Entwicklung eines neuen keramischen Port-Kathetersystems mit antimikrobiellen Eigenschaften und einer verbesserten Kammergeometrie

M. Guggenbichler
Lehrstuhl für Feingerätebau und Mikrotechnik, TU München
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. J. Heinzl)



Schlüsselwörter:
Antimikrobielle Keramik, Schlicker, Port-Katheter, Titanoxid, TiO2, Aluminiumoxid, Al2O3, strömungstechnische Optimierung, Silber, Ag, Silberionen


Zusammenfassung

Es wird ein antimikrobiell wirksamer, strömungstechnisch optimierter, keramischer Port-Katheter vorgestellt. Ausgehend von einer grundlegenden Klärung der Probleme eines Portkatheters werden Lösungsansätze zur Optimierung dieses Systems aufgezeigt. Es wird eine antimikrobiell wirksame Keramik aus Aluminium- und Titanoxid entwickelt und deren Wirksamkeit nachgewiesen. Die konstruktiven Änderungen beinhalten eine strömungstechnische Optimierung der Portkammer sowie eine Optimierung der äußeren Geometrie, welche den konstruktiven Anforderungen von Keramik angepasst ist. Auf Basis dieser Ergebnisse werden Prototypen von optimierten keramischen Port-Kathetern hergestellt.


Key-words:
Antimicrobial ceramic, slurry, port catheter, titanium oxide, TiO2, aluminum oxide, Al2O3, fluid mechanical optimization, silver, Ag, silver ions


Summary

An antimicrobial active, fluid mechanical optimized, ceramic port catheter is developed and introduced. Methods for optimization are shown basing on a fundamental review of the clinical problems of a port catheter. An antimicrobial titan oxide and aluminum oxide ceramic is being developed and activity is being verified. Changes in the construction contain an optimization basing on fluid mechanical considerations as well as adaption of the outer shell, so that the whole construction is adapted to the constructive needs of ceramic components. Basing on these results prototypes of an optimized ceramic port catheter are produced.



Einleitung

Port-Kathetersysteme führen in der Tumortherapie zu einer erheblichen Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten und der Lebensqualität der Patienten. Sie weisen jedoch im klinischen Gebrauch erhebliche Probleme, wie Infektionen, Verstopfung durch Blutkoagel oder mechanische, materialseitige Komplikationen (u.a. Portkammerbrüche) auf. Die Gesamtkomplikationsrate wird mit 21,26% [1] bis 44,6% [2] in der Literatur angegeben. Die klinischen Erfahrungen zeigen, dass Katheter-assoziierte Blutstrominfektionen (BSI) mit 6% [3] bis 24,1% [2] die größte Gruppe der Komplikationen darstellen. Zudem bestehen Probleme durch Okklusion des Systems (4 [3]-7,2% [1, 2] vgl. Abbildung 1a), Port-Katheterbrüche [4] und -durchstiche (vgl. Abbildung 1c) sowie Belastungen der darüber liegenden Hautschichten durch die Formgebung (vgl. Abb. 1b).

Abbildung 1a: Teilweise infizierte Thromben in einem explantierten Port-Katheter (a)

Abbildung 1b, 1c: Katheter-assoziierte Hautnekrose im Thoraxbereich (b) und durchstochener Titanport (c)

 

Material und Methoden

Bisher wurden zur Fertigung von Port-Kathetern vor allem Kunststoffe oder kunststoffummanteltes Reintitan eingesetzt. Die Konstruktionen aus Reintitan bieten zwar eine hohe mechanische Festigkeit, führen jedoch zu starken Störungen bei bildgebenden Verfahren wie Computertomographie oder Magnetresonanztomographie. Zudem kann Reintitan nicht antimikrobiell ausgestattet werden. Kunststoffe wiederum zeigen diese Probleme nicht, besitzen dafür deutlich schlechtere mechanische Eigenschaften, wodurch sich Probleme in der Langzeit-Belastbarkeit ergeben (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Vergleich der mechanischen Eigenschaften von in der Medizintechnik typischerweise eingesetzten Werkstoffen

Eine Alternative hierzu stellen keramische Werkstoffe dar.

