Das häufig kranke Kind – Störung der Mukosa-Immunität als Ursache rezidivierender Infektionen und Möglichkeiten der Intervention

J.P. Guggenbichler
Univ.-Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. W. Rascher)



Schlüsselwörter:
Rezidivierende Infekte, inadäquate Erstbehandlung, Defekte der spezifischen körpereigenen Abwehr, anatomische und funktionelle Störungen, Mukosa-Immunität, Bakterienlysate


Zusammenfassung

Rezidivierende Infektionen im Kindesalter stellen ein besonderes Problem dar. Defekte der spezifischen körpereigenen Abwehr, d.h. Antikörpermangel und T-Zelldefekte sind ein seltenes Ereignis. Viel häufiger ist eine inadäquate Erstbehandlung die Ursache, wobei nicht nur die Wahl des Antibiotikums, sondern auch Tagesdosis, Dosierungsintervalle, Therapiedauer und die unterstützende Behandlung den Ausschlag geben. Anatomische und funktionelle Störungen spielen zusätzlich eine wesentliche Rolle. Neue theoretische Einsichten bezüglich der Mukosa-Immunität lassen die Ätiologie, Pathogenese und die Behandlungsmöglichkeiten rezidivierender Infekte in einem neuen Licht erscheinen. Bei der Abklärung kann man aus einer sorgfältigen Anamnese bereits wertvolle Hinweise bezüglich der Ätiologie erhalten. Durch eine adäquate Erstbehandlung einschließlich der unterstützenden Therapie kann eine Reihe von rezidivierenden Infektionen verhindert werden. Die Untersuchung auf anatomische und funktionelle Störungen der unspezifischen Abwehr (Adenoidhyperplasie, Septumdeviation, Ziliendysfunktion) ist ein wesentlicher Baustein der Abklärung. Zuletzt ist es nötig, Defekten der Mukosa-Immunität eine entsprechende Bedeutung bei rezidivierenden Infektionen vor allem bei monotopen Infektionen in einem Organsystem zuzumessen bzw. diese zu definieren.

In einer klinischen Beobachtung wurde bei 23 Patienten mit rezidivierenden Infekten das ß-Defensin in Wangenschleimhautepithelzellen bestimmt. Bei 19 der 23 Patienten wurde eine Verminderung der ß-Defensin-Bildung um mindestens >25% des Kontrollwertes gefunden. Die Verabreichung von Bakterienlysaten (Bronchovaxom®) ergab eine Besserung bis Normalisierung der ß-Defensin-Bildung sowie eine deutliche klinische Besserung bei 16 Patienten.

Die neuen Erkenntnisse auf der Basis der theoretischen Grundlagenforschung können nicht nur zu einem besseren Verständnis der Pathogenese rezidivierender Infektionen, sondern auch zu interessanten und viel versprechenden neuen therapeutischen Ansätzen bei dringenden klinischen Problemen führen. Auf Grund dieser neuen Erkenntnisse kann man sich vorstellen, dass Bakterienlysate auf verschiedenen Ebenen der körpereigenen Abwehr eingreifen können. In prospektiven randomisierten klinischen Studien ist dieses nun unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Pathomechanismen zu beweisen.


Key-words:
Recurrent infections, defects of specific host defense mechanisms, impairment of nonspecific host defense, anatomic and functional disturbances of host defense, mucosal immunity, bacterial lysates


Summary

Recurrent infections in infants and children pose a special problem. Impairment of specific defense mechanisms i.e. a defect in humoral and cellular immunity is a rare event. In the majority of patients with recurrent infections particularly in one organ system an inadequate initial therapy
is responsible. This is not limited to the choice of the appropriate antibiotic but more in the correct total daily dose, mode of administration, dosing interval and duration of therapy. Anatomic and functional disturbances leading to impairment of nonspecific host defense mechanisms are also responsible as well as an inadequate supportive therapy. The results of recent investigative work regarding mucosal „innate“ immunity give an additional new insight on recurrent infections in children. The clinical workup of patients with recurrent infections includes a careful history. Adequate initial antimicrobial therapy and optimum supportive care are able to prevent the transition of an infection into a chronic recurrent infection. Investigations of anatomic and functional disturbances are mandatory. Also the investigation of the mucosal immunity has to be performed and abnormal results can be expected particularly in patients with recurrent infections in the same organ system.

In a clinical survey of 23 patients with recurrent infection a ß-defensin production of less than 25% of the control values was observed in 19. Bacterial lysates (Bronchovaxom®) were administered once daily for 30 days to these patients. In 14 of them an increase (>40%) of ß-defensin formation was observed concomitant with a substantial clinical improvement. This was determined by a decrease in severity, duration and frequency of infections.

The newly gained insight from theoretical investigations provide not only a better understanding of the pathophysiology of recurrent infections but also enables us to initiate a curative therapy. The administration of bacterial lysates orally or locally influence the body’s own defense mechanisms on different levels. Prospective randomised studies are necessary to define the role of the mucosal immunity in children with recurrent infections and clarify their therapeutic value.



Einleitung

Rezidivierende Infektionen der oberen und unteren Luftwege stellen bei Säuglingen und Kleinkindern ein großes Problem dar. Rezidivierende Mittelohrentzündungen werden nach einer ersten Otitis media und persistierendem Tuben-Paukenhöhlenkatarrh bei ca. 8-12% aller Patienten beobachtet. Dies macht wiederholte orale oder intravenöse Antibiotikagaben, eine Adenotomie, Parazentese und/oder Paukenröhrchen nötig. Zudem kommt es durch eine Schallleitungsstörung zu Hörstörungen und durch die eingeschränkte Hörleistung zu einer psychosozialen Entwicklungsverzögerung mit abnormem Sozialverhalten und Sigmatismus [1].

