Zecken-assoziierte Erkrankungen
weltweit:
Ein Überblick |
F. Daxböck*, G. Stanek**, W. Graninger*
*Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie,
AKH Wien (Vorstand: Univ.-Prof. DDr. W. Graninger)
* * Klinisches Institut für Hygiene der Universität Wien (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. M.
Rotter) |
Schlüsselwörter:
Zecken, Krankheitsüberträger, Rickettsiosen, Babesiose, Flaviviridae, Kemerovo
Komplex-Viren, Thogoto- Virus, Krim-Kongo hämorrhagisches Fieber |
Zusammenfassung Weltweit existiert eine große Anzahl von Krankheitserregern wie Viren,
Rickettsien, Bakterien und Protozoen, die sich verschiedener Zeckenspezies als Vektoren
bedienen. Obwohl den Zecken in Österreich, bedingt durch den Waldreichtum des Landes,
eine wichtige Rolle als Krankheitsüberträger zufallt, werden die meisten
Zecken-assoziierten Erkrankungen hierzulande nicht angetroffen. Durch den zunehmenden
Tourismus ist aber die Möglichkeit, in Österreich mit einem solchen Krankheitsbild
konfrontiert zu werden, jederzeit gegeben wie z. B. den in den USA verbreiteten
Erkrankungen wie Rocky Mountain Spotted Fever (RMSF) und der Babesiose. Gerade im Fall
einer Infektion mit Rickettsia rickettsii ist die rasche Diagnosestellung
essentiell, weil die Mortalität dieser Erkrankung bei Ausbleiben einer antimikrobiellen
Therapie immerhin 20% beträgt. Die meisten durch Zecken übertragenen Viren gehören der
Familie der Flaviviridae an. Zumeist zeigen diese Viren eine fokale geographische
Verbreitung. Das Colorado Tick Fever (CTF)- Virus ist in Nord- und Südamerika
anzutreffen. Das Powassan Virus ist ein seltener, aber etablierter Enzephalitiserreger bei
Kindern in Rußland und Nordamerika. Andere virale Erkrankungen wie das Omsk Hemorrhagic
Fever und die Kyasanur Forest Disease sind geographisch enger begrenzt. Das Louping
III-Virus als Erreger einer Zoonose kann auf den Menschen übertragen werden. Außer den
genannten Flaviviridae bedienen sich die Viren des Kemerovo-Komplex (Familie Reoviridae)
und das Thogoto-Virus (Familie Orthomyxoviridae) der Zecken als Vektoren. Beim
Krim-Kongo-Fieber können Zecken involviert sein. |
Key-words:
Ticks, disease-vector, Rickettsioses, Babesiosis, Kemerovo Complex-Viruses, Thogoto
Virus, Crimean Congo HF |
Summary Worldwide a tremendous number of tick-transmitted infectious agents exists
like viruses, rickettsia, bacteria und protozoa. Although ticks are important disease
vectors in Austria, most of those deseases are not found in this country. However, due to
the increase of tourism, the chance to be confrontated with such a disease always exists.