Die Vorteile sind

  • günstige mechanische Eigenschaften (Festigkeit),
  • gute Bio- und Hämokompatibilität bei vernachlässigbarer Zytotoxizität und Thrombogenität,
  • keine Artefakte in der Bildgebung,
  • antimikrobielle Ausstattbarkeit.

Insbesondere die vollständige antimikrobielle Ausstattung ist angesichts der hohen infektionsbedingten Komplikationsraten anzustreben. Die antimikrobielle Ausstattung mit Antibiotika oder Desinfektionsmittel ist technisch nicht durchführbar und aus funktionellen Gründen nicht zielführend. Als Alternative bietet sich die Beimengung nanoskaliger Silberpartikel an. In dieser Arbeit wird ein antimikrobiell ausgestattetes Port-Kathetersystem aus einem keramischen Werkstoff entwickelt. Die antimikrobielle Ausstattung erfolgte durch Beimengung aktivierter nanoskaliger Silberpartikel. Die Konstruktion wurde an die Anforderungen durch die Verwendung von Keramik angepasst und im Hinblick auf die Bauteilgeometrie optimiert.

Als keramische Werkstoffe wurden das vielfältig eingesetzte Aluminiumoxid (Al2O3) und, wegen seiner nachgewiesenen Bioverträglichkeit, Titanoxid (TiO2) untersucht [5]. Aus den pulverförmigen Ausgangsmaterialien wurden Probekörper über keramischen Schlickerguss hergestellt. Dabei war es notwendig, zusätzlich zu der etablierten Aluminiumoxid-Gießmasse auch einen gießfähigen Titanoxidschlicker zu entwicklen. In einem nächsten Schritt wurden die Werkstoffe durch Zugabe von nanosilberhaltigem keramischem Pulver antimikrobiell ausgestattet. Die wichtigsten Eigenschaften der Schlicker, wie Dispergierung, Viskosität und Scherbenbildung, und der daraus hergestellten Grün- und Sinterkörper (z.B. Dichte, Wasseraufnahme, Charakterisierung der Nanosilberpartikel) wurden bestimmt. Des Weiteren erfolgte die antimikrobielle Wirksamkeitsprüfung sowohl an undotierten als auch an nanosilberhaltigen Probekörpern. Der Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit wurde mittels der Flask-Shake-Methode [6] (Keimkonzentration 10 und 10 CFU/ml) sowie der Roll-On-Culture (Keimkonzentration 10 CFU/ml) durchgeführt [7].

Zusätzlich wurde die Bauteilgeometrie den klinischen Anforderungen angepasst und mittels Finite-Elemente-Methode berechnet [8]. Aus den erhaltenen Daten wurde zunächst über ein „Rapid-Prototyping“-Verfahren eine Gießform und damit ein Prototyp eines optimierten keramischen Port-Katheters hergestellt.

 

Ergebnisse und Diskussion

Bei der Herstellung eines geeigneten Titanoxid-Schlickers als Vorstufe der Keramikherstellung zeigte sich, dass sich mit den verwendeten Dispergatoren nur die Anatas-Phase des Titanoxids zu einem gießfähigen Schlicker verarbeiten ließ. Von den verwendeten Dispergatoren konnte nur mit der Carbonsäurezubereitung eine optimale Dispersion hergestellt werden, welche jedoch ein stark zeitabhängiges Verhalten aufweist. Für eine geeignete Keramik konnten Titanoxid-Gießmassen mit einem maximalen Feststoffgehalt von 60 Gew.% dispergiert werden. Diese Schlicker wiesen eine ähnlich gute Verarbeitbarkeit wie der bereits etablierte Aluminiumoxid-Standardschlicker auf.