Ein Rezidiv einer akuten Sinusitis führt zu chronischen Kopfschmerzen, durch mangelnden Appetit zu Gedeihstörung und Gewichtsabnahme, verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit und Konzentrationsschwäche. Zudem werden bei einer chronischen Sinusitis häufig akute Exazerbationen mit akuten Krankheitssymptomen beobachtet [2].

Rezidivierende Infektionen der tiefen Atemwege bergen ein potenzielles Risiko für Komplikationen wie eine Störung der Lungenfunktion und die Entwicklung von Bronchektasien, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung und Asthma Bronchiale [3].

Rezidivierende Harnwegsinfektionen können nach Jahren zu Nierennarben, Hypertonie, zur Einschränkung der Nierenfunktion und bei Frauen
zu Komplikationen während der Schwangerschaft und Frühgeburt führen [4].

Häufige Infekte bedingen auch wiederholte Krankenhausaufenthalte mit Fehlzeiten in der Schule und erheblichen psychosozialen Problemen.

 

Definition rezidivierender Infekte

Von einem häufig kranken Kind spricht man, wenn im Alter zwischen 1 und 5 Jahren mehr als 6 – manche Autoren sprechen von 8 – Infektionen pro Jahr auftreten. Dabei ist es von Bedeutung, zwischen protrahierten Krankheitsbildern, bei denen zwischen den einzelnen Exazerbationen keine völlige klinische Heilung erzielt werden konnte, von Rezidiven im gleichen Organsystem sowie von rezidivierenden Infekten in verschiedenen Organsystemen zu unterscheiden, wobei die Kinder zwischen den einzelnen Krankheitsepisoden für Tage bis Wochen völlig gesund sind [5].

Sozioökonomische Faktoren wie die Zahl und das Alter der Geschwister, die Größe und Beschaffenheit der Wohnverhältnisse, Rauchen der Eltern sind bezüglich der Häufigkeit der Infektionen zu berücksichtigen. Entsprechend diesen anamnestischen Daten und einer sorgfältigen klinischen Untersuchung ist es möglich, einen guten Hinweis auf die Ätiologie und eine mögliche kausale Therapie und Prävention ins Auge zu fassen.

 

Pathogenese rezidivierender Infektionen und Abwehrmechanismen des Körpers

Defekte der spezifischen körpereigenen Abwehr

Es gibt eine Reihe von Ursachen für rezidivierende Infektionen: Defekte der spezifischen körpereigenen Abwehr wie ein Antikörpermangel einschließlich eines selektiven IgA-Mangels oder eines IgG-Subklassendefektes, die vordergründig häufig für rezidivierende Infektionen verantwortlich gemacht werden, spielen mit <2% eine untergeordnete Rolle und sind meist bereits klinisch durch eine typische Symptomenkonstellation erkennbar. Von noch geringerer Bedeutung sind Defekte des Phagozytose- oder Komplement-Systems. Meist manifestiert sich eine angeborene Störung der spezifischen körpereigenen Abwehr bereits im Alter von 6-9 Monaten bei Abnahme der mütterlichen Antikörper durch Infekte in verschiedenen Organsystemen, unüblich langdauernde Infekte durch Mikroorganismen, die man bei dem betreffenden Krankheitsbild normalerweise nicht als Infektionserreger beobachtet. Hautaffektionen, kalte Abszesse, vor allem aber chronische Durchfallerkrankungen und eine Gedeihstörung sind typische Zeichen für einen Defekt der spezifischen körpereigenen Abwehr [6].

 

Defekte der unspezifischen körpereigenen Abwehr

Eine entscheidende Bedeutung in der Pathogenese rezidivierender Infekte kommt der lokalen Abwehr an Epitheloberflächen zu. Die mukoziliäre Clearance stellt die erste Front gegen das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper dar und wird im Vorfeld durch das Sekretions-IgA unterstützt [7]. Wichtig ist eine korrekte Viskosität der Schleimschicht auf Epithelzellen, wobei bereits die Abnahme des Flüssigkeitspools bei verminderter Flüssigkeitszufuhr eine vermehrte Perspiratio insensibilis bei Fieber und geringer Luftfeuchtigkeit der Raumluft zu einer erheblichen Änderung der Viskosität der Mucinschicht der Schleimhäute und einer Funktionseinbuße der normalen Klärfunktion der Mukosa führen kann. Rauchen bzw. Mitrauchen bei Säuglingen und Kleinkindern lähmt die Zilienfunktion für mehrere Stunden. Hier machen sich Summationseffekte deutlich bemerkbar, so dass eine Vielzahl scheinbar unbedeutender Defizite letztlich den kritischen Wert übersteigt.

Die Störung der unspezifischen Abwehr, insbesondere der mukoziliären Clearance, besitzt einen hohen Stellenwert in der Pathogenese rezidivierender Infekte der Luftwege. Sie besteht in anatomischen Besonderheiten, die einen regulären Sekretfluss und eine normale Belüftung der Schleimhäute behindern, und in einer Lähmung der Zilienfunktion im Rahmen von rezidivierenden Virusinfektionen. Hierzu zählt auch eine gesteigerte oder verminderte Viskosität der Schleimschicht. Untersuchungen bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen zeigten, dass eine fehlende restharnfreie Miktion zu rezidivierenden Harnwegsinfektionen führt. Gerade dieser ersten Abwehrlinie wird in der Literatur breiter Raum eingeräumt [8].