The chapters of the article are designated to Rocky Mountain Spotted Fever (RMSF) and
Babesiosis, which occur mainly in North America. Especially in case of an infection by Rickettsia
rickettsii a rapid diagnosis is important because the mortality of the disease
reaches 20% if no antimicrobial therapy is initiated. Most of the tick-borne viruses
belong to the family of flaviviridae. Mostly the occurrence of these viruses is extremely
focal. The Colorado Tick Fever (CTF) virus is distributed over wide areas of North- and
South America. Infections by the Powassan virus are a rare but well established cause of
childhood encephalitis in North America and Russia. The Omsk Haemorrhagic Fever and the
Kyasanur Forest Disease are not found outside the areas which gave them their names. The
Louping III-virus is the causative agent of a zoonosis, but a transmission to humans,
inter alia by tick-bites, is sometimes observed. Aside from these flaviviridae, ticks
serve as vectors for the viruses of the Kemerovo-Complex (family reaviridae) and far the
Thagata virus (family orthomyxoviridae). At least, the Crimean Conga Hemarrhagic Fever has
ta be mentioned in this context |
EinleitungDieser
Artikel soll einen Überblick über die Vielfalt der durch Zecken übertragenen
Krankheiten verschaffen und auf die spezielle epidemiologische Relevanz mancher Erreger in
bestimmten Teilen der Welt hinweisen. Die in Österreich endemischen Zecken-assoziierten
Erkrankungen werden in diesern Artikel nicht behandelt. Dazu zählen die Lyrne-Borreliose,
die Ehrlichiosen und die FSME. Es existieren zwar keine Daten über die Verbreitung von Ehrlichia
sp. in Österreich, aber die hohe Seroprävalenz von Antikörpern gegen das HGE-Agens
in den übrigen Alpenländern legt zumindest ein Vorkommen der granulozytären Ehrlichiose
nahe. Die der FSME sehr ähnliche Russische Frühsommerenzephalitis findet irn Folgenden
ebenfalls keine Erwähnung mehr. |
Das Rocky Mountain Spotted Fever und andere
Zecken-assoziierte Rickettsiosen Das Rocky
Mountain Spotted Fever (RMSF) tritt in Nord- und Südamerika auf. Es wird durch Rickettsia
rickettsii hervorgerufen. Der Erreger wird durch infizierte Zecken der Gattungen Dermacentor;
Rhipicephalus und Amblyomma auf den Menschen übertragen, sofern diese
Arthropoden nicht innerhalb von 6 Stunden entfernt werden. Die Rickettsien verbreiten sich
hämatogen irn menschlichen Organismus. Die Zielzellen dieser Bakterien sind
Endothelzellen, und die Schädigung von Kapillaren ist der wichtigste pathogenetische
Mechanismus der Erkrankung.
Nach einer Inkubationszeit von 3 bis 12 Tagen zeigen sich als erste
Symptome Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Die kutanen Läsionen,
auf welche die Bezeichnung der Erkrankung zurückzuführen ist, treten innerhalb der
ersten 3 Tage nur bei weniger als der Hälfte der Patienten auf. Außerdem sind diese
Hauterscheinungen niemals pathognomonisch. Zu Beginn ist es nicht möglich, das RMSF
klinisch von einer selbstlimitierenden Virusinfektion zu unterscheiden. Ist das Integument
in den Krankheitsprozeß involviert, sind erythematöse Makulae von 1 bis 5 Millimeter
Durchmesser zu beobachten. Diese zeigen sich zuerst im Bereich der Hand- und Fußgelenke
und breiten sich im weiteren Verlauf auf Handflächen, Fußsohlen und den Körperstamm
aus. Entwickeln sich zusätzlich Petechien, kann daraus auf einen schweren
Krankheitsverlauf geschlossen werden [1]. Es gibt auch Fälle, in denen die Hautläsionen
differentialdiagnostisch von einem Erythema migrans abgegrenzt werden müssen [2]. Das
Fehlen von kutanen Läsionen schließt aber das Vorliegen eines RMSF nicht aus. Ein
solches Rocky Mountain "Spotless" Fever darf nicht als milde Verlaufsform der
Erkrankung interpretiert werden.
Das Rocky Mountain Spotted Fever ist eine systemische Erkrankung,
wobei ein bestimmtes Organ den Hauptmanifestationsort darstellen kann. Eine Beteiligung
der Lunge im Sinne eines pulmonalen Infiltrates im Lungenröntgen ist bei 12 bis 42% der
Patienten nachweisbar. Nachdem die vaskuläre Schädigung auch die Grundlage der
pulmonalen Läsionen darstellt, ist in 85% der Fälle ein interstitielles
Verschattungsmuster zu beobachten [3]. Aufgrund der gestörten Kapillarpermeabilität kann
es zu Ödemen und zu einer Hypovolämie kommen. Beide Befunde deuten auf eine ernste
Gefährdung des Patienten hin. In manchen Fällen entwickelt sich ein Lungenödem. Dieses
kann bei älteren Patienten ein konsekutives Herzversagen nach sich ziehen. Arrhytmien als
häufigste kardiale Manifestation des RMSF treten bei 7 bis 16% der Patienten auf. R.