Die Ergebnisse der Herstellung reiner Keramikschlicker konnten auf nanosilberhaltige Schlicker übertragen werden. Wie in Abbildung 3 belegt, beeinträchtigt das Einbringen nanoskaliger Silberpartikel die physikalischen Eigenschaften der Keramik-Ausgangssubstanz (Schlicker) nicht. Es konnten bei nanosilberhaltigen Schlickern sowohl vergleichbar gute Dispergierungsgrade als auch gute Werte bezüglich Viskosität und Scherbenbildungsrate erreicht werden (vgl. Abbildung 3). Die Dichte der Grünkörper lag bei allen Proben im Bereich von ca. 58-60% th.D. (Aluminiumoxid: 3,97 g/cm³ th.D. [9]; Titanoxid: 3,8 g/cm³ th.D. [10]).

Abbildung 3: Rheologie silberhaltiger Keramikschlicker aus Aluminiumoxid- (links) und Titanoxidkeramik (rechts)

Mit den Grünkörpern aus dem reinen Grundmaterial (Al2O3 und TiO2) konnten Sinterkörper mit einer theoretischen Dichte von annähernd 100% hergestellt werden. Die gewählten Probekörper (Zylinder d=10 mm, h=10 mm) zeigten einen Sinterschwund von ca. 16% bei Al2O3 und 14,2% bei TiO2. Darüber hinaus zeigte sich beim Sinterprozess keine Deformation der Probekörper.

Die nanosilberhaltigen Aluminiumoxidproben erreichten beim Sinterprozess (abhängig von der maximalen Sintertemperatur) nur 61-76% th.D. Im Gegensatz zum Aluminiumoxid zeigten nanosilberhaltige Titanoxidproben sintertemperaturabhängig eine Dichte von 79-97% theoretischer Dichte (th. D.). Insbesondere bei den Proben mit einer Sintertemperatur von 1.450°C (97% th.D.) kann jedoch nur bei Titanoxid von ausreichenden mechanischen Eigenschaften für eine Bauteilherstellung ausgegangen werden.

Es wurden Proben aus Titanoxidkeramik mit unterschiedlichem Silbergehalt und unterschiedlicher Sintertemperatur in Reihenuntersuchungen auf antimikrobielle Wirksamkeit getestet.

Nanosilberhaltiges Titanoxid zeichnete sich vor allem bei einer Silberkonzentration von 2 Gew.% durch eine sehr gute antimikrobielle Wirksamkeit aus (vgl. Abbildung 4). Bei dieser Silberkonzentration konnte das ursprünglich eingebrachte Keiminokulum bereits innerhalb von 6 Stunden eradiziert werden.

Abbildung 4: Antimikrobielle Wirksamkeit von Titanoxidkeramik mit unterschiedlichem Anteil an Nanosilberpartikeln. Das Material zeigt sowohl bei der Flask-Shake-Methode mit Pseudomonas aeruginosa (links) als auch bei der Roll-On-Culture (rechts) bereits mit 0,5 Gew.% Ag eine sehr gute antimikrobielle Wirksamkeit.

Zusammenfassend kann man aus den Untersuchungen ableiten, dass sich nanosilberhaltiges Titanoxid zur Herstellung eines antimikrobiell wirksamen Portsystems sehr gut eignet und als einziger keramischer Werkstoff zur Verfügung steht.

Neben der Werkstoffoptimierung war es notwendig, die im klinischen Alltag auftretenden Probleme durch konstruktive Lösungen zu vermeiden. Infolgedessen wurde die Portkammer auf Grund von strömungstechnischen Überlegungen optimiert. Dies betrifft sowohl die Form der Kammer als auch den sehr wichtigen Übergang zwischen Portkammer und Schlauchanschluss (Abbildung 5a, b).

Abbildung 5a, b: a) zeigt die bisherige, b) die neu entwickelte Kammergeometrie mit verbesserter Verwirbelung der zugeführten Medikamente. Durch die verbesserte Formgebung werden Anlagerungen von Blut und Blutprodukten und damit die Thrombenbildung vermieden.