 

Inadäquate Ersttherapie

Eine häufige Ursache rezidivierender Infekte ist eine inadäquate Behandlung des Erstinfektes, wobei es nicht nur auf die korrekte Wahl des Antibiotikums ankommt, sondern ebenso auf eine korrekte Tagesdosis, das Dosierungsintervall und die Therapiedauer. Anderseits kommt auch der unterstützenden Behandlung zur Verbesserung des Sekretflusses und Abschwellung der entzündeten Schleimhäute eine wesentliche Bedeutung zu.

 

Körpereigene stabile Flora

Die Körperoberflächen des Menschen sind ständig einer mikrobiellen Besiedelung ausgesetzt, dennoch sind normalerweise Infektionen der gesunden Haut bzw. Schleimhäute selten. Es handelt sich bei dieser „normalen Flora“ um apathogene oder fakultativ pathogene Mikroorganismen, die bei einer quantitativen Kultur der Nasenschleimhaut im Bereich von 10-10 CFU/cm² liegen. Wenn man jedoch die Keimzahlen pro Epithelzelle betrachtet, finden sich 1 bis maximal 2 Mikroorganismen/Epithelzelle.

Ein vielfach unterschätzter Mechanismus der körpereigenen Abwehr ist eine stabile körpereigene Flora. Die normale Flora verhindert die Besiedelung mit obligat pathogenen Mikroorganismen. Eine Destabilisierung der normalen Flora durch Antibiotika ermöglicht es bereits einem kleinen Inokulum von pathogenen Mikroorganismen, die Schleimhäute zu besiedeln.

 

Gesteigerte Adhärenz bakterieller Mikroorganismen

Ein wesentlicher Virulenzfaktor pathogener Mikroorganismen ist die Adhärenz an Epithelzellen. In zahlreichen Untersuchungen wurde beobachtet, dass nur Mikroorganismen, die gleichzeitig mit der Bildung von Toxinen auch die Schleimhäute besiedeln, zu einer Erkrankung führen. Mikroorganismen haften an speziellen Kohlehydratstrukturen von Epithelzellen. Die Besiedelbarkeit von Schleimhäuten und damit auch die Infekthäufigkeit hängt damit auch von der Rezeptordichte für bakterielle Mikroorganismen an Epithelzellen ab. So konnten wir beobachten, dass Patienten mit rezidivierenden Streptokokkeninfektionen der Tonsillen (>3 durch Kultur bewiesene Streptokokkeninfekte pro Jahr) eine um das 5fache höhere Zahl an adhärenten Streptokokken/Epithelzelle aufweisen als altersentsprechende Kontrollpatienten ohne rezidivierende Streptokokkeninfektionen (Abbildung 1) [9].

Abbildung 1: Adhärenz von Streptokokken an Wangenschleimhautepithelien: Unterschiede in der Zahl adhärenter Streptokokken zwischen Patienten mit > 3 kulturell bewiesenen Streptokokkenanginen/Jahr und nach Alter und Geschlecht identischen Kontrollpatienten.

Bei Patienten mit wiederholten Harnwegsinfektionen und normaler Urodynamik konnte beobachtet werden, dass eine 5-6fach höhere Adhärenz von Mikroorganismen an Uroepithelien des Morgenharns (29 ± 5 versus 5 ± 2 Mikroorganismen pro Epithelzelle) nachzuweisen war als bei Patienten ohne häufige Rezidive. Auch der Besiedelung mit einem besonders adhärenten „p“-Fimbrien-tragenden „uropathogenen“ E. coli-Stamm kommt für rezidivierende Infektionen eine Bedeutung zu (Abbildung 2) [10, 11].

Abbildung 2: Uroepithelien aus dem Morgenharn mit adhärenten E. coli von einem Patienten mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen

 

Die mukosale Abwehr

In den letzten Jahren wurden Forschungsergebnisse zur angeborenen Immunität veröffentlicht, die einen völlig neuen Einblick in die initiale Abwehr von Infektionen bei Neugeborenen geben. Neugeborene besitzen bereits Abwehrmechanismen gegen bakterielle und virale Mikroorganismen, bevor die spezifische, stimulierbare humorale und zelluläre Abwehr wirksam wird. Dieselben Mechanismen spielen natürlich auch in der Infektabwehr von Säuglingen und älteren Kindern sowie bei Patienten, bei denen die spezifische Abwehr durch Medikamente oder die Grundkrankheit geschwächt ist, eine wesentliche Rolle. Dies wird als angeborene körpereigene Abwehr oder Mukosa-Immunität bezeichnet [12].

Die Mukosa-assoziierte Abwehr beruht neben der bekannten physikalischen Barriere auf der Bildung von Lysozym sowie anderen genkodierten, antimikrobiellen Peptiden (AP) durch Epithelzellen. AP, auch Defensine genannt, besitzen ein breites bakterizides Wirkspektrum gegen Gram-positive, Gram-negative Mikroorganismen, Viren und C. albicans [13, 14, 15].

