Nosokomiale Infektionen in der Intensivmedizin - Inzidenz und Diagnose

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. W. Rascher)



Schlüsselwörter:
Nosokomiale Infektion, verminderte körpereigene Abwehr, implantierbare Fremdkörper, multiresistente Mikroorgamsmen


Zusammenfassung

Nosokomiale Infektionen sind ein häufiges Ereignis im Krankenhaus. Diese Infektionen werden in ca. 75% durch implantierbare Biomaterialien verursacht. Diese implantierbaren Kunststoffe sind einerseits in der Intensivmedizin nicht mehr wegzudenken, anderseits sind sie besonders leicht bakteriell besiedeIbar. Pathomechanismen sind eine verminderte körpereigene Abwehr und die gute Haftfähigkeit bakterieller Mikroorganismen und von Pilzen an Kunststoffen, wo sie von der körpereigenen Abwehr nicht mehr angreifbar sind. Dadurch sind Fremdkörper-assoziierte Infektionen mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität, insbesondere in der Kinderheilkunde, verbunden. Präventiven Maßnahmen ist daher besondere Bedeutung beizumessen.


Key-words:
Nosocomial infections, impaired host defense mechanisms, implantable biomaterials, multiresistant microorgamsms


Summary

Nosocomial infections are frequent events in hospitals. Approximately 15% of patients in intensive care units and 3.5% of patients admitted to
a regular ward suffer from a hospital acquired infection not present at the time of admission. These infections result in approximately 75% of patients from implantable biomaterials. These foreign bodies e.g. central venous catheters, endotracheal tubes and transurethral catheters are indispensable in the management of critically and chronically ill patients, improve the therapeutic outcome substantially, save human lives and greatly enhance the quality of life of these patients. At the same time these plastic devices in use at present are easily colonized with bacteria and fungi. Multiresistant nosocomial pathogens are the most common organisms colonizing the outer and inner surface of these plastic devices. The common pathomechanism of all foreign body related infections is a decreased bodys defense mechanism largely due to the inherent disease process leading to the admission to the hospital and/or concomitant immunosuppressive therapy. Also the strong adherence of bacteria on plastic surfaces plays an important role. A thick biofilm is formed within 24 hours on the entire surface of these plastic devices once inoculated with a small number of bacteria. Septic infections originating from these implantable foreign bodies are difficult to diagnose and great discrepancies exist regarding the true incidence. These infections result in a substantial morbidity and mortality particularly at either end of life i.e. in premature and newborn infants and in the elderly. The treatment of nosocomial infections puts a large burden on the health budget.



Einleitung

Eine im Krankenhaus erworbene Infektion wird als nosokomiale Infektion bezeichnet, wenn sie bei der Aufnahme in ein Krankenhaus weder
als Inkubation noch als manifeste Erkrankung besteht [1]. Durch das Auftreten 48 -72 Stunden nach der Aufnahme lassen sich nosokomiale
Infektionen von ambulant erworbenen (community acquired) Infektionen weitgehend abgrenzen.

Zwei Schlüsselfaktoren sind für das Auftreten einer nosokomialen Infektion verantwortlich:

1) Verminderte körpereigene Abwehr:
Diese besteht bei vielen Patienten bereits auf der Basis ihrer Grundkrankheit, die zur stationären Aufnahme führt. Es sind dies Frühgeburtlichkeit oder hohes Alter, MaInutrition, Fehlbildungen, Tumorerkrankungen und die Verabreichung von Medikamenten wie Zytostatika, Kortikosteroide, Cyclosporin A, die die körpereigene Abwehr einschränken. Auch Diabetes mellitus, Alkoholismus, chronische Lungenerkrankungen beeinträchtigen die körpereigene Abwehr erheblich [2]. Die körpereigene Abwehr ist nach einem großen chirurgischen Eingriff, aber auch bei Traumata und ausgedehnten Brandverletzungen wesentlich eingeschränkt. Eine Infektion führt durch die Freisetzung von Interleukin 10 und anderen antiinflammatorischen Zytokinen wie Interleukin-Rezeptor-Antagonisten und TNF-Rezeptoren zu einer Art "Immunparese" und einem weiteren, wesentlich gesteigerten Risiko für infektiöse Komplikationen [3]. Gleichzeitig sind auch unspezifische Abwehrmechanismen wie die mukoziliäre Clearance bei intensivbehandelten Patienten wesentlich beeinträchtigt. Die Implantation von Fremdmaterial wie zentralen Venenkathetern, Kathetern zur Harnableitung oder die endotracheale Intubation umgeht spezifische und unspezifische Abwehrmechanismen des Körpers und hat zur Folge, dass fakultativ pathogene Mikroorganismen auch bei intakter Abwehr nur schwer eliminiert werden können [4].

2) Besiedlung mit pathogenen oder fakultativ pathogenen Mikroorganismen:
Prinzipiell kann jeder Keim einschließlich apathogener Mikroorganismen der normalen Flora für eine nosokomiale Infektion verantwortlich sein. Bei den Mikroorganismen, die bei einer nosokomialen Infektion isoliert werden, handelt es sich meist um multiresistente Mikroorganismen wie
MRSA, multipel resistente Enterokokken oder Gram-negative Mikroorganismen wie P. aeruginosa, Serratia marcescens, Enterobacter cloacae mit "extended spectrum"-ß-Laktamasen sowie C. albicans. Überwachungsdaten im SCOPE (Surveillance and Control of Pathogens of Epidemiologic Importance)-Projekt zeigten, dass gegenwärtig Gram-positive Mikroorganismen mit 60% bei nosokomialen Infektionen überwiegen, während Gram-negative Mikroorganismen nur 27% ausmachen [4]. In der EPIC-Studie wurden folgende Mikrooganismen nach Häufigkeit isoliert: S. aureus (30%), Pseudomonas aeruginosa (29%), Coagulase-negative Staphylokokken (19%), Candida spp. (17%),
E. coli (13%), Enterokokken (12%), Acinetobacter (9%) und Klebsiella spp. (8%) [5]. In der Kinderheilkunde spielen zudem Enterobacter cloacae, z.B. bei Patienten mit Harnwegsfehlbildungen unter Antibiotikaprophylaxe oder bei Patienten unter antineoplastischer Behandlung, eine große Rolle. Auch hier kommt implantierbaren Biomaterialien eine zunehmende Bedeutung zu, da Mikroorganismen auf Biomaterialien gut haften und rasch proliferieren [6].

