Phänotypen und genetische Marker der Makrolid-Resistenz von Viridans-Streptokokken, isoliert aus Blutkulturen

C. Jebelean, L. BindeI, R. Watschinger, M. Haditsch, A. Bocksrucker, H. Mittermayer
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen Linz
Nationales Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. H. Mittermayer)



Kurzfassung

Ziele
In dieser Studie haben wir die Empfindlichkeit von 106 Viridans-Streptokokken gegenüber Clindamycin und 5 Makrolid-Antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin und Josamycin) getestet. Die Erythromycin-resistenten Stämme wurden weiter auf Phänotypen und genetische Marker der Makrolid-Resistenz untersucht.

Methoden
Die Bakterien wurden in unserem Labor in den letzten 8 Jahren aus Blutkulturen isoliert und mit API 20 STREP (bioMérieux) identifiziert. Es
fanden sich 40 S. mitis, 25 S. sanguis,
11 S. salivarius, 5 S. milleri und 25 Stämme anderer Spezies. Für die Resistenztestung wurde die Agardilutions-Methode nach NCCLS angewendet. Der MLSB- oder M-Phänotyp wurde mit einem Doppel-Blättchen-Test untersucht. Die erm-oder mef-Gene wurden mittels PCR nachgewiesen.

Ergebnisse
Von den 106 Viridans-Streptokokken waren 25 (24%) Erythromycin-resistent. Bei diesen fanden wir im Doppel-Blättchen-Test 14-mal den Phänotyp M und 11-mal den Phänotyp MLSB. Mit der PCR fanden wir 12-mal das mef-Gen, 9-mal das erm-Gen und 4-mal keines der gesuchten
Gene. Von 25 Erythromycin-resistenten Stämmen zeigten nur 6 Stämme eine MHK von Clarithromycin und Azithromycin im empfindlichen Bereich, jedoch 19 zeigten sich Josamycin-empfindlich mit einer MHK von 1 µg/ml.

Schlussfolgerung
Wir fanden eine Prävalenz der Makrolid-Resistenz von 24% im untersuchten Material. Die M- und MLSB-Phänotypen waren gleich häufig repräsentiert. Außer den beschriebenen mef- und erm-Genen müssen noch andere Resistenzdeterminanten existieren. Von den 5 getesteten Makrolid-Antibiotika zeigte Josamycin die bessere Aktivität.



Einleitung

Makrolid-Antibiotika, die als Muttersubstanz Erythromycin haben, sind eine wichtige Alternative bei der Therapie und Prophylaxe von Streptokokken-Infektionen für Patienten mit einer Allergie gegen Penicillin und andere Betalaktam-Antibiotika. Bei Viridans-Streptokokken ist die Prophylaxe der infektiösen Endokarditis ein klassisches Beispiel dafür.

Die Erythromycin-Resistenz bei den Streptokokken kann nach einer ribosomalen Änderung durch eine Methylase, die von einem erm-Gen gesteuert wird, oder durch ein Effluxsystem, das von einem mef-Gen gesteuert wird, entstehen. Das erm-Gen kodiert die Erythromycin-Resistenz und eine konstitutive oder induzierbare Resistenz gegen Clindamycin und Streptogramine B (MLSB-Resistenz), wohingegen das mef-Gen nur eine Erythromycin-Resistenz kodiert (M-Resistenz) [1, 2, 3, 4]. Das Efflux-System betrifft nur 14- und 15-gliedrige Makrolide, nicht aber 16-gliedrige wie Josamycin. Beim Vorhandensein des erm-Gens ist eine Kreuzresistenz aller Makrolide zu erwarten. Beim Vorhandensein des mef-Gens betrifft die Kreuzresistenz nur 14- und 15-gliedrige Makrolide, jedoch nicht 16-gliedrige wie Josamycin.

In den letzten Jahren wurden die 2 Resistenzmuster in unterschiedlichem Ausmaß bei ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppen A, B
und C, bei S. pneumoniae und neuerlich auch bei vergrünenden Streptokokken beschrieben [5].

Viele dieser Resistenz-Gene zeigen bei Streptokokken große Ähnlichkeiten, die auf mögliche Rekombinationen zwischen den Spezies hindeuten. So zeigt z.B. das mef-Gen der Pneumokokken nur einen Basen-Paar-Unterschied zum mef-Gen von S. mitis.