Im Zuge der Neukonstruktion der Kammergeometrie wurde auch die äußere Form angepasst und optimiert. Die Optimierung der äußeren Formgebung erfolgte in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen. Die neue Kammergeometrie zeichnet sich durch störmungstechnische Verbesserungen aus. Die Konstruktion wurde mit einer angenommenen Belastung von 10 bar Innendruck und 100 N Belastung beim Punktieren des Ports mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode berechnet und optimiert (vgl. Abbildung 6). Dabei ergab sich, dass die in einem ersten Ansatz berechnete Konstruktion in ihrer Bauhöhe weiter reduziert werden kann. Dies bringt eine Gewichts- und Materialersparnis mit sich.

Abbildung 6: FEM-Berechnung des optimierten Port-Katheters. Lastannahme: 10 bar Innendruck und 100 N eingebrachte Kraft beim Punktieren des Portes

Abbildung 7: Prototyp eines keramischen Port-Katheters. Links ungesintert, rechts gesintert (TSinter=1.650°C)

Aufbauend auf den Ergebnissen der material- und verfahrenstechnischen Untersuchungen gelang es, einen Prototyp aus Keramik herzustellen, der die der Arbeit zugrunde liegenden Thesen bestätigt (vgl. Abbildung 7). Das Ergebnis dieser anwendungsnahen Forschung ist die Herstellung eines in einer klinischen Prüfung einsetzbaren Produktes.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde bestätigt, dass eine Optimierung marktüblicher Portsysteme notwendig und realisierbar ist.

Durch die Ergebnisse dieser anwendungsorientierten Forschung lässt sich zeitnah ein klinisch verwendbares Produkt herstellen. Es bietet eine substanzielle Verbesserung des Status quo hinsichtlich Handhabbarkeit und Komplikations- beziehungsweise Infektionsraten. Patienten, Ärzte und letztlich das Gesundheitssystem werden von diesen Verbesserungen erheblich profitieren können.

 

Literatur:

1. Hartkamp A., van Boxtel A., Zonnenberg B., Witteveen P.: „Totally implantable venous access devices: evaluation of complications and a prospective comparative study of two different port systems.“ Neth. J. Med. 57 (2000) 215-223.

2. Koolen D.A., van Laarhoven H.W.M., Wobbes T., Punt C.J.A.: „Single-centre experience with tunnelled central venous catheters in 150 cancer patients.“ The Neth. J. Med. 60 (2002) 397-401.
3. Wildhaber B., Kistler W., Catfisch U.: „Erfahrungen mit dem Port-A-Cath.-System bei Kindern.“ Schweiz. Med. Wochenschr. 130 (2000) 732-738.
4. Leinung S., Würl P., Anders K., Deckert F., Schönfelder M.: „Portkatheterbrüche bei 361 implantierten Portsystemen.“ Chirurg. 73 (2002) 696-699.
5. Kasemo B.: „Biocompatibility of titanium implants: surface science aspects.“ J. Prostet. Dent. 49 (1983) 832-837.
6. Moon W.-S., Chung K.-H., Seol D.J., Park E.-S., Shim J.-H., Kim M.-N., Yoon J.-S.: „Antimicrobial effect of monomers and polymers with azole moieties.“ Int. J. Appl. Polym. Sci. 90 (2003) 2933-2937.
7. Maki D.G., Weise C.E., Sarafin H.W.: „A semiquantitative culture method for identifying intravenous-catheter-related infection.“ New Engl. J. Med. 296 (1977) 1305-1309.
8. Steinke P.: „Finite-Elemente-Methode.“ Springer Verlag Berlin (2004).
9. Lide D.L.: „CRC Handbook of Chemistry and Physics.“ CRC Press Int. New York 38 No. 40, 3.1 (1995).
10. Holleman A.F., Wiberg E.: „Lehrbuch der Anorganischen Chemie.“ Walter de Gruyter Verlag, Berlin, Auflage 101 (1995).

 

Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Ing. Meinrad Guggenbichler
D-80799 München, Türkenstraße 38

E-Mail: m.guggenbichler@web.de


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