Meningitis
ein pädiatrischer Notfall |
K. Schmitt
Landeskinderklinik, Linz
(Vorstand: Prim. Univ.-Doz. Dr. K. Schmitt)
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Auch wenn alle
Therapieoptionen ausgeschöpft werden, bleibt die bakterielle
Meningitis bei Kindern eine Erkrankung mit einer hohen Mortalität
und einer hohen Inzidenz an Folgeschäden, die nur durch ein
optimales Management in Grenzen gehalten werden können.
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Meninokokken-Meningitis
Während
die Hämophilus-Meningitis in Österreich durch die verfügbare
Impfung sehr an Bedeutung verloren hat, spielen Meningokokken der
Gruppen B und C (ca. 70:30) und Pneumokokken nach wie vor eine wichtige
Rolle. In Österreich ist die Inzidenz der Meningokokken-Meningitis
mit unter 100 Erkrankungsfällen pro Jahr relativ gering. Der
erste Erkrankungsgipfel liegt in der Säuglingsperiode bzw.
in den ersten
Lebensjahren (Mortalität 5%). Der zweite Gipfel ist bei den
jungen Erwachsenen zu verzeichnen (Mortalität 25%).
Meningokokken
führen zu einer systemischen Infektion, die praktisch alle
Organe betrifft. Durch Freisetzung Epithel-schädigender Toxine
kommt es zu Blutungen und reaktiv zu einer Aktivierung der Gerinnungskaskade.
Neben dem Gehirn ist zu 80% das Myokard betroffen, typisch sind
auch Nebennierenblutungen. Die schwerste Form der Meningokokken-Sepsis,
das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein
Versagen der Nebennierenrinde und Kreislaufschock (funktionell oder
durch hämorrhagischen Infarkt).
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Diagnose
Das große
diagnostische Problem bei Meningokokken-Meningitis besteht darin,
dass die Erstsymptome jenen einer viralen Infektion gleichen (Fieber,
Pharyngitis, Tonsillitis, Laryngitis, Rhinitis, Müdigkeit,
Gelenks- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen etc.) und sich der Allgemeinzustand
innerhalb weniger Stunden rapide verschlechtert. Typische Verlaufsfälle
illustriert Tabelle 1. Der Krankheitsverlauf einer bakteriellen
Meningitis kann fulminant sein und stellt den erstbehandelnden Arzt
in der Folge oft zusätzlich vor das schwierige Problem, den
Eltern zu erklären, warum ihr vor wenigen Stunden noch völlig
gesundes Kind innerhalb sehr kurzer Zeit schwer krank ist. Ihnen
zu vermitteln, dass der bedrohliche Zustand nicht gleich zu Beginn
zu diagnostizieren ist, ist nicht einfach.
Tabelle
1: Typische Verläufe einer Meningokokken-Meningitis
MICHAEL,
16 Jahre |
01:00
Erbrechen, Fieber 40,6 Grad, Cephalea
10:00 livide Hautflecken, allg. Krankheitsgefühl
12:00 erste Untersuchung, viraler Infekt
14:30 erste petechiale Hautblutungen
17:15 stationäre Aufnahme
Aufnahmestatus:
-
bereits reduzierter schlechter Allgemeinzustand, somnolent
-
petechiale Blutungen + Suffusionen
-
kaum meningeal
-
während der Aufnahmeuntersuchung rasche Verschlechterung,
Bewusstseinseintrübung
-
RR 80/40 ad Intensivstation
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SEBASTIAN,
9 Monate |
hochfieberhafter
Infekt
20.30 Uhr Aufnahme wegen Fieberkrampf; nicht meningeal
08.00 erste Petechien, Liquor 43/3 |
JACQUELINE,
12 Monate |
Fieber,
Müdigkeit, spielt weniger
Arztkontakt, Verdachtsdiagnose: viraler Infekt
22.30 reduzierte Trinkmenge von 200 ml führt zur
Aufnahme
nächster Morgen: erste Hautblutungen |
PASCAL,
18 Monate |
02.00
Fieber bis 40 Grad
Hausarzt gerufen viraler Infekt
13.00 Mutter bemerkte rote Punkte auf der
Haut Hausarzt gerufen, Einweisung
15.00 Aufnahme weinerlich, berührungsempfindlich,
zahlreiche Hautblutungen |
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Nur Stunden
nach Auftreten von Fieber und Müdigkeit können sich Hautflecken,
kleine Petechien und Hämatome entwickeln, die manchmal so diskret
sind, dass sie übersehen werden. Es empfiehlt sich daher, bei
Kindern mit hohem Fieber gezielt nach diesen Krankheitszeichen zu
suchen (Abb. 1, 2, 3). Generell gilt zudem, dass nicht alle Kinder
sämtliche krankheitsspezifischen Symptome entwickeln (Tab.