Übertragungswege

Die Übertragungswege dieser Mikroorganismen bestehen entweder in einer exogenen Kolonisation durch Kontamination über die Hände des
Personals oder durch kontaminiertes Equipment wie Beatmungsgeräte und Aerosole [7]. Das Hauptreservoir dieser multiresistenten Kolonisationskeime ist jedoch die körpereigene Flora im Oropharynx, im Intestinal- und Urogenitaltrakt. Dabei ist heute bekannt, dass nicht nur lebende Mikroorganismen, sondern auch Keimbruchstücke über bakterielle Translokation die proinflammatorische Entzündungskaskade anheizen und zum klinischen Bild einer Sepsis, dem Systemic Inflammatory Response Syndrom (SIRS), jedoch ohne Keimnachweis im Blut, führen [8]. Sedativa, Antazida zur Stressulkusprophylaxe, Kortikosteroide, eine vorangegangene Antibiotikatherapie und multiple Bluttransfusionen wurden als weitere Risikofaktoren identifiziert [9].

Entscheidend für die Entstehung einer nosokomialen Infektion ist die Kolonisation von Oberflächen. Das betrifft sowohl die Schleimhäute als auch die implantierten Biomaterialien. Bei der Behandlung lebensbedrohlich kranker und chronisch kranker Patienten sind implantierbare Kunststoffe zur Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten und zur Steigerung der Lebensqualität nicht mehr verzichtbar. Sie werden neben vielen anderen Einsatzmöglichkeiten als nicht tunnelierte zentralvenöse Kurzzeitkatheter bei intensivgepflegten Patienten und zu Beginn einer Hämodialyse sowie als tunnelierte Langzeitkatheter bei onkologischen Patienten zur kontinuierlichen Verabreichung von Infusionslösungen, Blutprodukten und Medikamenten sowie als endotracheale Tuben, als Ureterkatheter zur Harnableitung, zur Wunddrainage
oder als Ventrikeldrainagen etc. verwendet.

Katheter-assoziierte Infektionen können auf mehreren Wegen entstehen (Abbildung 1):

1) Bei der extraluminalen Infektion geht die Kolonisation des Katheters von der Einstichstelle aus, wobei Mikroorganismen der Hautflora entlang der Außenseite des Katheters in die Tiefe wandern. Dieser Infektionsweg besteht vor allem in den ersten Tagen nach dem Legen des Katheters, insbesondere wenn bei der Implantation des Katheters nicht größte Asepsis gewahrt wird [10].

2) Der luminale Infektionsweg gewinnt bei längerer Liegedauer an Bedeutung, wobei ab dem 5. Liegetag die Majorität der Katheter, ausgehend vom Luer-Lock, auf der Innenseite besiedelt werden. Die Mikroorganismen gelangen durch das Konnektionsstück in das Katheterlumen. Bei tunnelierten, mit Cuff versehenen Langzeitkathetern vom Hickman-Typ ist dies praktisch der einzige Infektionsweg [11].

3) Auch eine Kontamination der Infusionslösung kann als Quelle einer nosokomialen Katheter-assoziierten Infektion in Frage kommen. Z.B.
Mischbeutel bei parenteraler Ernährung können bei der Zubereitung bakteriell kontaminiert werden, wenn sie nicht in einer Laminar-Flow-Einheit gemischt werden [12]. Das selbe gilt auch für Tenckhoff-Katheter zur Peritonealdialyse (CAPD).

4) Letztlich können auch Mikroorganismen, die sich im Rahmen einer Bakteriämie oder Sepsis in der Blutbahn befinden, den intravasalen Teil
des Katheters, inbesondere bei Thrombenbildung, besiedeln.

Abbildung 1: Pathogenese der Katheterinfektionen (Widmer 1993)

Der Nachteil bisher benutzter Kunststoffe ist die leichte, aber folgenschwere Besiedelbarkeit mit Bakterien und Pilzen. Daraus resultieren
einerseits lokale Infektionen an der Eintrittsstelle, aber auch lebensbedrohliche Komplikationen wie die Katheter-assoziierte Blutstrominfektion (BSI), eine septische Thrombophlebitis, Endokarditis und metastatische Infektionen in verschiedenen Organen (Lunge, Meningen/Gehirn, Knochen, Niere) [13] (Abbildung 2a, b, c, d).

Abbildung 2: Proliferation von Mikroorganismen auf Kunststoffoberflächen

 

Inzidenz

Nosokomiale Infektionen sind ein häufiges Problem: In einem Unterhausbericht des englischen Parlaments aus dem Jahr 2000 wird über 100.000 Fälle von nosokomialen Infektionen in Großbritannien mit mindestens 5.000 Todesfällen berichtet, was zu einem großen Aufruhr in der
Öffentlichkeit führte [14]. Die Deutsche Ärztezeitung vom Februar 2004 berichtet, dass nach Angaben des Robert-Koch-lnstitutes in Deutschland pro Jahr etwa 600.000 Patienten an einer nosokomialen Infektion erkranken [15]. Dies wurde von der Ärzteschaft mit Unglauben und Verwunderung ohne weiteren Kommentar registriert.

