Neues vom Helicobacter |
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Christa Kuderna
Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Infektionskrankheiten, Wilhelminenspital
der Stadt Wien
(Vorstand: Prim. Univ.-Prof. Dr. M. Götz) |
Zusammenfassung Infektionen mit HP (Helicobacter pylori) gehören weltweit zu den häufigsten
Erkrankungen. Jede HP-Infektion führt zur Ausbildung einer chronischen Gastritis. Ob es
zu weiteren Folgeerkrankungen kommt, hängt von verschiedenen exogenen und endogenen
Faktoren ab. In vielen Fällen bleibt die Erkrankung asymptomatisch, die Patienten sind
beschwerdefrei. Da kein gesicherter Zusammenhang zwischen abdominellen Beschwerden und
HP-Infektion besteht und europaweit ein deutlicher Anstieg der Resistenzrate gegen
Antibiotika, die zur Eradikation herangezogen werden, beobachtet wird, sollte nicht
unkritisch behandelt werden.
Eine wesentliche Indikation zur Therapie ist die chronische
Ulkuserkrankung auf dem Boden einer HP-Infektion, die durch erfolgreiche Eradikation
geheilt werden kann. Da das Risiko einer malignen Erkrankung bei HP-Gastritis nicht
signifikant höher ist als ohne Infektion und Magenkarzinom im Kindesalter praktisch nicht
vorkommt, ist eine Therapie als Karzinomprophylaxe nicht gerechtfertigt. |
Key-words:
Infection with HP in childhood, eradication of HP in childhood |
Summary Infections with HP (Helicobacter pylori) are one of the most prevalent
diseases world wide. Each infection with HP leads to chronic gastritis. Exogene and
endogene factors determine if this infection has further diseases as a consequence. In
many cases patients remain asymptomatic. There is no proven causal relationship between
abdominal symptoms and disease. All over Europe a trend of increasing resistance to
antibiotics used in eradication therapy can be observed. Therefore uncritical use of
antibiotic therapy is not recommended. An important indication for eradication is chronic
ulcer disease caused by HP-infection which can be treated by eradication. The risk of
malignant disease is not significantly different between HP-gastritis and gastritis not
caused by HP. Since carcinoma of stomach in childhood are extremely rare, prophylactic
antibiotic therapy seems not justified. |
EinleitungCa.
10-15% aller Kinder und Jugendlichen leiden unter chronisch rezidivierenden
Bauchschmerzen. Bei 58% der Patienten, die sich wegen ihrer Beschwerden einer Gastroskopie
unterzogen, wurde die Diagnose Helicobacter pylori-(HP-)Gastritis gestellt. Die
Erkenntnis, daß rezidivierende Oberbauchschmerzen häufig mit HP assoziiert werden
konnten, war äußerst willkommen, da es den Anschein hatte, ein großes therapeutisches
Problem gelöst zu haben. Dennoch zeigt sich jetzt in klinischen Nachuntersuchungen, daß
bei Patienten mit rezidivierenden Bauchschmerzen und HP-Infektion manchmal trotz
erfolgreicher Therapie die Beschwerden weiter bestehen oder aber nach mißglückter
Eradikation die Symptome spontan sistieren. Gleichzeitig ergaben Studien in Deutschland,
daß es keine spezifische Symptomatik gibt, die auf das Vorhandensein einer HP-Gastritis
schließen läßt [6]. Zusätzlich ergibt sich das Problem der deutlichen Zunahme der
Resistenzentwicklung bei Antibiotika, die für die Eradikation zur Verfügung stehen.
Auf Grund dieser Erfahrungen stellt sich nun die Frage, ob die
Eradikationsindikationen bei Infektionen mit HP nicht neu diskutiert werden sollten. |
Mikrobiologische
Eigenschaften Helicobacter pylori
ist ein spiralförmiges, gramnegatives Bakterium mit glatter Oberfläche und mehreren
Flagellen, die alle an einem Pol entspringen (Abb. 1).
Abbildung 1: Helicobacter pylori |
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Die Virulenz des Keimes hängt vor allem von einigen seiner
mikrobiologischen Eigenschaften ab:
- Motilität: Durch die 2-6 Flagellen wird eine
hohe Motilität erreicht, so daß die Keime mit raschen, schraubenförmigen Bewegungen
durch die Mucusschicht des Magens gleiten können.
Dies ist von Bedeutung, da sich der Keim nur in neutralem Milieu (pH 7,0- 8,0) vermehren
kann.
- Urease: Um sich vor dem sauren Milieu des
Magenlumens zu schützen, produziert das Bakterium durch Spaltung von Harnstoff mit Hilfe
des Enzyms Urease große Mengen an Ammoniak, die eine schützende Wolke um den Keim
bilden, womit eine Infektion erst ermöglicht wird.