Zahlreiche verschiedene Strukturen von Defensinen wurden in der Zwischenzeit beschrieben. Einige dieser antimikrobiellen Peptide – die alpha-Defensine – werden ständig in gleich bleibenden Mengen, andere wiederum – die ß-Defensine – in erster Linie durch Kontakt der Epithelzellen mit pathogenen Mikroorganismen bei Kontakt pathogener Mikroorganismen mit der Epithelzelle gebildet [16]. Diese Kohlehydratstrukturen der Zellwand von pathogenen Mikroorganismen – als „pathogen associated molecular patterns“ (PAMPs) bezeichnet –, aber auch Lipopolysaccharide, Lipoproteine, Peptidoglykane sowie die CpG-Oligonukleotid-Sequenzen bakterieller und viraler DNA stimulieren über TOLL- und TOLL-like-Rezeptoren (TLR) auf Makrophagen die Entzündungskaskade und initiieren dadurch die Abwehrreaktion [17, 18]. Unterschiede im Aufbau von bakterieller und viraler DNA (so genannte CpG Motife) im Vergleich zur menschlichen DNA ermöglichen
dem Immunsystem, diese potenziellen Krankheitserreger aufgrund ihrer DNA-Struktur zu erkennen und eine entsprechende Abwehrantwort zu initiieren. Diese antimikrobiellen Peptide arrangieren sich in der Zellwand von Mikroorganismen in einem aus 6 Bestandteilen bestehenden Kanal, durch den das Zytoplasma austritt und dadurch zum Tod des Keimes führt.

 

Diagnostik

Die Abklärung rezidivierender Infekte besteht in einer profunden Anamnese. Die Bestimmung der Antikörperkonzentration in Blut und Speichel (sekr. IgA) ist sicher indiziert, obwohl meist normale Werte erhoben werden können. Bei bildgebenden Verfahren ist die Organmanifestation zu berücksichtigen. Auf Grund der beschriebenen Pathomechanismen ist bei der Abklärung von Patienten mit rezidivierenden Infektionen ein erheblich breiteres Abklärungsprogramm durchzuführen, nämlich auch die Untersuchung der angeborenen Abwehr neben der Bildung von antimikrobiellen Peptiden (ß-Defensine) durch Epithelzellen, um eine gezielte Behandlung initiieren und Prophylaxe anbieten zu können.

 

Möglichkeiten der Intervention

Die adäquate Erstbehandlung eines Infektes ist für eine rasche Keimelimination und den Rückgang der Entzündungszeichen von wesentlicher Bedeutung. Sie beruht natürlich auf der Verabreichung eines wirksamen Präparates, gemessen an der antimikrobiellen Empfindlichkeit und Bioverfügbarkeit des Medikamentes sowie der Berücksichtigung pharmakodynamischer Besonderheiten [19].

Wichtig ist zudem eine unterstützende Behandlung mit abschwellenden Nasentropfen, Sekretolytika und Medikamenten, die die Viskosität des Schleimes harmonisieren, die Zilientätigkeit anstoßen bzw. antientzündliche Eigenschaften aufweisen, um z.B. die Funktion der Eustachischen Tube wieder in Gang zu setzen. Bisweilen ist bereits die ausreichende Hydratation des Körpers hilfreich. Auch die chirurgische Korrektur anatomischer Fehlbildungen, z.B. die Korrektur einer Deviation der Nasenscheidewand, ist von großer Bedeutung und kann durch keine medikamentöse Therapie ersetzt werden.
1.8 Cineol wurde als potenter Antagonist gefäßwirksamer proinflammatorischer Zytokine (Leukotriene, Prostaglandine) erkannt und hat einen sicheren Stellenwert in der unterstützenden Therapie. Der Wirkstoff wird sowohl oral als auch als Balsam über die Haut resorbiert und rasch in der Atemluft ausgeschieden [20].

Ein wesentlicher Beitrag zur Verhinderung rezidivierender Infekte kommt auch der Stärkung bzw. Stimulation der körpereigenen Abwehr zu. Prospektive, kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudien bei mehreren 1.000 Patienten zeigten eine mindestens 50%-Reduktion der Zahl und Schwere von Infekten durch die Gabe von Bakterienlysaten. Die Wirkmechanismen sind bisher im Gegensatz zu den günstigen klinischen Ergebnissen nicht geklärt. Eine Steigerung des Gesamt-Sekretions-IgA wurde beschrieben. Hinweise deuten jedoch als wesentlichen Wirkmechanismus auf eine Steigerung der angeborenen, Mukosa-assoziierten Immunität hin [21, 22, 23, 24].

Natürliche, aber auch synthetische Oligonukleotide – z.B. in Bakterienlysaten – enthalten alle Strukturen, die die ß-Defensinbildung umfassend
stimulieren. Sie stellen einerseits ein überaus potentes Adjuvans dar, anderseits stimulieren sie über diese verschiedenen TLR-Strukturen die Bildung proinflammatorischer Zytokine.

 

Experimentelle und klinische Untersuchung der Mukosa-Immunität

Es war nun von Interesse, ob eine gestörte Mukosa-Immunität durch eine verminderte Bildung von ß-Defensin bei rezidivierenden Infektionen im Kindesalter eine Rolle spielt und ob Bakterienlysate sowohl in experimentellen Untersuchungen als auch in einer klinischen Pilotuntersuchung eine positive Wirkung durch Stimulation der Bildung von ß-Defensin entfalten können.

 

Experimentelle Untersuchungen

Material und Methode

a) Untersuchung der Bildung von ß-Defensin durch Epithelzellen nach Stimulation mit lebenden Mikroorganismen und hitzeinaktivierten Bakteriensuspensionen: Vergleich: S. aureus, P. aeruginosa ATCC-Referenzstämme und Bronchovaxom:

Epithelzellen aus der Wangenschleimhaut von gesunden Probanden wurden mit einem Plastikspatel gewonnen. Eine Epithelzellsuspension mit 5.000 Epithelzellen in einem Milliliter physiologischer Kochsalzlösung wurde zubereitet. Die Wangenschleimhautepithelien wurden mit vitalen Mikroorganismen (S. aureus ATCC 65283, P. aeruginosa ATCC 65284 in einer Konzentration von 5.000 KBE/ml) zur Stimulation der Bildung von ß-Defensin für 90 Minuten inkubiert und dann scharf zentrifugiert. Im Überstand wurde die ß-Defensin Bildung in einem biologischen Testsystem gemessen. Dieselbe Untersuchung wurde mit 10 mg/ml Bakterienlysat (Bronchovaxom®) durchgeführt.