Ziele
In dieser Studie haben wir die Empfindlichkeit von 106 Stämmen von vergrünenden Streptokokken, die aus Blutkulturen isoliert wurden, gegenüber Clindamycin und 5 Makrolid-Antibiotika getestet: Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin (14-gliedriger Laktonring), Azithromycin (15-gliedriger Laktonring), und Josamycin (16-gliedriger Laktonring).

Die Erythromycin-resistenten Stämme wurden weiter hinsichtlich ihrer Phänotypen und genetischen Marker der Makrolid-Resistenz untersucht.

 

Materialien und Methoden

Die Bakterien wurden in unserem Labor in den letzten 8 Jahren aus Blutkulturen isoliert und mit dem System API 20 STREP (bioMérieux) identifiziert. Es waren 40 S. mitis, 25 S. sanguis, 11 S. salivarius, 5 S. milleri und 25 Stämme anderer Spezies.

Für die Resistenztestung wurde die Agardilutions-Methode nach NCCLS angewendet.

Als Nährboden wurde Mueller-Hinton-Agar mit 5% Schafblut-Zusatz und ansteigender Konzentration der gewählten Antibiotika (Clindamycin, Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin, Josamycin) hergestellt. Eine 1/10-Verdünnung einer Suspension, entsprechend einer Trübung von 0,5 McFarland, wurde mit einem "Multipoint Inokulator" auf die Platten aufgebracht. Die Platten wurden 20-24 Stunden bei 37°C aerob bebrütet.

Für die Interpretation wurden die laut NCCLS [6] empfohlenen Grenzwertkonzentrationen angewandt und für Josamycin und Roxithromycin die von dem Comité de l' Antibiogramme de la Société Française de Microbiologie empfohlenen Grenzwerte (Tabelle 1) [7].

Tabelle 1: National Committee for Clinica1 Laboratory Standards: Grenzwerte für Streptococcus spp. (andere als S. pneumoniae), Doc. M100-S11, Jänner 2001

Antibiotikum
Empfindlich
Mäßig empfindlich
Resistent
Tetrazyklin
2
4
8
Clindamycin
0,25
0,5
1
Erythromycin
0,25
0,5
1
Clarithromycin
0,25
0,5
1
Azithromycin
0,5
1
2
Roxithromycin*
1
-
> 4
Josamycin*
2
-
> 8
* Grenzwerte des Comité de I' Antibiogramme de la Société Française de Microbiologie

Der MLSB- oder M-Phänotyp wurde mit einem Doppel-Blättchen-Test untersucht. Erythromycin (15 µg)- und Clindamycin (2 µg)-Testblättchen
wurden 20 mm voneinander entfernt auf einem mit Streptokokken beimpften MH-Blutagar-Nährboden aufgebracht. Die Platten wurden nach
18-24 Stunden Inkubation abgelesen. Im Falle eines induzierbaren Resistenzmusters zeigte sich eine Abflachung des Clindamycin-Hemmhofes
in der Nähe des Erythromycin-Blättchens.
Die erm- oder mef-Gene wurden mit Hilfe einer PCR-Methode nachgewiesen.

In aller Kürze:

Für die Nukleinsäure-Extraktion wurde 1 ml einer über Nacht bebrüteten Bakteriensuspension 5 min bei 13.000 rpm zentrifugiert und das Pellet in 75 µl TES Puffer (20 mM TRIS pH 8, 10 mM EDTA pH8, 25% Saccharose) gelöst. Nach Zugabe von 25 µl (80 mg/ml) Lysozym wurde 1 Stunde bei 37°C inkubiert. Anschließend wurde eine Extraktion mit Säulchen der Firma QIAgen durchgeführt. Die PCR zum Nachweis der mef-, erm- und ermTR-Gene erfolgte mit der von Sutcliffe et al. [8] beschriebenen Methode. Der Restriktionsverdau zur Bestätigung der Amplifikation des ermTR-Gens wurde wie von Seppälä et al. [9] beschrieben durchgeführt.

 

Ergebnisse und Diskussion

Von den 106 Stämmen vergrünender Streptokokken waren 25 (24%) Erythromycin-resistent. Wie auch in einer anderen Untersuchung [10], die
eine größere Zahl an Stämmen umfasste, zeigt sich ein deutlicher Resistenz-Anstieg in den Jahren 1997 -1999 im Vergleich zu den Jahren 1994-1996 (Tabelle 2 und Diagramm 1).