- Phospholipidasen: Diese Enzyme greifen die
Phospholipidschicht des Magenschleims an, um die Keimbesiedelung zu erleichtem.
- Blockierung der Protonenpumpe: Im Rahmen der
Erstinfektion kommt es durch Blockierung der Protonenpumpen vorübergehend zu einer
Anazidität des Magens.
- Zytotoxine: Durch Einwirkung von Zytotoxinen auf
die Magenschleimhaut kommt es zu einer Schädigung der Mikrovilli und damit zu einer
Schwellung der Epithelzelle und vermehrter Durchlässigkeit der Tight-junctions. Es gibt
eine große genetische Variabilität bei HP, deren Virulenz bezüglich der Entstehung von
Ulzera unterschiedlich ist. In diesem Zusammenhang wird besonders das cytotoxinassoziierte
Gen A (cag-Gen) genannt, das durch vermehrte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen
wie IL-l, IL-8 und TNF-alpha eine stärkere Schädigung an der Magenschleimhaut verursacht
[2]. Klinisch findet man bei Infektionen mit HP cagA positiv einen höheren
Entzündungsgrad der chronischen Gastritis und häufiger Ulzera als bei HP cagA negativ
[3]. |
Epidemiologie Infektionen mit HP werden fast ausschließlich im Kindes- und Jugendalter
erworben und bestehen ein Leben lang. Auf Grund serologischer Untersuchungen wird
vermutet, daß der Altersgipfel der Erstinfektion um 5 Jahre liegt [4]. Etwa 50% der
Gesamtbevölkerung ist mit HP infiziert, in Deutschland beträgt die Durchseuchungsrate
etwa 4-5% [6], in Entwicklungsländern ist sie deutlich höher und wird mit bis zu 75% bei
Kinder bis zum zehnten Lebensjahr angegeben [4].
Die genauen Ansteckungsmechanismen von HP sind noch nicht bekannt.
Man vermutet neben der direkten Übertragung (oro-oral, gastro-oral, fäco-oral) auch
indirekte Übertragungswege wie verseuchtes Wasser, Haustiere und mangelhaft desinfizierte
Endoskope. Die Infektion findet sich gehäuft in Familien mit niedrigem sozioökonomischem
Standard. Spontaneradikationen sind sehr selten, die Reinfektionsrate nach erfolgreicher
Eradikation bei Kindern über 5 Jahre ist sehr gering. Das Zusammenleben mit
HP-infizierten Eltern und Geschwistern bei niedrigem sozioökonomischem Standard ist kein
Risikofaktor für Reinfektion [5]. |
Klinische Manifestationen der HP-Infektion Die Erstinfektion mit HP ist von einer unspezifischen Gastroenteritis nicht
zu unterscheiden. Nach einer Inkubationszeit von 5 Tagen treten Symptome wie Übelkeit und
Erbrechen auf. Vorübergehend kommt es zum Anstieg des pH im Magenlumen auf 7, die
Schleimhaut bleibt jedoch vorerst intakt. Nach einigen Tagen beginnt der Übergang in das
chronische Stadium.
Eine Infektion mit HP verursacht immer eine chronische Gastritis. Ob
es nach Erstinfektion zum Auftreten einer chronisch aktiven Gastritis bzw. zur Ausbildung
von Folgeerkrankungen wie Ulkuskrankheit, Magenkarzinom und MALT-Lymphom kommt, hängt in
erster Linie von der Interaktion Wirt-Keim und von Einwirkung exogener Noxen ab (Tab. 1).
Oft bleibt die Erkrankung auch lebenslang asymptomatisch und unerkannt.
Tabelle 1: Folgen der Einwirkung
exogener Noxen auf eine durch HP-Infektion vorgeschädigte Schleimhaut modifiziert nach
der Monatsschrift für KHK |
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Da das Karzinomrisiko bei HP-Gastritis um 0,1-3% erhöht ist, hat
die WHO den Keim als Karzinogen der Klasse 1 klassifiziert.
Peptische Ulzera entstehen bedeutend häufiger im Erwachsenenalter
als bei Kindern und Jugendlichen [6]. Die Wahrscheinlichkeit, durch eine Infektion mit HP
im Laufe des Lebens an einem Ulkus ventrikuli oder Ulkus duodeni zu erkranken, ist 15%
höher als ohne HP-Infektion. Magenkarzinom kommt im Kindesalter praktisch nicht vor, und
weltweit gibt es nur 10 veröffentlichte Fälle von Kindern mit MALT- Lymphom [7]. Daher
spielt der zeitliche Ablauf für die Entwicklung von Folgeerkrankungen eine wichtige Rolle
für das diagnostische und therapeutische Vorgehen (Tab. 2).