Die klinische Diagnose einer nosokomialen, insbesondere einer Katheter-assoziierten Infektion kann beim multimorbiden Intensivpatienten, nach großen chirurgischen Eingriffen, Polytrauma, Myokardinfarkt oder Schlaganfall schwierig sein. Insgesamt hängt die Inzidenz und Letalität
nosokomialer Infektionen von einer Vielzahl von Variablen ab: Es wurde über Inzidenzraten zwischen 9 und 37% berichtet. Sie hängen allerdings wesentlich von der Art des Krankenhauses, der Intensivstation, der Patientenpopulation und den Definitionen, die man für das Vorliegen einer nosokomialen Infektion anlegt, ab. Entsprechend der NIDEP (Nosokomiale Infektionen in Deutschland - Erfassung und Prävention)-Studie mit 15.000 Klinikpatienten aus dem Jahr 1994 infizieren sich bei Klinikaufenthalten 15,3% der Patienten auf Intensivstationen und 3,8% der Patienten auf chirurgischen Stationen [16]. Nach der Häufigkeit gegliedert sind es Harnwegsinfekte (40%), Infekte der unteren Luftwege (20%), Wundinfektionen (15%) und Sepsis (8%). In einer Untersuchung des National Nosocomial Infection Surveillance (NNIS)-Systems, bei der die Krankenakten von 498.998 Patienten beurteilt wurden, sind 83% der nosokomialen Pneumonien mit einem liegenden endotrachealen Tubus und künstlicher Beatmung, 97% der nosokomialen Harnwegsinfektionen mit einem Blasen-Nieren- Katheter oder einem Ureterstent und 87% der Fälle von Sepsis mit einem zentralen Venenkatheter assoziiert [17].

Eine der größten Datensammlungen bezüglich nosokomialer Infektionen liegt in der EPIC-Studie aus dem Jahr 1992 vor. In dieser 1-Tages-Punkt-Analyse wurden aus 2.064 Intensivstationen in Westeuropa 10.038 Patienten beurteilt. 4.501 Patienten litten an einer Infektion und 21% davon an einer im Krankenhaus erworbenen Infektion. Gleichzeitig wurde auch die Prävalenz und die Letalität nach Ländern beurteilt [5].

Die Inzidenz hängt auch wesentlich von der Pflegeintensität und der Qualität präventiver Maßnahmen, wie einer speziellen hygienischen Ausbildung des Pflegepersonals sowie strikter Asepsis bei der Pflege der Patienten - insbesondere der Pflege implantierter Biomaterialien - ab. Ein Faktor, der sich intensiv auf die Inzidenz nosokomialer Infektionen im Allgemeinen, insbesondere aber auf die Inzidenz Katheter-assoziierter Infektionen auswirkt, ist die Pflegeintensität. Bei einer Abnahme der Pflegeintensität, d.h. bei verminderter Personaldecke, ist die Rate an Katheter-assoziierten Infektionen um ein Vielfaches gesteigert [40]. Außerdem bestehen weitere Variable wie die Anzahl der Manipulationen am Katheteransatz und insbesondere die Zahl der Blutentnahmen aus dem Katheter [41]. Aber auch der Transfer auf eine Normalstation hat einen Einfluss, wobei auf die Diagnose einer Katheter-assoziierten BSI häufig weniger Augenmerk gelegt wird und Infektionen mit dem gegenwärtigen Meldesystem auch nicht erfasst werden (Abbildung 3).

Abbildung 3: Korrelation zwischen Prävalenz von auf Intensivstationen erworbenen Infektionen und der Letalität nach Ländern [2]

In Südeuropa besteht sowohl eine höhere Inzidenz als auch eine höhere Letalität im Vergleich zu den skandinavischen Ländern und der Schweiz. Deutschland und Österreich liegen sowohl bezüglich Inzidenz als auch Letalität im Mittelfeld.

Nosokomiale Infektionen sind mit einer wesentlich erhöhten Morbidität, einer um mindestens 10 Tage verlängerten stationären Verweildauer und dadurch mit Kosten von ca. 10.000 Euro bis 32.000 $ pro Fall verbunden [18,19]. Je nach verwendeter Definition wurde eine Letalität zwischen 4 und 25% beschrieben [20, 21].

 

Spezifische nosokomiale Infektionen

Katheter-assoziierte Infektionen

Bei der Beurteilung der Inzidenz Katheter-assoziierter Infektionen bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den publizierten Daten. Seit
1970 wurden durch das NNIS (National Nosocomial Infection Surveillance)-System des CDC Daten bezüglich der Inzidenz Fremdkörper-assoziierter nosokomialer Infektionen in ca. 300 Kliniken in den USA erhoben. Zwischen 1992 und 2001 berichteten Kliniken, die am NNIS-System teilnahmen, ZVK-assoziierte Infektionsraten zwischen 2,9/1.000 Kathetertage (auf kardiochirurgischen Intensivstationen) und 11,3 (auf neonatologischen Intensivstationen bei Frühgeborenen < 1.000 g) pro 1.000 Kathetertage [22].