Tabelle 2: Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von Viridans-Streptokokken

Jahre
Anzahl Stämme
Ery-res.
% Ery-res.
1994-1996
33
4
12
1997
17
7
41
1998
29
7
24
1999
26
7
27

 

Diagramm 1: Prävalenz der Erythromycin-Resistenz von Viridans-Streptokokken

In Diagramm 2 ist die Prävalenz der Erythromycin-Resistenz bei den untersuchten vergrünenden Streptokokken nach Spezies dargestellt.

Diagramm 2: Prävalenz der Erythromycin-Resistenz nach Spezies

Mit dem Doppel-Blättchen-Test fanden wir 14-mal den Phänotyp M und 11-mal den Phänotyp MLSB. Mit der PCR-Methode fanden wir 12-mal das mef -, 9-mal das erm-Gen und 4-mal keines der beiden Gene. Diese letzten 4 Stämme zeigten 2-mal einen MLSB-Phänotyp und 2-mal einen M-Phänotyp (Tabelle 3 und 4).

Tabelle 3: Verteilung der Makrolidresistenztypen bei verschiedenen Spezies

Spezies
Anzahl St.
ermAM
ermTR
mef
Andere
S. mitis
13
5
0
7
1
S. salivarius
5
0
0
5
0
S. sanguis
5
2
0
0
3
S. milleri
1
1
0
0
0
S. bovis
1
1
0
0
0
Total (%)
25
9 (36)
0
12 (48)
4 (16)

 

Tabelle 4: Verhalten der Erythromycin-resistenten Stämme gegenüber anderen Makrolid-Antibiotika

Spezies
ERY
CLARI
ROXI
AZI
JOSA
CLINDA
GENE
PHÄNOTYP
S. bovis
4
2
8
4
> 8
2
erm
MLSB
S. milleri
4
2
8
2
> 8
2
erm
MLSB
S. mitis
4
1
2
4
0,12
256
erm
MLSB
S. mitis
1
1
2
2
1
2
erm
MLSB
S. mitis
4
2
8
4
0,5
2
erm
MLSB
S. mitis
0,5
0,25
0,5
0,5
0,25
2
erm
MLSB
S. mitis
4
0,06
4
0,06
0,06
4
erm
MLSB
S. sanguis
4
2
8
4
> 8
2
erm
MLSB
S. sanguis
4
2
8
2
> 8
2
erm
MLSB
S. mitis
2
1
4
4
0,06
0,06
mef
M
S. mitis
4
2
8
4
0,06
0,12
mef
M
S. mitis
4
2
4
2
0,03
0,06
mef
M
S. mitis
1
0,06
1
0,5
0,06
0,12
mef
M
S. mitis
1
0,25
0,25
0,5
0,03
0,06
mef
M
S. mitis
1
1
2
1
0,06
0,06
mef
M
S. salivarius
2
2
4
4
0,06
0,06
mef
M
S. salivarius
1
0,25
1
0,12
0,03
0,06
mef
M
S. salivarius
4
2
4
4
0,03
0,06
mef
M
S. salivarius
4
2
8
4
0,06
0,06
mef
M
S. salivarius
2
2
4
2
0,06
0,06
mef
M
S. mitis
1
0,25
2
0,5
0,03
0,25
mef
M
S. mitis
4
2
8
4
> 8
2
andere
MLSB
S. sanguis
4
2
8
4
> 8
256
andere
MLSB
S. sanguis
4
2
8
2
0,12
0,06
andere
M
S. sanguis
4
2
8
2
0,12
0,06
andere
M

Auch mit den ermTR-Primem (beschrieben von Seppälä et al. [9]) konnten wir das entsprechende Gen nicht nachweisen.

Das Verhalten der Erythromycin-resistenten Stämme gegenüber anderen Makrolid-Antibiotika ist in Tabelle 4 dargestellt. Josamycin zeigt im
Vergleich zu anderen Makroliden eine gute Wirkung auf alle mef-Stämme und auch auf einige erm-Stämme. Von 25 Erythromycin-resistenten Stämmen zeigten 6 eine MHK von Clarithromycin und Azithromycin im empfindlichen Bereich und 19 eine MHK von Josamycin von
1 µg/ml (im empfindlichen Bereich).