rickettsii ruft auch eine Reihe neurologischer Symptome hervor. Das häufigste ist
die bei 26 bis 28% der Patienten zu beobachtende Enzephalitis, welche klinisch zuerst als
Verwirrung oder Lethargie in Erscheinung tritt. Für die Prognose des RMSF ist das Ausmaß
der Schädigung von Gehirn und Lunge ausschlaggebend. Ferner ist festzuhalten, daß
Spätfolgen der Infektion mit R. rickettsii durchaus nicht selten sind. Diese
sind zum überwiegenden Teil neurologischer Natur [4].
Die Diagnose dieser Erkrankung ist allerdings schwer zu stellen. Das
klinische Bild ist zu Beginn uncharakteristisch, und eine Antikörperantwort ist meistens
erst bei rekonvaleszenten Patienten nachzuweisen. Eine diagnostische Methode von hoher
Spezifität ist die immunhistologische Untersuchung von Hautbiopsien. Obwohl dieses
Verfahren nur eine Sensivität von 70% aufweist, gilt es als probatestes Mittel zum
Nachweis einer akuten Infektion durch R. rickettsii. Die Tatsache, daß die
Proben aus entsprechenden Hautläsionen entnommen werden müssen, schränkt die
Einsetzbarkeit der Methode allerdings auf Patienten mit einer kutanen Symptomatik ein. Ein
rechtzeitiger Therapiebeginn ist im Fall des RMSF jedoch eine absolute Notwendigkeit. Die
Therapie der Wahl stellt Doxycyclin dar. Es wurde gezeigt, daß eine adäquate
antimikrobielle Therapie innerhalb der ersten 5 Krankheitstage die Mortalität der
Erkrankung von über 20% auf 6,5% senken kann [5]. In Verdachtsfällen muß daher bei
Unterlassung einer empirischen Therapie eine konsequente Überwachung des Patienten
erfolgen.
In Südeuropa (südlich des 45. Breitengrades) und Afrika sowie in
Teilen Asiens ist das Mediterranean Spotted Fever anzutreffen. Der
Erreger dieser Erkrankung ist R. conorii. Die Zeckenspezies Rhipicephalus
sanguineus stellt sowohl Vektor als auch Reservoir dar. Die klinische Symptomatik
besteht aus hohem Fieber, kutanen Erscheinungen und einem nekrotischen Areal an der
Inokulationsstelle der Keime (tâche noire). Letzteres ist ein je nach Region inkonstantes
Symptom. Bei Diabetikern, Alkoholikern und Patienten mit kardialen Vorerkrankungen kann
diese Erkrankung letal verlaufen.
In Zentral-, Ost- und Südafrika kommt R. africae, der Erreger des African
Tick-Bite Fever vor. Amblyomma sp. dienen als Vektoren dieser eher mild
verlaufenden Rickettsiose. Diese Erkrankung ist nach zwei- bis fünftägigem fieberhaften
Verlauf selbstlimitierend.
In Australien wurden der Queensland Tick Typhus (Erreger R. australis)
und eine durch R. honei hervorgerufene, auf den Flinders Islands (bei Tasmanien)
auftretende Rickettsiose beschrieben.
In Japan ist R. japonica, der Erreger des Oriental Spotted Fever,
beheimatet.