Das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) erfasste als nationale Referenzdatenbank zwischen 1996 und 2002 Daten von
1.282.564 ZVK-Tagen aus 274 regelmäßig teilnehmenden Intensivstationen in Deutschland [23]. Dabei wurde ein Mittelwert bei der Anwendung der CDC-Definitionen von 1,8 Fällen pro 1.000 ZVK-Tage beobachtet. Es bestanden jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Intensivstationen. Die geringste Rate wurde auf neurochirurgischen Intensivstationen (1,0/1.000 Kathetertage), die höchste Rate auf pädiatrischen Intensivstationen (5,5/1.000 Kathetertage) beobachtet. Die statistischen Daten beruhen jedoch auf einer freiwilligen Meldung des Infektionsgeschehens. Gleichzeitig wurde jedoch seit 1997 eine erhebliche Zunahme der Isolate von MRSA auf über 25% nachgewiesen.

Die in der KISS-Studie (1,7/1.000 Kathetertage) erhobenen Daten liegen erheblich niedriger als die im NNIS-System für US-amerikanische interdisziplinäre Intensivstationen ermittelte Rate von 4,5 ZVK-assoziierten BSI pro 1.000 Kathetertage, die nach Analyse von 600.367 ZVK-Tagen errechnet wurde. Auch in der neuesten internationalen Literatur wurden erheblich höhere Inzidenzdaten beschrieben: Safdar und Maki gehen 2002 von einer Rate an Katheter-assoziierten Infektionen von 5,9 BSI pro 1.000 Kathetertage aus und schätzen das Auftreten einer ZVK-assoziierten BSI in den USA auf 250.000 Fälle pro Jahr [42]. Donnelli schätzt die Inzidenz auf über 200.000 Fälle von nosokomialen BSI in den USA, 90% davon Katheter-assoziiert [43]. Hiramatsu spricht ebenso von > 200.000 Fällen von Katheter-assoziierten Infektionen jährlich in den USA [44].

Diese Unterschiede bedürfen einer Beurteilung bzw. einer Erklärung:

Bei der Bewertung der Inzidenz der BSI sind zahlreiche Variable wie Größe und Art der Klinik, Art des zentralen Venenkatheters (tunneliert
versus nicht tunneliert), Anzahl der Lumina, Art und Schwere der Grundkrankheit und das Lebensalter zu berücksichtigen. Ein weiterer wichtiger Parameter ist die Situation, in der ein Katheter gelegt wurde, d.h. als Notfallkatheter unter limitierten aseptischen Kautelen oder als elektiver
Eingriff im Operationssaal. Auch Unterschiede in den verwendeten Definitionen einer Katheter-assoziierten BSI führen zu erheblichen
Unklarheiten. Der Begriff der Katheter-assoziierten Sepsis ist in der Fachliteratur mindestens doppelt besetzt, einmal im Sinne der klinischen Studien zur Sepsis-Prävention (z.B. in randomisierten klinischen Studien mit imprägnierten Kathetern), anderseits im Sinne von Surveillance-
Studien [26].

Bei 17 kontrollierten, randomisierten prospektiven Vergleichsstudien eines antimikrobiell ausgestatteten Katheters mit einem unbehandelten Kontrollkatheter entsprach keiner der Kontrollkatheter der Inzidenz im Rahmen der RKI-Daten. Bei 2 Studien lag die Inzidenz beim Kontrollkatheter mit 2,1 und 2,6 BSI/1.000 Kathetertage in der Größenordnung der KISS- bzw. NNIS-Daten. In 15 Studien wurde bei Kontrollkathetern eine erheblich höhere Inzidenz, die zwischen 3,8 und 14,2/1.000 Kathetertage liegt, beobachtet (Tabelle 1) [47].

In einer eigenen multizentrischen Studie unter Verwendung eines mit Nanosilber antimikrobiell ausgestatteten Katheters ergab sich bei einer durchschnittlichen Liegedauer von 12,2 Tagen bei insgesamt 294 Patienten mit einem Kontrollkatheter eine Rate an BSI von 12,2% [42].

Tabelle 1: Infektionsrate von Kontrollkathetern im Rahmen kontrollierter Studien ohne antimikrobiell ausgestattete Vergleichskatheter

Autor
Patienten-
anzahl
Liegedauer
in Tagen
Infektionsrate
in %
Tennenberg
145
5,3
6,2
Maki
195
6,0
4,6
Hannan
60
8,0
7,0
Bach
117
7,7
2,6
Heard
157
9,0
3,8
Collin
139
7,3
2,9
Ciresi
127
9,1
11,7
Pemberton
40
11
7,5
Trazzera
99
6,7
5,1
George
35
--
8,6
Karthaus
55
16
14,2
Ranuci
100
8
5,5
Corral
104
13
4,0
Raad
151
6,0
5,0
Böswald*
86
12,0
14,5
Böswald*
226
12,5
12,2
Ramsay
189
10,9
2,1
* gesicherte und wahrscheinliche Katheter-assoziierte Infektionen

 

Patientenbezogene Variable

Altersabhängigkeit
Besonders auffällig ist die Altersabhängigkeit von Katheter-assoziierten Infektionen: Bei pädiatrischen Intensivstationen wurde ein Mittelwert von 5,5/1.000 Kathetertage mit einer Streubreite zwischen 3,6/1.000 (25%) und 10,3/1.000 Kathetertage (75 Perzentile) gefunden [24].

Gemäß NNIS-Bericht vom Januar 1992 bis Juli 2002 wurde auf 74 pädiatrischen Intensivstationen in den USA ein Mittelwert von 7,4/1.000
Kathetertage mit einer Variation zwischen 1,3 (10%) und 11,9 (90%) erhoben [25, 26]. Eine weitere Erhebung von nosokomialen Infektionen
in 50 pädiatrischen Intensivstationen in den USA ergab einen Mittelwert von 8,6 BSI pro 1.000 Kathetertage [27]. Die höchsten Raten wurden bei Nabelvenen- oder -arterienkathetern bei Frühgeborenen < 1.000 g mit 12,8/10.000 Kathetertage beobachtet.
Eine Übersicht ZVK-assoziierter Infektionen auf pädiatrischen Intensivstationen in Spanien ergab eine Rate an Katheter-assoziierten BSI von ebenfalls 12,8/1.000 Kathetertage [28]. Auch eine erhöhte Prävalenz von BSI bei peripheren Venenkathetern wurde bei Säuglingen und Kleinkindern beobachtet.

