Lyme-Borreliose
Empfehlungen für Diagnose, Behandlung und
Entfernung von Zecken |
|
G. Stanek
Klinisches Institut für Hygiene der Universität Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. M. Rotter) |
Schlüsselwörter:
Lyme-Borreliose, klinische Diagnose, Laboratoriumsdiagnose, Behandlung,
Zeckenentfernung |
Zusammenfassung Die klinischen Symptome bilden die Grundlage für die Diagnose
Lyme-Borreliose. Eine Bestätigung der Borrelieninfektion durch das Laboratorium ist für
alle Manifestationen der Lyme-Borreliose notwendig mit Ausnahme des charakteristischen
Erythema (chronicum) migrans. Die verläßliche Diagnose stellt die Grundlage für eine
zielführende Behandlung dar. Kriterien für die Diagnose, abgeleitet von den
"European Union Concerted Action on Risk Assessment in Lyme Borreliosis: Clinical
Case Definitions" sollen eine Hilfe in der täglichen Praxis sein. Die
Antibiotikatherapie ist für alle klinischen Manifestationen und damit für alle Stadien
der Lyme-Borreliose zweckmäßig. Die Auswahl des Antibiotikums hängt vom klinischen
Stadium, Nebenwirkungen, Therapietreue und Kosten ab. Für die häufigen Manifestationen
der Lyme-Borreliose beruhen die Therapieschemata auf den Ergebnissen klinischer Studien;
für die meisten seltenen Manifestationen der Lyme-Borreliose wurden dagegen die
geeignetsten Behandlungsschemata (optimale Dosis, Dauer) noch nicht exakt ermittelt.
Schließlich werden Empfehlungen für die Entfernung von Zecken gegeben. |
Key-words:
Lyme borreliosis, clinical diagnosis, laboratory diagnosis, treatment, tick removal |
Summary Clinical signs and symptoms form the basis for the diagnosis of Lyme
borreliosis. Laboratory confirmation of borrelial infection is needed for all
manifestations of Lyme borreliosis with the exception of typical erythema migrans. A
reliable diagnosis is also the basis for a rational treatment. Criteria for the diagnosis,
delineated from the "European Union Concerted Action on Risk Assessment in Lyme
Borreliosis: Clinical Case Definitions" should help in the every-day clinical
practice. Antibiotic therapy is reasonable in all stages of Lyme borreliosis and for all
clinical manifestations. The choice of antibiotics depends upon the clinical stage, side
effects, expected compliance and price. For the frequent manifestations of Lyme
borreliosis recommendations are based on results of clinical studies; for the majority of
rare manifestations however the most effective antibiotic treatment (optimal dosage,
duration) has not been exactly determined. Recommendations are given for how to remove an
attached tick. |
EinleitungLyme-Borreliose
ist eine Multisystem-Erkrankung, die durch die Spirochäte Borrelia burgdorferi
sensu lato hervorgerufen wird. Der Begriff B. burgdorferi sensu lato umfaßt
derzeit 10 Lyme-Borrelien-Arten, wovon zumindest drei Krankheitserreger des Menschen sind,
nämlich B. afzelii, B. burgdorferi sensu stricto und B. garinii.
Die frühe Lokalinfektion ist das gewöhnlich um den Zeckenstich
entstehende, für die Erkrankung sehr charakteristische Erythema (chronicum) migrans,
selten begleitet von Allgemeinsymptomen.
Andere, seltenere frühe Manifestationen sind das Borrelien-Lymphozytom und multiple
sekundäre Erytheme.
Frühe dissemminierte Manifestationen betreffen in unseren Breiten
in erster Linie das Nervensystem (Fazialisparese, Meningopolyneuritis
Garin-Bujadoux-Bannwarth), können in seltenen Fällen auch zu atrioventrikulären
Reizleitungsstörungen des Herzens führen.
Alle diese frühen Manifestationen sprechen sehr gut auf eine
antimikrobielle Behandlung an.
Unentdeckte Erytheme, inapparente Zeckenstiche, unbehandelte oder
nicht mit geeigneten Antibiotika behandelte Fälle können späte Erkrankungen entwickeln,
die sich an der Haut (Acrodermatitis chronica atrophicans), an den (meist großen)
Gelenken (Lyme-Arthritis), am Herz oder am Nervensystem manifestieren.