Die Diagnose dieser Rickettsiosen kann serologisch oder durch Isolierung der Erreger
gestellt werden. Das klinische Bild und die entsprechende Reiseanamnese müssen bereits
den Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Krankheitsbildes nahelegen. Das Mediterranean
Spotted Fever bedarf ebenso wie das RMSF einer Therapie mit Doxycyclin. Die Therapie der
Wahl für das Oriental Spotted Fever stellt Ciprofloxacin dar. Bei den australischen
Rickettsiosen wird nach wie vor Chloramphenicol empfohlen. |
Die Babesiose Die Babesiose wird von Protozoen der Gattung Babesia hervorgerufen.
In der Veterinärmedizin spielen diese Parasiten eine wichtige Rolle. Von den etwa hundert
Babesia-Spezies sind aber nur wenige für den Menschen pathogen. B. microti
tritt in den USA als Erreger der Babesiose in Erscheinung. In Europa, wo diese Erkrankung
selten ist, kommt praktisch ausschließlich B. divergens vor. In den neunziger
Jahren wurden in den USA zwei weitere humanpathogene Spezies identifiziert, welche die
Bezeichnung WA 1 (Erstbeschreibung 1991) respektive MO 1 (1996) tragen. Als Vektoren der
Babesiose fungiert in Nordamerika Ixodes scapularis, in Europa Ixodes ricinus.
In den USA wurden bisher 400 Fälle von Babesiose beschrieben. Aufgrund der
uncharakteristischen Symptomatik und des zwar protrahierten, aber dennoch
selbstlimitierenden Verlaufs bleiben Infektionen mit B. microti wahrscheinlich
oft undiagnostiziert. Dafür sprechen auch seroepidemiologische Untersuchungen, denen
zufolge in manchen Teilen der USA bei 21% der Patienten mit Fieber und anamnestisch
gesichertem Zeckenstich Antikörper gegen B. microti nachweisbar sind [6]. In
Europa hat B. microti keinen Stellenwert als Krankheitserreger, obwohl der
Erreger in Nagetieren in Deutschland und England nachgewiesen werden konnte.
Babesia sp. parasitieren intrazellulär in Erythrozyten, wo
eine asexuelle Vermehrung erfolgt. Morphologisch weisen die Parasiten eine große
Ähnlichkeit mit Malariaplasmodien auf. Der Milz kommt bei der Auseinandersetzung mit dem
Pathogen eine wichtige Rolle zu, weil die befallenen Erythrozyten eine herabgesetzte
Verformbarkeit aufweisen und in der Milz sequestriert werden. Bei splenektomierten
Patienten zeigt die Infektion daher schwerere Verläufe.
An der amerikanischen Form der Babesiose erkranken sowohl
immunsupprimierte als auch immunkompetente Personen. Die meisten Infektionen verlaufen
dennoch asymptomatisch. Wird die Infektion klinisch relevant, verläuft sie unter dem Bild
eines grippalen Infekts. Nach einer Inkubationszeit von 1 bis 4 Wochen entwickeln die
Patienten Fieber, Myalgien, Arthralgien, allgemeines Krankheitsgefühl und Erbrechen. Die
Krankheit geht oft mit den Zeichen einer Hämolyse einher. Hohes Lebensalter und
Immunsuppression disponieren zu einem schweren Verlauf. Ferner sind eine hohe
Serumaktivität der alkalischen Phosphatase und eine Leukopenie zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung Indikatoren für eine schlechte Prognose [7] .
Die europäische Form der Babesiose wird durch B. divergens
hervorgerufen. Das Reservoir des Parasiten stellen hauptsächlich Rinder dar. Die
Infektion mit diesem Erreger wird vor allem bei splenektomierten Patienten klinisch
manifest. Sie führt dann zu einem schweren Krankheitsbild mit einer Mortalität von 50%.
Neben uncharakteristischen Symptomen wie Fieber und Myalgien kommt es zu hämolytischer
Anämie mit Hämoglobinurie, Ikterus und Niereninsuffizienz. In manchen Fällen entwickelt
sich ein Lungenödem [8].