Grundkrankheit
Eine überproportional höhere Rate an Infektionen wurde bei Erwachsenen mit bestimmten Grundkrankheiten nachgewiesen. Die Rate an ZVK-
assoziierten Infektionen bei schwer Brandverletzten beträgt 12% [29]. Eine erhebliche Steigerung der Rate ZVK-assoziierter Infektionen besteht
bei Kurzdarmsyndrom, malignen Tumoren und Leukämie, zystischer Fibrose, spezifischen Immundefekten und Neutropenie sowie nach Verabreichung von Medikamenten (Zytostatika, Kortikosteroide) und Infusionslösungen (Lipide) [30]. Karthaus berichtet über eine Rate ZVK-assoziierter Infektionen von 15% bei Tumorpatienten mit einer durchschnittlichen Liegedauer von 16 Tagen. In einer weiteren kontrollierten, randomisierten Studie wurde bei einer durchschnittlichen Liegedauer von 12 Tagen bei 3 Lumenkathetern über eine Häufigkeit von Katheter-assoziierten BSI zwischen 12% und 14% Prozent berichtet [32].

Liegedauer
Ein wesentlicher Einflussfaktor für Katheter-assoziierte BSI ist die Liegedauer der Katheter. Bei zunehmender Liegedauer nimmt die Rate an septischen Komplikationen, ausgehend vom Katheter, überproportional zu. Milliken korrelierte die Rate an Infektionen mit der Liegedauer der Katheter für Neugeborene (Tabelle 2) [31].

Tabelle 2: Liegedauer der Katheter und Prozentsatz der Patienten mit behandlungsbedürftigen BSI [31]

Liegedauer
Nabelvenenkatheter
Nabelarterienkatheter
1 - 6 Tage
2,8 %
2,7 %
7 - 13 Tage
9,8 %
9,3 %
14 - 20 Tage
8,2 %
21,2 %
21 - 27 Tage
62,5 %
47,4 %
28 - 34 Tage
83,3 %
100,0 %

Sheldonkatheter, die in den ersten Wochen einer Hämodialyse üblicherweise als Jugulariskatheter gelegt werden, haben eine besonders hohe Inzidenz Katheter-assoziierter Infektionen. 14% bis 36% aller Patienten erkranken daran [33].

Bei langzeitimplantierten, tunnelierten, mit Cuff versehenen Hickman-, Broviac-Type-Kathetem wurde eine Infektionsrate von 0,7- 1,2 BSI pro
1.000 Kathetertage nachgewiesen. Nachdem diese Katheter jedoch generell ca. 250 Tage liegen, kommt es bei einem von 4 Patienten mit einem Hickman-Katheter zu einer Katheter-assoziierten BSI, was einer Rate von ca. 25% entspricht [34,35]. Die Erfassung nosokomialer Infektionen bei Einsatz von Hickman-Kathetern an pädiatrisch-onkologischen Patienten in Deutschland ergab eine Rate von 1,93 Infektionen pro 1.000 Kathetertage und Infektionen bei 48% der Patienten. Diese Ergebnisse, die in der Literatur sowohl für Kinder als auch Erwachsene beschrieben werden, wurden an unserer Klinik in einer prospektiven Untersuchung bestätigt [36].

Bei subkutan implantierten Port-Kathetern wird eine Infektionsrate von 8 -12% beschrieben, von denen 80% als intraluminale Infektion, 10%
als Infektion der Außenseite und 10% als kombinierte intraluminale und Oberflächen-Infektionen auftreten [37, 38].

Über den Einfluss peripherer Venenkatheter existieren wenige kontrollierte Studien. Vor allem wurde septischen Komplikationen wegen der kurzen Liegedauer und dem häufigen Wechsel der Punktionsstelle bisher wenig Bedeutung beigemessen. Da diese peripheren Venenverweilkatheter meist nicht unter strengen aseptischen Kautelen (sterile Handschuhe, Maske, Haube) gelegt werden, ist die Phlebitisinzidenz jedoch erheblich. In einer prospektiven Untersuchung von 412 peripheren Venenkathetern bei 175 Patienten wurde bei einer durchschnittlichen Liegedauer eine Häufigkeit von Thrombophlebitiden, die regelmäßig durch Mikroorganismen besiedelt waren, von 12,8% beschrieben [39]. In einer Studie aus der Türkei wird von eine Phlebitis-Rate von 36% berichtet, wobei ein Teflonkatheter mit 48% Phlebitisrate wesentlich schlechtere Ergebnisse erbrachte im Vergleich zu einem Vialon-Katheter. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Rate an thrombosierten und infizierten peripheren Venenkathetern hoch, dafür sind allerdings keine verlässlichen Zahlen verfügbar [40].

Klinische Diagnose, Datenerhebung/Falldefinition

Symptome

1) Fieber (> 38°C) oder Schüttelfrost oder Hypotonie

2) Kultureller Nachweis von pathogenen Erregern im Blut, welche nicht mit Infektionen an anderer Stelle assoziiert sind. Für eine Katheter-
assoziierte Sepsis mit Erregernachweis gilt die Ausnahme, dass auch dann eine Katheter-assoziierte Infektion vorliegt, wenn keine lokalen
Infektionszeichen an der Kathetereintrittsstelle ersichtlich sind [45].