b) Messung der antimikrobiellen Wirksamkeit von ß-Defensin aus einer definierten Epithelzellsuspension in einem biologischen Testsystem:

Ein Inokulum von 5 x 10 CFU/ml P. aeruginosa (ATCC) in Trypcase-Soja-Nährmedium wurde mit dem 0,75 ml Überstand der mit den Testorganismen stimulierten Epithelzellsuspension (S. aureus, P. aeruginosa ATCC und Bronchovaxom 10 mg in 1 ml NaCl phys.) in einer Küvette inkubiert und die Trübung der Suspension in 30-Minuten-Abständen über 4 Stunden gemessen.

Gleichzeitig wurden über 4 Stunden 0,05 ml der Bakteriensuspension im Abstand von jeweils 30 Minuten auf eine Blut-Agarplatte aufgebracht und für 24 Stunden bei 37°C inkubiert. Anschließend wurde die Keimzahl bestimmt. Die mit verschiedenen Antigenen stimulierten Proben wurden mit den Proben von unstimulierten Epithelzellsuspensionen verglichen.

Resultate

Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung der antimikrobiellen Eigenschaften von Wangenschleimhautepithelzellen von 2 gesunden Probanden nach Stimulation mit 4 unterschiedlichen Stimuli [S. aureus, ATCC 25723 (SA), P. aeruginosa, Standardkeim für
Ringversuche (PA), Bronchovaxom 10 mg/ml (BV)] + Kontrolle (Leerwert). Die Untersuchungen wurden 5fach wiederholt. Testorganismus:
P. aeruginosa, Standardkeim für Ringversuche.

Abbildung 3: Ergebnisse der experimentellen Untersuchung der antimikrobiellen Eigenschaften von Wangenschleimhautepithelzellen

 

Klinische Beobachtungen

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Ergebnisse von 23 Patienten im Alter zwischen 3 und 18 Jahren, die zur Abklärung rezidivierender Infektionen zugewiesen wurden, wurden retrospektiv ausgewertet. Bei diesen Patienten wurde eine sorgfältige Anamnese und physikalische Untersuchung durchgeführt. Besonderer Wert wurde auf vorangegangene Behandlungen (Antibiotikum, Dosierung, Dosierungsintervalle, Therapiedauer, unterstützende Therapie) gelegt. An laborchemischen Untersuchungen wurden die Entzündungsparameter gemessen und es erfolgte die Untersuchung der spezifischen körpereigenen Abwehr einschließlich IgE, ev. RAST. Weiters wurde die unspezifische Abwehr beurteilt sowie nach anatomischen und funktionellen Defekten gefahndet. Außerdem wurde die Mukosaimmunität untersucht und das ß-Defensin mit dem biologischen Testsystem bestimmt. Die Patienten erhielten nach der Erstuntersuchung eine effektive antimikrobielle Therapie nach den oben beschriebenen Gesichtspunkten sowie eine entsprechende unterstützende Behandlung.

Als Einschlusskriterium galt: mehr als 6 Infekte der oberen Luftwege pro Jahr im vergangenen Kalenderjahr. Ausschlusskriterien für die ß-Defensinbestimmung waren der Nachweis eines spezifischen Immundefekts (Antikörpermangel, T-Zelldefekt). Bei Patienten mit Adenoid- oder Tonsillenhyperplasie wurde die ß-Defensinbildung bestimmt, wenn keine zusätzlichen anatomischen Fehlbildungen (z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) vorlagen.

Die Entnahme von Wangenschleimhautepithelien und die Bestimmung des ß-Defensins erfolgte bei der Erstuntersuchung, nach 3-6 Monaten
und nach 1 Jahr. Patienten mit einer ß-Defensin-Produktion < 75% des Wertes der Referenzperson erhielten Bronchovaxom 1 x 1 Tablette täglich für 30 Tage. Die klinische Beobachtung des weiteren Verlaufes erfolgte durch die Eltern und den Hausarzt. Alle Episoden von Infekten wurden von den Eltern bzw. vom Hausarzt dokumentiert. Nach 3-6 Monaten und nach 12 Monaten wurden die Patienten erneut in unserer Poliklinik beurteilt.

Der klinische Verlauf, d.h. die Häufigkeit und Schwere von Infektionen, das Auftreten von Komplikationen und insbesondere die Indikation für eine Verabreichung von Antibiotika, die Absenztage vom Kindergarten, versäumte Schultage und eventuelle stationäre Aufnahmen ins Krankenhaus wurden im Vergleich zur Vorperiode beurteilt.

Ergebnisse der Pilotuntersuchung

Insgesamt wurde bei 23 Patienten eine initiale ß-Defensin-Bestimmung durchgeführt (Tabelle 1)

Tabelle 1 : Ergebnisse der Pilotuntersuchung

Insgesamt wurde bei 23 Patienten
eine initiale ß-Defensin-Bestimmung durchgeführt
   Diagnosen bestanden in:
Patientenzahl
   Rezidivierende Sinusitis
10 Patienten
   Rezidivierende Pneumonie/Bronchitis
6 Patienten
   Rezidivierende Otitis media
2 Patienten
   Mukokutane Candidiasis
2 Patienten
   Rezidivierende Harnwegsinfektionen
1 Patient
   Rezidivierende Durchfallerkrankungen
1 Patient
   Rezidivierende Hautgranulome
1 Patient
Von diesen Patienten zeigten initial
eine ß-Defensin-Konzentrationen in % des Kontrollwertes
   < 10 %
2 Patienten
   20 - 29 %
5 Patienten
   30 - 39 %
5 Patienten
   40 - 49 %
5 Patienten
   50 - 69 %
2 Patienten
   > 70 %
4 Patienten

