Josamycin – und Typen der Makrolidresistenz bei Streptokokken

C. Jebelean, A. Bocksrucker, M. Haditsch, R. Watschinger, L. Binder, H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz
(Vorstand: Prof. Dr. H. Mittermayer)

 


Schlüsselwörter:
Josamycin, Makrolidresistenz, S. pyogenes, S. pneumoniae, vergrünende Streptokokken, S. agalactiae


Zusammenfassung
Aktuelle Berichte aus mehreren Ländern Europas zeigen einen Anstieg der Makrolidresistenz bei den Streptokokken.

Die Makrolidresistenz bei Streptokokken beruht hauptsächlich auf zwei Mechanismen: 1. Änderung der Bindungsstelle an den Ribosomen, diese wird von einem erm-Gen kodiert; oder 2. Transport des Makrolids aus der Zelle, der von einem mef-Gen gesteuert wird. Das erm-Gen kodiert die Erythromycinresistenz und eine konstitutive oder induzierbare Resistenz gegen Clindamycin und Streptogramin B (MLSB-Resistenz), wohingegen das mef-Gen nur zu einer Makrolidresistenz führt (M-Resistenz). Das Efflux-System betrifft nur 14- und 15-gliedrige Makrolide, nicht aber 16-gliedrige Makrolide wie Josamycin.

Wir haben in den Jahren 1999-2000 eine große Zahl von Streptokokken aus ganz Österreich gesammelt und auf Resistenz gegenüber Makrolid-Antibiotika untersucht. Dabei haben wir auch die Phänotypen und genetischen Marker der Makrolidresistenz bei Streptokokken näher charakterisiert.


Key-words:
Josamycin, macrolide resistance, S. pyogenes, S. pneumoniae, viridans streptococci, S. agalactiae


Summary
Recent reports from different countries in Europe show an increase of macrolide resistance in streptococci. Macrolide resistance in streptococci occurs primarily through ribosomal modification by a methylase coded for by the erm gene or through an efflux mechanism coded for by the mef gene. The erm genes encode resistance to macrolides and constitutive or inducible resistance to lincosamides and streptogramin B (MLSB-resistance), whereas the mef genes confer resistance only to macrolides (M-resistance). The efflux system affects only 14- and 15-membered macrolides but has no effect on 16-membered macrolides.

During 1999-2000, we collected a large number of streptococcal strains from troughout Austria and tested them for resistance to macrolide antibiotics. We also determined the phenotype and the genetic determinants of macrolide resistance.



Einleitung

Betalactam-Antibiotika sind nach wie vor in Österreich Mittel der Wahl in der Therapie der Streptokokkeninfektionen. Bei Patienten mit Allergie gegen Penicillin und andere Betalactam-Antibiotika sind Makrolide eine wichtige therapeutische Alternative. Die Gruppe der Makrolid-Antibiotika beinhaltet außer der Muttersubstanz Erythromycin weitere Substanzen mit 14- (Clarithromycin und Roxithromycin), 15- (Azithromycin), und 16- (Josamycin und Spiramycin) gliedrigen Laktonringen.

Makrolide, wie auch Lincosamide und Streptogramine, behindern die Proteinsynthese an den 50 S-Untereinheiten der bakteriellen 70 S-Ribosomen. Die Wirkung ist bakteriostatisch.

Die Makrolidresistenz bei den Streptokokken beruht hauptsächlich auf 2 Mechanismen.

1. Eine ribosomale Änderung durch eine Methylase führt zur MLSB-Resistenz (Makrolide, Lincosamide und Streptogramine B-Resistenz).

2. Ein Effluxsystem bewirkt, daß die Wirkstoffe aus der Bakterienzelle ausgeschleust werden und so eine M-Resistenz (Makrolidresistenz) entsteht.

 

MLSB-Resiszenz

Die RNA-Methylasen vermindern durch Methylierung der Bindungsstellen an den Ribosomen die Bindungsaffinität der Makrolide, Lincosamide und B-Streptogramine. Diese Methylasen werden durch das erm- (erythromycin ribosome methylation) Gen kodiert.

