Makrolid-Antibiotika in der Pädiatrie

J.P. Guggenbichler
Klinik mit Poliklinik für Kinder und Jugendliche der Universität ErlangenlNürnberg
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. W. Rascher)


Seit der Entdeckung von Erythromycin 1952 nimmt diese Gruppe infolge der guten Verträglichkeit und des breiten Spektrums eine immer wichtigere Stellung in der Pädiatrie ein. Josamycin hat zusätzlich noch den wesentlichen Vorteil einer ausgezeichnet wohlschmeckenden Kinderform.

Die Makrolide wirken gegen grampositive und gramnegative Kokken, zellwandlose Keime (Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia pneumoniae/trachomatis, Ureaplasma urealyticum) und Legionellen. Die Wirksamkeit gegen Haemophilus influenzae ist mäßig, allerdings finden sich durch die gute Penetrationsfähigkeit am Wirkort z.B. in der Epitheliallinine fluid (ELF) oft hohe Konzentrationen, die um das 4- bis 10-fache über den MHK-Werten liegen.

Für das 16-gliedrige Makrolid Josalid gibt es neue Erkenntnisse über eine bessere Wirksamkeit bei resistenten Pneumokokken- und Streptococcus pyogenes-Stämmen.

Ein zusätzlicher günstiger Effekt von Makrolid-Antibiotika ist die schnelle Besserung der mukoziliären Clearance, das heißt, die Viskosität des
Schleimteppichs wird vermindert bzw. normalisiert. Die Elastizität und die Menge des Sputums nehmen ab, gleichzeitig sinken die Entzündungsmarker. Makrolide haben auch antientzündliche Eigenschaften, die Wirk
mechanismen sind noch nicht gänzlich bekannt.

Im Gegensatz zu den Betalaktamen, bei denen die Anreicherung am Wirkort über hohe Konzentrationen im Serum erfolgt, findet man bei Makroliden niedrige Serumspiegel, durch starke Anreicherung im Gewebe entstehen jedoch hohe Konzentrationen am Wirkort. Zwischen den einzelnen Makroliden gibt es große pharmakokinetische Unterschiede. Die Messung der Resorption wird durch starke metabolische Vorgänge und schnelle Umlagerung ins Gewebe erschwert, die Konzentrationen an den Wirkorten sind überhaupt erst seit kurzer Zeit messbar.

Die gern zitierte Ratio zwischen Serum- und Gewebskonzentrationen ist oft irreführend. Bei dieser Berechnung führt eine niedrige Serumkonzentration, verursacht durch schlechte Resorption, zu einer gut aussehenden Ratio. Entsprechend dieser Tatsache sollten zur Interpretation der Tauglichkeit eines Makrolid-Antibiotikums daher besser die gemessenen Gewebskonzentrationen bzw. die Bioverfügbarkeit herangezogen werden.

Ein spezielles Problem ist die Beantwortung der Frage, warum ein Mensch, der sein Leben lang physiologisch mit Pneumokokken besiedelt
ist, plötzlich an einer Pneumokokkeninfektion erkrankt. Der Grund dafür ist wahrscheinlich eine durch virale
Infektionen ausgelöste Schwächung
der unspezifischen Abwehr. Dabei kommt es zur Blockierung der Zilientätigkeit, zur Störung der mukoziliären Clearance, zu einer Änderung
der Viskosität und der Adhärenzfaktoren - an einer virusinfizierten Epithelzelle haften um das Vielfache mehr Keime als an einer gesunden
Zelle. Diese und andere Vorgänge führen zur Überwucherung durch die Pathogene. Pneumokokken können nach Adhärenz ausgesprochen schnell in die Tiefe eindringen und ein hochakutes Krankheitsbild verursachen.

Die antimikrobielle Behandlung der Mittelohrentzündung ist ein zur Zeit strittiges Thema. Bei Erwachsenen profitiert nur ein Teil von der Antibiotikagabe. Die Frage, ob Antibiotika bei Otitis media sinnvoll sind, wird daher immer wieder diskutiert. Bei Kindern gelten jedoch andere Regeln. Bis zum dritten Lebensjahr sollte man, um gefährliche Komplikationen wie Mastoiditis zu vermeiden, bei Mittelohrentzündungen unbedingt ein Antibiotikum verabreichen. Bei älteren Kindern kann man durchwegs 24 bis 36 Stunden zuwarten, allerdings muss dann nach spätestens 36 Stunden nachkontrolliert und die Entscheidung bestätigt oder revidiert werden. Wird eine Entscheidung zur Antibiotikagabe getroffen, sind Makrolide wie Josamycin, Roxithromycin oder Clarithromycin zur Therapie gut geeignet. Bei Tonsillitis können Makrolide ebenfalls eingesetzt werden, obwohl diese Infektion sicher optimal mit Penicillin zu behandeln ist. Penicillin wirkt am schnellsten, das Kind sollte innerhalb von 24 Stunden entfiebern. Unter Makroliden dauert es etwas länger, besonders mit Azithromycin - hier kann der Heilungsprozess deutlich verzögert sein.

Ein Problem ist die Möglichkeit der Resistenzinduktion. Nach etwa 14-16 Tagen Kontakt mit Makroliden in subinhibitorischen Konzentrationen
kommt es bei vielen Bakterien zur Entwicklung einer Resistenz. Zwar verlieren diese Keime in Antibiotika-freier Umgebung diese sehr rasch
wieder, entwickeln aber bei neuerlicher Gabe von Makroliden viel schneller wieder einen Resistenzmechanismus. Glücklicherweise werden so lange anhaltende, subinhibitorische Konzentrationen nur von einem Makrolid mit extrem hoher Halbwertszeit - wie z.B. Azithromycin - verursacht.

Die beiden häufigsten Erreger von Infekten der unteren Atemwege können auch nach ihrem klinischen Erscheinungsbild unterschieden werden. Pneumokokken teilen sich alle 12 - 15 Minuten, die Krankheit beginnt daher abrupt; Mykoplasmen teilen sich alle 4-6 Stunden, der Beginn der Infektion verläuft protrahiert. Mykoplasmen verursachen eine terminale Bronchiolitis mit Obstruktion des zugehörigen Alveolarbaumes und eingeschränktem bis abgeschwächtem Atemgeräusch und eine Volumsverminderung - Pneumokokken hingegen verursachen eine akute Alveolitis mit hochfebrilem Zustandsbild.

Neue Studien zeigen, dass bei den für virale Infekte typischen, obstruktiven Pneumonien in einem hohen Prozentsatz Mykoplasmen bzw. Chlamydien beteiligt sind. Aus diesem Grund und auch um bakterielle Superinfektionen zu vermeiden, ist man durchaus berechtigt, auch bei Viruspneumonien ab dem dritten bis vierten Tag Makrolide zu geben. Bordetella pertussis, der Erreger des Keuchhustens, spricht ebenfalls auf Makrolide an.

Makrolide sind in der Kinderheilkunde sehr hoch geschätzte und gern eingesetzte Antibiotika. Die neuen Ergebnisse bezüglich der besseren Wirksamkeit des 16-gliedrigen Makrolids Josamycin bei resistenten Erregern sind sehr interessant und werden zu einer Neubewertung dieses speziellen Makrolids führen.

 

Anschrift des Referenten:
Univ.-Prof. Dr. J. Peter Guggenbichler
Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
D-91054 Erlangen, Loschgestraße 15
E-Mail: prof.guggenbichler@iname.com

 

Redaktionell bearbeitet*

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