2).
Abbildung
1:
Petechien bei Meningokokken-Meningitis
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Abbildung
2:
Petechien bei Meningokokken-Meningitis
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Abbildung
3:
Petechien bei Meningokokken-Meningitis
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Tabelle
2: Zeichen und Symptome bei schweren Meningokokken-Infektionen
Klinische
Zeichen |
Häufigkeit
bei Aufnahme in %
|
Fieber
Petechien,
Blutungen*
Schock
Erbrechen
Lethargie
Kopfschmerzen
Irritabilität
Reduzierte Trinkmenge
Husten, Rhinitis
Krampfanfälle |
71
89
68 71
38 42
34 67
30 55
34
21 34
18
18
8 10
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*ca.
10% haben weniger als 12 Petechien |
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Typische meningeale
Symptome fehlen besonders bei Säuglingen und Kleinkindern.
Auch die Vorwölbung der Fontanelle findet sich z.B.
bedingt durch Flüssigkeitsverlust nicht bei jedem Säugling.
Sehr ernst zu nehmende Warnsignale bei Säuglingen sind
- Berührungsempfindlichkeit,
- schrilles
Schreien und
- Trinkverweigerung.
Diese Symptome
treten nicht ausschließlich bei Meningitis auf, zeigen aber
in jedem Fall ein ernstes Krankheitsgeschehen an, das rasch abgeklärt
werden muss.
Da die Symptomatik
zu Beginn sehr unklar ist, sollten die Kontrollen in möglichst
kurzen Abständen erfolgen. Die Eltern müssen darüber
aufgeklärt werden, jede Verschlechterung des Zustandes sofort
dem behandelnden Arzt mitzuteilen.
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Therapie
Ein entscheidender
therapeutischer Faktor ist der möglichst frühzeitige Therapiebeginn
und damit die umgehende Spitalseinweisung. Ob mit der Therapie noch
außerhalb des Spitals begonnen werden sollte, hängt von
der zu erwartenden Transportdauer in das nächste Krankenhaus
ab. Auf keinen Fall darf durch Therapieversuche wertvolle Zeit verloren
gehen. Zu bedenken ist auch die Gefahr des Endotoxinschocks bei
zu rascher Gabe des Antibiotikums. Es muss also die Möglichkeit
bestehen, einen venösen Zugang zu legen und das Antibiotikum
in einer Infusion zu verabreichen.
Die Therapie
kann prinzipiell mit Penicillin G oder Cephalosporinen erfolgen,
ein Reserveantibiotikum ist Chloramphenicol (Tab. 3). In Österreich
liegt die Resistenz von Pneumokokken gegen Penicillin zwar nur bei
wenigen Prozent, beim einzelnen Patienten hätte ein Therapieversagen
aber fatale Folgen. Daher ist es sinnvoll, gleich Ceftriaxon einzusetzen.
Auf jeden Fall muss langsam und in niedriger Dosierung begonnen
werden, da eine Bolusgabe des Antibiotikums zu einer massiven Freisetzung
von Endotoxinen führen kann, die eine entzündliche Reaktion
im Gehirn auslöst. Der daraus resultierende Anstieg des Hirndrucks
kann irreversible Schäden verursachen oder sogar tödlich
enden.
Für die
supportive Therapie mit Heparin liegen keine harten Daten vor. Derzeit
laufen Studien mit Protein C.