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste von Schild-Zecken
übertragene bakterielle Infektionskrankheit in der nördlichen Hemisphäre. Sie ist in
ganz Österreich endemisch. Infektionen ereignen sich zahlenmäßig ganz überwiegend
während des Erholungsaufenthalts oder während Freizeitaktivitäten im Grünen. Ein
berufliches Risiko besteht selbstverständlich für alle exponierten Personen. Die
Zeckenbefallsquote der Gesamtbevölkerung liegt zwischen 2 und 20%, die
Manifestationsquote der Lyme-Borreliose nach Zeckenstich liegt bei etwa 2%. Die
geschätzte jährliche Fallzahl bewegt sich in Österreich zwischen 10.000 und 30.000.
Angaben über die Anzahl der jährlich wegen Lyme-Borreliose behandelten Fälle in
Österreich legen jedoch nahe, daß die Fallzahl unterschätzt ist. Nach Umfragen von
Marktforschungsinstituten werden durchschnittlich 11 Patienten pro Jahr von praktischen
Ärzten behandelt. Dies würde die geschätzte Fallzahl um etwa eine Zehnerpotenz
vergrößern (Abb. 1).
Abbildung 1: Anzahl wegen
Lyme-Borreliose behandelter Patienten in Österreich (Quelle: Medupha) |
|
bitte hier klicken...
|
|
Diagnostische
Kriterien Die klinischen
Manifestationen der Lyme-Borreliose werden nach Steere [13] in drei Stadien
eingeteilt: frühe lokalisierte Infektionen, frühe disseminierte Infektionen und späte
Manifestationen der Infektion. Frühe lokalisierte Infektionen sind das Erytherna migrans
und/oder das Borrelien-Lymphozytom. Frühe dissemminierte Infektionen sind sekundäre
Hautmanifestationen, Erkrankungen des Nervensystems, des Herzens und der Gelenke. Späte
Manifestationen der Infektion (6 - 12 Monate nach der inititalen Infektion) sind die
chronische Arthritis, chronischer Befall des zentralen und/oder peripheren Nervensystems
und die chronische Hautinfektion Acrodermatitis chronica atrophicans. Dazu können auch
verschiedene andere Organsysteme betroffen sein. Niedergelassene Ärzte und Kliniker
benötigen Kriterien zur Diagnose der Lyme-Borreliose, um nicht in die
verwirrenden Angaben über die Vielfalt der klinischen Manifestationen der Lyme-Borreliose
irn alltäglichen Umgang mit Patienten verstrickt zu werden. Die diagnostischen Maßnahmen
sind bei den frühen Lokalinfektionen wie dem Erythema migrans klinisch (Abb. 2-5), denn
eine Antikörperbildung nach Zeckenstich (subklinischer Verlaut) und/oder behandeltem
Erythem kann viele Wochen beanspruchen bzw. überhaupt ausbleiben.
Abbildung 2: Erythema migrans nach
Zeckenstich am Hals
Abbildung 4: Seit über 4 Wochen sich ausdehnendes
Erythema migrans am Oberschenkel
|
Abbildung 3: Erythema migrans und
Borrelien- Lymphozytom an der Brustwarze
Abbildung 5: Kokardenförmiges Erythema migrans am
Oberschenkel
|
Tabelle 1: Kriterien für die Diagnose der
Lyme-Borreliose
(nach "EUCALB clinical case definitions for Lyme borreliosis", Wien
Klin Wochenschr 1996 [12]) |
ERYTHEMA (CHRONICUM) MIGRANS |
Obligat: |
Sich vergrößernder, rötlicher oder bläulich-roter
Fleck |
Unterstützend:
|
Häufig zentrale Abblassung, Rand deutlich abgesetzt,
intensiver gefärbt aber nicht merklich erhaben, Zeckenstich in der Regel an gleicher
Stelle um die Inokulati- onsstelle lokalisiert oder (selten) disseminiert |
Obligat: |
Keine |
Unterstützend:
|
Kultureller oder Nukleinsäure-Nachweis von B.