Tabelle 2: Zeitlicher Ablauf der
Folgeerkrankungen einer HP-Gastritis |
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Nachweismethoden einer HP-Infektion Keines der zahlreich zur Verfügung stehenden Testverfahren erfüllt den
Goldstandard, mit dem alle sicher infizierten und alle sicher nicht infizierten Personen
erfaßt werden (Sensitivität und Spezifität). Zur Diagnostik sollten daher immer mehrere
Methoden verwendet werden. |
Endoskopie
Schon makroskopisch fällt eine sichtbare Nodularität der kindlichen Magenschleimhaut auf
("Gänsehautmagen") (Abb. 2).
Diese Veränderungen finden sich bei infizierten
Kindern unabhängig davon, ob sie Symptome bieten oder nicht.
Histologie und Zytologie: Durch je 2
Biopsien aus Antrum und Korpus wird das Ausmaß der akuten und chronischen Entzündung und
das Vorhandensein von HP erfaßt.
Ureaseschnelltest: Ein einfaches und
preiswertes Testverfahren, bei dem Gewebsproben in harnstoffhältige Testlösung gebracht
werden, wobei es bei Anwesenheit von HP zur Spaltung des Harnstoffes und zu Farbumschlag
kommt.
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Abbildung 2:
Gänsehautmagen |
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- Kultur: Der Keim ist gegen Austrocknen und hohe
Sauerstoffkonzentration sehr empfindlich. Vorteil ist die eindeutige Identifikation des
Keimes und dessen Resistenzbestimmung und damit die Resistenzprüfung auf verschiedene
Antibiotika. Das Anlegen einer Kultur ist aber sehr teuer und aufwendig und wird nicht
routinemäßig durchgeführt.
- PCR: Hohes Risiko für falsch positive Ergebnisse durch Kontamination
am Endoskop.
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Nicht
invasive Diagnostik
- Serologie: Es werden IgG und IgA gemessen.
Quantitative Messungen geben besser Auskunft über die Schwere der Infektion. Schnelltests
aus Fingerbeere und Speichel sind sehr unzuverlässig. Es besteht keine Möglichkeit,
zwischen einer bestehenden und ausgeheilten Infektion zu unterscheiden. Insgesamt geben
serologische Testverfahren keine Aussage über die aktuelle Infektion und sollen nie als
alleinige Diagnostik verwendet werden.
- 13C-Harnstoff-Atemtest: Mit
Hilfe der Ureaseaktivität des HP wird nach Einnahme von 13C
markiertem Harnstoff im Falle einer Infektion der Harnstoff in Ammoniak und 13CO2
gespalten. Nach Resorption kann mit Hilfe eines Isotorenmassenspektrometers ein Anstieg
der 13CO2-Konzentration in der Atemluft nachgewiesen werden (Abb.
3).
Abbildung 3: 13C-Harnstoff-Atemtest
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Der Atemtest erfaßt die
akute Infektion und hat den Vorteil, daß die gesamte Magenschleimhaut auf Vorhandensein
des Bakteriums getestet wird. Der Test gibt keinen Aufschluß über den Zustand der
Magenschleimhaut. Der besondere Vorteil liegt daher in der Eradikationskontrolle. Ursachen
von falsch negativen Ergebnissen können vorangegangene Antibiotikatherapie und
Nahrungsreste sein. |
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Therapie Bisher hat sich in der Eradikation des HP die sogenannte französische
Tripeltherapie, bestehend aus einer Kombination von Protonenpumpenhemmer, Amoxicillin und
Clarithromycin durchgesetzt (Tab. 3).
Tabelle 3: Französische
Tripeltherapie |
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Weiters stehen Metronidazol und
Wismutpräparate zur Verfügung. Wismut weist eine hohe Nebenwirkungsrate auf. Als
problematisch erweist sich die rasante Zunahme der Resistenzentwicklung bei Metronidazol
(20%-30%) und Clarithromycin. In Deutschland ist die Resistenzrate bei Clarithromycin
derzeit noch eher gering (2%), es kommt jedoch zu einer deutlichen Resistenzentwicklung
unter Therapie. Aus Frankreich werden Resistenzentwicklungen unter Therapie bis zu 69%
berichtet [6]. Bisher wurde keine Resistenz bei Amoxicillin beobachtet. Die häufigsten
Therapieversager resultieren aus Non-Compliance und Resistenz auf Antibiotika [7]. |
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Protonenpumpenhemmer:
Dosierung 1 mg/kg/KG in 2 Tagesdosen
(max. 40 mg)
Amoxicillin:
Dosierung 50 mg/kg/KG in 2 Tagesdosen
(max. 2 g)
Clarithromycin:
20 mg/kg/KG in 2 Tagesdosen
(max. 1 g) |
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Indikationen
zur Therapie Vor Einleitung von
diagnostischen Schritten muß in erster Linie eine genaue Anamnese durchgeführt werden.