19 Patienten wurden mit Bronchovaxom behandelt:

  • Bei einem Patienten mit chronisch karnifizierender Pneumonie konnte die ß-Defensin-Bildung innerhalb von 3 Monaten von <10% auf 25-40% (Mehrfachbestimmung) gesteigert werden. Der Patient zeigte eine deutliche klinische Besserung mit Gewichtszunahme und einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Infektfreiheit über >9 Monate.
  • Bei weiteren 13 Patienten konnte die ß-Defensin-Bildung von <75% auf zwischen 60 und 100% der Kontrollperson gesteigert und mit einer wesentlichen Abnahme der Häufigkeit und Schwere der Infektionen korreliert werden.
  • Bei 5 Patienten konnte keine Änderung des Befundes erreicht werden:
    2 Patienten mit mukokutaner Candidiasis zeigten ein deutlich vermindertes ß-Defensin initial (25% der Kontrollperson), jedoch keine Stimulation durch Verabreichung von Bronchovaxom. Der Patient mit P. aeruginosa-Granulomen der Haut (ß-Defensin-Bildung <10% durch P. aeruginosa) zeigte ebenfalls keine Steigerung der ß-Defensin-Bildung. 1 Patient mit rezidivierenden Sinusitiden zeigte keine Steigerung der ß-Defensin-Bildung und keine klinische Besserung der wiederholten Infekte, bei der Patientin mit rezidivierenden P. aeruginosa-Pneumonien wurde zwar vorübergehend eine Steigerung der ß-Defensinbildung erreicht, jedoch ohne nachhaltige klinische Besserung.
  • 4 Patienten erhielten kein Bronchovaxom

 

Diskussion

Strategische Überlegungen zur Abklärung des „häufig kranken Kindes“ beruhen keineswegs allein auf einer laborchemischen und immunologischen Abklärung. Sie werden in erster Linie durch Anamnese und klinische Symptome geleitet. Rekurrente, prolongierte, pyogene Infektionen in verschiedenen Organsystemen bei mangelndem Gedeihen mit Beginn nach dem zweiten Trimenon weisen auf einen B-Zelldefekt und ein Antikörpermangelsyndrom hin. Ungewöhnlich häufige Pilz- und Protozoeninfektionen oder eine protrahierte Virusinfektion deuten auf einen Defekt der T-Zellimmunität oder einen kombinierten B- und T-Zelldefekt (SCID) hin. Rekurrente Staphylokokkeninfektion der Haut und kalte Abszesse der Lymphknoten lassen auf einen Granulozytendefekt schließen [25]. Monotope Infektionen in einem Organsystem bei normalerweise gutem Gedeihen und gutem Allgemeinzustand müssen den Verdacht auf eine Störung der Barrierefunktion, auf anatomische Besonderheiten in dem betreffenden Organsystem oder Strukturanomalien, aber auch – entsprechend der Ergebnisse der Pilotuntersuchung – auf eine Störung der Mukosa-Immunität richten.

Für viele Jahre hat man sich auf die Erforschung der adaptativen Immunität konzentriert, die natürlich eine wichtige Rolle in der Prävention und Bekämpfung vieler Infektionen spielt. Das adaptative Immunsystem ist in der Evolution eine vergleichsweise junge Strategie, die besonders bei höher entwickelten Vertebraten gut ausgebildet ist [26].

Die Oberflächen höherer Organismen sind normalerweise mit zahlreichen Mikroorganismen übersät, es kommt aber nur selten zu Infektionen. Es ist jedoch verwunderlich, dass in bestimmten Körperregionen Mikroorganismen trotz optimaler Wachstumsbedingungen (Anwesenheit von Feuchtigkeit, Salzen, Aminosäuren, Wärme) in ihrer Zahl nahezu konstant bleiben. Das verwundert insbesondere im Lichte der Erkenntnis, dass dieselben Mikroorganismen unter optimalen Bedingungen ihre Anzahl in jeweils 20 Minuten verdoppeln können. Bisher galt, dass Haut und Schleimhäute primär als physikalische Barriere wirken und Infektionen durch eine undurchdringliche Schicht aus Lipiden, Hornschuppen und Schleim, durch die Zilienbewegung und durch eine mechanische Klärfunktion abgewehrt werden. Diese Beobachtung ließ vermuten, dass die Haut und andere Körperoberflächen mit Kontakt zur Umwelt neben der physikalischen Barriere auch ein chemisches Abwehrsystem besitzen, das die Besiedelung durch Mikroorganismen sowohl qualitativ als auch quantitativ kontrolliert [27].

Dies wurde insbesondere durch die Bildung genetisch kodierter antimikrobieller Substanzen, die von Epithelzellen von Pflanzen, Wirbellosen- und Wirbeltieren einschließlich des Menschen auf Haut und Schleimhäuten produziert werden, erklärt. Bereits Fleming hatte 1922 das „bactericidal permeability increasing protein“ – heute als Lysozym bezeichnet – beschrieben, das aber im Lichte der Entdeckung des Penizillins durch den selben Autor völlig in den Hintergrund gedrängt wurde [28]. Einige dieser antimikrobiellen Peptide – die alpha-Defensine – werden ständig in gleich bleibenden Mengen, andere wiederum – die ß-Defensine – in erster Linie durch Kontakt der Epithelzellen mit pathogenen Mikroorganismen über bisher weitgehend unbekannte Rezeptoren oder über proinflammatorische Zytokine bei Kontakt pathogener Mikroorganismen mit der Epithelzelle gebildet [29, 30, 31].