3) Gewöhnlicher Hautkeim, der aus mindestens 2 zu verschiedenen Zeiten entnommenen Blutkulturen isoliert wird.

4) Gewöhnlicher Hautkeim, der in mindestens einer Blutkultur isoliert wird, auch wenn eine entsprechende antimikrobielle Therapie begonnen
wird.

5) Jede primäre Sepsis wird als Katheter-assoziierte Sepsis betrachtet, wenn innerhalb von 48 Stunden vor Beginn der klinischen Symptomatik, die auf eine Sepsis hinweist, ein zentraler Venenkatheter in Gebrauch war.

6) Ein starker Hinweis auf eine Katheter-assoziierte Infektion besteht dann, wenn keine anderen lokalen oder peripheren Entzündungsherde gefunden werden.

Ad 1) Die Leitsymptome Fieber und Hypotonie/Oligurie werden auch durch eine Reihe anderer Ursachen wie eine Pneumonie, eine Harnwegsinfektion, eine Wundinfektion oder eine Thrombophlebitis verursacht. Dieselben Symptome können aber auch als Resorptions- oder Durstfieber bei verminderter Flüssigkeitszufuhr bestehen. Außerdem kommen Fremdkörper wie Beatmungstubus, Drainagen, Blasenkatheter oder periphere Verweilkanülen als weitere Infektionsquellen für dieses Krankheitsbild in Frage und führen zu falsch positiven Resultaten.

Ad 2,3,4) Der Nachweis des gleichen Keimes in mehreren Blutkulturen, die aus zwei verschiedenen Stellen (mindestens 2-mal aus dem Katheter, 1-mal aus einer peripheren Entnahmestelle) und zu unterschiedlichen Zeiten (30 Minuten Abstand) abgenommen werden, gibt einen Hinweis, benötigt aber Zeit. Üblicherweise wird bei Mehrlumenkathetern die Blutkultur aus dem Hauptlumen abgenommen, da sich die Abnahme aus einem kleineren Lumen - z.B. durch die Katecholamine zur Kreislauferhaltung - mit einer niedrigen Durchflussrate schwieriger gestaltet. Für einen gesicherten Nachweis einer Katheter-assoziierten Sepsis ist es jedoch nötig, dass bei einem Multilumen-Katheter aus jedem Lumen eine Blutkultur entnommen wird, da gerade in den Lumina mit langsamer Durchflussrate oder den stillgelegten Lumina leichter
Keime proliferieren. Zudem begünstigen Katecholamine wie Dopamin die Proliferation und Biofilmbildung von Mikroorganismen. Dabei ist zu betonen, dass ab dem 5. Liegetag eine Infektion, ausgehend vom Luer-Lock, insbesondere bei ständigen Manipulationen vorzugsweise im Lumen vorliegt [46].

Es ist festzuhalten, dass nicht zuletzt wegen des geringen Anteils an mikrobiologisch bestätigten BSI die für Deutschland nach der KISS-Surveillance ermittelte Rate als Mindestwert der ZVK-assoziierten BSI-Rate aufzufassen ist, da häufig bei Fieber ein zentraler Venenkatheter entfernt wird und keine weitere mikrobiologische Untersuchung des explantierten Katheters erfolgt. Damit ist keine lückenlose statistische Erfassung Katheter-assoziierter Infektionen möglich.

Andererseits kann eine falsch negative Beurteilung, z.B. durch eine negative Blutkultur oder eine klinische Besserung nach Entfernung des
Katheters, aufgrund einer begonnenen oder gleichzeitig geänderten Antibiotikatherapie bedingt sein.

Score-System
Zur Beurteilung der Wirksamkeit nach klinischen praxisorientierten Gesichtspunkten wurde an unserer Klinik ein Score-System entwickelt, das auf den HICPAC-Definitionen aufbaut und die quantitative Abschätzung des kausalen Zusammenhangs zwischen dem klinischen Bild und einer möglichen oder bewiesenen Katheterinfektion erlaubt. Es beinhaltet als Diagnosekriterien neben Entzündungszeichen der Kathetereintrittsstelle Höhe und Anstieg von Fieber, Schüttelfrost, Keimnachweis in der zentral und peripher gewonnenen Blutkultur bzw. einen früheren Keimnachweis in der zentralen Blutkultur und in der peripheren Kultur, Besserung des klinischen Bildes in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entfernung des Katheters und das Fehlen eines anderen Infektionsherdes. Dabei ist zu betonen, dass auch für eine klinische Besserung nach Katheterentfernung mit gleichzeitigem Beginn einer Antibiotikatherapie oder -umstellung für nicht erhobene Blutkulturen oder unter einer Antibiotikatherapie (Neubeginn oder Umstellung) erhobene negative Blutkulturen ein bestimmter Punktewert vergeben wird. Zudem werden die Katheter nach Explantation mikrobiologisch mittels Ausrollkultur und nach Sherertz untersucht. Diese Kriterien werden, je nach Vorliegen und Ausprägung eingestuft, mit Punktewerten versehen und entsprechend ihrer Spezifität gewichtet. Der Vergleich der Resultate des Bewertungsscores mit den Diagnosekriterien der HICPAC-Empfehlungen bei 65 Patienten mit gesicherten Katheter-assoziierten Infektionen ergab eine Konkordanz von 85%. Kein Fall wurde falsch negativ bewertet, bei 9 von 10 falsch positiv bewerteten Patienten sprachen weitere klinische Befunde für eine Katheter-assoziierte Infektion. Der Bewertungsscore besitzt daher gegenüber den bestehenden Diagnosekriterien eine höhere Sensitivität, ohne an Spezifität zu verlieren (Tabelle 3) [50].