Die Diagnose der Babesiose sollte sowohl bei der amerikanischen als
auch bei der europäischen Form durch die Inspektion eines peripheren Blutausstrichs auf
intraerythrozytäre Parasiten gestellt werden (DD:Malaria!). Der Nachweis spezifischer
Antikörper mittels eines Immunfluoreszenztests kann ebenfalls hilfreich sein. Dieser darf
aber die Anfertigung eines Blutausstrichs nicht ersetzen, weil die spezifischen
Antikörper erst 2 bis 4 Wochen nach Beginn der Erkrankung signifikant ansteigen. Die
Infektion mit B. microti bedarf in den meisten Fällen keiner Therapie. Ist
aufgrund des klinischen Verlaufs eine antimikrobielle Behandlung indiziert, stellt für
alle Formen der Babesiose eine Kombination von Chinin und Clindamycin die Therapie der
Wahl dar. |
Das Colorado
Tick Fever Das Colorado Tick Fever
(CTF)-Virus ist in den USA weit verbreitet. Es wird zur Gattung Coltivirus innerhalb der
Familie der Flaviviridae gezählt. In jenen amerikanischen Bundesstaaten, wo diese
Erkrankung systematisch erfaßt wird, treten insgesamt etwa 100 Fälle pro Jahr auf.
Verschiedene wild lebende Säugetiere sind in den natürlichen Lebenszyklus des Virus
involviert. Der Mensch infiziert sich in Regionen über 1200 Meter Seehöhe durch den
Stich von Zecken der Spezies Dermacentor andersoni.
Die Inkubationszeit des CTF ist variabel. Sie beträgt zwischen
einigen Stunden und 19 Tagen und ist möglicherweise von der Menge der inokulierten Viren
abhängig. Danach setzt die Symptomatik abrupt mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Gelenks-
und Muskelschmerzen sowie konjunktivaler Injektion ein. Übelkeit ist immer, Erbrechen
manchmal vorhanden.
Diese Symptome, vor allem das Fieber und die Schmerzen im Bereich
des Bewegungsapparates, bleiben für einige Tage bestehen. Leber und Milz sind unter
Umständen palpabel. In weiterer Folge zeigt das CTF einen typischen zweigipfeligen
Verlauf. Dabei kommt es vorerst zur Entfieberung, dann jedoch wieder zum Auftreten der
genannten Symptome. Zumeist präsentiert sich die Erkrankung als selbstlimitierend. Bei
Kindern kommen dennoch zuweilen schwere Verlaufsformen vor, die durch hämorrhagische
Manifestationen wie gastrointestinale Blutungen und disseminierte intravasale Gerinnung
charakterisiert sind [9]. Auch die Einbeziehung des ZNS in den Krankheitsprozeß ist
möglich. Todesfälle sind trotzdem sehr selten.
Antikörper gegen das CTF-Virus sind erst 1 bis 2 Wochen nach Beginn
der Erkrankung nachweisbar. Nach Infektion mit diesem Virus bleiben die Patienten sehr
lange virämisch. Deswegen kann man die Diagnose der Erkrankung auch durch Isolierung des
Erregers aus dem Blut stellen.
Das in Europa vorkommende Eyach-Virus ist mit dem CTF-Virus
serologisch nahe verwandt. Aufgrund der Ähnlichkeit dieser beiden Spezies wurde eigens
die Gattung Coltivirus innerhalb der Familie der Reoviridae eingerichtet. Das Eyach-Virus
wurde erstmals 1981 in Westfrankreich in Zecken der Spezies Ixodes ricinus
nachgewiesen. Seine geographische Verbreitung umfaßt nach heutigem Wissensstand
Deutschland, Frankreich, Tschechien und die Niederlande [10] .Das Eyach-Virus gilt heute
als humanpathogen. Es wird ihm eine Rolle als Verursacher neurologischer Krankheitsbilder
wie Meningoenzephalitis zugeschrieben. |
Die Powassan-
Enzephalitis Das Powassan-Virus ist ein
Flavivirus aus der Familie der Flaviviridae. Es ist nach der Stadt Powassan im kanadischen
Bundesstaat Ontario benannt. Die geographische Verbreitung dieses Krankheitserregers
erstreckt sich auf Nordamerika und Rußland. Seroepidemiologischen Untersuchungen zufolge
weist das Powassan-Virus ein fokales, an geographisch eng begrenzte Regionen gebundenes
Vorkommen auf [9]. Der Vektor sind vor allem Zecken der Gattung Ixodes. Die
Infektion mit dem Powassan Virus ist auch durch den Genuß nicht pasteurisierter
Ziegenmilch möglich. Das Reservoir bilden vor allem wild lebende Säugetiere. Die
Erkrankung tritt äußerst selten auf, in Kanada und den USA sind aber bei 0,5 bis 4% der
Einwohner Antikörper gegen das Powassan-Virus nachweisbar.