burgdorferi aus Hautbiopsie, signifikanter Anstieg spezifischer Antikörper oder
Nachweis von spezifischem IgM |
|
BORRELIEN-LYMPHOZYTOM
(SELTENE MANIFESTATION) |
Klinische Kriterien |
Obligat:
|
Schmerzlose bläulich-rote Knoten oder Plaques,
gewöhnlich an Ohrläppchen, Ohrmuschel, Brustwarze oder Skrotum lokalisiert (häufiger
bei Kindern [insbesondere Ohr] als bei Erwachsenen) |
Unterstützend: |
Gleichzeitig bestehendes oder vorangegangenes EM |
Obligat:
|
Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi
im Serum (IgG und/oder IgM oder signifikanter Anstieg des IgG-Antikörpertiters gegen B.
burgdorferi) |
Unterstützend: |
Histologischer Nachweis eines B-Zell-Pseudolymphoms |
|
ACRODERMATITIS CHRONICA
ATROPHICANS |
Obligat:
|
Lange bestehende rote oder bläulich-rote
Hautveränderung, gewöhnlich an den Streckseiten von Extremitäten. Anfänglich teigige
Hautschwellungen, die später atrophieren. Über Knochenvorsprüngen Hautinduration
möglich |
Obligat:
|
Hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im
Serum oder charakteristischer histologischer Befund und kultureller oder
Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus einer Hautbiopsie |
|
NEUROBORRELIOSE |
Frühe Neuroborreliose |
Klinische Kriterien |
Obligat:
|
Schmerzhafte Meningo-Radikuloneuritis mit oder ohne
Fazialis-Lähmung oder Lähmung anderer Hirnnerven (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom).
Bei Kindern meist Meningitis, isolierte einseitige (manchmal beidseitige)
Fazialis-Lähmung oder Lähmung anderer Hirnnerven |
Unterstützend: |
Gleichzeitig bestehendes oder vorangegangenes EM |
Obligat:
|
Lymphozytäre Pleozytose im Liquor und
Nachweis intrathekal gebildeter spezifischer Antikörper oder kultureller oder
Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus Liquor. (Kurz nach Beginn der
Symptome kann die intrathekale Antikörperbildung u. U. noch nicht nachweisbar sein; bei
sehr kurzer Krankheitsdauer [einigeTage] oder bei Kindern mit isolierter Fazialisparese
kann die Liquorpleozytose fehlen) |
Unterstützend:
|
Spezifische oligoklonale Banden im Liquor;
signifikanter Anstieg spezifischer Antikörper im Serum |
|
CHRONISCHE NEUROBORRELIOSE
(SEHR SELTEN) |
Klinische Kriterien |
Obligat:
|
Lange bestehende Enzephalitis, Enzephalomyelitis,
Meningoenzephalitis, Radikulomyelitis |
Obligat:
|
Nachweis intrathekal gebildeter spezifischer
Antikörper und Lymphozytäre Pleozytose im Liquor und Nachweis von Antikörpern gegen B.
burgdorferi im Serum |
Unterstützend: |
Spezifische oligoklonale Banden im Liquor |
|
LYME-KARDITIS |
Klinische Kriterien |
Obligat:
|
Akut einsetzenderAV-Block (II.-III. Grades),
Rhythmusstörungen, manchmal Myokarditis oder Pankarditis (Eine Zeckenexposition wird
vorausgesetzt, unabhängig davon, ob ein Zeckenstich nachweislich vorausgegangen ist) |
Unterstützend: |
Gleichzeitig bestehendes oder vorangegangenes EM |
Obligat:
|
Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern gegen B.
burgdorferi im Serum oder Nachweis eines signifikanten Anstiegs von
IgG-Antikörpern gegen
B. burgdorferi oder kultureller Nachweis oder
Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus einer Herzbiopsie |
|
LYME-ARTHRITIS |
Klinische Kriterien |
Obligat:
|
Wiederkehrende kurze Attacken von objektiver
Gelenksschwellung in einem oder wenigen großen Gelenken, gelegentlich zu chronischer
Arthritis führend und Vorgeschichte einer anderen Manifestation der
Lyme-Borreliose während des vorausgegangenen Jahres und Ausschluß anderer Ursachen der
klinischen Symptomatik. Wiederkehrende kurze Attacken von objektiver Gelenksschwellung in
einem oder wenigen großen Gelenken, gelegentlich zu chronischer Arthritis führend ohne
Vorgeschichte einer gesicherten klinischen Manifestation der Lyme-Borreliose |
Obligat:
|
Hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im
Serum; hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im Serum und
kultureller oder Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus
Synovialflüssigkeit und/oder Synovia |
|
Eine wertvolle Unterstützung der Diagnose durch das Laboratorium
erfolgt ab den frühen dissemminierten Infektionen, und diese beruht gewöhnlich auf dem
Nachweis von spezifischenAntikörpern der IgG- und IgM-Klasse in Serum und/oder Liquor
cerebrospinalis sowie Gelenksflüssigkeit. Der Antikörpernachweis, die serologische
Diagnostik erfolgt am besten mit ELISA, mit dem nach spezifischen IgM- und
IgG-Antikörpern gefahndet wird. Der Immunoblot (lgG, IgM) dient als Bestätigungstest.
