknotens zeigte das Wachstum von koagulasenegativen Staphylokokken. Ein Mendel Mantoux
Test (Chiron-Behring) mit 5 IE war hoch positiv, wobei die serologische Untersuchung auf
Anti A60-IgG Antikörper gegen Mykobakterien (Immunozym® Mycobacterium: enzyme
immuno assay - Immuno AG) negativ ausfiel.
Antikörper gegen
Toxoplasmose, Brucellose, HIV und Listeriose waren nicht nachweisbar. Die Patientin wies
jedoch Antikörper gegen Bartonella henselae (1:32) auf, und gemeinsam mit der
positiven Histologie konnte die Diagnose einer Katzenkratzkrankheit gestellt werden. Sie
erhielt eine Therapie mit Ciprofloxacin 2 x 750 mg für einige Wochen verordnet.
Drei Wochen später waren
die Antikörper gegen B. henselae nicht mehr nachweisbar, aber die Symptome hatten
sich in keiner Weise gebessert. Die Lymphknoten nahmen neuerlich an Größe zu, und
zusätzlich traten heftige Schinerzen in der linken Schulter auf. Die Patientin wurde
erneut stationär aufgenommen. Wieder konnte nur die Diagnose einer Lymphadenopathie
unbekannter Genese gestellt werden.
Nach weiteren 3 Monaten
bildeten sich im Bereich der linken Halsseite zwei Abszesse aus, die exzidiert wurden. Die
histologische Aufarbeitung zeigte eine rupturierte epidermale Zyste mit massiver
Begleitentzündung und Fremdkörperreaktion. Säurefeste Stäbchen fanden sich nicht. Auch
eine neuerliche serologische Untersuchung auf Listeriose, Brucellose, Ornithose, Q-Fieber,
CMV und EBV war negativ. Eine aus dem Punktat durchgeführte PCR auf Mycobacterium
tuberculosis complex war schließlich positiv. Somit wurde unter der Verdachtsdiagnose
einer Lymphknotentuberkulose eine Therapie mit Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid und
Ethambutol eingeleitet. Unter dieser Therapie kam es rasch zu einer deutlichen subjektiven
Verbesserung und Verkleinerung der Lymphknoten.
1 Monat später berichtete
die Patientin über starke Schmerzen im Bereich der linken Halsseite, wobei sich deutlich
vergrößerte zervikale Lymphknoten darstellten. Links zervikal und submandibulär fand
sich ein relativ solider exulcerierter tumoröser Knoten und infraklavikulär eine 5 cm im
DM haltende Narbenplatte mit teilweiser Infiltration der linken Brust.
Blutbild, Nieren und
Leberfunktionsparameter befanden sich im Normbereich. Das Serum ß-2-Microglobulin war bei
normalem Kreatinin erhöht (2,66 mg/l).
Obwohl der Verdacht einer
Lymphknotentuberkulose bestand, wurde hinsichtlich der neuerlichen Progression eine
Lymphknotenbiopsie durchgeführt. Hierbei fand sich ein hochmalignes B-Zell-Lymphom
(REAL-Klassifikation: diffuses, großzelliges B-Zell-Lymphom, KIEL-Klassifikation:
polymorphes zentroblastisches Lymphom). Zum weiteren Staging wurde eine
Computertomographie des Thorax durchgeführt, bei der die Ausbildung mediastinaler und
linkshilärer Lymphknotenpakete und auch zusätzlicher Lymphknotenvergrößerungen bds.
axillär nachweisbar waren. Eine Computertomographie des Abdomens zeigte deutlich
inhomogen fleckige Parenchymperfusionsmuster der Leber mit einem ca. 7 mm großen Herd
zentral im Segment VIII und mehrere grenzwertig große Lymphknoten retroperitoneal.
Aufgrund der Infiltration
und der starken Schmerzen im Bereich der linken Mamma wurde eine Mammographie
durchgeführt. Hierbei zeigte sich eine umschriebene echoarme Strukturalteration im
Bereich des Musculus pectoralis mit einer muskulären Infiltration. Aufgrund dieses
Befundes wurde eine Stanze aus dem linken lateralen Quadranten entnommen und histologisch
untersucht. Hierbei zeigte sich ein fibrosiertes Mammaparenchym ohne Hinweis auf einen
neoplastischen Prozeß. Zum Ausschluß einer Knochenmarksinfiltration wurde eine
Beckenkammstanze durchgeführt, in der sich ein geringgradig hyperzelluläres Knochenmark
mit ausreifender Hämatopoese ohne Hinweis für eine Lymphominfiltration zeigte.
Aufgrund dieses Befundes
wurde mit einer Therapie nach dem CHOP-Schema begonnen (Cyclophosphamid, Doxorubicin,
Oncovin und Aprednisolon). Die antituberkulostatische Therapie wurde mit Pyrazinamid 1 x
1500 mg und Isoniazid 1 x 600 mg weitergeführt.
Als Nebenbefund zeigte sich
in der Gastroskopie eine Helicobacter-assoziierte Anastomositis und Gastritis, weshalb
zusätzlich eine Therapie mit Amoxicillin 3 x 1 g, Clarithromycin 2 x 500 mg und Omeprazol
2 x 20 mg durchgeführt wurde. |