Tabelle
3: Antibiotikatherapie der Meningokokken-Meninigitis
Penicillin
G |
250.000-500.000
IE/kg/d
4-6 Einzeldosen für 7 Tage
Resistenz gegen Penicillin:
USA, Kanada, UK, Spanien, Griechenland , ...
|
Ceftriaxon
(Rocephin) |
initial
100 mg/kg/d auf 2 Einzelgaben
über 4 Stunden,
danach 50-80 mg/kg/d als Einmalgabe
für 7-10 Tage
Wirkung
mit Penicillin vergleichbar
Hautblutungen geringer
Mortalität idem
|
Chloramphenicol |
als
Reserveantibiotikum!
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Chemoprophylaxe
(Tab. 4)
Die Verhaltensmaßnahmen
bei einer Meningokokken-Erkrankung sind in Tabelle 5 zusammengefasst.
Bei einem Meningokokkenfall muss oft auch bedingt durch das
große mediale Interesse immer mit einer Beunruhigung
in der Bevölkerung gerechnet werden. Nicht selten wird von
verschiedenen Seiten die Forderung nach einer Chemoprophylaxe laut.
Wie die Zahlen zeigen, ist die Angst aber außer bei direktem
engen Kontakt mit einem Erkrankten unbegründet. Die Wahrscheinlichkeit
einer Infektion liegt Studien zufolge bei Personen, die sich in
der Nähe eines Patienten mit Meningokokken-Meningitis aufgehalten
haben, bei 1:120.000. 24 Stunden nach Therapiebeginn besteht keine
Ansteckungsgefahr mehr.
Tabelle
4: Chemoprophylaxe
Indikation:
alle Personen mit engem Kontakt innerhalb der letzten
Woche
Risiko
für Haushaltsmitglieder: 3/1.000
erhöhtes Risiko: Kleinkinder, Großfamilien
(enger Raum)
Krabbelstuben
medizinisches Personal: Kontakt mit Sekreten
(Reanimation)
keine Indikation:
Normalkontakt (Arbeit, Schule, Kindergarten): KEINE
INDIKATION
|
Rifampicin
(2 Einzeldosen für 2 Tage)
<
1 Monat
1 Monat 12. Lebensjahr
Erwachsene
|
10 mg/kg/d
20 mg/kg/d
1.200 mg/d
|
Ciprofloxacin |
1
x 500 mg
|
Ceftriaxon
<
15 Jahre
> 15 Jahre
|
125 mg i.m.
250 mg i.m.
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Tabelle
5: Verhaltensmaßnahmen bei Meningokokken-Erkrankungen
1)
Meldepflicht
2) Isolierung für 24 Std. ab Beginn der antibiotischen
Therapie
-
Unterbringung des Patienten in einem Einzelzimmer
- Verwendung von Gesichtsmasken für das Personal
- Händedesinfektion nach Kontakt mit dem Patienten
oder mit Gegenständen, die mit Nasopharyngealsekreten
des Patienten kontaminiert sind
3) Desinfektion von Nasopharyngealsekreten und damit
kontaminiertem Material
4) Aufklärung von Kontaktpersonen
5) Impfung?
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Außer
Frage steht der Einsatz einer Chemoprophylaxe mit Rifampicin über
2 Tage bzw. Ciprofloxacin oder Ceftriaxon bei Personen, die engen
Kontakt mit dem Erkrankten hatten so auch bei medizinischem
Personal.
Abstriche liefern
keine Grundlage für eine Entscheidung für oder gegen eine
Chemoprophylaxe, da ein Teil der Bevölkerung vorübergehend
Meningokokkenträger ist und keine Korrelation zwischen Trägerfrequenz
und Erkrankungsfällen besteht.
Tritt innerhalb
von 31 Tagen nach dem ersten Meningokokken-Meningitis-Fall ein weiterer
Fall auf, so spricht man bereits von einem Cluster. Ab diesem Zeitpunkt
ist ein Impfprogramm (beim Typ C) zu überlegen.
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Anschrift
des Referenten:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Schmitt
Landeskinderklinik Linz
A-4020 Linz, Krankenhausstraße 26
E-Mail: klaus.schmitt@gespag.at
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