Ein großes Problem der serologischen Diagnostik ist die Vielzahl der im Handel
verfügbaren Tests, die verschiedene Borrelienstämme als Antigen verwenden und
unterschiedliche Grenzwerte (cut off) definieren. Für die Praxis bedeutet das, daß mit
ein und derselben Probe in verschiedenen Laboratorien mitunter unterschiedliche Ergebnisse
erzielt werden. Es wird daher nachdrücklich empfohlen, die Testergebnisse stets mit der
vorliegenden Erkrankung in Beziehung zu setzen. Denn eine Antibiotika-Therapie ist auch
dann indiziert, wenn die klinische Diagnose Erythema migrans lautet und der Patient
seronegativ ist, was beim Erytherna migrans überwiegend der Fall ist. Andererseits sind
regelmäßig Zecken-exponierte gesunde Personen, wie zum Beispiel Forstarbeiter, in einem
viel höheren Prozentsatz seropositiv aIs die übrige Bevölkerung.
Bei Verdacht auf Neuroborreliose wird die Untersuchung eines
Liquor/Serum-Paares dringend empfohlen. Der positive Antikörpernachweis im Serum ist
nicht eindeutig, denn er kann Ausdruck einer klinisch manifesten oder einer
zurückliegenden, ausreichend behandelten und spontan ausgeheilten Infektion sein. Der
signifikante Abfall der Antikörperkonzentration ist auch nach klinisch erfolgreicher
Therapie erst nach mehreren Monaten zu erwarten.
Die Unterstützung / Bestätigung der Diagnose durch
Ergebnisse von Laboratoriums-Untersuchungen wird, mit Ausnahme des klinisch zu
diagnostizierenden Erythema (chronicum) migrans, für alle Manifestationen
benötigt. Zu den Möglichkeiten gehören der direkte Nachweis
von Borrelien durch Anzüchtung (Kultur), Antigennachweis, Nachweis von
Borrelien-Nukleinsäuresequenzen, sowie der indirekte Nachweis der
Borrelien-Infektion mittels Antikörpernachweisverfahren wie
Immunfluoreszenztests, Enzyme Immuno Assays (EIA) und Westernblot.
Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß die zahlreich
angebotenen Testsysteme nicht aufeinander abgestimmt und nicht durch eine zentralisierte
Evaluierungsstelle für Europa geprüft worden sind und daher insbesondere indirekte
Nachweisverfahren unterschiedlichste Ergebnisse bringen und den praktisch/klinisch
tätigen Arzt sowie den Patienten verwirren können. Die Glorifizierung der
Polymerase-Kettenreaktion für die spezifische Diagnostik der Lyme-Borreliose und von
anderen Infektionskrankheiten ist bisher nur Vorschuß-Lorbeer.
An einer Standardisierung der Testverfahren wird aktuell in Europa
und durch intensive Zusammenarbeit von Mitgliedern der medizinisch-mikrobiologischen
Fachgesellschaften aus Deutschland und Österreich gearbeitet; Richtlinien sind im Druck.
Allen praktisch/klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten wird
empfohlen, das Untersuchungsmaterial für die Laboratoriumsdiagnose der Lyme-Borreliose
nur an ein Laboratorium zu senden, das interne Kontrollen durchführt und die Ergebnisse
auch verläßlich nach dem Stand des Wissens interpretieren kann.
In Tabelle 1 sind die Diagnose-Kriterien angeführt einschließlich
der nötigen Laboratoriums-Untersuchungen, um zu einer spezifischen Diagnose zu finden. |
Empfehlungen
zur antimikrobiellen Behandlung Niedergelassene
Ärzte und Kliniker brauchen ebenso Vorschläge zur korrekten Behandlung der
Lyme-Borreliose. Die im Umlauf befindlichen Therapie-Vorschläge sind zahlreich.
