|
Die Wiener Medizinische Fakultät
hat eines ihrer prominentesten Mitglieder verloren. Em. Univ.-Prof.
Dr. med. Wilhelm Holczabek ist am 17. Juli d. J. im Wiener
AKH im 83. Lebensjahr infolge eines seit langem bestehenden
Herzleidens plötzlich und unerwartet verstorben. Wir trauern
zutiefst mit seiner von ihm so geliebten Frau Luzi um diesen
ungewöhnlichen, liebenswerten Menschen. Er wird uns stets
gegenwärtig bleiben.
Willi Holczabek war
tatsächlich ein ungewöhnlicher Mensch. Die Höhen und Tiefen
seines Lebens haben aus ihm einen tief Gläubigen, bis zum
Skrupel Redlichen, zu echter und aufrichtiger Freundschaft
Fähigen gemacht. Auf Grund seiner Abstammung in der Nazizeit
verfolgt, nach Ende des Krieges mit allen akademischen Ehren
ausgestattet, konnte er als Vorstand des Wiener Gerichtsmedizinischen
Institutes, als Dekan der Fakultät, als Rektor und als Präsident
der altehrwürdigen Gesellschaft der Ärzte seine außerordentlichen
Fähigkeiten in Forschung, Praxis und Lehre zur Geltung bringen
und für sich und seine Institutionen internationales Ansehen
erreichen.
|
Als begeisterter Gerichtsmediziner
konnte er zahllose spannende Geschichten aus seiner langjährigen
Praxis erzählen. Immer wieder wies er auf seine Zweifel hin, die
ihn plagten, wenn die Gerichte von ihm als Gutachter eine eindeutige
Entscheidung für oder wider einen Angeklagten verlangten. Besonders
belastend waren für ihn Exekutionen nach dem Krieg, an denen er
als Beobachter teilnehmen musste. Er wurde zum radikalen Gegner
der Todesstrafe. Sein religiöser Glaube machte ihn zum Warner vor
einer unkritischen Genforschung. In vielen Diskussionen konnte er
seinen unerbittlich klaren Vorstellungen Geltung verschaffen. Auch
als kompromissloser Naturwissenschaftler sah er in jedem Menschen
Körper und Seele als Einheit und blieb so als Vertreter eines mehr
oder weniger theoretischen Faches Kliniker und Arzt im Sinne der
Wiener Medizinischen Schule, die es nicht „mit Krankheiten, sondern
mit Kranken“ zu tun hat.
Als Gerichtsmediziner zuerst
einmal gefürchtet, trat er stets nicht nur für das Recht, sondern
vor allem für die Gerechtigkeit ein. Dabei sollte jedes auch noch
so kleine Detail berücksichtigt werden. Er „hilft dem Arzt, die
Todesursache festzustellen, und er liefert Hinweise für das Gericht,
falls ein Fremdverschulden vorliegt“, so charakterisierte Holczabek
die Aufgaben seines Institutes. Die endgültige Entscheidung fällt
der Richter und nicht der ihm nur „helfende“ Gutachter. Das war
sein Grundsatz, der nicht von allen Richtern goutiert wurde.
Als Präsident der Gesellschaft
der Ärzte war er souverän. Seine Rednergabe war außerordentlich.
Seine Laudationes waren stets sehr persönlich und in Inhalt und
Stil unüberbietbar. Er veranlasste die Modernisierung der Bibliothek
mit allen dafür notwendigen elektronischen Einrichtungen, und jedes
Missgeschick traf ihn tief ins Herz – im wahrsten Sinn des Wortes.
Jede Woche präsidierte Willi
Holczabek seinem Stammtisch. Jede Woche gab es interessante Diskussionen,
die manchmal in aller kritischen Härte ausgetragen wurden. Dies
tat der unverbrüchlichen Freundschaft der Teilnehmer keinen Abbruch.
Nicht nur in diesem Freundeskreis bleibt Willi Holczabek unvergessen.
Karl Hermann
Spitzy
|