Das erm-Gen kodiert die Erythromycinresistenz und eine konstitutive oder induzierbare Resistenz gegen Lincosamide und Streptogramine B (MLSB-Resistenz). Das heißt, diese Stämme zeigen sich immer (also konstitutiv) oder nur unter Einfluß von Erythromycin und anderen 14- und 15-gliedrigen Makroliden (also induzierbar) resistent gegenüber Clindamycin und Streptogramin B. Josamycin, ein 16-gliedriges Makrolid, ist kein guter Resistenz-Induktor, weil das Molekül größer ist [1, 2, 3]. Die induzierbare Resistenz kann in vitro in einem Doppel-Blättchen-Test nachgewiesen werden: auf eine mit Bakterien beimpfte Agar-Platte wird ein Erythromycin-Blättchen in einem 2cm-Abstand von einem Clindamycin-Blättchen gelegt. Nach 18-24 Stunden beobachtet man eine Abflachung des Clindamycin-Hemmhofes in der Nähe des Erythromycin-Blättchens.

Ein neues erm-Gen, genannt ermTR, wurde von Seppälä et al. 1993 be-schrieben [4].

 

M-Resistenz

Membranproteine, die verantwortlich sind für einen Makrolidtransport aus der Zelle, führen zur Resistenz gegen 14- und 15-gliedrige Makrolide, nicht jedoch gegen 16-gliedrige Makrolide sowie gegen Lincosamide und B Streptogramine. Diese Membranproteine werden von den mef-(macrolide-efflux)Genen kodiert. Diese Stämme erscheinen in vitro Erythromycin-resistent und zeigen gleichzeitig auch höhere minimale Hemmkonzentrationen (MHK) gegen andere Makrolide wie Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin, nicht aber gegenüber Josamycin.

In den letzten Jahren wurden diese 2 Resistenzmuster in unterschiedlichem Ausmaß bei ß-haemolytischen Streptokokken der Gruppen A, B und C, bei S. pneumoniae und neuerlich auch bei vergrünenden Streptokokken beschrieben.

Wir haben in den Jahren 1999-2000 eine große Zahl von Streptokokken aus ganz Österreich gesammelt und auf ihre Resistenz gegenüber Makrolid-Antibiotika untersucht. Mit einem Doppel-Blättchen-Test haben wir die MLSB oder M-Phänotypen untersucht und mittels PCR die für die Resistenz verantwortlichen erm-, ermTR- und mef-Gene nachgewiesen.

Bei S. pyogenes wurde das M-Resistenz-Muster erstmals 1989 in England von Scott et al. und dann in Finnland 1993 von Helena Seppälä et al. [5] beschrieben: Seppälä fand damals eine Prävalenz von 60% konstitutiver MLSB-Resistenz, 2% induzierbarer MLSB-Resistenz und in 38% der Stämme das neue M-Resistenz- Muster. Sutcliffe et al. und Tait-Kamradt et al. [6, 7] zeigten später, 1996, dass der M-Resistenz-Typ auf einem Efflux-System basiert und das mefA-Gen für die verantwortlichen Proteine kodiert.

Als wir 1997 die Makrolidresistenz bei S. pyogenes-Stämmen aus Oberösterreich untersuchten, fanden wir eine Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von 12% und nur das M-Resistenz-Muster in allen resistenten Stämmen [8]. Aus unseren neueren Untersuchungen [9] in den Jahren 1999-2000 an Stämmen, die aus mehreren Regionen Österreichs eingesendet wurden, fanden wir eine Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von insgesamt 11,3% mit großen Unterschieden zwischen den verschiedenen Regionen und einem Anteil von 71% mef-, 13% erm- und 11% ermTR- Genen (Tab. 1). Bei 5% der Stämme konnten wir mit der PCR erm- und mef-Gene gleichzeitig nachweisen.

Tabelle 1: Verteilung der genetischen Determinanten der Makrolidresistenz bei verschiedenen Streptokokken

Spezies
erm
ermTR
mef
erm+mef
andere?
S. pyogenes
13%
11%
71%
5%
-
S. pneumoniae
66%
-
34%
-
-
S. agalactiae
31%
54%
15%
-
-
Vergrünende S.
36%
-
48%
-
16%

Die Erythromycin-resistenten Stämme waren gleichzeitig resistent gegenüber Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin. Die Josamycin-MHK war bei allen Stämmen <= 0,25 µg/ml, mit Ausnahme der Stämme mit konstitutiver MLSB-Resistenz, die eine Josamycin-MHK von >= 8 µg/ml hatten.

Streptokokken der Gruppe C zeigten nach Literaturberichten aus Finnland [10] in 95% das mef-Gen und bei den Streptokokken der Gruppe G in 94% das ermTR-Gen.