Oft ergibt sich aus den Ernährungsgewohnheiten mancher Kinder eine mögliche Ursache von
immer wiederkehrenden Bauchschmerzen. Weiters ist es wichtig, die Häufigkeit und
Intensität der Schmerzen zu beobachten und mit Hilfe eines Symptom-Tagebuches, in dem
genaue Aufzeichnungen von Lokalisation, Dauer, Intensität und Häufigkeit gemacht werden,
zu objektivieren. Die Lokalisation der Bauchschmerzen und deren Intensität können
Hinweise auf Vorhandensein von Ulkus duodeni oder ventrikuli sein. Kinder, die an Ulkus
leiden, haben signifikant stärkere Schmerzen als Kinder mit sogenannten funktionellen
Bauchschmerzen. Die Schmerzen werden immer im Epigastrium lokalisiert [6].
Europaweit wird ein deutlicher Anstieg der Resistenzrate gegen
Antibiotika, die zur Eradikation herangezogen werden, beobachtet. Das um 0,1-3% erhöhte
Risiko für Magenkarzinom rechtfertigt keine Eradikation bei asymptomatischen Kindern und
Jugendlichen, es sollte auch keine Therapie als Ulkusprophylaxe durchgeführt werden. Wenn
allerdings bereits ein Ulkus vorhanden ist, führt die Eradikation von HP zu rascherem
Abheilen der Läsionen und verhindert in bis zu 90% der Erkrankten die Ausbildung eines
Rezidivulkus [8].
Deshalb sollte die Indikation zur Therapie streng gestellt werden.
Da die einzige absolute Indikation zur Therapie im Kindes- und Jugendalter das Ulkus
duodeni und Ulkus ventrikuli ist, wird empfohlen, zur Diagnosesicherung die Gastroskopie
heranzuziehen (Tab. 4). Ob der alleinige Nachweis der aktuellen Infektion mittels
13C-Atemtest berechtigt, eine Eradikation einzuleiten, wird kontroversiell diskutiert.
Tabelle 4: Indikationen zur
Eradikation |
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absolute Indikationen |
- Ulkus ventrikuli
- Ulkus duodeni
- MALT-Lymphom
- Riesenfaltengastritits |
relative Indikation |
- dyspeptische
Beschwerden
- Magenkarzinom in der Familienanamnese
- vor Langzeittherapie mit NSAR
- atrophische Schleimhaut
- erosive, HP-positive Gastritis
- Dysplasien der Magenschleimhaut |
keine Indikation |
- Magenkarzinomprophylaxe
- Ulkusprophylaxe
- Mitbehandlung asymptomatischer Familienmitglieder |
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Literatur: 1. Wilson K., Fantry G.: "Pathogenesis of Helicobacter
Pylori Infection." Current opinion in Gastroenterology 15 (1999) 66-71.
2. Luzza F., Contaldo A., Imeneo M., Mancuso M.,
Pensabene L., Giancotti L., La Vecchia A.M., Costa M.C., Strisciuglio P., Docimo C.,
Pallone F., Guandalini S.: "Testing for Serum Antibodies to Helicobacter Pylori
Cytotoxin-associated Protein Detects Children with Higher Grades of Gastric
Inflammation." J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 29(3) Sept. (1999) 302-7.
3. Rowland M., Imrie C., Bourke B., Drumm B.:
"How should Helicobacter infected children be managed." GUT 45 Suppl. 1 (1999)
136-39.
4. Roxland M., Kumar D., Daly L., O'Connor P.,
Vaughan D., Drumrn B.: "Low Rates of Helicobacter pylori Reinfection in
Children." Gastroenterology 117 (2) Aug ( 1999).
5. Rowland M., Drumm B.: "Clinical Significance
of Helicobacter Infection in Children." Br. med. bull. 54 (1998) 95-103.
6. Mondseer Gespräche 1999.
7. Dore M., Osato M., Kwon D., Graham D., EI-Zaatari
F.: "Demonstration of Unexpected Antibiotika Resistance of Genotypically Identical
Helicobacter Pylori Isolates."
8. Suzuki J., Mine T., Kobayasi I., Fujita T.:
"Relationship Between the Eradiktion of Helicobacter Pylori and the Healing Pattern
of Peptic Ulcer." J. Clin. Gastroenterol. 27. (1998) 159-162. |
Anschrift des Verfassers:
Dr. Christa Kuderna
Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Infektionskrankheiten, Wilhelminenspital
A-1171 Wien, Montleartstraße 37 |
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