An der Powassan-Enzephalitis erkranken hauptsächlich Kinder. Die
Inkubationszeit beträgt mindestens 1 Woche. Die ersten Zeichen der Erkrankung sind abrupt
einsetzendes Fieber bis 40°C, Kopfschmerzen und Krämpfe. Danach bestimmen die Symptome
der meningealen Reizung und der Enzephalitis das Bild. Zumeist sind Zeichen einer fokalen
Läsion vorhanden. Das Virus selbst wurde in Basalganglien, Kortex und Kleinhirn von
verstorbenen Patienten nachgewiesen. Die Powassan-Enzephalitis ist eine überaus ernste
Erkrankung. Sie ist mit einer Mortalität von 10% behaftet. Bei einem Drittel der
überlebenden Patienten bleiben neurologische Ausfallserscheinungen bestehen, am
häufigsten eine Hemiplegie. Der klinische Verlauf der Powassan-Enzephalitis kann auch den
einer HSV-Enzephalitis imitieren [11].
Die Diagnose wird serologisch gestellt. Neutralisierende Antikörper
sind bei Ausbruch der Erkrankung in der Regel nachweisbar. |
Kyasanur
Forest Disease und Omsk Hemorrhagic Fever Der
Erreger der Kyasanur Forest Disease ist ein Flavivirus (Familie Flaviviridae). Es ist in
seiner geographischen Verbreitung sehr beschränkt. Krankheitsfälle treten lediglich im
indischen Mysore State auf. Aus dieser Region werden allerdings 400 bis 500 Erkrankungen
pro Jahr gemeldet. Mindestens 10 Spezies der Gattung Ixodes können die Rolle des
Vektors übernehmen. Nagetiere dienen als Reservoir. Die Letalität der Kyasanur Forest
Disease beträgt 3 bis 5%.
Die Erkrankung kann einen stadienhaften Verlauf nehmen, wobei die Dauer jeder
Krankheitsphase etwa 1 Woche beträgt [12]. Nach einem Prodromalstadium mit Fieber
entwickelt sich zu Beginn der zweiten Woche das Vollbild der Erkrankung sowie deren
mögliche Komplikationen. Die Patienten entwickeln Hämorrhagien, deren pathogenetischer
Mechanismus unbekannt ist. Die klinische Symptomatik beinhaltet weiters Fieber, Myalgien,
Husten, Bradykardie, gastrointestinale Beschwerden und Dehydratation. Es findet sich eine
Degeneration des Leber- und Nierenparenchyms und eine hämorrhagische Infarzierung der
Lunge. Bei einigen Patienten entwickelt sich eine Enzephalopathie, der eine metabolische
Genese infolge der Leberschädigung zugeschrieben wird. An pathologischen Laborbefunden
besteht eine Leukopenie sowie eine Erhöhung der Serumaktivität der hepatischen
Transaminasen. Die beschriebene Symptomatik dauert 6 bis 11 Tage an. Verläuft die
Kyasanur Forest Disease biphasisch, zeigen sich nach einer 9 bis 21 Tage langen afebrilen
Periode neuerlich Krankheitssymptome. Dieses vierte Stadium der Erkrankung ist dann von
Fieber und von den Symptomen einer Meningoenzephalitis geprägt.