Tabelle 3: Bewertungsscore für Katheter-assoziierte Infektionen

Kriterium Einstufung
Punktewert
Multiplikator
Fieber-Maximum    Keines
0
x 0,5
< 38,5
1
38,5 < 39,5
2
>= 39,5
3
Fieberanstieg (spiking)   Nein
0
x 0,25
Unbekannt
1
Ja
2
Schüttelfrost   Nein
0
x 0,25
Nicht verwertbar
1
Ja
2
Besserung nach
Entfernung des Katheters
  
Nein, kein zeitl. Zusammenhang
0
x 3
Zeitl. Zusammenhang in Verbindung
mit einem neuen Antibiotikum
1
Kein zeitl. Zusammenhang/keine Antibiotika
2
Blutkultur    Steril
0
x 2
 
Keine durchgeführt
1
Steril unter Antibiotika
2
Positiv
3
Katheter-Eintrittspforte   Keine Entzündung
0
x 1
Nicht beurteilbar
1
Entzündung
2
Katheter-Kultur       Steril ohne Antibiotika
0
Nicht durchgeführt
1
Steril unter Antibiotika
2
x 2
Positiv nach Anreicherung
3
 
Gering ( 15 Kolonien)
3
 
Mäßig (15 - 100 CFU)
4
 
Reichlich (> 100 CFU)
5
 
Nachweis eines anderen
Infektionsherdes
  
Ja
0
x 3
Nicht auswertbar
1
Nein trotz intensiver Diagnostik
2

Bewertung:

24 und < 33: definitiv Katheter-assoziierte Infektion

16 - 24: wahrscheinlich Katheter-assoziierte Infektion

8 - 16: möglicherweise Katheter-assoziierte Infektion

< 8: definitiv nicht Katheter-assoziierte Infektion

Das Ziel der Untersuchung, die Definition sowie die Verfügbarkeit der Untersuchungsergebnisse sind bei den verschiedenen Bewertungsschemata unterschiedlich. Die entscheidende Frage ist, welche Kriterien für eine Empfehlung bezüglich des Einsatzes antimikrobiell ausgestatteter Biomaterialien herangezogen werden müssen: Es ist nahe liegend, die kausalitätsorientierten klinischen den auf statistischer Inzidenz basierenden theoretischen Kriterien für eine Empfehlung vorzuziehen.

Morbidität und Letalität

Katheter-assoziierte Blutstrominfektionen sind mit einer erheblichen Morbidität und Letalität verbunden. Die Verlängerung des stationären Aufenthaltes wurde auf einer Erwachsenenintensivstation um 10 Tage, auf einer Neugeborenenintensivstation um 14 Tage beschrieben. Die Kosten der Behandlung einer Katheter-assoziierten Infektion wurden von Frank mit 10.000 Euro beurteilt [18]. Pittet erhob in prospektiven Studien eine zuschreibbare Letalität von 33% und eine Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes um 14 Tage [21]. Smith et al. berichteten über eine zuschreibbare Letalität von 28%, Raad (1999) und Wenzel (2000) von 20%, Byers 1995 über 19%.

In eigenen Untersuchungen konnte diese hohe Letalität nicht bestätigt werden; wir gehen von einer Letalität von < 5% aus, allerdings bei einer
deutlich höheren Inzidenz. Dabei werden auch Verdachtsfälle einbezogen, bei denen die gleichen klinischen Konsequenzen, nämlich Entfernen des Katheters bzw. "Umfädeln" und Beginn einer Antibiotikatherapie, gezogen werden müssen [42]. Rello konnte in einer Publikation aus dem Jahr 2000 keinen einer Katheter-assoziierten Infektion zuzuschreibenden Todesfall feststellen.

Nach den in der internationalen Literatur vorgestellten Daten und bei Zugrundelegung der Fallzahlen aus den USA muss man in Deutschland
pro Jahr mit einer erheblich höheren Rate an ZVK-assoziierten Infektionen, d.h. mit mindestens 25.000, eher sogar 50.000 - 75.000 septischen
Blutstrominfektionen rechnen. Das bedeutet bei einer Letalität von 5% mindestens 1.500 und bis zu 3.500 Todesfälle.

 

Nosokomiale Pneumonien

Nosokomiale Pneumonien stellen ein besonders häufiges und gravierendes Problem dar, es liegen jedoch nur wenige kontrollierte Studien bezüglich der Inzidenz vor. Sie liegen in ihrer Häufigkeit zwischen 47% (EPIC-Studie) und 28% aller nosokomialen Infektionen bei traumatologischen Patienten [5]. Die NNIS-Studie berichtet über einen Prozentsatz von 31% aller nosokomialen Infektionen [51].

Ein Risikofaktor liegt in der maschinellen Beatmung; dieses Risiko nimmt mit einer Rate von 3% pro Beatmungstag in der ersten Woche zu. In der zweiten und dritten Beatmungswoche reduziert sich dieses Risiko auf 2 und 1% pro Beatmungstag. Bei einer 3-wöchigen Beatmung muss man jedoch mit einer Rate zwischen 40 und 60% rechnen [52].