Diese stimulierbaren antimikrobiellen Peptide, ß-Defensine genannt, sind cysteinreiche, kationische Proteinmoleküle mit einem Molekulargewicht von ca. 5.000 kD. Sie bestehen aus 38-41 Aminosäuren [32]. Elektronenmikroskopische Aufnahmen lassen darauf schließen, dass die antimikrobielle Wirksamkeit auf einer Perforation der Zellwand pathogener Mikroorganismen beruht [33]. Die
ß-Defensine arrangieren sich in einem Ring und bilden einen Kanal in der Bakterienwand, welcher zum Ausfluss von Zytoplasma führt. ß-Defensin I wird vorwiegend im Urogenitaltrakt gebildet und besitzt eine Wirksamkeit gegen Gram-negative Mikroorganismen, ß-Defensin II wird in den Epithelzellen der oberen Luftwege gebildet und ist ebenfalls gegen Gram-negative Erreger und Pilze wirksam, das ß-Defensin III wirkt gegen S. aureus und Enterokokken, unabhängig von deren Resistenz gegen Antibiotika [34].

Entzündungsmediatoren, die durch diese TLR induziert werden, sind TNFa, TNFgamma, Il 1 und Il 6, die ebenso wie bakterielle Mikroorganismen z.B. ß-Defensin II freisetzen. Als TLR-Signaltransduktoren für die Freisetzung der proinflammatorischen Zytokine fungieren MyD88, Tirap, Trif, Tram. Bisher kennt man mindestens 9 (+1) verschiedene TL-Rezeptoren, die auf unterschiedliche Strukturen bakterieller Mikroorganismen reagieren, eine bestimmte Sequenz von Entzündungsmediatoren freisetzen und bakterizide Eigenschaften besitzen [35, 36, 37]. TLR 4 wird durch LPS Gram-negativer Mikroorganismen stimuliert, TLR 2 von Gram-positiven Keimen initiiert. In Bakterienlysaten (z.B. Bronchovaxom®) sind viele dieser stimulierenden Stoffe vorhanden.

Die Mukosa-Immunität, eben die Bildung von ß-Defensinen, kann sowohl bezüglich Konzentration als auch Zeitpunkt der Bildung bei Säuglingen, Klein- und Schulkindern mit rezidivierenden Infekten gestört sein. Dies bedeutet, dass bei diesen Patienten Schleimhäute leichter und mit höheren Keimzahlen durch bakterielle Mikroorganismen besiedelt werden bzw. Keime, die an Epithelzellen haften, nicht eliminiert werden können.

Möglichkeiten einer Störung bestehen insofern, als

  • Patienten mit rezidivierenden Infekten kein oder im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen zu wenig ß-Defensin bilden oder eine bestimmte ß-Defensinklasse nicht bilden.
  • Patienten nach Kontakt mit bestimmten Mikroorganismen (z.B. P. aeruginosa) kein ß-Defensin bilden.
  • Patienten verzögert auf die bakterielle Besiedelung von Epithelzellen mit der Bildung von ß-Defensin reagieren und dadurch einer kleinen Inokulummenge Zeit geben zu proliferieren, wodurch das System überfordert ist, da ß-Defensine nur gegen eine kleine Inokulummenge wirksam sind.

Unsere Pilotuntersuchung hat gezeigt, dass bei Patienten mit rezidivierenden Infektionen und intakter spezifischer körpereigener Abwehr ein Mangel an ß-Defensinen eine pathogenetische Rolle spielen kann. In diesem vorselektionierten Krankengut wurde bei der Majorität der Patienten eine massive bis deutliche Verminderung der Bildung antimikrobieller Peptide beobachtet. Es ist gerechtfertigt, diesem lokalen Defekt der Mukosa-Immunität bei der Pathogenese rezidivierender Infekte eine wesentlich größere Bedeutung beizumessen als z.B. einem Defekt der spezifischen Immunität wie z.B. der Brutonschen Agammaglobulinämie.

Bei der Behandlung von Patienten mit rezidivierenden Infektionen vor allem der Atemwege kommt der Optimierung der antimikrobiellen Behandlung eine entscheidende Bedeutung zu. Für einen nachhaltigen Behandlungserfolg sind neben der Wahl eines wirksamen Antibiotikums die richtige Tagesdosis, die richtigen Dosierungsintervalle (optimale Pharmakodynamik und Überschreiten der mittleren Hemmkonzentrationen am Infektionsort für mindestens 66% besser 75-90 % der Zeit bis zur nächsten Dosis) und die korrekte Verabreichungsweise ausschlaggebend. Zuletzt ist auch eine korrekte Therapiedauer, die sich primär nach pathophysiologischen und funktionellen Gesichtspunkten richtet, von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf das Auftreten von Rezidiven.

Eine antibiotische Dauerprophylaxe zur Verhinderung rezidivierender Infekte ist nur in Ausnahmefällen ge-rechtfertigt und erfolgreich. Sie führt zur Selektion sowie Induktion resistenter bakterieller Mikroorganismen als Erreger von Rezidiven, was den Einsatz von oft nur parenteral verabreichbaren Breitspektrum-Antibiotika erforderlich macht. Gleich wichtig, obwohl in ihrer Bedeutung vielfach unterschätzt, ist auch eine entsprechende unterstützende Therapie mit Verbesserung der mukoziliären Clearance. Auch die Untersuchung von anatomischen und funktionellen Störungen des Sekretflusses und der Belüftung von Oberflächen sowie der Mukosa-Immunität ist von Bedeutung.