Die Diagnose kann serologisch oder durch die Isolierung des Virus
aus dem Blut der Patienten gestellt werden. Eine Virämie ist zwischen dem zweiten und dem
zwölften Tag der Erkrankung nachweisbar.
Das Vorkommen des Omsk Hemorrhagic Fever ist auf die Region um die
Stadt Omsk in Sibirien beschränkt. Das Virus ist mit dem Kyasanur Forest Disease-Virus
hochgradig verwandt. Beide Viren weisen überdies eine große Ähnlichkeit mit dem
FSME-Virus auf. Das Omsk Hemorrhagic Fever ist auch klinisch schwer von der Kyasanur
Forest Disease zu unterscheiden. Das häufige Auftreten von Folgeerscheinungen, vor allem
von Hörverlust, Haarausfall und psychiatrischen Zustandsbildern, ist jedoch eine
Besonderheit dieser Erkrankung. Die Mortalität ist mit 0,5 bis 3% hingegen nicht so hoch.
Aufgrund der Ähnlichkeit mit dem FSME-Virus sind Personen, die gegen diesen Erreger
immunisiert wurden, auch gegen das Omsk Hemorrhagic Fever geschützt. |
Das Louping
Ill-Virus Das Louping Ill-Virus ist ein
Flavivirus aus der Familie Flaviviridae. Vier unterschiedliche Serotypen kommen in
Großbritannien und Irland vor [13] .Ein fünfter Serotyp wurde 1993 in Norwegen
identifiziert [14] .Das Virus ist für Schafe pathogen, bei denen die Infektion zu
neurologischen Symptomen führen kann. Kontakt mit diesen Tieren stellt neben den Stichen
von Ixodes ricinus auch eine Infektionsquelle für den Menschen dar. Ziegen
stellen zwar kein bedeutendes Reservoir für das Louping Ill-Virus dar, es ist aber
bekannt, daß die Milch virämischer Tiere ebenfalls eine potentielle Infektionsquelle
darstellt [15]. Von den beschriebenen Infektionen beim Menschen geht fast ein Drittel auf
den Umgang mit dem Erreger in Laboratorien zurück.
Das Louping Ill-Virus ist seit 1934 als humanpathogen bekannt. Vier
verschiedene Verlaufsformen der Infektion wurden seitdem beschrieben [16]. Die durch das
Louping Ill-Virus hervorgerufene Enzephalitis verläuft biphasisch. Nach einer
Inkubationszeit von 4 bis 7 Tagen kommt es zu grippeähnlichen Symptomen. Diese dauern 2
bis 11 Tage an. Darauf folgt eine 5 oder 6 Tage anhaltende Remission. Der zweite Schub der
Erkrankung verläuft unter dem Bild einer Meningoenzephalitis und dauert 4 bis 10 Tage.
Während der ersten Krankheitsphase besteht eine Leukopenie, später eine Leukozytose. Die
Diagnose der Louping Ill-Enzephalitis kann serologisch gestellt werden. Die Isolierung des
Virus gelingt während der ersten Krankheitsphase aus dem Blut, später aus dem Liquor
cerebrospinalis.