Tabelle 2: Empfehlungen für die
antimikrobielle Behandlung der Lyme-Borreliose |
- |
Antimikrobielle Behandlung der frühen
Lyme-Borreliose |
Manifestation |
Antibiotikum |
Verabreichung |
Tagesdosis
Erwachsene |
Kinder |
Dauer (Tage) |
Kontraindikationen |
|
Erythema migrans,
Borrelien-
Lymphozytom
|
Phenoxy-
methylpenicillin |
oral
|
3 x 1-1,5
MIE/Tag |
0,1-0,15
MIE/kg |
14 (10-30)
|
Allergie
|
oder |
|
|
|
|
|
Amoxicillin |
oral |
3 x 500-1000 mg |
20-50 mg/kg |
14 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Azithromycin
|
oral
|
2 x 500 mg
1 x 500 mg |
20 mg/kg
10 mg/kg |
1. Tag
4 Tage |
Allergie
|
oder |
|
|
|
|
|
Ceruroxim |
oral |
2 x 500 mg |
30-40 mg/kg |
14 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Doxycyclin
|
oral
|
2 x 100 mg
|
|
14 (10-30)
|
Kinder, Schwangere, Stillen,
Allergie |
|
MIE = Million internationale Einheiten |
Antimikrobielle Behandlung der disseminierten
und chronischen Lyme-Borreliose |
Manifestation |
Antibiotikum |
Verabreichung |
Tagesdosis
Erwachsene |
Kinder |
Dauer (Tage) |
Kontraindikationen |
|
Neuroborreliose
Frühe und späte |
Certriaxon |
i.v. |
2 g |
50-100 mg/kg |
14 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Penicillin G |
i.v. |
20 MIE |
0,25-0,5 MIE/kg |
14 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Doxycyclin *
|
oral
|
2 x 200 mg
|
|
28 (14-30)
|
Kinder, Schwangere
Stillen, Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Amoxicillin * |
oral |
3 x 0,5-1 g |
20-50 mg/kg |
28 (14-30) |
Allergie |
|
Kardioborreliose |
Doxycyclin
|
oral
|
2 x 200 mg
|
|
28 (14-30)
|
Kinder, Schwangere Stillen,
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Amoxicillin |
oral |
3 x 0,5-1 g |
20-50 mg/kg |
28 (14-30) |
Allergie |
|
Arthritis
intermittierend
oder chronisch |
Doxycyclin
|
oral
|
2 x 100-200 mg
|
|
21 (10-30)
|
Kinder, Schwangere,
Stillen, Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Amoxicillin |
oral |
3 x 0,5-1 g |
20-50 mg/kg |
21 (10-30) |
Allergie |
|
Acrodermatitis
chronica
atrophicans |
Certriaxon |
i.v. |
2 g |
50-100 mg/kg |
21 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Penicillin G |
i.v. |
20 MIE |
0,25-0,5 MIE/kg |
21 (10-30) |
Allergie |
oder |
|
|
|
|
|
Doxycyclin
|
oral
|
2 x 200 mg
|
|
28 (10-30)
|
Kinder, Schwangere Stillen,
Allergie |
|
* Ausnahmefälle: Penicillinallergie oder
isolierte Fazialisparese und negativer Liquor |
|
|
Sie stammen zum Teil aus den auch über das Internet zugänglichen
Empfehlungen durch einzelne oder Gruppen, die sich Behandlungsschemata zurechtgelegt
haben, die nicht auf den Ergebnissen korrekt durchgeführter Therapiestudien beruhen.
Die Auswahl und Dosierung einer medikamentösen Behandlung soll
heute in allen Bereichen der Humanmedizin auf der Grundlage von Daten stehen, die in
korrekt durchgeführten klinischen Studien mit einer statistisch entsprechenden Anzahl von
Probanden ermittelt worden sind. Diese "evidence based medicine" kommt um so
plausibler zum Tragen, wenn es sich um die Behandlung von Erkrankungen handelt, deren
Ursachen klar definiert sind, wie das bei Infektionskrankheiten zumeist der Fall ist. Die
Ergebnisse zahlreicher korrekt durchgeführter Therapiestudien liegen vor und ermöglichen
es, Therapieempfehlungen zur Behandlung der verschiedenen Krankheitserscheinungen der
Lyme-Borreliose zu geben, die nicht auf der ungeprüften Meinung einzelner oder von
Gruppen beruhen.