Bei Säuglingen und Kleinkindern mit rezidivierenden Infektionen können auf verschiedenen Ebenen der körpereigenen Abwehr Defekte bestehen. Eine effiziente Behandlung rezidivierender Infekte muss sich nun einer entsprechenden Diagnostik bedienen, um die einzelnen pathogenetischen Ursachen gezielt behandeln zu können.

Hinweise mehren sich, dass die Stimulation der Mukosa-Immunität z.B. durch detoxifiziertes Lipid A bzw. dem Monophosphoryl Lipid A über TLR 4 in Kombination mit einer Vakzine eine dramatische Steigerung der Immunantwort zur Folge hat [38]. Neueste Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass es über die Aktivierung der TLR 4 auch zu einer Aktivierung der adaptiven Immunität kommt [39].

In Bakterienlysaten ist unter anderem auch detoxifiziertes Lipid A enthalten. Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Verabreichung von Bakterienlysaten, obwohl nach wie vor nicht allgemein akzeptiert, in einem hohen Prozentsatz der Patienten mit rezidivierenden Infektionen
zu einer Besserung der Mukosa-Immunität und zu einer substanziellen Abnahme der gehäuften Infekte führt. Allerdings ist eine optimierte antimikrobielle und funktionelle Behandlung der Infekte Voraussetzung. Bakterienlysate greifen in mehreren Ebenen der körpereigenen Abwehr günstig ein.

1) Bakterienlysate enthalten sowohl LPS, Oberflächenstrukturen Gram-negativer Mikroorganismen, Lipoteichonsäure und Peptidoglykane der bakteriellen Zellwand Gram-positiver Keime als auch Kohlenhydratstrukturen aus der Zellwand Gram-negativer Mikroorganismen. Diese stimulieren direkt die Bildung von ß-Defensinen.

2) Stimulation von proinflammatorischen Cytokinen durch TLR über Bakterienlysate und bakterielle/virale DNA (CpG Motif), die ebenso wiederum über die Bildung von NO oder ß-Defensinen Keime an Epitheloberflächen eliminieren, ohne eine entsprechende Aktivierung der stimulierbaren humoralen oder zellulären Immunität.

3) Bildung von spezifischen Sekretions-IgA-Antikörpern in Sekreten des Nasen-/Rachenraums, die gegen Oberflächenstrukturen von Keimen gerichtet sind und die Adhärenz bakterieller Mikroorganismen blockieren. Die Induktion von Sekretions-IgA-Antikörpern, die die Adhärenz von Keimen blockieren, wurde in eigenen randomisierten Doppelblinduntersuchungen dokumentiert [40 ].

 


Ausblick

Die körpereigene Abwehr ruht auf 3 Säulen, von denen jede Säule bei rezidivierenden Infektionen im Kindesalter gestört sein kann.

1) Die stimulierbare spezifische körpereigene Abwehr, die auf der Bildung von Antikörpern inklusive Sekretions-IgA-Antikörpern und der T-Zell-Immunität beruht. Defekte dieses Abwehrsystems sind selten.

2) Die unspezifische körpereigene Abwehr, zu der in erster Linie die mukoziliäre Clearance mit Zilienschlagfrequez, regulärer Schleimschicht, Belüftung von Schleimhäuten und freier Sekretfluss zählen und die die Besiedelung der Schleimhäute mit Mikroorganismen reguliert. Die unspezifische Abwehr, die bei Entzündungsprozessen profund gestört ist, wird vorwiegend durch eine rasche Elimination der Mikroorganismen durch eine optimierte antimikrobielle Behandlung sowie eine adäquate unterstützende Behandlung beeinflusst

3) Die neu entdeckte angeborene Abwehr oder Mukosa-Immunität: Sie beruht darauf, dass der Körper Rezeptoren besitzt, die ohne einen vorangegangenen Kontakt Strukturen bakterieller Mikroorganismen (PAMPs) über die so genannten TOLL- und TOLL-like-Rezeptoren (TLR) erkennen und eine Kaskade von proinflammatorischen Cytokinen mit direkter antimikrobieller Wirkung oder über Vermittlung von ß-Defensin freisetzen.

Von besonderem Interesse ist es in Zukunft, das Ausmaß der Verminderung der Mukosa-Immunität bei Patienten mit rezidivierenden Infektionen zu definieren. In der Folge ist es notwendig, eine zeitliche Auflösung für die ß-Defensin-Bildung zu ermitteln, d.h. zeitliche Unterschiede zwischen Kontrollpersonen und den Probanden bezüglich der Bildung von ß-Defensin zu bestimmen. Eine zeitliche Verzögerung der ß-Defensin-Bildung kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Mukosa-Immunität führen, da ß-Defensin nur gegen ein kleines Inokulum, wie es bei einer Tröpfcheninfektion zustande kommt, wirkt. Bei zeitlicher Verzögerung der Wirkung kann durch Proliferation der Keime die Wirksamkeit erheblich vermindert sein. Da im Rahmen einer Virusinfektion eine erhebliche Störung der unspezifischen körpereigenen Abwehr und insbesondere der mukoziliären Clearance besteht, jedoch nur ein kleiner Prozentsatz der Patienten an bakterieller Superinfektion leidet, ist der angeborenen Mukosa-Immunität eine möglicherweise entscheidende Rolle zuzuschreiben. Es wäre dringend nötig, diese Fragestellung in prospektiven klinischen Untersuchungen abzuklären.

 

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Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. J. Peter Guggenbichler
Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
D-91054 Erlangen, Loschgestraße 15

E-Mail: prof.guggenbichler@gmx.de


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