Infektionen des
unteren Respirationstraktes bei Kindern |
M. Frühwirth
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Innsbruck
(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. I. Hammerer)
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Gemäß
WHO ist die Pneumonie definiert als akute Infektion der unteren
Luftwege mit klinischen Zeichen wie Fieber und akuten respiratorischen
Symptomen sowie röntgenologisch nachweisbaren Infiltrationen.
Die Diagnosestellung erfolgt anhand der Klinik, des Röntgenbefundes
und serologischer sowie mikrobiologischer Nachweisverfahren (Tab.
1). Laboruntersuchungen haben nur unterstützende Funktion.
Eine entscheidende, therapeutisch hochrelevante Frage ist: Handelt
es sich im speziellen Fall um eine bakterielle oder um eine virale
Infektion? Wenn auch die 100%ige Unterscheidung aufgrund des klinischen
Bildes und des Röntgens nur selten möglich ist, gibt es
doch eine Reihe von Kriterien, die die Entscheidung in der Praxis
zumindest erleichtern. Neben der Kenntnis häufiger und seltener
Erreger hilft in typischen Fällen der Krankheitsverlauf. Im
Folgenden werden die wichtigsten Kriterien zur Entscheidungsfindung
und die therapeutischen Möglichkeiten behandelt.
Tabelle
1: Mikrobiologische Untersuchungen bei Pneumonie
Nasopharyngeales
Sekret |
RSV,
Influenza-, Parainfluenza-Virus,
Masernvirus, Hantavirus, Clamydien |
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Kultur |
Streptococcus
pneumoniae,
Haemophilus influenzae,
Staphylococcus aureus,
Streptokokken Gruppe B,
Gram-negative Bakterien |
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Serologie |
Masernvirus,
Varicella,
CMV, EBV,
Mykoplasmen |
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Erregerspektrum
Häufige
Erreger
Als Erreger von Pneumonien bei Kindern haben folgende Viren
die größte Bedeutung:
- Respiratory
Syncytial Virus (RSV),
- Parainfluenza-,
- Influenza-,
- Adeno-,
aber auch
- Masern-
und
- Rhino-Viren.
Bei gehäuftem
Auftreten, z.B. im Winter, ermöglicht die Kenntnis der Epidemiologie
eine Vermutungsdiagnose.
Bei Verdacht
auf eine Infektion mit einem atypischen Erreger kann das
Alter des erkrankten Kindes einen Hinweis liefern. Wenn auch keine
100%ige Zuordnung möglich ist, lässt eine Pneumonie bei
einem
- Säugling
auf Chlamydien schließen, während bei einem
- Kind im
Schulalter eher an Mykoplasmen zu denken ist.
Die wichtigsten
bakteriellen Erreger einer Pneumonie sind
- Streptococcus
pneumoniae,
- Staphylococcus
aureus,
- Haemophilus
influenzae, der dank der in den letzten Jahren breit eingesetzten
Impfung zunehmend an Bedeutung verliert und bald nur
mehr eine untergeordnete Rolle spielen wird.
- Mycobacterium
tuberculosis ist zwar in Österreich eher selten, darf
aber differentialdiagnostisch nicht außer Acht gelassen
werden.
Seltene Erreger
Seltene virale Pneumonien sind die Varicella-Pneumonie (hauptsächlich
bei hospitalisierten Kindern mit Grunderkrankungen, wie z. B. Immundefekten),
die Enterovirus-, die HSV- und die Mumps-Pneumonie.
Zu den seltenen
Erregern von bakteriellen Pneumonien zählen Streptococcus
pyogenes, Bordetella pertussis, Klebsiella pneumoniae,
E. coli, Listerien und Legionellen.
Auch Pilz-bedingte Pneumonien treten ohne Grundkrankheit kaum auf.
Bei einigen
Kindern spielt in der Pathogenese der Pneumonie ein Mechanismus
eine Rolle, der derzeit intensiv beforscht wird, dessen Grundlage
aber noch nicht aufgeklärt ist: die Hyperreagibilität
des Bronchialsystems.
Virale Infektionen des Respirationssystems können bei ihnen
eine Überreaktion der Schleimhaut hervorrufen, die sich mit
Bronchusobstruktion, vermindertem Sekretfluss und Atelektasen manifestiert.
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Klinische
Unterscheidungsmerkmale
In typischen
Fällen lässt der Verlauf einer Pneumonie Rückschlüsse
darauf zu, ob der Infekt bakterieller oder viraler Natur ist. Die
Befunde der Röntgenuntersuchung sind dabei in Zusammenschau
mit der Klinik zu beurteilen.
Charakteristika
einer typischen viralen Infektion
- längere
Vorgeschichte mit Husten, Rhinitis und mäßigem Fieber
- schlechte
Korrelation zwischen Röntgenbefund und Klinik (röntgenologisch
zu Beginn ohne Befund)
- Auskultation:
- Rasselgeräusche,
bedingt durch den liegen bleibenden Schleim
- bei
schweren Infekten abgeschwächtes Atemgeräusch; die
sog. stille Lunge weist auf einen weit fortgeschrittenen
Prozess hin, es handelt sich um einen Notfall!
Die Symptome
einer typischen RSV-Pneumonie sind:
- parahiläre,
peribronchiale Infiltrate
- lobäre,
segmentale Atelektasen durch Obstruktion der Luftwege mit Volumenminderung.