Aktuelle Berichte [11] zeigen einen Anstieg der Antibiotika-Resistenz der vergrünenden Streptokokken. Carratala et al. [12] berichteten über
Bakteriämien mit Penicillin-resistenten vergrünenden Streptokokken bei neutropenischen Patienten mit Krebs. Viele dieser Stämme waren gleichzeitig auch Erythromycin-resistent. Doern et al. [13] verzeichnen eine hohe Rate der antimikrobiellen Resistenz von vergrünenden Streptokokken, isoliert aus den Blutkulturen in den USA. 38% dieser Stämmen waren Erythromycin-resistent.

Die zwei wichtigeren Makrolid-Resistenz-Mechanismen der Streptokokken wirken sich unterschiedlich auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Clindamycin und Josamycin aus. Die Stämme, die ein mef-Gen besitzen, sind weiterhin Clindamycin- und Josamycin-empfindlich. In unserer
Untersuchung sieht man, dass bei einer Verteilung der Resistenzgene mit 48% mef-Genen die Hälfte aller Erythromycin-resistenten Stämme
empfindlich auf Clindamycin und Josamycin bleiben.

 

Schlussfolgerung

Wir fanden eine Prävalenz der Makrolid-Resistenz von 24% im untersuchten Material.

Die M- und MLSB-Phänotypen waren gleich häufig repräsentiert. Außer den beschriebenen mef- und erm-Genen müssen noch andere Resistenzdeterminanten existieren.

Von den 5 getesteten Makrolid-Antibiotika zeigte Josamycin die bessere Aktivität.

 

Literatur:

1. Leclercq R., Couvalin P: "Mechanism of resistance to macrolide, iincosamides, and streptogramin antibiotics by target modification." Antimicrob. Agents. Chemother. 35 (1993) 1267-1272.

2. Weisblum B.: "Erythromycin resistance by ribosome modification." Antimicrob. Agents. Chemother. 39 (1995) 577-585.

3. Seppälä H., Nissinen A., y u Q., Huovinen P.: " Three different phenotypes of erythromycin-resistant S. pyogenes in Finland." J. Antimicrob. Chemother. 32 (1993) 885-891.

4. Sutcliffe I., Tait-Kamradt A., Wondrack L.: "Streptococcus pneumoniae and Streptococcus pyogenes resistant to macrolides but sensitive to clindamycin: a common resistance pattern mediated by an efflux system." Antimicrob. Agents. Chemother. 40 (1996) 1817-1824.

5. De Azavedo I.C.S. et ai., 38th ICAAC, Sept. 24-27, 1998.

6. "Perforrnance standards for antimicrobial susceptibility testing." NCCLS, M100-S11, Vol.21, No.1 (2001) 104-105.

7. Soussy C.J., Cluzel R., Courvalin P.: "Definition and determination of in vitro antibiotic susceptibility breakpoints for bacteria in France. The Comite de I' Antibiogramme de la societe Française de Microbiologie." Eur. J. Clin. Microbiol. Infect. Dis. 13 (1994) 238-246.

8. Sutcliffe J., Grebe T., Tait-Kamradt A., Wondrack L.: "Detection of Erythromycin-Resistant Determinants by PCR." Antimicrob. Agents. Chemother. 40 (1996) 2562-2566.

9. Seppälä H., Skumik M., Soini H., Roberts M., Huovinen P.A.: "Novel Erythromycin Resistance Methylase Gene (ermTR) in Streptococcus pyogenes." Antimicrob. Agents. Chemother. 42 (1998) 257-262.

10. Jebelean C., Binder L., Haditsch M., Watschinger R., Mittermayer H.: "Antimicrobial Susceptibility of Viridans Streptococci Isolated from Blood during 1990-1998." ECCMID 1999, Berlin.

11. Renneberg J., Niemann L.L., Gutschik E. : "Antimicrobial susceptibility of 278 streptococcal blood isolates to seven antimicrobial agents." J. Antimicrob. Chemother. 39 (1997) 135-140.

12. Carratala J., Alcaide F., Femandez-Sevilla A., Corbella X., Linares J., Gudiol F.: "Bacteremia due to viridans streptococci that are highly resistant to penicillin: increase among neutropenic patients with cancer." Clin. Infect. Dis. 20 (1994) 1169-1173

13. Doern G.V, Ferraro M.J., Brueggemann A.B., Ruoff K.L.: "Emergence of high rates of antimicrobial resistance among viridans group streptococci in the United States." Antimicrob. Agents. Chemother. 40 (1996) 891-894.

 

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Crista Jebelean
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
A-4010 Linz, Fadingerstraße 1

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