Ein weiteres Risiko für eine Beatmungspneumonie liegt in der endotrachealen Intubation, die die normalen unspezifischen Abwehrmechanismen wie Husten, die mukoziliäre Clearance und die Zilienfunktion ausschaltet. Auch die Mikroaspiration von oropharyngealem Sekret, das mit potenziell pathogenen Mikroorganismen kontaminiert ist, ist von Bedeutung. Dabei spielen einerseits Antibiotika, die zu einer Selektion resistenter Mikroorganismen in der Rachenflora führen, anderseits auch Protonenpumpenhemmer und in geringerem Maße Sucralfat, die zur Stressulkusprophylaxe verabreicht werden, eine Rolle. Die fehlende Säureblockade im Magen ermöglicht es aeroben Mikroorganismen, aus dem Intestinaltrakt den Magen zu kolonisieren, Keime können bei Regurgitation in die Luftwege aspiriert werden. Bei nosokomialen Beatmungspeumonien wird bei sofortiger korrekter Behandlung eine Letalität von 30%, bei Verzögerung der Behandlung um 48 Stunden oder Vorliegen eines auf das verabreichte Antibiotikum resistenten Keims sogar eine Letalität von 80% beschrieben [53].

 

Nosokomiale Harnwegsinfektionen

Nosokomiale Harnwegsinfektionen sind für 8 - 35% aller nosokomialen Infektionen verantwortlich. Das klinische Bild ist meist weniger schwer
wiegend, die Letalität geringer als bei nosokomialen Infektionen in anderen Organsystemen. Nosokomiale Harnwegsinfektionen treten regelhaft bei einem transurethralen Katheter auf, auch wenn dieser unter streng aseptischen Kautelen gelegt wurde. Das Infektionsrisiko ist bei einem Zystostomie- oder Nephrostomiekatheter oder einem Ureterstent geringer, nach 14 Tagen sind jedoch auch diese Katheter mit großer Wahrscheinlichkeit kontaminiert. Es ist vielfach auch die Inkrustation der Katheterwand mit Elektrolyten, die aus einem alkalischen Harn ausfallen, in Kombination mit dem Schleim aus der Harnröhre, die die Besiedlung mit bakteriellen Mikroorganismen erleichtert. Mikroorganismen, die bei nosokomialen Harnwegsinfektionen isoliert werden, sind multiresistente Enterokokken, E. coli, Enterobacter spp., P. aeruginosa und C. albicans [54]. Auch durch hohe Wirkstoffkonzentrationen im Harn ist es schwierig, die Keime von der Oberfläche zu eliminieren. Als besonderes Problem stellt sich die Tatsache, dass man bei einer nachfolgenden Operation, z.B. der Korrektur einer Ureter-Abgangsstenose, in einem kontaminierten Areal operiert. Anderseits wird postoperativ wiederum ein Fremdkörper als Platzhalter eingelegt.

 

Weitere Fremdkörper-assoziierte Infektionen

Prinzipiell ist jeder implantierte Fremdkörper eine potenzielle Quelle für eine nosokomiale Infektion. Ein besonders gravierendes Problem stellen Infektionen bei externen Ventrikeldrainagen dar. Daten aus der Literatur sprechen von 3 -18 Infektionen des Ventrikelsystems oder Subarachnoidalraums pro 100 externen Ventrikeldrainagen mit einem Mittelwert von ca. 6%, wobei die Inzidenz wiederum wesentlich von der Liegedauer abhängt. Eine prospektive Studie bezüglich der Inzidenz von Liquorrauminfektionen bei externen Ventrikeldrainagen bei 111 Patienten ergab eine Rate an nosokomial erworbener Meningitis/Ventrikulitis von 12,8%, wobei Patienten mit bereits bei Aufnahme bestehender Infektion im Liquorraum nicht eingeschlossen wurden [55].

Nosokomiale Liquorrauminfektionen werfen ein besonderes Problem bei der Behandlung auf. Es handelt sich um Infektionen, die durch multiresistente Hospitalkeime wie Coagulase-positive und -negative Staphylokokken inklusive Methicillin-resistenter Staphylokokken, Enterokokken, aber auch durch multiresistente Gram-negative Enterobacteriaceae (Enterobacter spp., Klebsiella spp., P. aeruginosa) oder C. albicans hervorgerufen werden. Bei der Wahl der entsprechend wirksamen Antibiotika bzw. Antibiotikakombinationen stellt sich das Problem, dass verschiedene Wirkgruppen wie Aminoglykoside und Glykopeptide bei intravenöser Verabreichung eine schlechte Liquorpenetration aufweisen und dadurch keine bakterizid wirksamen Konzentrationen erreicht werden können. Bei vielen Keimen, die für aufsteigende
Ventrikelinfektionen verantwortlich sind, ist auch die Blut-Liquor-Schranke in einem erheblich geringeren Maße gestört als bei einer Pneumokokken- oder Meningokokken-Meningitis. Daher ist die Liquorpenetration für ß-Laktam-Antibiotika bei diesen Patienten stark beeinträchtigt.

Eine nosokomiale Liquorrauminfektion birgt ein großes therapeutisches Dilemma und ist bei einem hohen Prozentsatz der betroffenen Patienten mit Tod oder schwerer geistiger Behinderung verbunden. Außerdem sind die Kosten für die Behandlung einer nosokomialen Liquorrauminfektion durch die Notwendigkeit der Aufnahme auf eine Intensivstation, eine wesentliche Verlängerung des stationären
Aufenthaltes insgesamt und notwendige nachfolgende Rehabilitationsmaßnahmen exorbitant.

Ähnliche Probleme treten auch bei Infektionen in Verbindung mit Tenckhoff-Kathetern zur CAPD auf. Bei diesen Infektionen ist es jedoch leichter, den Katheter zu entfernen und die Behandlung auf eine kontinuierliche Hämodialyse umzustellen. Das hat jedoch eine erhebliche Verschlechterung der Lebensqualität des Patienten und eine Zunahme des Risikos für Hepatitis B-, C-Infektionen zur Folge.

 

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Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. J. Peter Guggenbichler
Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
D-91054 Erlangen, Loschgestraße 15
E-Mail: prof.guggenbichler@gmx.de


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