Für Streptokokken der Gruppe B wurde das mefA-Gen, welches bei S. pyogenes beschrieben worden ist, das mefE-Gen [11, 12], das oft bei den Pneumokokken vorkommt, und ein mreA-Gen, das für ein von mef unterschiedliches Efflux-System kodiert, nachgewiesen [13].

In den Untersuchungen aus unserem Einzugsgebiet [14] fanden wir bei S. agalactiae-Stämmen eine Makrolidresistenz von 15%. Bei 26 Erythromycin-resistenten Stämmen, die mit der PCR untersucht wurden, fanden wir 14mal (54%) das ermTR-, 8mal (31%) das erm- und 4mal (15 %) das mef-Gen (Tab. 1). Die 4 mef-Stämme und 5 ermTR-Stämme hatten eine Josamycin-MHK von <= 1µg/ml.

Bei S. pneumoniae haben Tait-Kamradt et al. 1997 das Efflux-System und das mefE-Gen beschrieben. Der Anstieg der Makrolidresistenz bei S. pneumoniae wurde in den letzten Jahren in vielen Ländern berichtet [15, 16].

In unseren Untersuchungen in den Jahren 1999 [17] und 2000 [18] fanden wir in Linz eine Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von insgesamt 15% und bei den Stämmen, die aus mehreren Regionen Österreichs gesammelt wurden, von 10,5%, mit starken Unterschieden zwischen den verschiedenen Regionen. Dabei haben wir eine Verteilung von 34% M-Resistenz und 66% MLSB-Resistenz gefunden (Tab. 1).

Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin waren gegen alle Erythromycin-resistenten Stämme nicht wirksam. Josamycin war wirksam gegen alle Erythromycin-resistenten Stämme mit M-Phänotyp und zeigte auch eine niedrige MHK gegen einige Stämme vom MLSB-Phänotyp.

Aktuelle Berichte haben einen Anstieg der Makrolidresistenz auch bei den vergrünenden Streptokokken gezeigt [19]. Die beschriebenen Mechanismen der Makrolidresistenz wurden auch bei diesen Streptokokken gefunden. De Azavedo et al. [20] fanden in Kanada bei vergrünenden Streptokokken, die aus Blutkulturen isoliert wurden, eine Verteilung von 16% erm-Genen und 84% mef-Genen.

In unserer Untersuchung [21] an 106 vergrünenden Streptokokken-Stämmen aus Blutkulturen der letzten Jahre fanden wir eine Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von 25%.

Dabei zeigte sich eine Verteilung von 56% M-Resistenz und 44% MLSB-Resistenz. Bei 4 Erythromycin-resistenten Stämmen konnten wir mit der PCR keine der gesuchten Gene nachweisen (Tab. 1). Außer den beschriebenen mef- und erm-Genen müssen noch andere Resistenzdeterminanten existieren. Mehr als die Hälfte der Erythromycin-resistenten Stämme waren gegen Josamycin empfindlich, und alle zeigten sich resistent gegen Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin.

 

Schlußfolgerung

1. Aus unseren Untersuchungen stellten wir in unserem Einzugsgebiet einen Anstieg der Makrolidresistenz innerhalb der letzten Jahre fest.

2. Die Prävalenz der Makrolidresistenz variiert in verschiedenen Regionen Österreichs.

3. Die Verteilung der Makrolidresistenz-Gene ist bei verschiedenen Streptokokken-Spezies unterschiedlich.

4. Josamycin (ein 16-gliedriges Makrolid-Antibiotikum) war bei allen Streptokokken-Stämmen mit M-Resistenz-Muster und auch bei einem Teil der Stämme mit induzierbarem MLSB-Muster in vitro wirksamer als 14- und 15-gliedrige Makrolide.

 

Literatur:

1. Leclercq R., Couvalin P.: „Mechanism of resistance to macrolide, lincosamides, and streptogramin antibiotics by target modification.“ A.A.C. 35 (1993) 1267-1272.
2. Weisblum B.: „Erythromycin resistance by ribosome modification.“ A.A.C. 39 (1995) 577-585.
3. Weisblum B.: „Sights into Erythromycin Action from Studies of its Activity as Inducer of Resistance.“ A.A.C. 39 (1995) 797-805.
4. Seppälä H., Skurnik M., Soini H., Roberts M.C., Huovinen P.: „A novel erythromycin resistance methylase gene (ermTR) in Streptococcus pyogenes.“ A.A.C. 42 (1998) 257-262.
5. Seppälä H., Nissinen A., Yu Q., Huovinen P.: „Three different phenotypes of erythromycin-resistant S. pyogenes in Finnland.“ J.A.C. (1993) 885-891.
6. Sutcliffe J., Grebe T., Tait-Kamradt A., Wondrack L.: „Detection of Erythromycin Resistant Determinants by PCR.“ A.A.C. 40 (1996) 2562-2566.
7. Tait-Kamradt A., Clancy J., Cronan M., Dib-Hajj F., Wondrack L., Yuan W. and Sutcliffe J.: „mefE Is Necessary for the Erythromycin Resistant M Phenotype in Streptococcus pneumoniae.“ A.A.C. 41(1997) 2251-2255.
8. Jebelean C., Watschinger R., Haditsch M., Binder L., Mittermayer H.: „Erythromycin resistance of Streptococcus pyogenes strains from Upper Austria.“ Sydney, Australien, ICC 1997.
9. Jebelean C., Kriebernegg I., Feierl G., Bocksrucker A., Watschinger R., Haditsch M., Binder L., Mittermayer H.: „Prevalence, phenotypes and genetics of macrolide-resistant S. pyogenes in Austria.“ Stockholm, ECCMID 2000.
10. Kataja J., Seppälä H., Skurnik M., Sarkkinen H., Huovinen P.: „Different Erythromycin Resistance Mechanisms in Group C and Group G Streptococci.“ A.A.C. 42 (1998) 1439-1494.
11. Arpin C., Canron. M-H., Noury P., Quentin C.: „Emergence of mefA and mefE genes in beta-haemolytic streptococci and pneumococci in France.“ J.A.C. 44 (1999) 133-138.
12. Arpin C., Daube H., Tessier F., Quentin C.: „Presence of mefA- and mefE-Genes in Streptococcus agalactiae.“ A.A.C. 43 (1999) 944-946.
13. Clancy J., Dib-Hajj F., Petipas J.W., Yuan W.: „Cloning and Characterization of a Novel Macrolide Efflux Gene, mreA, from Streptococcus agalactiae.“ A.A.C. 41(1997) 2719-2723.
14. Jebelean C., Bocksrucker A., Haditsch M., Watschinger R., Binder L., Mittermayer H.: „Prävalenz und Typen der Makrolidresistenz von S. agalactiae.“ ÖGHMP, Mai, 2000.
15. Doern G.J., Pfaller M.A., Kugler K., Freeman J., Jones R.N.: „Prevalence of antimicrobial resistance among respiratory tract isolates of Streptococcus pneumoniae in North America: 1997 results from the SENTRY Antimicrobial Resistance Program.“ Clin. Inf. Dis. 27 (1998) 764-770.
16. Oster P., Zanchi A., Cresti S., Lattanzi M., Montagnani F., Cellesi C., Rossolini G.M.: „Patterns of macrolide resistance determinants among community-acquired Streptococcus pneumoniae isolates over a 5-year period of decreased macrolide susceptibility rates.“ A.A.C. 43 (1999) 2510-2512.
17. Jebelean C., Watschinger R., Binder L., Haditsch M., Mittermayer H.: „Significant increase of erythromycin-resistant pneumococci in Upper Austria.“ Berlin, ECCMID 1999.
18. Jebelean C., Allerberger F., Feierl G., Bocksrucker A., Watschinger R., Haditsch M., Mittermayer H.: „Antibiotic Susceptibility of Pneumococci Varies in Different Regions of Austria.“ Stockholm, ECCMID, Mai 2000.
19. Alcaide F., Carratala J., Linares J., Gudiol F., Martin R.: „In vitro activities of eight macrolide antibiotics and RP-59500 (Quinupristin-Dalfopristin) against viridans group streptococci isolated from blood of neutropenic cancer patients.” A.A.C. 40 (1996) 2117-2120.
20. De Azavedo J.C.S., Chang P.T., Tyler S., Coulthart M., Johnson W., Low D.E.: „Mechanisms and Impact of Macrolide Resistance among Blood Culture Isolates of viridans Group Streptococci Collected from across Canada.“ 38th ICAAC, Sept. 24-27, 1998.
21. Jebelean C., Binder L., Haditsch M., Watschinger R., Mittermayer H.: „Antimicrobial Susceptibility of Viridans Streptococci Isolated from Blood during 1990-1998.“ Berlin, ECC-MID 1999.

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Crista Jebelean
Krankenhaus der Elisabethinen Linz, Inst. für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin
A-4010 Linz, Fadingerstrasse 1

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