Weiters kann die Infektion mit dem Louping Ill-Virus unter dem Bild
einer Poliomyelitis, eines hämorrhagischen Fiebers oder eines grippalen Infekts
verlaufen. Nicht selten bleibt die Infektion gänzlich asymptomatisch. |
Die Kemerovo-Komplex-Viren
Die Viren des Kemerovo-Komplexes stellen
eine eigene Gruppe innerhalb der Kemerovo-Serogruppe (Gat- tung Orbivirus, Familie
Reoviridae) dar. Drei Spezies dieser Gruppe sind humanpathogen: Das Lipovnik-Virus, das
Tribec-Virus und das Kemerovo-Virus [17]. Alle drei Krankheitserreger rufen unspezifische
fieberhafte Erkrankungen und neurologische Symptome hervor. Während das Kemerovo-Virus im
Gebiet der früheren Sowjetunion anzutreffen ist, wurden die beiden anderen Erreger in
Italien, Deutschland, der Slowakei, Rumänien und Weißrußland isoliert. Das
Lipovnik-Virus und das Tribec-Virus werden durch Zecken der Gattung Ixodes
übertragen. Dem Lipovnik-Virus wird ein aggravierender Effekt im Rahmen der FSME im Fall
von Doppelinfektionen zugeschrieben. Andere Viren der Kemerovo-Serogruppe könnten bei der
Entstehung des Oklahoma Tick Fever eine Rolle spielen. |
Das Krim-Kongo hämorrhagische Fieber Der Erreger des Krim-Kongo hämorrhagischen Fiebers ist ein Nairovirus aus
der Familie der Bunyaviridae. Die Erkrankung tritt in weiten Teilen Asiens und Afrikas
auf. In Europa sind Fälle aus Bulgarien, Albanien, dem ehemaligen Jugoslawien und
Rußland beschrieben. Das Reservoir bilden unter anderem Rinder, Ziegen und Schafe. Für
den Menschen stellt der Kontakt mit Blut oder Fleisch von virämischen Tieren, bei denen
die Infektion asymptomatisch verläuft, die wichtigste Infektionsquelle dar. Aber auch
eine Vielzahl von Zeckenspezies kann dem Virus als Vektor dienen. Die Übertragung von
Mensch zu Mensch ist ebenfalls möglich. Die Ansteckung von Krankenhauspersonal durch
erkrankte Patienten ist selten [18].
Die Erkrankung verläuft zumeist unter dem Bild eines akuten
hämorrhagischen Fiebers. Die hämorrhagi schen Erscheinungen umfassen Haut- und
Schleimhautblutungen sowie Blutungen des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts. Nicht
selten zeigen die erkrankten Patienten allerdings überhaupt keine hämorrhagischen
Läsionen [19] .Die Symptomatik umfaßt weiters hohes Fieber, Erbrechen und Diarrhoe. Wie
auch bei anderen Formen von hämorrhagischem Fieber ist die Leber in den Krankheitsprozeß
involviert. Die Serumaktivität der GOT und der CK ist erhöht, ebenso der
Bilirubinspiegel. Manche Patienten weisen einen Ikterus auf. Eine früh auftretende
massive Thrombozytopenie deutet auf einen letalen Ausgang hin.
Die Mortalität des Krim-Kongo hämorrhagischen Fiebers beträgt je
nach Krankheitsherd bis zu 80%. Nur in seltenen Fällen verläuft die Infektion
asymptomatisch. Mit Ribavirin steht eine wirksame Therapie zur Verfügung. Es muß aber
früh im Verlauf der Erkrankung mit der Behandlung begonnen werden, um die Prognose
beeinflussen zu können. |
Das Thogoto-Virus
Das Thogoto-Virus wird der Familie der
Orthomyxoviren zugerechnet. Die Einordnung in eine bestimmte Gattung ist bisher nicht
erfolgt. Dieses Virus ist in weiten Teilen Afrikas und Asiens verbreitet, wobei Nutztiere
das Reservoir darstellen. Fast identische Serotypen des Thogoto-Virus wurden auf Sizilien
und in Portugal in Ixodes sp. nachgewiesen [20]. Seroepidemiologische
Untersuchungen in Portugal haben jedoch eine sehr geringe Seroprävalenz spezifischer
Antikörper gezeigt [21]. Die Infektion des Menschen mit diesem Virus kann sich klinisch
als Enzephalitis oder Meningoenzephalitis manifestieren. Die Rolle des Thogoto-Virus als
Krankheitserreger in Europa ist aber nicht etabliert. |
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Anschrift des Verfassers:
Dr. Florian Daxböck
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie,
Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20 |
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