Die verläßliche Diagnose ist die Grundlage der korrekten und
zielführenden Behandlung. Bei der Lyme-Borreliose läßt sich jede Manifestation in jedem
Stadium mit Antibiotika behandeln, wobei klar ist, daß der Erfolg der Behandlung bei
frühzeitigem Beginn und bei den frühen Manifestationen am größten ist.
Das Antibiotikum zur Behandlung der Lyme-Borreliose gibt es nicht.
Die Auswahl richtet sich nach der Art der klinischen Manifestation und nach den
Voraussetzungen der Patienten hinsichtlich bestehender anderer Erkrankungen und
Therapietreue (Compliance). Letztere ist selbstverständlich am größten, wenn die
Behandlung nicht zu lange dauert.
Da manche Manifestationen nur selten beobachtet werden, existieren
für die Behandlung dieser nur Erfahrungswerte aus Einzelbeobachtungen. Der in den letzten
Jahren entstandene Trend zur Langzeitbehandlung ist offensichtlich durch Empfehlungen
einzelner Therapeuten sowie durch die Erfahrung von Therapieversagern bei zum Teil nicht
einwandfrei als Lyme-Borreliose identifizierten Fällen entstanden. Dabei wird
selbstverständlich nicht in Abrede gestellt, daß es Therapieversager gibt, die vor allem
durch den Nachweis der Persistenz von Borrelien in verschiedenen Geweben bedingt sind.
Über Therapieversager liegen Einzelberichte vor, das gesamte Ausmaß "echter
Therapieversager" ist nicht bekannt, selbstverständlich mit Ausnahme derjenigen
Fälle, bei denen eine irreversible Gewebsschädigung vorliegt, wie z.B. bei jahrelang
bestandener Acrodermatitis chronica atrophicans oder bei einer Propagation des
Krankheitsprozesses durch Autoimmunprozesse (chronische Lyme-Arthritis).
Der häufigste Grund für ein Versagen der Therapie ist jedoch die
falsche Diagnose, die sich nur auf den positiven serologischen Befund stützt (vor allem
falsch positives IgM findet sich bei manchen im Handel erhältlichen Testsystemen
regeImäßig und wird - bei negativem IgG - als "persistierendes" IgM mit
Behandlungsempfehlung interpretiert) und den Therapieerfolg nur an der Änderung des
Antikörper-Titers mißt. In Tabelle 2 sind Art, Dosis und Verabreichungsdauer derjenigen
Antibiotika angeführt, die in klinischen Studien geprüft worden sind oder sich bei der
Behandlung von chronischen Manifestationen bewährt haben [1, 3-10, 14-16]. |
Zeckenentfernung Die Lyme-Borreliose wird von Schildzecken der Gattung Ixodes
übertragen. Angaben über andere Überträger der Lyme-Borreliose wie
blutsaugende oder beißende Insekten sind spekulativ und entbehren bisher einer
wissenschaftlichen Grundlage.
Die Lyme-Borreliose in den USA hat zum Teil deutlich andere
Prävalenzen als in Europa und Eurasien; dort empfohlene Maßnahmen können nicht ohne
weiteres hier angewendet werden.
Auffällig sind auch die Unterschiede in der Dauer der Anhaftung von
Zecken, die für die Übertragung der Borrelien nötig ist. Während Studienergebnisse aus
den USA zeigen, daß durch Ixodes scapularis (Hauptüberträger der
Lyme-Borreliose in den USA) erst nach einer Saugzeit von mindestens 48 h Borrelien
übertragen werden [11], so findet man mit Ixodes ricinus bereits nach einigen
Stunden Borrelien in den Wirtstieren [2].
Aufbringen von Öl, Cremen, azetonhältigen
Substanzen wie Nagellack / Klebstoff auf anhaftende Zecken oder Quetschen und Herausdrehen
der Zecken erhöht das Infektionsrisiko nicht [2]. Völlig abzulehnen ist
aber das Abbrennen von Zecken, da es zu schweren Verletzungen führen kann.
Es versteht sich allerdings von selbst, daß Zecken am
einfachsten mittels einer geeigneten Pinzette aus der Haut gezogen werden. Dabei
sollen die Zecken so nah der Haut wie möglich gefaßt und ohne zu reißen herausgezogen
werden. Die Einstichstelle sollte idealerweise danach mit sterilem Alkohol betupft werden.
