Bei Atemwegsinfektionen weltweite
Zunahme resistenter Keime beachten - ß-Laktame sind der Goldstandard |
|
Aktuelle Stellungnahme von Herrn
Univ.-Prof. DDr. J. P. Guggenbichler, stellvertretender Vorstand der Klinik mit Poliklinik
für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg, Erlangen |
Bei Atemwegsinfektionen, Sinusitis und Otitis erfolgt sehr oft
zunächst eine "blinde" Therapie ohne Erregernachweis und Antibiogramm, deshalb
ist die Kenntnis der Resistenzsituation für die richtige Auswahl des Antibiotikums
entscheidend. Werden über längere Zeit immer dieselben Antibiotika eingesetzt oder wird
unterdosiert, so ist die Gefahr der Resistenzentwicklung groß, kommt es doch zu einer
Selektion resistenter Bakterien mit geringer Virulenz, aber hoher Antibiotikaresistenz.
Solche Erreger bereiten weltweit zunehmend Probleme. So ist z.B. die Zunahme
Penicillin-resistenter Pneumokokken in den USA, Ungarn, Spanien und Frankreich, aber auch
von Makrolid-resistenten Hämophilus influenzae-Stämmem in Österreich und
Deutschland durch den ungezielten breiten Einsatz der Makrolide ein Faktum. Herr Prof.
Guggenbichler, Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche der Universitätsklinik
Erlangen-Nürnberg, nahm in einem Gespräch zu aktuellen Fragen der Antibiotikatherapie
Stellung.
Welche Probleme bzw. Gefahren sehen Sie, Herr Prof.
Guggenbichler, durch den unkritischen, ungezielten Einsatz von Antibiotika für den
Patienten?
Prof. Guggenbichler: Die Mikrobiologie läßt uns oft im Stich,
da entweder der Erregernachweis nicht gelingt oder die Befunde zu spät kommen, aber
sofort mit einer Behandlung begonnen werden muß. Deshalb ist oft nach der
"Klinik" und aufgrund von Erfahrungswerten über die Antibiotikatherapie
"blind" zu entscheiden. Es besteht die Gefahr, daß bislang gut wirksame
Antibiotika wie Penicilline oder Cephalosporine z.B. durch eine unkritische breite
Therapie mit Makroliden oder neuen Chinolonen ihre Wirksamkeit verlieren. Damit ginge eine
kostengünstige, gut verträgliche und bewährte Therapieoption verloren, was verhindert
werden muß. Wir brauchen ein breites Sortiment verschiedener Antibiotika, die sich
hinsichtlich ihres Wirkspektrums ergänzen. Bei ß-Laktamen wie Penicillinen (mit und ohne
Penicillinasehemmer) und Cephalosporinen der 3. Generation findet sich in Österreich
über die Jahre keine nennenswerte Änderung der Resistenzsituation.
Wie kommt es, daß in Spanien und Ungarn bis zu 60%
Penicillin-resistente Pneumokokken auftreten, während in Deutschland, Österreich und der
Schweiz z.B. nur 1 - 2% dieser Bakterienstämme Penicillin-resistent sind?
Prof. Guggenbichler: Dies hängt unter anderem mit der
traditionell hohen Antibiotika- und Penicillindosierung in den deutschsprachigen Ländern
zusammen, weil doch generell nicht die Minimierung der Arzneimittelkosten - wie etwa in
den USA - sondern eine rationale und mikrobiologisch kontrollierte Therapie geübt wurde
und wird, das heißt im Zweifelsfall höher dosiert und länger behandelt wird als in
anderen Ländern. In Österreich ist glücklicherweise die Resistenzsituation bei ambulant
erworbenen Atemwegsinfekten hinsichtlich Pneumokokken- und Hämophilusstämmen noch
günstig, allerdings sieht man z.B. in der Steiermark bereits vermehrt Makrolid-resistente
Hämophilusstämme. Durch die stetige Verwendung der gleichen Antibiotika ist eine
ähnliche Entwicklung auch in Österreich zu befürchten. Man sollte daher nicht an
Antibiotika sparen, sondern mit Antibiotika sparsam umgehen.
Wie sehen Sie den Einsatz der Makrolide? Gibt es nach Ihrer
Erfahrung durch die vermehrte Gabe langwirksamer Makrolide einen Trend zu vermehrt
resistenten Bakterien bei Atemwegsinfektionen?
Prof. Guggenbichler: Wir haben an der Klinik in Erlangen bei Kindern mit
Infekten der oberen Atemwege nachgewiesen, daß z.B. nach der Therapie mit Azithromycin
noch über lange Zeit subtherapeutische Wirkstoffkonzentrationen bestehen, die eine
Resistenzentwicklung, etwa bei Hämophilus influenzae begünstigen. Wir haben bei
diesen Kindern im Rachen bis zu 60% Makrolid-resistene Bakterien nachweisen können.
Die galenischen Zubereitungen der Cephalosporine werden von den Kindern generell besser
akzeptiert und sind hervorragend verträglich. Für mich sind ß-Laktame bei
Atemwegsinfektionen, und da wieder - je nach Resistenzsituation bei ambulant erworbenen
Infektionen - Penicilline und Cephalosporine Mittel der ersten Wahl. Bei
ß-Laktamasebildnern ist auch eine Kombination von Amoxicillin plus Clavulansäure
durchaus gut einsetzbar. Aber auch orale Penicilline haben bei Angina tonsillaris in
ausreichend hoher Dosierung nach wie vor eine gute Wirksamkeit. Anders ist die Situation
natürlich bei Hospitalismuskeimen wie Staphylococcus aureus, Enterokokken,
Moraxella catarrhalis etc.. In solchen Fällen setzen wir - je nach vermutetem
oder nachgewiesenem Erreger - ein Breitbandantibiotikum oder eine Antibiotikakombination
ein. Man muß auch bei immungeschwächten Patienten a priori breiter wirksame Antibiotika
einsetzen und auch an atypische Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen
denken. Hier haben Makrolide, evtl. in Kombination mit ß-Laktame, ihren Platz.
Mischinfektionen spielen bei ambulanten Kindern mit Atemwegsinfekten durchaus eine gewisse
Rolle, es kommt eben auf die Klinik an, wobei eine Streptokokkenpneumonie durch
Krankheitsverlauf, Laboruntersuchungen und im Röntgen sich ganz eindeutig von einer
atypischen Pneumonie unterscheidet.
|