Cave! Verwechslung mit Konsolidierung (Infiltrat ohne Volumenminderung!)
- überblähte
Lungenabschnitte
- schwere
Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, exspiratorisches Wheezing
Charakteristika
einer typischen bakteriellen Infektion
- abrupter
Beginn mit hohem Fieber (> 39°C), Husten und Gelenkschmerzen
- gute Korrelation
zwischen Röntgenbefund und Klinik (Auskultation)
- peripher
beginnende Konsolidierung
Mykoplasmen-
und Chlamydien-Infektionen
Sie bieten ein ähnliches Bild wie bakterielle Infektionen,
was eine Unterscheidung aufgrund der Klinik äußerst schwierig
macht.
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Therapie
Wie bereits
erwähnt, kann aufgrund des Alters des erkrankten Kindes mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den ursächlichen Erreger
rückgeschlossen werden. Eine Hilfestellung leistet der Diagnose-Algorithmus
in Tabelle 2.
Tabelle
2: Algorithmus der Diagnose der Pneumonie bei Kindern
in Abhängigkeit vom Alter
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Neugeborenes |
Gruppe-B-Streptokokken
Gram-negative Bakterien
CMV
Listerien |
Early-onset-Pneumonie,
bilateral, diffus
nosokomial
andere kongenitale Infektionen
Early-onset-Sepsis |
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1-3 Monate |
Chlamydia
RSV
Parainfluenza
Streptococcus pneumoniae
Bordetella pertussis
Staphylococcus aureus |
maternale
Infektion, interstitielle Pneumonie
Peak: 2- 7 LM, Wheezing, Herbst/Winter
ältere Kinder als RSV; nicht endemisch im Winter
häufigste Ursache
Bronchitis
weniger häufig als vor einigen Jahren |
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4 Monate - 4 Jahre |
RSV;
Para-Influenza, Adeno-,
Rhinovirus, Strep. pneumoniae
Hämophilus influenzae Typ B
Mykoplasma
Mycobacterium tuberculosis |
häufig
im Säuglingsalter
Lobärpneumonie
eliminiert durch Impfung
bei älteren Kindern der Gruppe |
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5-15 Jahre |
Mykoplasma
Chlamydia pneumoniae
Strep. pneumoniae
Mycobacterium tuberculosis |
Hauptursache
in diesem Alter
kontroversiell |
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Unter Berücksichtigung
aller Faktoren kann eine empirische antibiotische Therapie eingeleitet
werden. Tabelle 3 liefert Anhaltspunkte für die Auswahl des
geeigneten Antibiotikums.
Tabelle
3: Empirische antibiotische Therapie der Pneumonie bei
Kindern
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Geburt
bis 20 Tage |
Einweisung |
3
Wochen - 3 Monate |
afebril:
Makrolidantibiotika |
4
Monate - 4 Jahre |
Amoxicillin
(80 -100 mg/kg/d) |
5
Jahre -15 Jahre |
Makrolidantibiotika |
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modifiziert nach N. Engl. J. Med.
2002 |
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Prophylaxe
Da Streptococcus
pneumoniae sowohl bei Kindern als auch bei Personen über
60 Jahren der wichtigste Pneumonie-Erreger ist, stellt eine Impfung
gegen diesen Erreger die effektivste präventive Maßnahme
dar. Für Erwachsene steht bereits seit einigen Jahren ein 23-valenter
Impfstoff gegen die häufigsten in Europa und den USA isolierten
Serotypen zur Verfügung, der bei Säuglingen und Kleinkindern
allerdings nicht wirksam ist. Diese können nun mit einem 7-valenten
konjugierten Polysaccharidimpfstoff, der 80% der resistenten Serotypen
enthält, nach folgendem Schema immunisiert werden:
- < 6 Monate:
3 Teilimpfungen 0,5 ml; 4. Dosis im 2. Lj.
- 7-11 Monate:
2 Teilimpfungen; 3. Dosis im 2. Lj.
- 12-23 Monate:
2 Dosen im Abstand von 2 Monaten
Nach Empfehlung
des Obersten Sanitätsrates sollten Kinder unter 2 Jahren geimpft
werden, die einer Risikogruppe angehören. Eine Ausdehnung auf
Frühgeborene (Geburtsgewicht < 2.500 g) und Kinder mit Gedeihstörungen
oder neurologischen Erkrankungen wird gefordert. Derzeit übernimmt
die Krankenkasse die Kosten noch nicht, von ärztlicher Seite
ist eine Impfung aber dringend anzuraten.
Das gilt ebenso
für die Influenza-Impfung. Dies in besonderem Maße, da
die höchste Rate an Influenza-Infektionen bei Kindern zu verzeichnen
ist. Bei ihnen dauert das Virus-Shedding länger und die Viruslast
ist höher als bei Erwachsenen. Kinder sind damit anders
als bei Pneumokokken die Ansteckungsquelle für ältere
Erwachsene und der Hauptverteiler von Influenza im Haushalt
und in der Bevölkerung.
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Anschrift
des Referenten:
Univ.-Prof. Dr. Martin Frühwirth
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
A-6020 Innsbruck, Anichstraße 36
E-Mail: martin.fruehwirth@uibk.ac.at
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