An schwer zugänglichen oder sehr empfindlichen Hautbereichen haftende Zecken (zum
Beispiel Genitalbereich, Gehörgang oder Augenlider, Bindehaut) sollen nicht durch den
Patienten selbst sondern durch den Arzt / Facharzt, manchmal sogar unter
mikroskopischer Hilfe, entfernt werden.
Eine antimikrobielle Behandlung von Zeckenstichen wird nicht
empfohlen. |
Literatur 1. Herzer P.: "Therapy of joint manifestations." In: Weber K.,
Hurgdorfer W., Schierz G. (eds): Aspects of Lyme borreliosis. Springer, Herlin Heidelberg,
(1993) 340-343.
2. Kahl 0., Janetzki-Mittmann C., Gray J.S., Jonas R., Stein J., de
Hoer R.: "Risk of infection with Borrelia burgdorferi sensu lato for a host in
relation to the duration of nymphal Ixodes ricinus feeding and the method of tick
removal." Zentralbl. Hakteriol. 287 (1998) 41-52.
3. Kristoferitsch W., Haumhackl U., Sluga E., Stanek G., Zeiler K.:
"High-dose penicillin therapy in meningopolyneuritis Garin-Hujadoux-Hannwarth;
clinical and cerebrospinal fluid data." Zbl. Hakt. Hyg. A 263 (1986) 357-364.
4. Maraspin V., Cimperman J., Lotric-Furlan S., Pleterski-Rigler D.,
Strle F. : " Treatment of erythema migrans in pregnancy." Clin. Infect. Dis. 22
(1996) 788-793.
5. Maraspin V., Lotric-Furlan S., Cimperman J., Ruzic-Sabljic E.,
Strle F. : "Erythema migrans in the immunocompromised host." Wien. Klin.
Wochenschr. (1999) in press.
6. Mayer-Berger W., Van der Linde M.R., Hassler D.: " Therapy
of Lyme carditis." In: Weber K., Burgdorfer W., Schierz G. (eds): Aspects of Lyme
borreliosis. Springer, Berlin Heidelberg, (1993) 344-349.
7. Millner M.M., Müllegger R.R., Spork K.D., Stanek G.: "Lyme
borreliosis of central nervous system in children: a diagnostic challenge." Infection
9 (1991) 273-278.
8. Nadelman R.B., Wormser G.P.: "Lyme borreliosis." Lancet
352 (1998) 557-565.
9. Neumann R., Aberer E., Stanek G.: " Treatment and course of
erythema chronicum migrans." Zbl. Bakt. Hyg. A 263 (1986) 372-376.
10. Pfister H.W., Kristoferitsch W., Skoldenberg B.: "Therapy
of Lyme neuroborreliosis." In: Weber K., Burgdorfer W., Schierz G. (eds): Aspects of
Lyme borreliosis. Springer, Berlin Heidelberg, (1993) 328- 339.
11. Piesman J., Mather T.N., Sinsky R.J., Spielman A.: "
Duration of tick attachment and Borrelia burgdorferi transmission." J. Clin.
Microbiol. 25 (1987) 557-558.
12. Stanek G., O'Connell S., Cimmino M., Aberer E., Kristoferitsch
W., Grandstrom M., et al.: "European Union concerted action on risk assessment in
Lyme borreliosis: clinical case definitions for Lyme borre liosis." Wien. Klin.
Wochenschr. 108 (1996) 741-747.
13. Steere A.C.: "Lyme disease."N. Engl. J. Med. 321
(1989) 586-596.
14. Strle F.: "Principles of Diagnosis and Treatment of Lyme
borreliosis Ljubljana." Wien. Klin. Wochenschr. (1999) in press.
15. Strle F., Maraspin V., Lotric-Furlan S., Ruzic-Sabljic E.,
Cimperman J.: "Azithromycin and doxycycline for treatment of Borrelia
culture-positive erythema migrans." Infection 24 ( 1996) 66- 70.
16. Weber K. : " Therapy of cutaneous manifestations." In:
Weber K., Burgdorfer W., Schierz G. (eds): Aspects of Lyme borreliosis. Springer, Berlin
Heidelberg, (1993) 312-327. |
Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. Gerold Stanek
Klinisches Institut für Hygiene der Universität Wien
A-1095 Wien, Kinderspitalgasse 15 |
zurück zum Inhalt |